Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, December 29, 1898, Page 2, Image 2

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    2 Prost« »eutahr.
Entschwunden ein altes verblichenes
Jahr
Dahin in die ewige Weite,
Ein lachender Knabe, mit sonnigem
Haar
.Das Neujahr" gibt ihm das Geleite!
Bring' Glück uns und Segen, du lieb
liches Kind,
Das alt« seh gerne ich scheiden;
sinnt,
Uns bracht' uns so viele der Leiden.
Aus Freude, daß endlich vorüber die
Noth.
Zum Abschied trank leer ich d«n Becher,
Ich hebe ihn htute, mit dampfendem
Roth,
Als alter, begeisterter Zecher.
fürwahr
Bom Abschied, und dampfender Bowle,
„Es lebe das neue, verheißende Jahr,
Das alte, der Teufel es hole!"
Z)ie Sylvester Polonaise.
Im Geschwindschritt machte sich das
alte Jahr auf die Strümpfe, nachdem
es dem Erdenvolke noch einmal, zum
letzten Male, die Lichter angezündet
und zur Zubereitung des Abschieds
truntes ihm die Herdfeuer geschürt
hatte. Es hatte damit seine Schuldig
keit gethan und tonnte gehen.
ter der Mutter Erde thäte» ihm Be
scheid. Lachend und scherzend gruppir
tin sie sich um die dampfenden Punsch
bowlen, ließen ihre Gläser erklingen
und sangen dem Scheidenden frohe
Lieder nach. Aber sie hatten die lachen
den und leuchtenden Blicke mit weit
größerem Interesse dem herantänzeln
den neuen Jahr zugewandt als dem
davoneilenden, und ihr Singen und
Klingen war mehr ein hoffnungsfrohes
.Willkommen" an dieses als ein dan
iensfreudigcs Lebewohl an jenes.
Einer jedoch nahm nicht Theil an
diesem Sylvester - Sang und -Klang,
Herr Johann Jacob Pistel nämlich, der
Inhaber der Firma Gebrüder Pistel,
Großhandlung in Bodenerzeugnissen
und Düngesalzen. Mutterseelenallein
und in sich versunken stampfte er auf
dem weichen Smyrnateppich seines
dunklen Wohnzimmers hin und her.
Ihm hatte das scheidende Jahr keine
Lampe mehr angezündet, selbst das
Feuer auf seinem Herde hatte es zu
schüren vergessen! und doch galt sein
Denken nicht dem neuen Jahr, sondern
ihm, dem alten, und den 38 Vor
gängern, welche «s während seiner Le
benszeit gehabt.
Mit dem Kalenderjahre zugleich
schloß nämlich Johann Jacobs Lebens
jahr. Für andere Menschenkinder
würde solches Zusammentreffen des
Geburtstages mit dem Neujahrstage
ein Anlaß zu doppelter Ausgelassenheit
gewesen sein. Aber Johann Jacob
war eben kein anderer Mensch. Schon
die Thatsache seiner Ankunft hatte et
was Sonderliches im Gefolge gehabt.
„Durch die Geburt eines kräftigen
Jungen wurden hocherfreut Gebrüder
Pistel," so wörtlich hatte sie Oheim Ja
cob, der Bruder und Gefchäftstheilha
ber seines Vaters, in Vertretung des
Letzteren der sta»nenden Welt mitge
theilt, zum Gaudium der halben Stadt,
welche diese Art der Anzeige natürlich
mehr dem Sylvesterpunsch als der
Freude über seine glückliche Ankunft
auf's Conto geschrieben hatte. Das
Zeitungsblatt mit dieser Ankündigung
lag noch in Johann Jacobs Schrtib
tischschublade wohlverwahrt, und der
junge Großhändler in Bodenerzeugnis
sen und Düngesalzen fühlte sich ver
sucht, dies kostbare Andenken an den
ersten Sylvester seines Erdendaseins
einmal wieder aus seinem Versteck her
vorzuholen. Aber er hatte ja kein
Licht, und seinen Dienstboten hatte er
erlaubt, ihren Sylvestervergnügungen
nachzugehen, da mußte es unterblei
ben.
„Hahahaha, Du lieber, guter, alte»
Ohm!"
Herr Johann Jacob nahm sein«
Teppichstampserei wieder auf. Bei
Commercienraths über ihm wurde cS
laut. Tische und Stühle wurden ge
rückt, Füße trappelten. Gläser klangen.
Lachen, Lieder, Hochrufe drangen in
seine Einsamkeit. Es war eine zahl
reiche Familie da oben. Kausleute, Ge
lehrte, Militairs, Söhne und Töchter,
Schwiegersöhne und Schwiegertöchter
und Kindestinder. Aber sie störten den
Einsamen nicht. Er schaute dem
Flackerscheine zu, den die Straßenla
ternen auf feine reichbemalte Zimmer
decke Hinspielen ließen, und obwohl er
Wußte, daß über ihm Maienschöne und
Lenzesfrische in herrlichster weiblicher
Verkörperung lachten und scherzten,
sandte er seine Gedanken in die 39
Jahre seines Lebens spazieren, einsam,
traumverloren. Wie seine Geburt der
Welt einst durch die Firma angezeigt
worden war, so war er auch später als
.Sohn der Firma" vom Onkel Jacob
erzogen worden, und zwar als einziger
Sohn, denn seine Eltern waren bald
gen Jahren die dunkle Psorte in's
Jenseits überschritten.
„Hoch! Hoch!! Hoch!!!" jubelte ei
lers einsam ernste Todtenfeier hinein.
Helles Silberlachen mischte sich darein,
und Stiihlerücken nebst Fußgetrappel
gab den Baß dazu.
.Sylvesterpunsch!" Auf Johann Ja
:obs Stirn erschienen ein paavßunze'n
der Verdrossenheit. Er kannte die
meisten der Herrschaften, welche über
ihm Heisammen waren! mit einigen
bei den zufälligen Begegnungen auf der
Treppe das lieblichste Lächeln sehen
und einen melodischen Gruh hören l^s
rathen: „Junge, laß die Gebrüder Pi
stel nicht aussterben!", hatte er nichts
gethan, diesen Wunsch zu erfüllen.
der Lärm. „Prosit Neujahr!" Prosit
Doch nein! In duftigem, weißem
Kleide huschte es plötzlich aus der Reihe
her an ihn heran, ein zarter Mädchen
lich gar sonderbar zu Muthe und won
nig um'S Herz. Dasselbe rosige Lip
penpaar, das ihm schon so manches
schaftsziinmer über Johann Jacobs
Wohnung landete. Es war eine »eine
! Sylvesterpolonaise ex tempore.
Der Philister Johann Jacob war
! plötzlich seiner Einsamkeit entrissen
und in den Jubel einer „zahlreichen
Familie" versetzt, in der er gerade ge
fehlt halte, um die Paare voll zu ma
! chen. . . _
Hanna Moritz und Johann Jacob Pi
stel, in Firma Gebrüder Pistel, ein
glückliches Brautpaar. Onkel Jacobs
Wunsch war erfüllt: Die Gebrüder Pi
stel starben nicht aus!
Großartig, viel großartiger als im
Abendlande wird Neujahr in Japan
gefeiert. Am frühen Morgen dcs 1.
Januar wird die Neujahrssuppe, Soni
genannt, eine Fischsuppe mit Reis
klößchen, aufgetragen und dazu Sake
(Reiswein) getrunken. Auch mit an
deren Speisen und Getränken ist man
an diesem Tage wie an den nächsten
reichlich versehen, um all' die glückwün
schenden Gaste möglichst gut aufzuneh
men. Um seine Glückwünsche darzu
bringen, fährt man an den ersten drei
Tagen des neuen Jahres zu allen Ver
wandten und Bekannten herum und
findet überall bei reichbedeckter Tasel
freundliche Aufnahme. Man begrüßt
sich mit einem „Schinnen Omedoto !"
(Prosit Neujahr!) und spricht dazu:
„Ich danke Ihnen, daß Sie mir im
letzten Jahre so viel Gutes erwiesen
haben und bitte Sie, auch dieses Jahr
mir ebenso Gutes zu erweisen."
Am 2. Januar machen die Kaufleute
wieder ihre Geschäfte aus. Die aller
ersten Kunden erhalten, auch wenn sie
der Größe des Eintaufs. Deshalb
die Priester (Bosu) zu den Leuten. Der
jahrsbesucht am 4. Januar erscheint,
bekommt wohl selbst den Titel „Bosu"
In der Gesellschaft wird in diesem
z. B. den Verlierern das Gesicht mit
Rolle wie bei uns die Ballsäle" Ein
anderes sehr beliebtes Spiel ist das
Hane-Spiel, wobei die Spieler in
schen gespannt. Daran werden zwei
gekreuzte Flaggen befestigt und Hum
mern, Citronen (Daidai), Seekohl
denen die Janagi inotschi (Küzclchcn
Benutzte Gelegenheit.
Onkel (den Nissen auf seinem Zimmer
besuchend): „Freue mich, mein Junge.
Dich so fleißig zu finden ... was ar
beitest Du denn da?" —Neffe: „Che
. . . apropos, haft Du vielleicht etwas
Metall bei Dir?"
Die Quelle des Reich
thums. Besucher: .Acht Kinder ha
daß die Erhattungskosten doppelt und
dreifach gedeckt werden!"
Human. „Warum stehen Sie
seit einer Stunde schon hier erwar
ten Sie Jemanden?" „Ach nein, ich
will blos aus die andere Seite hin
über. Da aber bei dem großen Wa
renverkehr ein Kutscher mich leicht
überfahren könnte und der arme
Mensch dann bestraft würde, so warte
ich lieber!"
Die wir froh beisammen sind!
Den gefüllten Kelch erhebe
Jeder in der heitern Schaar:
Alles, was wir lieben, lebe.
Lieb' auch uns im neuen Jahr!
Z)er KeirathsvermiMer.
bauchigen Terrine den dampfenden
Punsch in die großen Gläser. Wie er
in das letzte Glas einschänkte, begann
die Uhr die zwölfte Stunde zu schla
gen. „Prosit Neujahr, Weib, Kinder
und lieben Freunde," rief der Justiz-
Als sich Ella Mildenberg zu ihrem
Nachbar zur Linken wandte und mit
ihm anstieß, lag in ihrem leisen „Prosit
Neujahr, Herr Doktor", ein herzlicher
Ton, der den schüchternen jungen
Mann erröthen ließ und dem Nachbar
zur Rechten, dem jähzornigen Assessor
Beseler, ein zorniges „hum" entlockte.
Nun ging es an das Bleigießen.
Mit gespannter Miene schaute Ella zu,
wie der Doktor Kärger die Schippe
umstülpte und das Bleistück in das
Wasser fallen ließ.
„Ein Herz, ein Herz haben Sie,
Herr Doktor," jubelte sie und zeigte
auf das allerdings «ne
spitzes Stück des Bleis, das aus der
Mitte des Klumpens aufragte.
„Ach was," sprach Assessor Beseler
Assessor Beseler das BleistUckchen sei
„Welcher der Götter hetzte die Bei
tracht zeichnete sich durch lange blonde
Zöpfe und ein rundes Kindergesicht
aus und hieß Ella Mildenberg. Der
jähzornige Assessor sah es als eine
ebenfalls erlaubt hatte, sich in Ella zu
verlieben. Er hatte Kärger gegen
über, der, trotzdem ihn die schöne Ella
Aber in ihm lochte es. Wie hatte das
Mädchen heute wieder diesen unschein
baren Doktor ihm, dem eleganten
Assessor gegenüber, bevorzugt! Und
wie hochmüthig gnädig hatte der un
verschämte Kerl alles das hingenom
men, während er, Beseler, sich doch
durch das kleinste Zeichen der Gunst
beglückt gefühlt hätte!
Darin verurtheilte der Assessor sei
nen Freund Kärger nun freilich ganz
falsch. Was er für Hochmuth hielt,
war bei Kärger nichts als die holde
„Tumbheit", wie man im Mittelalter
sagte, oder Naivetät, wie der weniger
schöne moderne Ausdruck für dieselbe
Sache verlautet. Kärger war viel zu
bescheiden, um in Ella's Benehmen
eine Ermuthigung seiner Wünsche zu
sehen. Manchmal glaubte er wohl ei
nen Augenblick lang aus dem oder je
nem Anzeichen schließen zu dürfen, daß
er ihr nicht gleichgültig sei, dann
ken als unerhört anmaßlich. Warum
sollte das vielumschwärmte, schöne und
reiche junge Mädchen gerade ihn, den
jungen, unbemittelten Arzt, Anderen
vorziehen?
Auch jetzt, wie die beiden Freunde,
nachdem die große Punschterrine glück
lich geliert war denn früher hätte
der Justizrath seine Gäste nie sortge
lassen und sie sich verabschiedet hat
ten. auf der Straße waren, fragte sich
der ehrliche Junge immer wieder:
. Liebt sie mich? Liebt sie mich nicht?"
Er tonnte sich keinen Vers daraus ma
chen, und er hätte alt und grau dar
über werden können, ehe er sich zu einer
Erklärung entschlossen hätte, wenn ihm
nicht sein Freund Beseler dazu verhol-
Das aber kam so: „Wie wär's,
wenn wir noch in ein Cass gingen?"
fragte Kärger, als sie eine Zeit lang
schweigend nebeneinander hergegangen
der Assessor.
Sie traten in ein Caf6 unter den
Linden ein. daS Dank der Sylvester
nacht vollständig überfüllt war. Nur
mit Mühe vermochten sie sich ein Plätz
chen in einer Ecke des CafSS zu er
obern. Der Assessor bestellte sich einen
extra starken Schlummerpunsch, um.
wie er ingrimmig zu Kärger sagte, in
der Nacht wenigstens sicher seinen Aer
„Aber, was hast Du denn, Beseler,
verbrummt bist?" fragte Kärger herz-
Der Assessor that einen starke» Zug
»us dem Glase, dann schrie er, durch
die Wirkung des heißen, schweren Ge
tränkes noch mehr erhitzt, wüthend:
.Stell' Dich doch nur nicht so dumm
an, Du Scheinheiliger. Du weißt
Du weißt, daß Ella meine stille Lieb«
'"'D kt chts D
hoffte. Aber Beseler ließ ihn nicht
„Mach' nur leine Witze. Du bist
rückt. Und das Mädel hat nur Au
gen für Dich!"
Körger horchte auf. Sein Gesicht
erhellte sich. „Ich glaube. Du irrst
Dich." sagte er scheinbar harmlos.
„Ach was, hab' Dich nur nicht
dumm," rief der Assessor, den der Zorn
Abends unvorsichtig machten. „Thu'
doch bloß nicht, als wenn das Deine
erste Liebe wäre, und Du nicht wüßtest,
Herzen, und wie sie dann von Dir Ab
schied nahm. Denlst Du, ich Hab's
nicht gemerkt, wie sie mir blos so leicht
können schien?" Je mehr sich der
Assessor in seine Wuth hieinschrie, desto
vergnügter wurde der Freund.
„Aber da« ist ja ganz reizend", sagte
„Reizend findest Du eS?" schrie Be
sammensaß.
Ein Streit war dem Assessor in der
Stimmung, in der er sich befand, ge
rade recht. „Ich rede so laut wie ich
will", rief er, llemmte fein Monokel
Freunde sprangen auf"und umdräng
ten den Tisch, an dem Beseler und
Kärger saßen. Vergebens zupfte der
Arzt seinen Freund am Rock um ihn
kommen konnte.
„Wenn Du Dich vor den Leuten da
fürchtest, so mach' doch, daß Du fort
kommst," rief Beseler dem Freund? zu.
Das that nun Kärger zwar nicht, aber
er mischte sich auch nicht in den Streit
hinein, der schließlich damit endete,
daß der Assessor und sein Gegner in
«inen kühnen Bogen aus dem Lokal
hinausflogen. Dort nahm sie ein
wohlwollender Schutzmann unter seine
Fittiche und brachte sie zur Wache.
Kärger ging mit. um dem Freunde
wenigstens die Nacht auf der Polizei
wache zu ersparen, aber unglücklicher
Weis« wurden die Briefschaften, die er
bei sich führte, nicht als eine genügende
Legitimation angesehen, und es blieb
ihm daher nichts Anderes übrig, als
den nun ziemlich niedergeschlagenen
Freund auf der Polizeiwache zu lassen.
So leid ihm Besel«» auch that,
konnte er doch ein glückliches Lächeln
nicht unterdrücken, als er nun nach
Hause ging.
„Sie liebt mich, si« liibt mich", flü
sterte er vor sich hin. Er faßte einen
kühnen Entschluß, der schon am näch
sten Tage zur Ausführung gelangen
sollte.
Um die Mittagsstunde des Neu
jahrStages war Ella damit beschäftigt,
in der guten Stube die Ordnung wie
der herzustellen. Sie stellte die Wein
gläser, die gestern so fleißig benutzt
worden waren, in einen kleinen
Schrank. Aus welchem hatte Wohl
der Doktor gestern getrunken, als er
ihr sein „Prosit Neujahr" zurief? Der
liebe Kerl! Wie herzlich das geklun
gen hatte! Unwillkürlich öffnete sie
den Mund und sprach halblaut vor sich
hin: „Prosit Neujahr!" Sie schüt
telte den Kopf: „Nein, so klang es
nicht, viel herzlicher: „Prosit Neu-
War das ein Echo? Da «lang es
ja dicht hinter ihr. ebenso wie gestern:
„Prosit Neujahr!"
Sie fuhr erschreckt herum. Kärger
stand vor ihr. „Nein, wie Sie mich
erschrecken, Herr Doktor!" flüsterte sie.
Wie verändert der Doktor heute aus
sah! Sein Gesicht hatte einen unter
nehmenden Ausdruck, der Schnurr
bart war keck4n die Höhe gebürstet.
„Ich werde Sie gleich noch mehr er
schrecken, Fräulein Ella," rief der ver
wandelte Doktor übermüthig. Dabei
sank er in die Kniee und bat sie in den
zärtlichsten Ausdrücken um ihre Hand.
Nach dem ersten Kuß und den erste»
zärtlichen Worten sagte Ella erstaunt:
„Du siehst heut so ganz anders aus.
Fritz, so unternehmend. Ich hätte
Dir überhaupt so vtel Courage gar
""?OH°?" ries Fritz und spielte den
Gekränkten. „Ich habe eine mords
mäßige Courage." Und zum Beweise
wollte er sie um die Taille fassen. Sie
entschlüpfte ihm, er lies ihr nach.
Athemlos und lachend rannten sie ein
paar Mal wie die Kinder im Zimmer
herum. Eben hatte sie Fritz eingeholt
und wollte sie wieder umfassen, aber sie
entschlüpfte ihm abermals, und er um
armte statt ihrer den eintretenden
Assessor.
Beseler machte sich ziemlich unsanft
aus den umklammernden Armen des
Freundes los. Er übersah die Situa
tion sofort. „Wenn hier Gesellschafts
spiele gespielt werden sollen", sagte er
sagte der Assessor mit Galgenhumor.
.„Prost Neujahr, alter Junge!"
der Assessor. „Erst Polizeiwache,
jähr ist."
Kostbare Geschenk«.
Fabelhafte Pracht und Verschwen
dung wurde bei den Ncujahrsgeschcn
unzählige Menge kleiner Meißner Sta
tuetten anführen, die der Regent (Phi
lipp von Orleans) seiner Tochter, der
daß der Herzog von Orleans ihr am
Neujahrstage des Jahres, da sie zum
dreißigsten Male den Frühling wieder
kehren
Ben parsiimirte Papiere mit Siegeln,
die galante Devisen trugen, aufgehäuft
waren.
Man Hai unter der Restauration
häufig jenen Lord angeführt, der einer
Tänzerin der Oper eine Schachtel Cho
koladenpapillotten, die in Banknoten
eingewickelt waren, zuschickte. Um diese
Zeit machten noch die reichen Aristokra
ten einander sehr prächtige Geschenke.
Den jungen Frauen wurden Sträuße
worden und man spendete gewöhnlich
Chokoladesachen in großen flachen
Schachteln mit bemalten Kartons, wie
gekommen sind.
Im Jahre 1830 nach der Eroberung
von Algerien nahm Alles einen arabi
schen Charakter an: Beduinenhäupter
fand man selbst auf dem Fruchtzucker,
der damals noch zu den eleganten, für
Geschenke geeigneten Konfiserien ge
hörte. Blumen aus Zucker füllten aus
Blättern geflochtene Körbe. Ferner
waren Handschuhschachteln, Parsüms
köfferchen und auch Kunstbroncen be
reits sehr beliebt. Damals waren aber
auch noch Broderie- und Stickereiarbei
ien aller Art, oft wahre Kunstwerke,
als Neujahrsgeschenke durchaus zu
lässig.
Blumen waren selbstverständlich be
reits sehr in der Mode und Nachah
breiteter.' als in unseren Tagen. Jeder
Gegenstand wandelte sich für die Neu
jahrsgeschenke in Blumen um. Aus
Bronzeblumen wurden Tintenfässer
dargestellt. Porzellanblumen dienten zu
Einfassungen von Kaminen, Ebenholz
jardinieren wurden mit natürlichen
und künstlichen Blumen angefüllt.
Ferner waren schöne Pelzwaaren als
Neujahrspräsente sehr beliebt.
ersten Platz unbestritten die Arche
Noahs ein. Sie hatte einen solchen
Erfolg, daß sich die jungen Mütter
selbst damit belustigten, die Arche in
einem im Salon aufgestellten Schaffe
herumschwimmen zu lassen. Mit den
heutigen Puppen konnten die damali
gen natürlich in keinen Vergleich ge
stellt werden: die Emailaugen, die ge
regten überall Helles Entzücken und un
beschreibliche Bewunderung. Im Jahre
184« bei der Rückkehr der Reste Napo
leons kam eine Unmasse Nippessachen
und Spielzeuge auf, die an den Wclt
säulen Napoleons, die heute von den
Sammlern so sehr begehrt werden.
AusdemGerichtssaale.
Richter: „Wie ist JhrName?" Hau
sirer: „Kasimir Grrrzzoppdslsky!"
Richter: „Oh was fehlt Ihnen? Ist
Ihnen nicht wohl?" Hausirer: .Mir
fehlt nichts- das ist mein Name!"
Ein unglücklicher Dich
ter. „Der Dichter Seufzerl hat,
trotzdem er bereits 60 Jahre alt. bis
heute noch keinen Verleger gefunden!
Ich glaube, der ist im Papierkorb auf
die Welt gekommen!"
Zuängstlich. „Wohin gehst
Du denn, Amalie?" »Der Letzte ist
heute und da will ich die Miethe zah
len!" „Aber was fällt Dir denn
ein, Amalie?! Wenn wir so pünktlich
zahlen, steigert uns sicher der Haus
herr!"
OdieseKinder! Frau A.
(eine Freundin besuchend): „Sie wol-
Zähne untersuchen lassen." Der
kleine Hon» (Sohn des Hauses):
„Aber, Mama, Du brauchst doch nicht
Act der Höflichkeit, der darin besteht,
Griechenland mußte die Braut nicht
weniger als 150 Küsse austheilen.
Drei Küsse bekam der König, ebenso
sin - Braut! Als sie die Kirche verließ,
herzlich küßte, sagte dieser kalt: „Ma
nie eine solche Freiheit mir gegenüber
Auch in der Politik spielte schon der
Kuß eine allerdings unschuldige Rolle.
Die Herzogin von Devonshire soll ein
mal erklärt haben, sie gebe Jedermann
einen Kuß, der für den Herzog stimme.
Als nun ein Wähler. Metzger seines
Zeichens, ihr sagen ließ, daß er nur
unter dieser Bedingung für ihren Gat
ten stimmen werde, war sie damit ein
verstanden und gab ihm einen Kuß.
Zu einer Zeit, als die Engländer
nicht so gern in die Armee eintraten
wie heutzutage, reiste die Herzogin
Soldaten anzuwerben und ließ den
jungen Leuten die Wahl zwischen ei
nem Schilling und einem Kusse. Da
sagte ihr ein Veteran die Schmeichelei:
„Ein Schilling ist ein gar vergänglich
Ding, dagegen ein Kuß von den Lip
pen der gnädigen Frau Herzogin, läßt
Jahre lang balsamischen Dust aus dem
Munde des Soldaten zurück."
»i« titedetprob«.
Zwei Mädchen sind über die Ohren
in einen jungen Mann verliebt. Die
Eine schwört, er liebe sie mehr als
ihre Rivalin. Die Andere behauptet
mit gleicher Energie, das Umgekehrte
sei der Fall. Sie beschließen, ihn aus
die Probe zu stellen. Jede soll ihn»
ein Briefchen schreiben, in dem sie ihn
bittet, sie zu einer bestimmten Stunde
zu besuchen, und da er doch beiden Ein
ladungen nicht gleichzeitig Folge leisten
kann, so soll es als ein endgiltiger Be
weis gelten, daß derjenigen sein Herz
gehört, zu der er kommt. Nach diesen«
Entschluß fühlten sie sich beide wesent
lich erleichtert. Und gerade, als sie
diese Unterhaltung auf ihrem Spazier
gange beendet haben, begegnet ihnen
der Gegenstand ihres Zwistes und ihrer
Neigung. Er hatte es sehr eilig und
alles, was er ihnen in dem kurzen Au
genblick zu sagen wußte, war, oaß er
irgendwo seinen Regenschirm habe ste
hen lassen. Als die Schöne No. 1 sich
in ihrem Boudoir sicher geborgen fühl
te, faßte sie den festen Entschluß, den
Sieg davon tragen zu wollen, wenn sic
zu diesem Zwicke auch der Waqrheit
etwas Zwang anthun sollte. S!e
schrieb: „Liebster Karl! Ich bin sehr
krank. Vielleicht muß ich sterben.
Kommen Sie doch sicher heute Abend."
Erklärung ist in dem Billet No. 2 ent-
Sie haben Ihren Schirm bei unt ste
hen l-ffen."