Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, August 11, 1898, Page 2, Image 2

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    2 Mutter und Kraut.
Ich gebrauchte die ganz« Muskel
kraft meiner Hände, um den Kahn zu
lenken, doch nur langsam bewegte er
sich vorwärts. Wir befanden uns
noch in dem am Bodensee liegenden
Hofen Lindau's, wo es von Schiffen,
welche die verschiedensten Richtung«»
verfolgten und in mannigfachster
ich hatte all« Mühe, ihn in Entfernung
von ihnen zu halten. Es war eine
unheiinliche Situation Im Kahne
und Wollen verschwanden in einem
herrlichen Bilde. Ich überließ den
Kahn sich selber. Eine Gluth, ähnlich
der des Bildes, das uns umgab, durch-
Blicke sich über mich ergossen/der
einer Mutter, die dem Glück ihres Kin
des alleEitelkeiten des Lebens geopfert,
und der Blick einer Geliebten, di« zu
ihrem Herzensgegenstande wie zu ei
nem übermenschlichen Wesen ausschaut,
d«m sie ihr Glück, ihr Dasein sür im
mer fchenlt.
Die Sonne tauchte langsam vollends
unter, die feurige Gluth erlosch lang
sam; ich erwachte wie aus einem Trau
me und griff wieder zu den Rudern.
Wir lehrten schweigsam in's Hotel
Helvetia zurück. Die Treppe führte
bis auf die Mitte des Corridors, wäh
rend dieser sich nach linls und rechts
tief ausdehnte und als Zutritt zu den
vielen Zimmern diente. Meine Mut
ter hatte ein Zimmer inne am äußer
sten Ende des Corridors, der sich nach
rechts ausdehnte, während meineßraut
«ines im linken äußersten Theile mit
ihrer kränklichen Mutter bezog. Wir
begleiteten meine Mutter zuerst auf
ihr Zimmer und gleich darauf führte
ich mein Mädchen zu ihrer Mutter, wo
ich noch einige Zeit mit Schmieden von
Zukunstsplänen verbrachte. Ich ging
in's Kaffee hinunter, um Tagesneuig
keiten zu lesen; doch dies wurde mir
durch das ausnahmsweise ununterbro
chene Schwanlen der elektrischen Gliih
lichter unmöglich gemacht. Plötzlich
Feuer! tönte es im ganzen Hause.
Ich lies rasch die Treppe hinan. Be
reits füllte der Rauch den Corridor
gen zu mir, unter denen ich die meiner
Mutter und meines geliebten Mäd
chens zu vernehmen glaubte. Ich stand
ter die sich dos Krachen von Balken
und geschleuderten Möbelstücken misch
ten. Noch immer stand ich da, un
samsten Dilemna, eines der härtesten
Herzenslämpfe. Von rechts drang zu
mir diesmal deutlich mein Name geri,
und Donnern erschien; ein' wahres
jüngstes Gericht. Aus diesem Chaos
von schwarzen, grauen und flammen
durchzuckten Nebeln löste sich ein Bild.
' G 'ss
Stoßseufzer. Tante:
„Fritzchen, Fritzchen, Euer Rohrstock
sieht aber siark gebraucht aus." Fritz
chen (kläglich): „Ach, Tante, ich werd«
eben sehr heftig erzogen!"
Schlaftrunken. Fremder
<ter bei einer nächtlichen Feuersbrunst
im Hotel plötzlich durch einen Strahl
aus der Feuerspritze geweckt wird):
„Ja. ja, ich stehe gleich auf, liebes
—ln der Kaserne. Unter,
officier: „Meier, was thun Sie, wenn
Si- Abends aus Versehen einen Offi
cier anstoßen?" Rekrut: „Da thu« ich
eine Ohrfeig« lrieg«^."
Bine Kochzeitsreise.
Riekchen. di herein, hi«r sind nicht
so viel Leute!"
Er stieg in das Coup«? und reichte
dann seiner Gattin die Hand, damit
stütze. Die Stufen waren hoch und
steil! das Aussteigen wurde ihr sauer.
Endlich stand sie neben ihrem Mann,
Art gekleidet, einfach in Schnitt und
Stoff des Kleides, dessen Färb« allein
allzujugcndlich gewählt Wen.
„Setz Dich in's Eckchen, Mielchen,
da siehst Du besser," wandte er sich
zärtlich an seine korpulentere Gattin
und räumte sorglich ein paar Schach
teln fort, die er beim Einsteigen auf
den Ecksitz geworfen.
Rick nahm Platz. Sie griff in
ihre Tasche, holt« ein säuberlich zu
sammengelegtes Taschentuch hervor
und fuhr sich mit demselben über das
Ekslcht, dann zupfte sie ihren Mann
beim Aermel: „Setze dich nur zu mir
'ran!"
schickt es sich."
Damit ließ er sich seiner Frau ge
genüber in der anderen Fenster«cke
Nieder.
Eine Weile blickt«n di« Gatten zum
Fenster hinaus auf das buntbewegte
Treib«n des Perrons.
~Ob wohl jeden Tag so viel Men
sch«« reisen?" fragte Niel«.
„Es muß wohl so sein, denn heule
ist ja Wochentag."
„Warum das Reifen dann aber noch
immer so theuer ist?" setzte Rieke un
zufrieden fort.
„Nun wir können es uns ja leisten
brauchen uns von der Eisenbahn
«esellschast nichts schenken zu lassen,"
entgegnete der Mann würdevoll.
Reil« seufzt« befriedigt auf.
„Ach ja!"
Dann machte sie fich's recht bequem,
lehnte den Kopf an die mit Hellem
Stoff ausgepolsterte Rückwand und
schielte über ihr weißes Bouquet zärt
lich zu ihrem Mann hinüber.
Endlich wurde das Zeichen zur Ab
fahrt gegeben.
„Jetzt wird's Ernst!" sagte der
math verlassen, um in die Fremd^zu
zi«hen Wer weiß, wie es uns
dort ergehen wird!"
Riekchen, vierzehn Tage höchstens.
Aber diese vierzehn Tage sind wir uns
schuldig. Bedenke seit wie lange wir
uns diese Reise schon vorgenommen
„Ja .. ja ..
Frau Rick« lächelte leise vor sich
hin, ab«r dennoch stiegen Thränen in
ihren Augen auf, als der Zug sich in
Bewegung setzte.
denlt, daß man nun ganz auf sich an
gewiesen ist.... was kann Einem
nicht Alles unterwegs Passiren ....
ach sei n»r recht gut zu mir, Fritz...."
senl SNek'chen?"*""
„O ja, aber jetzt mußt Du's dop
pelt sein, d«nn ich fühle mich 112» ver
lassen .... am liebst«» würde ich um
kehren ...."
„Geh, Riekchen. sei k«in Kind ...
Und d«r Greis setzte sich hinüber an
die Seite seiner Frau, nahm ihre Hand
in die seine und drückte sie zärtlich,
indem er leise, beruhigende Worte flü
sterte. Schließlich mußte er ihr wohl
was Scherzhaftes gesagt haben, denn
sie hörte zu weinen auf, lächelte über
das ganze Gesicht und gab ihrem
Mann einen Klaps auf die Hand.
„Du bist ungezogen!"
„Na, na, Riekchen, auf der Hoch
zeitsreise wird man doch wohl ein bis
chen ungezogen sein dürfen. So viel
weiß ich doch auch was Brauch ist."
Frau Rieke wehrte mit der Hand.
„Nein. Fritz, das schickt sich nicht
„Ich bitte sich meinetwegen gar nicht
zu geniren, thun Sie, als ob ich gar
nicht da wäre!"
„Siehst Du, Riekchen?" wendete
zum Fremden: „Ich danke Ihnen,
mein Herr, für Ihre Freundlichkeit
ich wollte nämlich meiner Rieke ei-
Fremden gegenüber entschuldigen zu
müssen: „Zu Hause haben wir nie Zeit
gehabt sür solchen Unsinn, lieber Herr,
aber jetzt da machen wir unsere
Hochzeitsreise, und da glaubt mein
Fritz eben, daß ihm Alles erlaubt ist."
Der Fremde blickte verblüfft auf
„Ihre Hochzeitsreise?" fragteer ge
dehnt.
Der Alte zwinkerte seiner Frau ver-
ständnißvoll zu und nickte dann be
stätigend.
zeitstag."
Frau Rieke hielt dem Fremden ihr
Bouquet hm.
Muth. Er dachte,'er hätte es mit
einer Geistesgestörten zu thun. Uni
sie nicht zu reizen, ging er auf ihren
„Sie haben sich wohl schon lange
früher gekannt?" fragte er und wen
dete sich dabei mehr an den Mann, als
an die Frau. Der Alte dacht« eine
Weile nach.
ten, li«b«r Herr. Die Riel« war da
mals ein bildhübsches Mädel..
Frau Rieke seufzte.
ganzen Tag" las sie Romane, und am
Abend spielte sie Klavier."
„Ach nur ganz wenig," wehrte Rieke
bescheiden ab.
Der Fremde lächelte.
„Sie habe» sich wohl am Klavier
Der Alte nickte lebhaft.
Der Fremde lachte leise: „Ach
z,i il"
' d Sck
Alles mit ihr sprechen lonnte, wie sie's
gerne haben wollte und wie es Andere
wohl auch thaten. Gelt, Riete? End
konnten wir «ine Wirthschaft schon
gründen. Aber Ri«ke hatte sich in
den Kopf gesetzt, ein« Hochzeitsreise zu
doch nicht, und wir wollten daher noch
ein Jährchen warten. Doch das Jahr
war schlecht, und ich mußte das Er
sparte angreifen, dann kamen Krank
heit, Pech, unser Geld schwand, Fatt
zu wachsen, und wir sahen ein Jahr
nach dem anderen vergehen, bevor wir
schon gar nicht mehr zu denken," fügte
Frau Rieke traurig hinzu. „Die
mußten wir immer wieder aufschieben,
bis auf den heutigen Tag."
„Ja, ja, lieber Herr, heut« vor fünf
undzwanzig Jahren, da konnten wir's
nicht so nobel geben. Getraut wurden
wir ganz in der Stille mit fünf ande
ren Paaren zusammen, und als wir
Geld in's Geschäft gesteckt werden.
Die Rieke hatt« schon längst alle Ro-
Haus: Riete, sagte ich, hier ist Geld,
ab."
„Und er hat Wort gehalten?" fragte
zweiten Klasse, wie die feinen Leute,
und mein« Riek« hat «in veritables
Brautbouquet das hatte sie nicht
vor fünfundzwanzig Jahren! Und
reife ..,, denn «s ist heute unsere
silbern« Hochz«it! Nun, lieber Herr,
wo Sie wissen, wie es steht, darf ich
da einen Kuß geben, den si« sich in
d«n fünfundzwanzig Jahren redlich
verdient und nicht bekommen hat, weil
2änd«l«i?"
Der Fremde lächelte und reichte den
greisen Hochzeitsreisenden in sponta
ner Herzlichkeit die Hand. Dann
sagte er:
„Möge die Begegnung mit Ihnen
für mich von guter Bedeutung sein.
Auch mir steht in acht mein«
Hochzeitsreise bevor ich muß mei
ner Frau freilich alle Küsse lreditiren,
die sich di« Ihrige schon so wacker ver
dient hat."
„Arme leppi!"
Als ich im December 1883 zufällig
eine Kärntner Zeitung in die Hand
b«kam, erfuhr ich daraus, daß Josefine
Gallmeyer am selben Tage in Klagen
furt ihr Gastspiel mit der „Näh«rin"
beschließen werde. Ich hatte bis dahin
keine Ahnung, daß sie dort spiele, denn
sonst wäre ich sogleich zu ihr gefahren.
Um vier Uhr war ich in Klagenfurt
und stieg im Hotel „Zum Kaiser von
Oesterreich" ab, in der sicheren Vor
aussicht, die Peppie Gallmeyer dort zu
treffen. Nachdem ich mich überzeugt
hatte, daß meine Vermuthung eine
richtige war, ging ich sogleich zu ihr.
Ihr Stubenmädchen sagte mir, daß sie
noch schlafe, doch da sie die Weisung
habe, sie um halb fünf zu wecken, so
solle ich nicht wieder fortgehen. Si«
klopfte leise an die Thür und meldete
mich bei ihrer Herrin an. Ich hörte
sie gleich darauf rufen: „Annecken, Du
bist da? Nur herein, herein, ge
doch mir blieb das Wort im Munde
stecken, so überraschte mich ihr Anblick.
Das war di« Gallmeyer nicht mehr,
das war das Gespenst der Gallmeyer!
Sie lag auf dem Sopha und hatte eine
rothe Perriicke auf d«m Kopfe. Welche
Anwandlung von Eitelkeit sie dazu
veranlaßt h>aben mochte, weiß ich nicht.
verschoben, war überhaupt so zerrauft,
als hätten Mäuse darin gewirthschaf
tet, das Gesicht war schlaff und welk,
nur die stechenden Augen hatten noch
den früheren Ausdruck.
war hoch erfreut, daß ich trotz der gro
ßen Kälte die Reise nicht gescheut, um
sie zu besuchen, und nahm mir das
Coulisse. Wer Peppi Gallmeyer je
betrat. Als die Vorstellung zu Ende
einmal ersparte lA),vt>tl Gulden ge
zeigt!"
„Ach. das ist ja lange her!"
„Hast Du denn gar leine Papiere
!e!l^!"'
nem Geld gemacht? Du hast doch iIN"
mer sehr viel verdient?"
Peppi"/
Ich konnte mich des tiefsten Mitleids
und mir fi«l wieder ein, was ich schon
früher wiederholt behauptet habe: an
vielen Geldausgaben der Gallmeyer
war nur di« Sucht, Marie Geistinger
in nachzuahmen, Schuld. Marie
Bedienten haben; Marie Geistinger
war Direktorin, die Gallmeyer wollte
es auch sein u. s. w. Von nun ab aber
Land« ein Häuschen kaufen tönn«.
„Wie glücklich ist doch die Geistinger,
die hat ein Schloß, ich wäre mit einem
Häuschen zufrieden!" Von jetzt ab
wollte sie all das Geld, welches sie ver
diente, mir schicken, damit ich für sie
spare. „Sei Du mein Schutzgeist,"
sagte sie, „und nimm Dich meiner an!"
So flößte sie mir fürwahr das
größte Mitleid ein. Nach Kräflen ver
suchte ich, ihr die Zukunft in rosige
rem Lichte darzustellen, es gelang
lich so überschwängliche Schilderungen
von ihrem ehelichen Glück gegeben, daß
ich sie fragte, wie es denn kommen
konnte, daß diese Glückseligkeit ein
Ende nahm?
„Ja", sagte sie in wehmüthigem
Tone, „das istAlles vorbei! Siehst Du,
ich war einmal längere Zeit von ihm
getrennt und da hab' ich mir in ei
ner lustigen Gesellschaft etwas zu
Schulden kommen lassen, betrügen
Alles haarklein!"
rauf?"
Graz, ich nachHaufe. Das war in Kla
genfurt die letzte Rolle, welche Peppi
Gallmeyer auf der Bühne spielte. Sie
Bald darauf erfuhr ich aus den Zei
tungen, daß sie schwer erkrankt sei. Ich
fuhr nach Wien, um sie zu besuchen,
ihre lustigsten Couplets. Am 3. Fe
bruar 1884 erlöste der Tod sie von ih
ren Leiden. Zahllose Kränze hingen
daß ihre Wünsche in Betreff ihrer Be
„Arme Peppi!"
Vier Sprüche.
Der freie Flug, das starke Streben
Ermüdet nicht, wie mir im Schweben
verschieden und
Gleich stark an Jugend durch Glück
und Noth.
schwerer dmrch und
Kein Ringen gibt's ohne Wunden,
Kein Schaffen ist eitel Licht.
Jeder Künstler hat Stunden,
Auf Seelensaiten von Krystall!
Reden ist Silber, Ziiiwcigei, ist Gold
Der kleine Max ist mit seiner Mut
ter beim Zahitarzt gewesen, der ihm
zlvei Tafeln des süßen Trostes aufzu
weisen hat. „Mußt Du aber gebrüllt
haben!" empfängt er die Glückliche.
Der Kerr Korporal.
Meine Frau legte Messer und Gabel
also gewollt. Ihre Augen waren
schwarz, ihr Gesicht gesundheitstrotzend.
Aber was hatte das Alles zu bedeuten
költs, die unter ihren Fingern hervor
gingen, waren wahre Gedichte. Ach,
wie schmackhaft konnte das Mädchen
kochen.
mir die Erklärungen meiner Frau zu
Herzen und ich gab ihr in allen Dingen
recht. Marcsa muß man unter allen
Kündigen veranlassen könnte.
Im zweiten Monate sah man uns
Allen das Wohlleben an. Wir wurden
augenscheinlich rundlich, und von Ma
genkatarrhen und ähnlichen Uebelstän
den konnte nicht einmal die Rede sein.
Höchstens passirte es, daß wir schlechte
Träume hatt«, die gewöhnlich darin
bestanden, daß Marcsa uns wegen Be
leidigung gekündigt habe; bei solcher
Gel«g«nheit schrieen wir im Traums
auf und erwachten.
Eines Abends, als wir gerade dar
über redeten, daß im Leben Alles ver
gänglich sei und das Gute durch das
Vöfe verdrängt werde, kam unser
Knabe mit sehr geheimnißvollem Ge
sichte aus der Küche herein und erzähl
te, daß ein Herr Soldat gekommen sei,
der der Marcsa die Hand gereicht habe.
Der Herr So'dat habe sich dann nie
dergesetzt und gefragt, ob nichts zum
Essen da sei? Marcsa hätte ihm dann
Speisen vorgesetzt upd der Herr Sol
dat habe von diesem Augenblicke an
starr vor sich gesehen.
Nach der ersten Ueberraschuna sahen
wir uns gegenseitig an und schwiegen
weiter. Die Stille wurde von meiner
Frau unterbrochen, die mich fragte, ob
ich je gewagt hätte, an dergleichen zu
denken? Ich fand wohl di« Sach« sehr
natürlich und hatte nur zu s«hr an
di«se Eventualität gedacht, getraut«
mich aber nicht, dies einzugestehen.
Statt dessen schüttelte ich den Kopf
und sagte, daß dies wirklich schrecklich
fei. D«r Mensch müsse heutzutage un
ter solchen Umständen wirtlich auf
das Furchtbarste gefaßt sein. Weiter
konnte» wir die Angelegenheit nicht
verhandeln, da meine Frau sich erhob
und in die Küche eilte, woher sie erst
nach Verlauf einer guten Viertelstunde
zurückkehrte, und zwar beruhigt. Sie
ertlärte, daß kein ernsterer Uebelstand
obwaltete, da der Korporal ein Lands
mann des Mädchens sei. Sie trafen
sich zufällig, jetzt plaudern sie ein we
nig, und damit ist die ganze Bekannt
schaft erledigt. Das Ganze war ein
unschuldiger Besuch.
Und wirklich schien es. daß die be
fürchtete Fortsetzung nicht erfolgen
werde, und zwar um so weniger, als
Marcsa mit der Hausordnung in's
Reine lam und erfuhr, daß si« keine
Besuche empfangen dürfe. Die fol
genden Abende verflossen also unge
stört und unser Knabe lauert« verg«b
lich in d«r Umgebung der Küche. Der
Korporal zeigte sich ».cht, aber
Marcsa verständigte nach zwei Wochen
meine Frau, daß si« uns v«rlass«n
wolle. Es erfolgte ein strenges und
eindringliches Verhör, und das Mäd
chen gestand unter den Kreuzfragen,
daß si« uns wegen der HauZordnung
verlasse, denn wenn man nach der
schweren Tagesarbeit sich nicht einmal
mit seinem Landsmann unterhalten
dürfe, so sei es nicht wecth, in der
Hauptstadt zu di«n«n. Denn wozu
solle eine arme Magd denn dann arbei
ten und wozu überhaupt l«b«n?
Ich muß gestehen, daß wir nachga
ben und daß die Hausordnung «ine
Umänderung erfuhr. Meine Frau
zürnte wohl und war unzufrieden,
aber ich freut« mich, da ich ein aufrich
tiger Freund der Liebenden bin. Von
der Zeit an erschien Herr Korporal
Szurtos jeden Abend. Marcsa aber
kochte noch wunderbarer als früher
Bei der Arbeit kannte sie keine Grenzen
und entwickelte einen enormen Fleiß.
Der Korporal verursachte im Uebrigen
keine Unannehmlichkeiten, ausgenom
men, daß er den Knaben auf den
Schooß nahm, ihm Soldatengeschich
ten erzählte und daß der Knabe mit
aller Gewalt Soldat werden wollte.
Leider dauerte auch dieser Zustand
nicht lange. Herr Korporal Szurtos
blieb nämlich eines Abends aus und
zeigt« sich eine ganze Woche nicht. Er
war spurlos verschwunden. Es that
uns zwar leid um das treulos
verlassene Geschöpf, aber wir trösteten,
ja freuten uns sogar, daß die alte
Hausordnung wieder h«rg«stcllt
würd«. Diese Freude aber verwan
delte sich in große» Schrecken, denn der
Knabe kam ei»«s Ab«nds mit der
Frage aus der Küche (wo er d«n Herrn
Soldat erwartet«) zu uns herein, wozu
Zündhölzchenköpfe in Wassergläsern
nothwendig f«i«n? Er «rzählte, daß
Marcsa schon von einem zweiten Packet
Zündhölzchen die Köpfe abbrech« und
in «intm Wasserglas« sammle. Im
nächsten Augenblick« war«»' wir auch
schon in der Küche, wo Marcsa die
Zündhölzchenköpfe geschäftig durchein-
ander schüttelte, wobei sie bitterlich W
weint«. Ich entriß ihr das Glas und W
schleudert« es zu Boden, worauf W
Marcsa bemerkt«, daß dies nichts thu«, W
da es ja noch g«»ug Zündhölzchen aus >
der Welt geb«. Meine Frau winkte >
mir, daß ich mich entferne, was auch W
geschah. Si« aber unterzog di« Ber- >
iassene einer Beichte, und Marcsa ge- I
stand offenherzig, daß sie sich wegen >
ihres Landsmannes umbringen wolle,
da er sie wortlos im Stiche gelassen
habe.
Was si« nock> w«it«r miteinander ge
redet, das w«iß ich nicht, so viel ist aber
o«wiß, daß mein« Frau, als si« zurück
l«hrt«, mit dem Wunsche hervorrückte,
daß ich anderen Tages auf alle Fälle
in die Kaserne gehen und mich nach I
möge. Es sei ja nicht unmöglich, daß ,
> es sich um ein Mißverständniß handle,
das man dann aus leichte Weise lösen ß
lönnte. Dieser Wunsch überraschte
inick> freilich, und ich hatte nicht beson
dere Lust, ihn zu erfüllen, mußte ab«r i
schließlich doch «inwilligen, da Marc
die Strafe schenke? Doch L«tzt«r«s
Nach Ablauf der dr«ißig Tage stellt«
sich der Herr Korporal Szurtos
pünktlich ein. D«r Knab« «rwartete
ihn bereits auf der Treppe und be
pfing ihn in der Küchenthür und be
grüßte ihn mit einer kurzen Rede.
Meine Frau überreichte ihm einig« Ci
txm gedeckten Kllchentisch« Platz zu
n«hmen. Im Uebrigen war er stark ab
gemagert und Hunger leuchtete
Beziehung. Singend virrichtetc sie
ihre Arbeit, und es war eine
das Resultat ihrer Arbeit anzusehen.
Dem Knaben mußte ich freilich eine
Soldatenmontur und einßajonett kau
fen, und er ging beständig in Uniform
umher, indem er betonte, daß auch er
die Soldatenlaufbahn ergreifen und
zu der in der Nachbarschaft wohnenden
Erzsi zum Abendessen gehen werde, die
für ihn gleichfalls die Leber bei Seite
legen werde, um dann zu sagen, daß
sie die Katze des Hausmeisters gestoh
len habe.
Inmitten dieser großen Glückselig
keit kündigte Marcsa plötzlich. Sie
erklärte, daß sie fortgehe und unter kei
nen Umständen bleibe. Weshalb sie
fortgehe, das hätte sie nicht um die
Welt gesagt, sowie sie auch unsere Bit
ten. daß sie nicht fortgehe, rundweg ab
schlug. Und als dann die Kündi
gungsfrist abgelaufen war und wir ihr
das Dienstbotenbuch. in welches wir
ihr das beste Zeugniß eintrugen, aus
folgten, packte sie ihre Sachen zusam
men und ging in die Nachbarschaft zu
den Körösztös, mit denen wir in
Feindschaft lebten und von denen wir
wußt«», daß sie gut zu l«b«n gewohnt
seien. Als wir erfuhren, daß si« sich
in die Nachbarfchast verdingte, waren
wir außer uns. Ich wüthete, meine
Frau wüthet« noch mehr, uns«r Junge
ab«r brüllt«, als wenn man ihn ge
spießt hätte. Und diese Wuth ver
minderte sich durchaus nicht, denn nach
Marcsa kamen schlechte Köchinnen, die
nur zu bald wieder geben mußten.
Weshalb sie uns aber verließ, erfuhren
wir erst später. In der Thoreinfahrt
begegnete ich dem Korporal, den ich
ausforschte und der nach einigem ver
legenen Zögern gestand, daß ihm der
gnädige Herr Körösztös allabendlich
eine Virginia - Cigarre und drei De
ciliter Wein versprochen habe, wenn er
Marcsa dazu bewege, daß sie zu ihnen
in Dienst trete. Und als er dies auf
richtige Geständniß ablegte, bemerkte
er zugleich, daß sie auch an diesem
Platze nicht lange zu verweilen gedenke,
da der Doctor des ersten Stockwerkes
bereits zwei Virginia - Cigarren und
«in halbes Liter Wein in Aussicht
stellte, wenn sie sich dorthin verdinge.
Aber die Sache sei noch nicht ganz per
sect, da er auch noch «ine Extrauniform
haben möcht«.