2 Mekerkillet. Frau Z. war eine Schönheit, wie man sie nicht jeden Tag antrifft. Schön, pilant und kokett! Man sprach sehr viel über sie und natürli cherweise nicht immer zu ihrem Vor theil. Der Luxus, den sie in ihrer Toilette entwickelte und ivelcher in kei nem Verhältnis zu dem nicht unbedeu tenden Vermögen ihres Mannes stand, beschäftigte gar sehr die bösen Zun gen. Die Gerüchte waren auch nicht ganz unbegründet. Nichtsdestoiveniger ver suchte indeß der junge Bantier Felix Z., einer der elegantesten Bonvivants der Stadt, alles, um ihre Gunst zu erlangen. Er machte ihr den Hof auf alle erdenkliche Weise, aber es gelang ihm doch nicht mehr, als höchstens ein entzückendes Lächeln ihrem Rosen munde abzugewinnen. Aergerlich hierüber ging er bei sei nem nächsten Besuche, den er der schö nen Frau abstattete, schärfer auf sein Ziel los; er sprach ganz unverhohlen von den umlaufenden Gerüchten und schloß damit, sie um einen Kuß zu bitten. „Niemals!" rief die schöne Marie, ohne jedoch über seine Kühnheit son derlich erzürnt zu werden. „Um keinen Preis?" fragte er, in dem er seinen Hut ergriff. Die praktische Dame hatte das Wort „Preis" sofort aufgefaßt und klammerte sich an ein« Idee, die ihr dieses Wort eingab. Sie antwortete also: „Nun gut, ich werde mir einbilden, daß ich an einem Wohlthätigkeits - Bazar theilnehme, und mich Ihrer großartigen Opfer willigkeit bedienen." „Nun, und....?" fragte er ge spannt. „Ein Kuß von mir kostet fünfhun dert Thaler," sagte die schöne Frau. „Abgemacht!" jubelte Felix, indem er ihr die Hand hinreichte. „Abgemacht!" erwiderte sie, indem sie in seine dargebotene Hand ein schlug. „Auf Ehrenwort? fragte er. „Auf Ehrenwort!" war ihre Ant wort. Felix empfahl sich ans eine kurze Weile, um nach Hause zu gehen und die Summe zu holen. Kaum war ein« Viertelstunde ver strichen, als er auch schon zu ihre« Füßen lag und seinen Lohn in einem Kuß der schönen Frau fand. Eine gute halbe Stunde später fin den wir den jungen Herrn in dem Kontor seines Freundes, des Banki«rs X., des Mannes der schönen Marie. „Ein Wort!" sagte er eilig. „Für die fünfhundert Thaler, die Du mir vorhin geliehen hast, konnte ich die be absichtigte Verwendung nicht finden, weshalb ich sie im Vorübergehen Dei ner Frau übergab. Indessen meinen besten Dank!" „Aber wie sage doch?" „Adieu! Adieu!" beeilte sich Felix Z. zu rufen, und in demselben Augen blick hatte er sich auch schon aus dem Kontor entfernt. Zehn Minuten nach sechs Uhr be tritt Herr X. wie gewöhnlich seine Wohnung. Marie «ilt ihm entgegen, er küßt sie zärtlich auf Stirn und Wangen, und in dem Moment, als sie ihm dabei behilflich ist, seinen Ueber zieher auszuziehen, fällt ihm das er wähnte Geldgeschäft mit Felix H. ein. „Apropos!" ruft er aus, „Herr Z. hat Dir ja fünfhundert Thaler gege ben!" Es war ein Glück, daß sie hinter ih rem Manne stand! Er würde sonst die tödtliche Blässe gesehen haben, die jäh über ihr Gesicht zog. Sie war au ßer Stande, «in Wort der Erwiderung hervorzubringen. „Er kam vorhin," fuhr Herr Zk. fort, „zu mir in'sßureau und lieh sich fünf hundert Thaler von mir und nach einer ganz kleinen Weile kehrte er wieder zurück und sagte mir, er habe di« er wartete Verwendung für die Summe nicht finden können und hab« dieselbe deshalb im Vorbeigehen Dir überge ben. Ist dem nicht so?" .Ja, freilich," antwortete di« schöne Marie, indem sie ihre perlweißen Zähne zusammenbiß, dann an ihren Toilettentisch trat und die Banknoten herausnahm. „Sieh hier, mein Freund, da sind sie!" um eine Stunde später nach Hause als sonst, ich habe dringende Beschäfti gung!" so sagte die Frau Professor zu dem Herrn Gemahl und dieser zog sofort das Notizbuch, um sich diese Weisung zu notiren, natürlich um gleich darauf, als er fort ging, das Notizbuch liegen zu lassen. Er macht seinen gewohnten Spa ziergang und, da es wie mit Kübeln zu regnen beginnt, eilt er, früher noch, wie sonst, nach Hause. Er sperrt die Corridorthüre auf und ist erstaunt, niemand zu finden, in der Küche sieht es kunterbunt aus. . .. im Vorzimmer lein Mensch, im Wohn zimmer auch nicht, aber horch! daneben ,m Salon, welcher Höllenspektakel! Der patschnasse Professor erbost sich fürchterlich, daß man ihm keine Auf merksamkeit schenkt, wo man doch weiß, wie leicht sich bei ihm ein Rheu matismus einstellt. Auf das Höchst« erzürnt, reißt er die Salonthiire auf und donnert: „Da soll ja aber doch gleich . . . mir scheint hier ist Hexen fabbathü" und steht vor den Damen, die seine Gattin zum Kaffee kränzchen eingeladen hat. Pas Letzte. hinstrecken. Es sind öde, häßlicheGaf dersinkt man in dem Schmutz, der nie mals weggeschafft wird. Die Häuser sind alk vi«le Stock äußerttch der Gänge rastete, ehe sie den mühsa men Aufstieg bis in's allerletzte Stock werk fortsetzte, war sie überhaupt sicht bar. Und auch dann sah sie mit einem jene Hoheit respeltirte, weicherem gro ßes Unglück den Menschen verleiht. Nur wenn sie mit dem Kinde fortging, merkte man, daß ihr Gesicht, das einst sehr schön gewesen sein mußte, auch noch heiterer za erscheinen vermochte. Dann lag in den braunen Augen ein fast feuriges Leuchten, und ihre welke Hand strich manchmal wie kosend über seine prächtigen, goldenen Löckchen. Ja, einmal, als eine Nachbarin sich bei einer solchen Gelegenheit nicht enthal ten konnte, zu sagen: „Ist das aber ein schönes Kind!" da hatte die alte Frau sich freundlich umgedreht und geantwortet: „Freilich! Und gut und lieb und gescheidt ist er auch, mein kleinerSchatz, mein Liebling!" Ein weiteres Gespräch hatte sie aber mit einem grüßenden Kopfnicken abge schnitten und war in ihrer Wohnung verschwunden, ehe die Nachbarin sich noch auf eine weitere Anknüpfung be- Allmählig gewöhnten sich die Leute an die eigene „stolze" Art der Alten und ließen sie und das schöne, blasse Kind ihren eigenen Weg gehen, ohne sich weiter dareinzumischen. Nur woll ten Einige bemerken, daß die Fremde in letzterer Zeit besonders verfallen aussah, und daß ihr Gesicht noch mü der, noch stiller war als früher. Auch daß sie keine warmen Kleider hatte, sondern sich fröstelnd in ihr dünnes Tuch wickelte, und daß der kleine Fritz kein Winterröckchen bekam, wurde wohl gesehen, aber nicht beredet, ebenso die immer kleinere Rechnung, welche je den Samstag beim Greißler drüben Pünktlich bezahlt wurde, und die im-> mer seltener werdenden Besuche des „Kohlenmannes". „Mir scheint, es geht ihr elend ge nug," sagte manchmal eine oder die andere der Frauen, „aber wir hab'n ja selber nix da könnt' man ihr so net helfen." Ja, sie hatten Recht, vollkommen Recht. Die alte Frau, welche zufällig in der dunklen Küche neben der Thür hantirt hatte, nickte nur leicht mit dem Kopfe, als die Worte des Ganggesprä ches zu ihr hereintönten. Da war nichts zu ändern! Unwillkürlich fuhr die magere Hand in die Tasche, in der ein paar Silberstückchen schwach klim perten. «Ja, ja," sagte sie still vor sich hin, „das ist jetzt das Letzte! Das Aller letzte!" Sie ging in das kleine, kalte Zim mer zurück und setzte sich, jedes Ge räusch vermeidend, in den Lehnstuhl am Fenster. Das Kind schlief in dem Bette und hatte rosige Wangen bekom men durch die Wärme in den Federn. Fest lagen die Lid«r über den Augen, in tiefen Athemzügen hob sich dießrust. „Wie müde er ist," dachte die alte Frau und blickte zärtlich hinüber in das reine, liebliche Gesicht. „Wie müde! Es ist aber auch weit für solche Füßchen bis hinein in's Versatzamt. Ja, sehr weit!" Wieder klirrte das Geld in ihrer „Das Letzte?" sprach sie vor sich hin. Fritz, mein Fritzel?" Aber das Kind gab keine Antwort. Es schlief so süß und träumt« «inen fe ,Mosen! Kauft Ros«n!" Und b«s Abends, da spielte sie un-^ Sohn de! Nachbars, der wilde Johan nes. „Johannes!" Sie hatte daZ Wort Und doch hatte sie ihn einst so lieb gehabt, so sehr lieb! Der Garten hätte davon erzählen können, wie oft an war. Nur hie und da fiel ein Wort; plötzlich der dunkle Kopf des Mädchens an seiner Brust, und ihre Arme schlan „Mehr als mein Leben, Agnes!" Die alte Frau lächelt« bitter. „Mehr als mein Leben!" hatte er ge hatte er sich da getröstet! Es war ja Alles richtig, was der Alte vorbrachte. ders, und si« dachte es sich gar nicht übel, dereinst „Frau Doktorin" ge- Es kam Alles, wie es meist kommt in solchen Fällen. Das Geld siegte, Ruland oft und oft mit der lachenden, herüber, «in spöttisches Wort; Johan dunklen Augen, welches so still vor sich hinnickte alsÄntwort. Und rasch schritt L?ben! „Mädel! Das Glück! Nun sind wir mit'sammt der Nofel nicht halb so reich ist wie Du!" Der alte Mann hatte drohend die Faust gegen das Nachbarhaus erhoben; Und Agnes? Sie hatte ruhig, mit ernstem Gesicht eingewilligt, die Frau heit. begehrte. Ihr Mann blieb ihr stets glücklich sei. Wieder glitt eine Bewegung durch die starren Züge d«r alten Frau, welche allein in ihrem ärmlichen Stübchen ihr ganzes Leben noch einmal durchlebte und durchlitt. Aber jetzt war es kein Schmerz, nein, der Abglanz eines un »Fritz!" Sie holt vom Schrank einige ver blaßte Photographien. Ein holdes Knabenantlitz, hier ein langaufg«schof „Jhr wollt nicht, daß ich Rose Ru- Mlt.'llnd"^leb?/wohl seit langer Z«it wieder, freilich ein bit teres Lächeln. Sie hatte ihn wohl lie ber gehabt, als sie geglaubt. der! Er konnte nicht lassen von der Tochter Johannes Ruland's, und sein« Mutter hätte sich lieber in den Sarg ten! „Herr Gott, vergieb mir! Bergieb mir!" schluchzte die Einsame auf und sich hin. Aber das Gebet nützte nichts. Stunden, da si« ebenso gerungen seit her. Es nützte nichts! Schwerfällig erhob sie sich und schritt g""' nach ihm geforscht, ihn gesucht, ohne ihn je zu finden? Oder än jenen Tag, da man ihren Mann, der ihr stets ein Unbekannter geblieben, hinaustrug zur letzten Ruhestatt und sie nun allein heimkehrte in das große Haus am Marktplatz? Vielleicht auch kam ihr da sie ganz unvermuthet wieder einen Brief ihres Fritz in Händen hielt, der sie an ein Sterbelager führte, oder jene Minuten des Wiederfindens und zu gleich des Abschiedes, als Fritz, wortlos „Wo ist seine Mutter?" hatte sie stockend gefragt. In jenem Moment wäre ihr das Vergeben leicht gefallen. Aber er hatte den Kopf geschüttelt. „Todt! Längst! Ich bin ein einsamer Mann, der sich in der Fremde schwer sein bischen Brod verdiente! Mutler, wie habe ich mich heimgesehnt! Wie schwer war mir das Leben! Mache es ihm" er wies auf das Kind „mache es ihm leicht und froh und son nig!" „Leicht und froh und sonnig!" Die alt« Frau hatte es laut gesagt, so laut, daß der Knabe davon er wachte. Schlaftrunken richtete er sich empor. „Großmutter!" klang es bittend her über. Sie sah nicht auf. „Leicht und froh und sonnig!" wiederholte sie, und dabei klimperte ihre Hand mit dem Gelde in ihrer Ta sche. Laut fuhr sie fort: „Und da nahm ich ihn und dachte: Alles, Alles willst Du ihm geben, ihm, dem Kind Deines Kindes! Alles! Auf blühen soll er wie eine Blume! Gut haben soll er es! Und lieb haben soll er Dich, die Niemand lieb hat. An ihn willst Du Dich anklammern Ein Lachen klang durch die Stube, ein schrilles, bitteres Lachen. „Heute reich morgen arm!" sagte die Frau; sie sah das Kind nicht, wel ches mit großen, erschrockenen Augen „Alles ist weg! Ist zerstreut, zer splittert, fortgeweht! All das viele Geld und das Haus und Alles! Denn der Mann, dessen Namen ich trug, es nicht. Fort damit!" Sie fuhr mit der Hand durch die Lust, als wolle sie etwas wegwischen. Leiser suhr sie fort: „Bergab! Immer bergab! Alles her gegeben, damit kein Makel bleibe an dem Namen, damit das Kind wenig stens den rettet und dann fortge gangen aus dem Haus, den Fritz an der Hand, fort aus dem sorgenlosen, behaglichen Leben in den Kamps der Wirrniß. Und er immer tapfer mit, „Großmutter!" rief das Kind lau ter. Ihm war so bange in dem däm > merigen Zimmer, allein mit der alten Frau, die so seltsam mit sich selbst sprach. Aber auch jetzt hörte sie ihn nicht; sie stand inmitten des Raumes, fast ohne Bewegung, nur in den großen Augen flammte es. „'Ja, ja! Mit mir ging's hinunter, und mit Dir, Johannes, ging's hin auf! So ist das Leben! Auf und nie der! Auf und nieder! Und jetzt hast Du Dein lichtes, sonniges Heim und ich da!" sie warf mit einer hastigen Be wegung das Geld aus ihrem Sack auf den Tisch „Da! Da! mein Letztes! Aber nein! Nicht mein Letztes! Das bist ja Du! Du. mein kleiner Liebling! Mein Herzblatt! Mein süßes, liebes Kind!" Jetzt erst merkte sie, daß der kleine Fritz aufrecht in dem Bette saß und ea-t> ihr hinsah. Sie zog einen Sessel an ihre Brust lehnend. Ihr war so wirr zu Muthe, so müde, so schwer. Nur Ruhe! Nur endlich einmal ein „Was sollen wir thun, Fritzel?" Nur dieses!" Das Kind wunderte sich. So hatte die Großmutter noch nie mit ihm ge sprochen. Aber es antwortete: „Nun, weißt Du, wir tragen wieder was hinein morgen in das große, schöne Haus, wo wir schon so oft ein Geld bekommen haben. Oder zum Mayer, weißt, zu dem Tandler auf der Hauptstraße! Der hat auch immer Geld." „Aber ich habe nichts mehr htrzugi» ben!" rief die alte Frau, und in dieser Stimme lag die ganze unendliche Sor ge, die zehrende Angst, all die Qual und das Weh, das sie durchlitten. „Nichts!" wiederholte sie und dam», ganz heiser, noch einmal: „Nichts!" Das Kind schwieg einige Zeit. In seinem Kopfe wogten unklare Befürch tungen hin und her. Daß die Großmu tter nichts mehr haben sollte, begriff er nicht, ab«r ihr ganzes Wesen flößte ihm Angst ein. Leise, bitterlich begann ,?Jch möcht' was essen, Großmutter", sagte er ganz verzagt „und so kalt ist mir auch. Weißt, so kalt." Die alte Frau suhr empor. „Hunger? Kalt?" wiederholte sU, als habe sie den Sinn dieser Worte nicht verstanden. Aber sie hatte ihn verstanden, ach! nur zu gut! Und sie wußte es genau: Diese Worte werde ich nun oft hören müssen, und ich werde sehen, wie das Kind, das Einzig«, was ich noch habe, wie es langsam, lang sam seine liebliche Schönheit endlich zu Grunde geht. Und Warum? Weil sie in blindem Eigensinn damals den holden Liebling für sich allein be gehrt hatte. Sie sah noch so deutlich das Sterbezimmer ihres Sohnes. Dort, auf dem Bette, lag er, und ihm zu Häupt«n stand ein alter Mann mit feuchten Augen. Er sah flehend zu ihr „Agnes", sagte er, „lass' Alles ver gessen sein! Sieh', ich habe nichts mehr auf der Welt, das zu mir gehört, als sein Kind, das Kind meiner Tochter. Lass' es mich wenigstens manchmal se hen." „Nein!" hatte sie stolz gesagt. Letzte nehmen, gelt, das Allerletzte!? Erst hast Du mir mein Lebensglück raubt, dann habt Ihr mir den einzigen Sohn entfremdet gelt! Das istAlles vorbei! Das Kind aber, das gehört mir! Hörst Du, Johannes Ruland? Mir!" Ein Stöhnen drang aus der Brust der Einsamen. Dann erhob sie sich, schnitt ein Stück Brot und gab es dem Kinde. „So, da iß!" sagte sie zärtlich, „und bleibe hübsch im Bett, dann ist Dir ge wiß nicht kalt! Und störe mich nicht, denn ich muß einen Brief schrei ben." Das Kind saß mäuschenstill und knusperte an dem Brot. Aber es währte geraume Zeit, bis die alte Frau zum Schreiben kam. Sie lehnte dort am Fenster und sah in die Nacht hinaus, lange, lange. Wie ein Sturm ging es durch ihr Herz. „Auch das noch hergeben! Auch das noch!" schluchzte sie auf, „Alles fort gegeben! Nun auch dieses noch! O Herr! Gieb mir Kraft und Stärke sonst kann ich es nicht. Und es muß ja Der kleine Fritz suhr zusammen. Was war das? Da lag die Großmut ter plötzlich auf den Knieen vor dem Bett und riß ihn an sich.ungestüm, fast wild. Und dann bedeckte sie ihn mit un zähligen Küssen und herzte ihn so, wie „Wirst Du mich vergessen, Liebling? Wirst Du mich vergessen?" Das Kind sah mit großen, erstaun ten, zärtlichen Augen in ihr Antlitz. „Nie! Ganz gewiß nie!" sagte es und legte dabei seine beiden Aerm chen fest um den Hals der alt«n Frau, ihren grauen Kopf fest an sich Und sie lag so eine ganze Weile, ohne sich zu regen, und horchte auf das laute Klopsen seines kleinen Herzens. Wie Ruhe, wie tiefer Friede kam es über sie. ' — Am nächsten Morgen, als Fritz er wachte, mußte er schnell aufstehen, wurde nett angezogen und bekam schließlich sein Mützchen auf. „Gehen wir denn fort?" fragte er verwundert. Die alte Frau nickte. Ihr Gesicht war heute so blaß, daß es so gar dem Kleinen auffiel, und ihre Fin einen Brief in die Hand drückte. „An Johannes Ruland!" stand da rauf und darunter eine Adresse. Bis zur Ecke der Gasse sührte sie das Kind an der Hand. Dort stand ein Dienstmann, den sie anwies. Fritz söllt" de B 112 bg „Und Du. Großmutter, Du gehst nicht mit?" fragte das Kind mit ängst lichen Augen. Sie sah an ihm vorüber in's Leere. „Nein, ich gehe nicht mit", entgegnete sie tonlos, und dann, sich über ihn „Geh'! Geh' schnell! Und Gott schütz« Dich, Du mein Alles!" der nur ungern folgte, an der Hand Mitten auf der Straße, umfluthet von der hellen, kalten Wintersonn«, stand d«m Scheidenden nach, so lange noch «in Schimmer der blonden Löckchen, ein Zipfel des blauen Röckleins zu sehen war. Dort, wo die Nebengasse Hatt« er «s wirklich gerufen, oder hatte ihr Ohr sie getäuscht? Sie wußte es nicht. Ab:r sie machte eine jähe, ver zweifelte Bewegung, als wolle si« ihm nachstürzen, chn zurückholen. Da! Noch und im nächsten Augenblick war die kleine Gestalt untergetaucht verloren in dem Getriebe des Lebens. seit Fritz fort war, oder Tage oder noch längere Zeit? Die einsame Frau wußte es nicht, sie achtete nicht daraus. Was kümmerte sie noch im Leben? Sie ver mochte überhaupt keinen klaren Gedan ken zu fasten, nur das ein« Gefühl kam ihr deutlich zum Bewußtsein, daß sie erst jetzt wußte, was es hieß, allein zu Mühsam stand sie auf und schritt bis zu ihrem Lehnstuhl. Ach ja! Als Morgen gewesen, nun sank schon die Nacht herab. Sie hatte nichts gegessen, das Zimmer war kalt. Aber sie fühlte nichts. plötzlich eine Stimme draußen in der kleinen Küche; „pass' auf, daß Du nicht Die Großmutter schläft gewiß, Was war das? Fritz? Ihr Fritz? Sie war emporgefahren und stand nun da, das blasse Gesicht gegen die Thür gewendet, beide Arme ausge streckt. Und da da drückte Je mand vorsichtig die Klinke, und jetzt stand er auf der Schwelle er! Leib haftig. er! „Fritz! Mein Kind! Mein geliebtes Kind!" Sie hielten sich umschlungen, fest und innig, als wollten sie sich nimmer draußen herein, die Zeit verrann, aber sie hörte nichts, sie sah nichts als ihn, ihn ihr Letztes! „Siehst Du, Agnes", sagt« da eine weiche, etwas zitternde Stimme in die Stille hinein. „Siehst Du es wohl, daß es so kommen mußte? Was sollte ich thun mit ihm, d«r sich fürchtet in meinem öden Haus, der sich sehnt nach Dir und Deiner Liebe wie die Blume nach dem Licht?" Sie war schon bei den ersten Wor ten schnell emporgefahren. Nun stand sie dicht neben dem Kinde, und ihre Augen blickten unverwandt nach dem alten Manne, der dort an der Thür lehnte. Wie scharf war sein Gesicht ge worden! Wie weiß sein Haar! Es zog etwas wie Milde in ihr Herz, zugleich aber kam mit erschreckender Klarheit die Erinnerung an die letzte Zeit über sie. „Das hättest Du nicht thun sollen. Johannes Ruland", sprach sie tonlos, „es ist jetzt nur noch bitterer für mich, denn behalten kann ich ihn ja nicht, den Fritz, weil" einen Augenblick lang stockte sie, dann fuhr sie fort „weil ich so ganz arm bin, Johannes ! So arm, daß ich ihm nichts mehr geben kann!" Johannes Ruland war ganz nahe herangetreten. Nun faßte er sanft nach ihrer Hand. „Agnes!" sagteer einfach „er braucht Dich aber. Er kann nicht sein ohne Dich, die Du ihm Alles warst. Und um seinetwillen, um des Kindes willen, das uns Beiden das Höchst« ist, bitte ich Dich heut«: Komm' mit mir in mein einsames Haus, lass' Vergan genes vergessen sein und uns Frieden machen." Si« hatt« das Gesicht abgewandt, di« Hand entzog sie ihm sachte. So stan- Wir sind alte Leute, Agnes", begann er nochmals. „Lass' den Märchen traum unserer Jugend versunken sein, die Zeit ist darüber hingegangen und hat Alles längst weggewischt. Wir Vei zu vergessen —" Der kleine Knabe hatte bis jetzt ver wundert von Einem zum Anderen ge faßte die kalte Hand der alten Frau. „Geh' mit Großmutter!" sagte er bittend und legt« ihre bebenden Finger in die Hand des Mannes. Sie wandt« sich und sah Johannes Ruland an mit einem langen Blick. ihre Rechte und küßte si«. Als er den Kops wieder hob, funkelte eine Thräne in seinen Augen. wie einst und bauten Pläne sür die Spanne Lebens, die ihnen noch ge schenkt; das Kind spielte fröhlich zu ihren Füßen, und manchmal sahen sie „Unser Letztes!" sagten sie dann, aber es ging dabei wie Sonnenglanz über ihre Gesichter. in nichts ein; d.mist Alles —Wurst. Undank istderWelt Loh». Bei der Verlob::nx. Praktisches Weckbett, " - ment vorbeifuhr, wie der Kutscher mit der Peitsche knallte. Abgeblitzt. Gast (verliebt): „Ach, Fräulein, Wirthstöchterchen „Thut Hausfrau (zur neu eingetretenen Köchin): Ich muß Ihnen gleich sagen, daß wir Alle kein Bier, sondern Thee trinken. Das ist Ihnen doch recht?" Köchin: „Jawohl, Madam'! Ich bin schon früher 'mal bei einer bekehrten Säuferfamilie in Dienst gewesen!" Echt weiblich. Dame: „Dieses Sommerkleid paßt nicht gut zu meinem Teint, kann ich es wohl färben lassen?" Färber: „Gewiß, das wtrd ungefähr 6 Marl kosten." Dame: „K Mark? Das ist mir doch zu th»er. (Für sich): Dann färbe ich liebe, meinen Teint."
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