Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, February 24, 1898, Page 3, Image 3

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    Ach; Minnen,
Hin fröhlicher Roman von Wilhelm
Hcgclcr.
(Z. Fortsetzung.)
Nach zwei Tagen reiste Nelly mit
ihrer Tante ab. Der Pastor hotte mit
Adresse mit. 3 « chr ss
Der Abschied fiel dem jungen Mäd-
Phan taste.
Grafensteincr Apfelbaum war von den
weißen Lasten fast verdeckt. Die sonst
so glitzernde, grundhelle Saale wälzte
lich« Blässe
ter den schweren
Muth wieder in N«llys leichtbewegli-
D "d d« G s s
W«lt des Reichthums, des Luxus und
seines Hotels „Millesleurs" stand Jean
auf seinen kahlen Kops scheinen. Er
war d«r Oberkellner von „Millesleurs",
nahm aber eigentlich die Stellung des
Sein anderes Ohr aber wandte
er einem englischen Ehepaar zu, das
auf dem Trottoir gegenüber vom Hotel
raus vor: „Millesleurs, Haus ersten
Ranges, kosmopolitische Gesellschaft,
Zimmer von 4 Frs. an, Pension 9—IS
Frs.'' "s, lalonis' zu
ten im Gedränge weiter.
Kaum hatten diese den Rücken ge
kehrt. da drehte auch Jean sich um,
sprang auf die nichtsahnenden Jungen
los, Packte den kleinen grünen beim
Halstragen, den winzigen schwarzen
bei den Frackschößen und schlug ibre
Köpfe zusammen, daß sie wie zwei Zin
ken dröhnten, „Ich will euch b-lsen,
Pasteten stehlen, schne
len."«uch Freßsäckchen!"
In diesem Augenblick trat «in ver
späteter Gast aus dem Speisesaal, und
die d«i stand«n plötzlich da. als sei
nicht! gesch«h«n. D«r grüne Junge
hi«lt diensteifrig die sand am Liftseil,
der Piccolo schlich sich mit einer Ser
machien keinen schlechten Eindruck und
ließen auf ganz respektable Nummern
schließen. Als ober die Insassen aus
stiegen, war Jean ziemlich enttäuscht.
„Deutsche alt« Dam« mit B«di«-
nung."
Nelly von Wacht und Fräuleiit Filsch«.
holung hier."
„Es sind die billigsten, di« wir ha
ben."
„Ach, dann ist es gut," seufzte die
alt« Dame von Herzen erleichtert.
„96, 97!" schrie Jean dem Liftjun-
Himmelfahrt bis unter das schräge
Dach des Hotels an.
.Schöne Bagage!" brummte der
Hause her besaß. Aus der Reise hatte
Nelly von Wacht hatte also die Klust
Welt trennte. Aber die Welt schaute
Tantes Ansicht in Gesellschaft von lau
anderem Gaunerpack zurückgelegt.
Das Hotel, in d«m sie abstiegen, war
Fräulein Felfche von «iner Freundin,
die vor zwanzig Jahren darin gewohnt,
empfohlen worden. Aber Millesleurs.
vor zwanzig Jahren «in bescheidenes
Boardinghouse, das mit seiner Bewoh
nerschaft von bejahrten und junq«n
Damen halb einem Altweiberfpittel,
halb «inem Backfischp«nsionat glich,
war inzwischen zu einem sashionablen
Luxushotel umg«baut worden, in dem
alle möglichen exotischen Gäste sich ver
einten und französischer mit englischem
Chic wetteifert«.
Als nach einer halben Stunde der
Gong dröhnte und die Gäst« zur Table
d'hote rief, überlegte Nelly. welches
Kleid sie anziehen sollte. Die Auswahl
war nicht so schwer. Denn außer dem
Lodenkleid zur Reis« besaß sie nur
noch das schwarzwollene Staatskleid.
Di«s Kleid war ein Meisterwerk der
Kirchhasler Schneiderin gewesen. Und
wenn sie Sonntags damit zur Kirche
ging, so hatten alle Bauernweiber ste
mit Bewunderung betrachtet. Ueber
haupt war sie die feine Dame gewesen
in Kirchhasel.
Aber zehn Meilen hinter Kirchhasel
schaute alles anders aus. Das hatte
Nelly bitter gemerkt. Als sie die erste
Nacht in einem Hotel logirt hatten,
brachte ihnen am nächsten Morgen der
Hausknecht ihr Gepäck zum Zug und
stellte sich damit vor einem Coup 6 drit
ter Classe aus. Und als ihm die Tant«
dann voll bescheidener Würd« erklärte,
sie führen zweiter, da machte er ein
dummes Gesicht und betrachtet« N«lly
mit ganz wunderlichen Blicken. Wäh
rend d«r Fahrt fing diese sich selbst
auch mit argwöhnischen Augen zu mu
stern an, und je weiter sie kamen, von
Station zu Station, je mehr fremde
Toiletten sie erblickte, desto abscheuli
cher fand sie ihre eign«. Wahrhaftig, es
war kein Stück mehr gut daran, weder
der Hut mit dem Gänscflllg«l. noch das
plump« Lodenkleid, noch die Stiefel, die
für den Fall eines Schmutzwetters zu
Hause tüchtig geschmiert waren.
Nun war Nelly durchaus keines je
ner überzähligen Geschöpfe, die noch
dankbar sind, wenn man si« in di« Ecke
viel anderes thun als Strümpfe
stricken. In ihrem Kopf schäumten die
Lebenslust der Mutter und der Stolz
des Vaters, außerdem aber hatte sie
einem Elfenbeinfiallrchcn aufs zier
lichste gefügt und ausgearbeitet. Ihr
Gesicht mit dem den
Brauen geschwungen waren, mit der
wunderbar zarten Haut, deren Perl
mutterglanz auch nicht die leiseste Un
reinheit verdarb, war voll Lebhastigleii
treux mit den hinreißenden Toiletten,
d«n bizarren Pariser Modellhüten, di«
den Gipfel d«s Chic darst«llen, den
winzigen Stiefelchen von Handschuhle
der, mit der garten Battistwäsche, d-e
Anstatt all dieser schönen Dinge aber
lag vor Nelly jenes Wollkleid ausge
breitet, von dessen Stoss d«r Fabrikant
erbarm!" dachte Nelly
b«i sich. „W«nn das L«ben wirklich ein
Jammerthal ist. wie Tante Ida imm«r
sagte, könnte man ja kein passenderes
eine ander« Mtinung vom Leben."
S«usz«nd schlüpft« sie hinein. Dann
zog sie Schuhe an. Die frisch geschmier
ten gingen heut Ab«nd unmöglich. Au
ßerdem hatte st« noch «in zweites Paar.
Auch recht derb und doppelsohlig, daß
man mit ihnen g«trost j«dePfütze durch
waten konnte. Diese waren nicht ge
schmiert, knarrten dafür ab«r ganz
fllrcht«rlich.
So g«riistet wartete Nelly ziemlich
schweren Herzens auf ihr« Tant«, die
sich mit Aufbietung aller Kräfte noch
in ihr Schwarzseidenes -wängt«.
Unterdessen versammelten sich die
Gäste schon im Speisesaal. Jean stand
wie der Oberregisseur eines tagtäglich
sich gleich abrollenden Schauspiels an
der Spitze seiner befrackten Schaar und
inspizirte die Bühne.
Dann traten di« Schauspieler auf.
Erste Nummern und Nummern niede
ren Ranges. Di« H«rr«n spielten meist
die Rolle mitgenommener Lebemänner,
pomphaften Toiletten.
Doch waren auch wirklich schöne
Frauen darunter. An Glanz übertraf
alle Frau Rose, «in« üppig« Mode
dame, leicht geschminkt, das prachtvolle
schwarze Haar durch Chignons noch
bereichert. Täglich brannte sie ein neu.s
Feuerwerk von Seid«, Sammet und
Spitzen ab. Die Herren waren alle ver
narrt in sie. Von ihrem Mann, den
sein Beruf in Berlin zurückhielt, mun
kelte man, er habe Verbindung mit den
höchsten Kreisen. Dock etwas Näheres
wußte Niemand.
Ihr Nachbar und augenblicklicher
Kurmacher war Lieutenant von Kal
derhot, ein junger Ossicier aus einer
kleinen preußischen Garnison. Er war
nach Montreux gekommen, weil seine
schwindsüchtig« Mutter, die in einer
billigen Pension zweiten Ranges hin
siecht«, ihn telegraphisch an ihr Kran
kenbett hatte rufen lassen. Doch als er
ankam, war sie schon gestorben. Er be
grub sie auf dem traurig schönen Fried
hof von Elarens, und als er zwei Taqe
später abreisen wollte, lernte er zufäl
lig Frau Rose kennen. Sie sah ihn an,
und er war besiegt so besiegt, daß er
ihretwegen alles opferte, sein« Ueber
legung und selbst sein Gewissen. Ihre
großstädtische Vornehmheit hatte ihn
noch mehr geblendet als ihr« Schönheit,
und statt nach Hause zu reisen, ver
längerte er seinen Urlaub, machte
Schulden und seufzte erfolglos aber
hoffnungsvoll zu den Füßen d«r stolz«n
Frau.
Nach diesem Paar kamen andere
herein. Sehr viele Franzosen, Russen, !
wenig Engländer.
Dann tauchte auch die kurzhaarige!
Armenierin auf, deren Namen niemand
behalten konnte. Nach jeder Mahlzeit
trank sie Aeiher. versank in einen tiefen
Schlaf und konnte dann von ihrer Be
gleiterin nur mühsam in d«n L«l«saal
gebracht werden. Wegen des betäuben
den Geruches wollte niemand neben ihr
sitzen, und eine Zeitlang war der Stuhl
zu ihrerMchten frei geblieben. Nun
saß ein herkulischer Mann darauf, der
sich aus dem bißchen Geruch wahrhaf
tig. nichts machte, «ine ziemlich dunlle
Persönlichkeit, di« d«n Platz daneben
eingenommen, hatte sich auch von ihm
w«gs«tz«n lassen, „puwqu'il ni-wM
coiuii»! un t-ncliou," wi« si« sagte. Er
aß wirklich sehr unanständig, und
man mußte täglich den Umkreis seines
Tellers mit einer neuen Serviette be
decken. Doch war «r. wie J«an ver
sicherte, „eine solide Nummer".
Arm in Arm mit seinem Freund,
dem dicken Referendar Schmitz, der sich
in Montreux von s«in«n Schulden und
einem Magenleiden, zugezogen durch
«inig« Hektoliter Bier zu viel, erholen
wollte, trat der Maler Bäsch in
Matadore der Gesellschaft. ?»n der gan
zen Welt herumgekommen, schien er an
den Hösen, in Sportskreisen, in der Fi
nanzwelt überall gleich bekannt. Und
er rühmt« sich seiner Verbinduraen mit
d«r Unverschämtheit eines Weinreisen
den. Es gab nichts auf der Welt, das
sein blaßgelbes GeHcht hätte aus der
Fassung bringen können. Er bewahrt«
imm«r die unerschütterliche Ruhe, die
cUs Zahlkellner in Fleischt und Blut
Ba'ch neben s«in«m Platz
zwei neue Gedeck« sah. fragte er den
Director, wer angekommen sei?
„Taugen sie was?"
J«an zuckte die Acbs«l.
„Hübsch, jung, alt, reich, wie sind sie
denn?"
„Das müssen Sie selben sehen," ant
wortete der Director.
pflegte die Gäste des
terher aber schickte er itmen das Bild
mit der gepfefferten Rechnung.
Gespannt wartete er nun auf die
neuen Gäste, doch einstweilen lamm
diese nicht.
Unterdtß hatte sich schon fast die
ganze Gesellschaft Neben
Jean gab das Glockenzeichen. Die
befrackten Jünglinge schlürften auf ih
ren Filzsohlen durch d«n Saal und
reichten die Suppe. Die Teller leerten
sich. Das Gespräch kam noch nicht recht
in Gang. Man blickt« gelangweilt um
sich, must«rte sich gegenseitig, durchflog
das Menü, inspizirte die von gestern
zurückgestellte Flasche Wein, ob ein
Kellner auch nichts herausgetrunken,
äugelte nach den üppigen Stucksiguren,
die in halberhckbener Arbeit von der
Decke herabschwebten und ihr« vollbust
g«n Leiber in den blitzenden Lichtern
d«r venetianischen Lust res badeten. Der
Herr Präsident fuhr sich schon in den
Zähnen herum und putzte den Zahnsto
cher am Tischtuch ab. Ein Engländer
gähnt« und steckte damit zuerst seine
Familie, dann die ganze Gesellschaft an
da öffnete sich die Thür, und ein
merkwürdig knackender Ton, ein Ton,
als wenn «inGardekllrassier inßeiter
stieseln, ab«r auf den Zehen, in den
Saal träle, wurde gehört.
Alles blickte nc-ch der Tkür hiv. In
würdiger Gelassenheit trat Tant« Ida
in d«n Saal. Unruh« verbarg st«
unt«r «in«m Lächeln, das wie die fetti
gen Stirnlöckchen auf ihrem Gesicht
festgeklebt zu sein schien.
Hinter ihr kam Nelly. Geblendet von
dem hellen Licht, von den schreienden
sie^tteSch^^
drehte sich alles nach ihr um.
Für diese Gesellschaft, die an alle
Tollheiten des Luxus, an alle Extrava
sches.
Nelly fühlte, wie sie von den Lorg-
Saal.
Ihr Nachbar Ren« Bäsch warf d«m
Weinkart«.
Diese aber sagte:
„Uoroi! Danke sehr! Wir trinken
N'
setzte die Tante kleinlaut.
„So! .... So! ... Wasser lei
tungs Wasser! Hier Madame."
„Miserable Bande!"
Die Gäst«, die seine großartigen Be
wegungen gesehen hatten, lächelten und
dachten im Stillen dasselbe. Nelly aber
fthämte sich in
Aber wede? das im Abendblau schim
mernde Wasser, auf dem Möven sich
mit Hellem Geschrei tummelten, noch
Glanz der verlöschenden Sonn« all
seine Farbenpracht spielen ließ, noch
die im ersten Vorfrühling lnospenden
Ufer lonnten sie fröhlich stimmen, denn
dieser ganz fröhliche Glanz ringsum
hob ihre eig«neEulenhastigleit nur noch
greller hervor. Traurig k«hrte sie mit
schwand im Zimmer No. 96, das so
eng wie No. 0 war. Sie zog sich aus.
um sich schlafen zu legen. Aber als sie
das Kleid abgestreift hatte, stützte sie
Sie dachte an die Leute, mit denen sie
zu Tisch gesessen, an die Blick«, mit de
nen man sie gemustert, an alles, was
sie ausg«standen hatte dann machte
sie einen langen Strich unter die ganz«
G«sellschast und sagt« bei sich: „Arme
L«ut sind mir lieber!"
Sie betrachtete ihre zierliche Gestalt,
die in dem rothen Flanellröckchen noch
zierlicher aussah. „Weiß Gott, ich muß
wohl blind sein, aber ich mich
durchzukämmen.
Da fiel ihr Blick auf das schwarze
Kleid, und es kam förmlich ein heiliger
Zorn über sie.
„Dies ekelhafte Kleid ist Schuld da
folchem Stoff kann eine Viehmagd sich
schön machen, abet nicht ich. Meine
Mutter Ntzrd auch Wohl nicht solche
Kleider getragen haben. Ick zeige mich
nicht noch einmal damit im Speise
saal. Mag es koskn, was «s will, und
je theurer, desto lxsser, ich werde der
Tante «in neues abtrotzen."
Dann blickt« st« durch's Schlüssel
loch und b«merlte, wie Tant« Ida im
Bett lieg«nd «In große« Bucki umblät
terte. Auf d«m Nachttischch«n stan^
ver der furchtsamen Dam«, Den mit
zerstoßen«m Pfeffer gewürzten Tabak
wollte sie dem Einbrecher, der über kurz
„Aha," sagte Nelly b-i sich, „Tante
Hoffentlich "h°ctt Cl'aufge^'
ihr Schmuck für Asche, und Freudenöl
für Traurigkeit, «nd schöne Kleider sür
ihren betrübt«« Geist geben."
'Ohne anzuklopfen, schlüpfte sie leise
ins Zinnn«r. Entf«tzt fuhr die alt«
Dame in die Höhe und griff schon nach
der Tabaksdos«, doch als sie ihre Nichte
bemerkte, schlug sie hastig die Bibel zu,
auf d«r geschrieben stand: Coutobuch.
Nachthaube hin und h«r; ohne ein
Wort zu sagen, starrte sie das junge
Mädchen an. j A e
Ab«r diese sprach kein Wort. Nur
wenn sie sagen wollte: „Hinaus-, hin
aus mit Dir, Anführerin!" dazu flog
ihr Kopf nach allen Seiten wie eine
Wetterfahne, mit d«r die Winde stie
len.
Keine Antwort kam. Nelly war
ganz verwundert. Sie wollte schon
sagen:
„Liebe Tante, laß Dir doch nicht den
Verstand stille st«ben, halt lieber den
Kopf still, das wäre gescheidter."'
Da fiel ihr Blick auf das Wasser-
Tant«S Zähn«!
Und mit einem Male begriff N«llis,
vcm weisen Reden überfloß, jetzt plötz
lich stumm war,, Tante hatte falsche
Zähne! S 5 d 112 d
Zimmer rasen und dazu singen mö
gen: „Meine Tante hat falsche Zähne!
Mein« Tant« hat falsche Zähne!"
Aber die alte Jungfer hatte mit ent-
Doch als sie sich tief unter die Bctt-
Augen traten. Tante Ida hatte falsche
selbst in den verstaubtesten Winkeln
etwas Fröhlichkeit glänzte.
Aber Nelly war nicht fröhlich.
Ihr Gemüth schwankte zwischen-
Vaters im Garten oder in Zko-. !Zki
Lebens.
Ihr leichtes Blut sträubte sich dage
des „Vereins gegen Armuth
Bettelei" war. Alles in allem war sie
nicht s«hr erbaut von ihrer Tünte, und
nem tauben Nußtern, der. auf einen
Felftn gepflanzt, mit Essiq begossen
wird, woraus sich dann freilich nicht
viel Gedeihliches entwickeln kann.
Wenn Nelly so auf und ab trippelte,
tauchten oft seltsame Vorstellungen in
ihr auf.
Sie bildete sich ein, duß ein reicher
Onkel aus Amerika ihr sein Vermögen
vermachte, oder daß sie plötzlich das
»roß« Looi gewönne. Und dann—wenn
sie Geld hatt« dann sollt« eS ihr
durch die Finger fliegen, heidi? Sie
war gewiß nicht Übermäßig zur Ner-
beanlagt. Aber das ewige
dazu am besten aus. Wie et» Hungri
ger sich nach nichts mehr sehnt, als sich
mal gründlich satt zu essen, »sinnlich
sich den Magen z» verderben, 112» wurde
es mit der Zeil ihre liebste Vorstellung,
in einen großen Geldbeutel hineinzw
wie Häcksel »ird Spreu.
griff des und Auf
trete» die Erfüllung aller Sehnsucht.
In ihrem Mädchenlops stapelten, Klei
»nd sagt«: „Was hilft das alles! Ich
höre, und daß ich mir von meiner
Tante alles gefallen lassen muß. Das
Stescheidtest« wäre, singe mein Leben
vernünftige Gedanken in dermKops des
achtzehnjährigen Mädchens., Die thö
richten Einfälle kamen sehr leicht hei,-
angeflogen. Die vernünftigen Vorsähe
aber mußtest« erst mühsam zusammen
brauen, und wenn sie sie auch glücklich
fertig brachte, so wurde ek, doch eine
recht bittere Medizin. Denn immerhin
war Nelly ein Kind ihrer Ntern und
beit.
Nichts ist ein besserer Nährboden für
den Bacillus Liebe als «in ttouriget'
Herz. Ohne «S zu m«rl«n, hatt«. Nell»
schon die schönst« Reincultun «zogen.
Denn das Ende aller Kämpfe und
Pläne war der Wunsch: wenn,
nur käme!
träumen.
Unter ihr planschten die Mulichen
Willen. In der. Ferne erhob sich das
schattendunlle Massiv des. Ilent 6u
dessen w«iß« Eisnadeln im h«ll
sten Sonnenglanz blitzt«n. Udd am
Ufer, als Abschluß hinter-den Villen
und Palästen, lag in trotziger, Schön
heit mit Mauern, so dich wie man nur
in eisgrauen Zeiten sie baute, das
Schloß Chillon., die berühmte Pilger
stätte aller Fremden.
Nellys Blicke-aber schweiitcnmach der
anderen Seite, hin, weit übenden S«e
spieg«l. Dortt,ww«r-in uftrtosem Bo
gen mit dem Blau des Himmels fast
verschwamm, am Kelchrand dieses gro
ßen Füllhorns mußte Genf liegen . ..,
Und dort wohnte er, den sie so sehn
süchtig herbeiwünscht«. Sie dachte an
das Versprechen, das er ihr einst gege
ben: „Wenn das Leben dir mal weh,
thut, dann ruf? nur.mich! Ich helfe
dir."
Ein heiße? Verlangen überfiel sie,,
blau«Morg«nlust der fernen unbekann
ten Stadt zu den Hilferuf, zu s«nd«n:
„Peter komm!! Ich sehne, mich nach,
dir!"
Aber er!' Ev hatte sie gewiß verges
sen. Sie hatte ihm nmb auf der Reise
geschrieben, daß sie mit! ibr«r Tante
nach Montreux ginge. Doch jetzt war
keine Antwort, gekommen. Er mußten
sie ganz und gar wrg«ss«n haben.
Trotzig und voll bitterem Weh'
schaute sie hinab. AK di? Schönheit z)».
ihren Füß«n. die, Pracht der Menschen-.
Hände und d-rr Natur wünschte sie zum,
Teufel. DaS ganze Montreux sammt
dem Hotel Millesleurs und all seinen,
Gästen tonnte ihr gtstohlen bleiben.
Das Ein« aber mächte ich, dachte sie
und schlug, mit Ar« kleinen Faust, aus
die Fensterbank. Jetzt möcht ich mit dem>
Peter unterm Apfelbaum liegen, und er
müßt« mir eine Geschichte evzäh'
l«n!
Wähnend dieser Zeit machte Tante
Ida «in« sehr Bekannt»
schaff
Abends pflegte fi» sich mit Nelly iir
den Salon zu setzen, um das Leipzig«?
Tageblatt z» lesen. Der kleine Raum
war vollgepfropft wie eine Schiffst»?
jüt«. Viele Engländerinnen saßen um»
der, die ihr« Knie oder zwei Millimeter
Tischkank -lS Unterlage zu endlosen
Brief«» benutzten.
So verschämt als möglich faltete das
alte Frä-kein ihr enormes Vlatt «ls
»inander und wollte sich gerade i» die
Familienanzeigen vertiefen, als sie sah.
, wie drüben auch «ine Dame ihre Zei
tung axshißt«. Doch «h« dies« M lesen
begann, zog sie ihr Taschentuch hervor,
um sich zu schnauben. Es zaK einen
mächtigen Ton, wie von er»« ver
stimmten Trompete.
Der ganze verschlafne Salon fuhr
auf »nd blickte auf di» die
mit schiefem Kopf wirein rschte» Häuf
chen Unglück dasaß.
Tante Ida aber fühlte ihr Herz
schlagen, und ihr Sopf fing lebhast an
zu wackeln, denn die Zeitung dieser an
deren war auch da« Leipziger Tage
blatt!
Sie stieß ihre Nicht« an und sagt«
leise:
„Betrachte doch mal diese sympathi
sche Dame!"
„Ja, sapperlot", dacht« N«lly, „was
ist denn das für 'ne alte Thran
lampe!"
(Fortsetzung folgt.)
Verliebt. „Hast gesehen, wie
verliebt er mich angesehen hat?" „Hat
da» nicht Deinen Brillanten gegolten?'
Jür die Küche.
! Glühwein. Zu einem Pint
Wasser locht man sehr langsam ein«
halb« Stunde 125 Gran ganzen Zim
met, die Schal« eine Citrone und acht
Gewürznelken. Hieraus gießt man
zwei Flaschen guten Rothwein hinzu,
süßt das Ganze mit einem Pfund
Stückzucker und deckt den Glühwein fest
zu. Nun stellt man den Tops in sie
dendes Wasser nur s» lange, bis die
Mischung zum Kochen kommen will,
und- s«iht dieselbe dann durch. Ser
virt in der T«rrine, und wohl zugedeckt
bringt man ihn zu Tisch.
Rouladen v»» Kartof
fel man einiViertel Pfund
Vuttw mit drei Eidottern und «inem
ganzen Ei schaumig gerührt hat, mischt
man longsam «in halbes Psund Tags
zuvor gekochte, geschälte und geriebene,
recht mehlige Kartoffeln. 2 Unzen
Mehl,,«twas Salz und g«stoßene Mus
katblüth» hinzui Auf einem mit Mehl
bestreuten Brett formt man mit der
Hand klein?' gleichmäßige Rollen, kocht
dies« in leichter Brühe aus fkl«isch-Ex
trakt «inige Minuten, läßt s« gut ab
ttopfen, legt- sie auf eine Schüssel, be
streut sie dick mit geriebenem Parme
sanläse,übergießt sie,mit brauner But
ter und giebt siezum-Fleisch.
S p i n Der gut verlesme Spi
nat wird in Salzwasser weich gekocht,
auf ein Sieb gethan, mit kaltem Wasser
überspielte und. gut ausgedrückt, um
daraus gewiegt zu werden. Indeß rö
stet man MeHl in Butter lichtbraun,
«rkocht Viescmit Heller Kraftbrühe zu
sehr dicker Same, giebt 2 Löffel Ma
deira, 2-Lösfel dicki süße Sahne, etwas
R e<i Zs peis e., Ein halbes Pfund
Karolinareis legt man 2 Stunden in
kdltes. mehrmals, erneuertes Wasser,
quirlt ihn, kScht ihn zweimal ab, thut
übergießt ihw mrt einem halben Pint
Wein, ebensoviel Waffer, giebt 4 5
Unzen Zucker, Citronenschal« und Ci
trvnensaft s?wie ein« Prise Salz dazu
und quirlt ihn langsam dick aus. Er
wird" irr eine Schüssel zum Abkühlen
gethan und ,indeß von einem halben
Pint Wein, 3 Eigelb) ,1 ganzes Ei, Ci
tronensaft, dr«i,W«rt<l Pfiind> Zuck«r,
«in«r- Viertel Unze. Maismehl, «in
Choudeau geschlagen, welches mit tiner
halben Unze ausgelöster Gelatine ver
mischt, in Eis. gestellt und, w«nn «s
kdlt, geworden ist, mit dem steifen
Schnee von 3 Eiweiß vermengt wird.
Auch ausgekernte.» Apfelsinenscheiben
hat ma» in der Zeit stark gezuckert. Ist
Reis und Weinschaum kalt, spült man
eine glatte passende Form mit Wasser
ltichtaus, füllt! sie. abwechselnd mit
Reis.mrd Slpfelsinenscheiben und Wein
schainn, wober Reis die erste imd letzte
Schicht bildeniiiufj.,stellt sie iw Eis und
stürzt, di« Speise vor denn Anrichten.
Man servirt sie,ohn« Sauce:
Gebackener K,a I S's zu n g«.
Eine Kalbszunge,, Suppengiiuüsi, drei
Viertel, Quart g?salz«nes! Wasser, 9V
Gran Fleisch - Extrakt, I Ei, 76 Gran
M«hl, gerieben«! Semmel,
2. Utizen Butter,, 2 Sardellen und 1
Theelöffel Kapern-., Die Zunge wird
überbrüht, gereinigt'und in denf gesal
zenen Wasser? in welchem. dirs Fleisch-
Extrakt ausgelöst'wurde, unter Hinzu
fügen d«S Supptngemüfes gar g«kocht.
Nachlsm sie enthäutet, schneidet man
di» Zunge d«nLiinae nach durch, wen
det' sie in d«in zerschlugen« Ei und in
d»r geriebenen Ännmel um-, brät sie in
der vorher gut aeöriiunten Butter von
erwärmte SchiMll Di» eingedickte
BÄiye- wird zw der Butt« gegossen, 2
Minuten durchgekocht, dann mit einer
Messerspitze Mehl, sämig gemacht und
diese Sam« iwer die Zunge gegossen,
welche nun mit Kapern, Sardellen oder
auch mit Wasser gekochtem Blumenkohl
zarmrt wird.
Kartofff»l!n mit saurem
Kahm. Man schält gut gewaschene,
rohe Kartoffel» und schneidet diesel
ben in Scheibchen, brüht sie und läßt
sie auf einem Sieb abttopfen. Nun
legt man sie- schichtweise in eine gebut
terte Form »nd übergießt sie mit fol
gendem: «itr Pint saurer Rahm (Sah
ire) wird gut gequirlt »nd alsdann mit
»inev halben Tasse geriebenem Parme
sanläse vermengt. Diese Flüssigkeit
muß die Kartoffeln l!»app bedecken und
kommt, die Form fest verdeckt, in einen
heißen Ofen. Die Speise ist fertig,
wenn der Rabm eingezogen ist und die
Kartosftkn weich, aScr noch seucht sind.
L«t»r auf schottische Ma-
Scheiben »on Leber (Kalbs-,
Rindt-. Schöpsen- oder Schweinsle
ber) «erden «ntsehnt, in etwas Mehl
und wrnig Se»mellrume» gewälU
unk dann mit Zwiebelsch«ib«n in stei
gender Butter gebraten. Sind sie gar,
sc» »immt man sie heraus auf einen
er»«rmttn Trier, bratet ganz schnell
Scheiben von sogenannter Schinken-
Wurst oder Schinken (i« 2—4 Minu
ten) darin gor und richtet dann Leb«r
»nd Schinkenscheiben kreuzförmig in.
indem ma» die kräftig schmeckend«, mit
ganz Nxvig Wasser losgekochte Sauce
in die Mitt« d«r flachen, rund«n Schüs.
sel gibt.
Frikad«llen. Fl«ifchüb«r.
Reste w«rd«n mit Zwiebeln oder mit
P«t«rsNi« recht fein gehackt, dann eini
ge Eier, Salz, Nelken und Muskat, «t
-wo» abgeriebenes, in Butter gelb ge
macht«« W«ißbrod nebst Braten- oder
Fleischbrühe damit verarb«iiet und
länglich« Klöße daraus geformt, die
man in den seingestoßenen Krusten
umdreht; man brät sie in Butter gelk. 3