Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, February 03, 1898, Page 3, Image 3

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    Der Schusz.
Unser Regimen! stand imDorfe*".
Das Leben eines Linienossiziers ist
allbekannt: Morgens Dienst, Mit
tagessen beim Regimentscommandeur
oder in dem elenden Wirthshause,
Abends Punsch und Karten, In ***
gab es leine Familien, in denen man
verkehren, keine Damen, denen man
den Hof machen konnte: wir versam
melten uns allabendlich bei einem
Kameradin, wo es nur Waffenröcke
, zu sehen gab. Nur ein einziger Mann
gehörte unserem Kreise an, ohne Mi
litär zu sein. Er war etwa fünfund
dreißig Jahre alt, und wir betrachte
ten ihn schon als Greis. Seine Er
fahrungen gaben ihm in unseren Au
gen ein grobes Gewicht, seine Ver
schlossenheit, sein schroffer Charakter
und seine böse Zunge hatten großen
Einsluk aus uns junge Hitzköpfe.
Sein ganzes Schicksal war in geheim
nisvolles Dunkel gehüllt; er schien ein
Russe zu sein und trug dabei einen
fremdklingenden Namen. Früher
Helte er bei den Husaren gedient und
sogar angefangen, Karriere zu ma
chen: Niemand wußte den Grund,
weshalb er plötzlich seinen Abschied
genommen und in unser gottverlasse
nes Nest übersiedelte, wo er abwech
selnd ein ärmliches und verschwende
risches Leben führte; er ging stets zu
Fuß, trug immer denselben faden
scheinigen schwarzen Rock, aber tag
täglich hielt er offene Tafel für alle
Offiziere unseres Regiments. Ob
gleich nun sein Mittagessen nur aus
zwei bis drei Gängen bestand, welche
von seinem früheren Burschen zube
reitet wurden, so floh doch dabei der
geliehenes zurück. Seine Hauptbe
schäftigung war das Pistolenschießen.
Alle Wände seiner Wohnung waren
lnit Kugeln gespickt, so daß sie aussa
hen wie Bienenwaben. Den einzigen
bildete eine prachtvolle Pistolensamm
lung. Seine Fertigkeit im Schießen
war geradezu unbegreiflich; wenn er
eS sich einfallen ließe, Jemandem die
Kokarde von der Mütze herunterzu
schießen, so würde Keiner im ganzen
Regiment sich weigern, ihm Ziel zu
stehen!
Unser Gespräch drehte sich oftmals
um Duelle: Silvio lso will ich ihn hier
nennen) sprach hierüber nie. Auf die
Frage, ob er schon Zweikämpfe gehabt,
erwiderte er trocken, daß er diren
mehrere ausgefochten habe, aber Wei
teres über dieselben erzählte er nicht,
und man sah, daß ihm solche Ge
spräche unangenehm waren. Wir
dachten, daß er irgend ein Opfer sei
ner schrecklichen Kunstfertigkeit auf
dem Gewissen habe. Uebrigens fiel
es Keinem von uns ein, ihn der Feig
heit zu verdächtigen. Es giebt eben
Leute, deren bloßes Aussehen der
artige Voraussetzungen ausschließt.
Ein unvorhergesehener Fall versetzte
uns Alle in das größte Erstaunen.
Einstnial waren wir bei Silvio
zum Mittagessen versammelt, man
trank wie gewöhnlich, das heißt sehr
viel: nach dem Essen machte man ein
kleines Spiel, und Silvio sollte die
Bank halten. Er weigerte sich lange
Zeit, da er fast nie spielte, endlich ließ
er sich Karten geben, legte ein Häuf
lein Goldstücke vor sich auf den Tisch
und sing an abzuziehen. Wir um
sprang auf, ergriff den schweren mes
singenen Leucht» und schleuderte den
selben ingrimmig nach Silvios Kopfe^
wie gelähmt. Bleich vor unt
mit funkelnden Augen stand Silo«
auf und sagte: „Mein Herr, entjer
nen Sie sich augenblicklich und dan
Hause geschehen!"
Wir waren leinen Augenblick übe>
die Folgen dieses Spieles im Unlla
ren und sahen unseren Kameradel
als bereits dem Tode geweiht an
Der Hitzkopf ging hinaus, nachdem e
.rllärt, daß dem Bankhalter jed«
Genugthuung zu geben bereit sei,
DaS Spiel dauerte noch eine Weil,
fort, aber wir sahen ein, daß, wie die
Verhältnisse lagen, unserem Wirth
an der Fortsetzung desselben herzlich
penig lag. und zogen nach Hause, un-
tigen Erklärung und schloß Frieden.
Damit hatte er aber viel in unserer
Meinung verloren. Feigheit ist die
jenige Eigenschaft, welche junge Leute
am wenigsten entschuldigen, da sie
doch in der Tapferkeit die höchste
Mannestugend sehen. Allinälig ge
rieth der unliebsame Vorfall in Ver-
Nur ich alleilr konnte mich mit dem
Geschehenen nicht aussöhnen. Von
Natur aus romantisch veranlagt, hatte
ich mich dem Manne mit der rätsel
haften Vergangenheit besonders ange
schlossen und sah in ihm den Helden
einer geheimnißvvllen Tragödie. Er
liebte mich auch, denn mir allein ge
genüber hielt er seine böse Zunge im
Zaume, und sehr oft kam es vor, daß
wir über die verschiedensten Dinge
harmlos plauderten und stritten,
mannigfaltigen Eindrücken, welche die
Dorfbewohner z. B. an einem Post
taae erleben.
ten vom Hause, der Dritte Zeitungen.
Die Postpackete wurden da geöffnet,
man theilte einander verschiedene
Ncuiakeiten mit, und daher bot un
sere Kanzlei an genannten Tagen ein
immer in der Kanzlei ein. Eines
Tages bekam er ein Schreiben, welches
er mit Zeichen der größten Ungeduld
öffnete und es mit blitzenden Augen
durchflog. Die Offiziere, jeder mit
feinen eigenen Angelegenheiten be
schäftigt, hatten nichts bemerkt.
Plötzlich sagte Silvio: „Meine Her
ren, gewisse Umstände erfordern meine
sofortige Abreise, ich fahre heute Nacht
fort: Sie werden es hoffentlich nicht
ablehnen, bei mir zum letzten Male
Mittag zu essen. Ich erwarte auch
Sie," wandte er sich darauf an mich,
zu entsprechen, und gingen Jeder sei
ner Wege.
Zur bestimmten Stunde kam ich zu
Silvio und traf dort schon unsere
sämmtlichen Offiziere an. Alle feine
Sachen waren beteits gepackt, es blie
ben nur die kahlen, zerschossenen
Wände zurück. Wir setzten uns zum
Essen: der Wirth schien bei sehr guter
Laune zu sein, und bald war die
ganze Gesellschaft heiter: die Pfropfen
knallten lustig und ohne Unterlaß,
die Pokale schäumten, und wir Alle
wetteiferten in den herzlichsten Glück
wünschen dem heute Scheidenden,
auf. Beim Abschiede nahm Silvio
meinen Arm und hielt mich auf. „Ich
habe mit Ihnen zu sprechen," sagte er
leise. Ich blieb. ' sß
einander gegenüber und rauchten un
sere Pfeifen. Silvio schien jetzt be
sorgt. und ich vermißte jede Spur
sicht war düster und bleich. Es hatte
aeradezu ein dämonisches Aussehen,
wie er so dasaß, mit rauchendem
Munde und großen, funkelnden Au
gen. Es vergingen einige Augen
aen.
„Es kann sein, daß wir uns nie
wiedersehen," sagte er mir, „vor dem
Scheiden wollte ich mich mit Ihnen
aussprechen. Wie Sie bemerkt ha
ben können, mache ich mir nichts aus
anderer Leute Meinung, Sie aber
liebe ich, und ich fühle, daß es' mir
schwer fällt, von Ihnen falsch beur
theilt zu werden."
' ren R. keine Genugthuung verlangte.
Sie müssen doch zugeben, daß, da ich
die Wahl der Waffen zu ireffen hatte,
sein Leben so ziemlich in meiner
Hand lag, meines dagegen fast ganz
sicher war: ich könnte mein Benehmen
i-7 meiner Großmuth zuschreiben.
aber ich will nicht lügen. Wenn ich
den bestrafen können, ohne
blllfst. Er fuhr fort:
ist es, ich habe kein Recht,
gen?" fragte ich. „Sie wurden ge
bindert?"
„Ich schlug mich mit ihm," ant-
Er holte aus einer Hutschachtel
eine rothe Mütze mit goldener Borte
und Troddel hervor? und setzte sie
Mütze von einer Kugel durchbohrt.
„Sie wissen," sprach Silvio wei
ter, „daß ich im *** Husarenregiment
kennen Sie auch? ich bin es gewöhnt,
eine große Rolle zu spielen. In mei
ner Jugend war das mein einziges
Bestreben. Zu unserer Zeit war das
Raufboldenthum in Mode, ich war
der erste Raufbold in der Armee!
Wir prahlten mit unseren Trinkgela
ander' In derselben Nacht fand der
Zweikampf statt.
Zur festgesetzten Stunde war ich mit
ersten Strahlen auf di« erwachende
Erde. Ich sah ihn von Weitem, er
Fuß, »mWaffenrock Säbel,
Schritte ab. sollte zuersl^fchie!
werthe Kind des Glückes! Er zielte
Reihe an mir, sein Leben war in mei
ner Gewalt, endlich! Ich starrte ihn
forschend an, um jeden Schatten einer
Unruhe zu erspähen, umsonst! Er
stand vor der Pistole und suchte sich die
böser Gedanke. Ich senkte die Pistole.
.Ich glaube, daß Sie jetzt seine Zelt
zum Sterben haben," sagte ich, „Sit
belieben ja zu frühstücken, ich will Sie
nicht stören, ich kann warten." „Sie
stören mich gar nicht," erwiderte er,
„schießen Sie nur, übrigens, wie es
Ihnen beliebt; Ihren Schuß haben
Sie bei mir zu gute ich bin stets zu
Ihrer Verfügung!" Ich wandte
mich hierauf zu den Zeugen, erklärte
ihnen, daß ich heute nicht schießen
wolle, und das Duell war zu Ende.
Ich nahm meinen Abschied und ent
fernte mich hierher. Seit der Zeit
verging kein Tag, ohne daß ich an
meine Rache gedacht.... Jetzt hat
meine Stunde geschlagen.... Silvio
nahm aus seiner Tasche den heute er
haltenen Brief heraus und zeigte ihn
mir. Jemand (wahrscheinlich sein
Vertreter) schrieb ihm aus Moskau,
daß die gewisse Person im Begriffe
sei, ein junges und schönes Mädchen zu
Heirathen.
»Sie errathen," sagte Silvio, »wir
die „gewisse" Person ist. Ich reise
nach Moskau. Wir wollen sehen, ob
terhaltungen für mich nichts Anzie
samkeit doch lieber! Endlich lam
ich auf den Einfalls meine Abends da
durch zu kürzen, daß ich recht spät
Mittag aß und recht früh schlafen
ging, und dieses Mittel blieb nicht ohne
Wirkung, denn ich fing an, mich kör
len... .
Ungefähr vier Werst von meinem
Gütchen entfernt lag das reiche Ritter
gut der Gräfin B**! dort wohnte für
gewöhnlich nur der Verwalter, und die
Gräfin selbst hatte das Gut nur ein
mal, im asten Jahre nach ihrer Hoch
zeit, etwa einen Monat bewohnt. Da,
im Frühlinge des zweiten Jahres mei
nes Eremitenlebens, verbreitete sich die
Nachricht, daß die gräfliche Familie im
Sommer ihr Gut besuchen werde, und ,
wirtlich kamen sie Anfangs Juni.
Die Ankunft eines wichen Nächbars
ist gewöhnlich ein epochemachendes Er-
Gutsbesitzer, wie auch ihr Haus- und
Hofgesinde sprechen und streiten über
solch ein Ereigniß ganze zwei Monate
vorher und ganze drei Jahre später.
Was mich anbelangt, so hatte die An
kunft verjüngen und, wie man sich er
sie zu sehen, und den ersten Sonntag-
Nachmiktag nach ihrer Ankunft machte
ich mich auf den Weg, um den gräfli
chen Herrschaften meine Aufwartung
als nächster Nachbar und allerunter
thänigster Diener zu machen.
Ein Lakai führte mich in das Kabi
net des Grafen und ging selbst, um
mich anzumelden. Das geräumige
den Bücherschränke und auf denselben
Büsten von Bronze; überall Mar
mor, Spiegel und kostbares Porzellan;
die Diele war mit grünem Tuch be
schlagen und mit prachtvollen Teppichen
bedeckt. In meiner armseligen Woh-
beim allmächtigen Minister.
Die Thür öffnete sich; ein schöner
Mann von etwa kam leb
war eine vollendete Schönheit. Der
Graf stellte mich ve: ; ich wollte un-
<!rsch!!?.tü, aber suhlte mich
gannen die Beiden ein vertrauliches
Gespräch, als wenn sie mich als alten
Bekannten und guten Freund betrach
teten.
Unterdessen ging ich im Zimmer
umher und besah die Bücher und Bil
der. Von Bildern bin ich kein großer
Kenner, aber eines fesselte meine Auf
merksamkeit. Es war eine Landschaft
aus der Schweiz, aber was mich an
zog, war nicht die Landschaft selbst,
sondern der Umstand, daß dieses Bild
von zwei Kugeln durchbohrt war,
welche Kugeln auf einander saßen.
„Das war ein guter Schuß," wandle
ich mich zum Grafen. „Ja," ant
wortete er, „ein sehr merkwürdiger
Schuß. Schießen Sie gut?" fragte
«r dann. „Ziemlich gut," versetzte ich
erfreut, ein mir nahe stehendes Thema
gefunden zu haben, „auf dreißig
Schritt fehle ich eine Karte nicht, na
türlich aus bekannten Pistolen."
„Wirklich," sagte darauf die Gräfin er
staunt, „Und Du, mein Freund, wür
dest Du eine Karte auf dreißig Schritt
treffen?" „Wir können's mal ver
suchen," sprach der Graf, „früher habe
ich gut geschossen, aber nun sind es
wohl schon vier Jahre, daß ich keine
Vistole in der L?and aebabt." „Ja,
Herr Graf, dann gehe ich jede Wette
«in. daß Sie die Karte auch aus zwan
zig Schritt nicht treffen. — Die Pistole
hatte und was meinen Sie. Herr
Graf, was nachher geschah? Beim
«rsten Schießen fehlte ich eine Flasche
auf zwanzig Schritt viermal hinter
einander! Wir hatten damals einen
Rittmeister, einen Witzbold und Spaß
vogel ! der war beim fatalen Schie
derchen, man sieht deutlich, daß Dir
das Herz fehlt, eine Flasche zu zer
schlagen ! Nein, Herr Graf, die Ue
bung darf man nicht unterlassen, sonst
ist man seines Schusses nie sicher. Der
beste Schütze, den ich je gekannt, schoß
jeden Tag wenigstens dreimal vor dem
Mittag. Das war bei ihm schon
Regel, gerade wie «in Schnaps vor dem
Essen." Der Graf und die Gräfin
waren sichtlich erfreut, daß ich gesprä
chig geworden war. „Und wie schoß
er?" sragte mich der Gras. „Nun
so, zum Beispiel - sieht er an d«r
Wand eine Fliege sitzen Sie lachen,
Frau Gräfin ? Bei Gott, wahr ist es!
Sieht er eine Flieg? und rust gleich:
Kuska, die Pistole? Kuska bringt
ihm eine geladene Pistole. Er schießt
und drückt die Fliege m die Wand!"
„Merkwürdig/" sprach der Graf,
„und wie hieß der Mann ?"
aufsprang. „Sie kannten Silvio?"
„Wie sollte ich ihn nicht kennen,
Herr Graf, waren wir. doch Freunde;
in unserm Regiment war er wie ein
Kamerad aufgenommen : aber es sind
schon fünf Jahre verstrichen,, »hne daß
ich von ihm etwas gehört. Also ha
ben Sie ihn auch gekannt?" »Ja,
ich habe ihn sehr gut gekannt.. Und
hat! er Ihnen vielleicht eine sonderbare
Geschichte erzählt...." .Etwa
über eine Ohrfeige, die er von. «inem
Taugenichts auf einem Balle erhal
ten „Hat er Ihnen auch den Na
men dieses Taugenichts mitgethM?"
,lein, das hat er nicht! Ach,
Hers Graf," fuhr ich fort, die Wahr
heit errathend: „verzeihen Sie. ich
wußte nicht.... waren Sie es dünn?"
„Ja, ich war es," sagte der Graf
verwirrt, »und das zerschossene. Bild
ist ein Andenken an unsere letzt!? Be
gegnung." „Ach, lieber Frer-id,"
bat ihn die Gräfin : „bitte, erzähle es
nicht, ich bekomme schreckliche Angst,
wenn ich zuhöre." „Nein," sprach
ihr Gatte, „ich werde Alles erzählen:
er ich seinen Freund^Üelei
gendeS:
„Vor fünf Jahren war unfere Hoch
zeit. Den ersten Monat verlebten, wir
hier-, in diesem Dorfe. Diesem Hause
hier- verdanke ich die besten Stunden
Frau spazieren; das Pferd meiner
Frau wurde ftörrig sie erschrak, gab
mir das Pferd ab und ging- zu: Fuß
mich Haufe. Ich ritt voraus. Auf
dem Hofe sah ich einen Postwagen;
Stimme: „Erkennst Du inich. Gras?"
aus dem Kopfe sich sträubten. „Ich
bist Du bereit ?"'
Die Pistole steckte in Bkinem Gürtel.
Ich maß zwöls Schritte «b, stellte mich
Wmket! da und bat schnell
ihn wieder, zu schießen. Er nahm die
Pistole heraus und zielte.... Ich
zählte die Sekunden.... Ich dachte
an sie.... Es verging eine schreckliche
Minute! Silvio senlte den Arm.
„Es thut mir leid," sprach er, „daß die
Pistole nicht mit Kirschlernern geladen
ist, eine Kugel ist schwer! Es scheint
mir aber, daß hier kein Zweikampf,
sondern ein Mord stattfinden soll, ich
bin es nicht gewöhnt, auf einen Wehr»
gerte.... Dann luden wir noch »ine
Pistole, drehten zwei Zeit:! zusammen,
und er legte beide in die rothe, einst
hast verteufeltes Glück, Graf," sagte er
mir mit einem Spott, den ich nie ver
gessen werde. Ich verstehe nicht, wie
mir zu Muthe war, und wie er mich
dazu zu bringen vermochte, daß ich
schoß. Ich feuerte meine Pistole ab
und traf dieses Bild." Der Graf w»:»
auf die zerschossene Landschaft: sein
Gesicht glühte, seine Hände zitterten,
die Gräfin war weiß wie das Tuch,
welches sie in der Hand hielt. „Ja,
ich schoß," fuhr der Graf in seiner Er
zählung fort, „und Gott sei es gedankt,
ich fehlte ihn, hierauf hob Silvio seine
Pistole und zielte aus mich. Da wurde
die Thür aufgerissen, und meine Frau
stürzte auf mich zu. Ihre Anwesen
heit brachte mich zur Besinnung.
„Meine Liebe," sagte ich, „siehst Du
denn nicht, daß wir spaßen ? Weshalb
ängstigst Du Dich? Geh, trink ein
rück ! ich werde Dir dann ««inen al
ten Freund vorstellen." Marie glaubte
noch sie wandte sich an
Ist es wahr, daß Ihr nur Späh
aber habe ich Verlang bekommen, zu
spaßea N Mit diese« Worten richtete
er seine Pistole auf wich in ihrer
schießen oder nicht?" Hch werde
nicht schieß«»»" sprach Silöto, „jetzt bin
ich schon zufrieden, ich sah Deine Ber
gnzwungen, aus mich zu schnitzen ich
leü! überlasse Dich Deinem Ge
wissen." Nach diesen Wl«ten ging
«r hinaus, blieb an der Thitr stehen,
blickte auf das von mir getrosftne Bild,
schoß darauf, ohne zu zielen, und ver
schwand. Ehe ich zu mir kanq. war er
Wied« in seinen Wagen gestiegen, und
fort war er!"
De? Graf hatiL geendet. Aüf diese
Weise also ersuhr ich das Ende der Ge
schichte'» deren Anfang mich dai.iuls so
wunderlich berührt hatte ! Dem Hel
den deriGeschichte Habe ich nie wieder
gesehen. Man erzählte, daß Silvio
während» des Ausstasdes von Alexan
der Ypsil-rnti eine Pi-rtie Etheristen be
fehligt und in der Schlacht bei Scul
jany gesellen sei.
Wie ich Rubinftt!» teniicn lernte.
Eine» Abends begleitete ich Märktz
Käßmayer, den namentlich durch das
Udel-Quartett auch in Berlin bekannt
Er wollt« zu seiner Familie, die aus
dem Lande wohnt«. Wie wir in.'s
Wartezimmer «intreten.chören wir «i«
»Käßmayer, Ääßmayerl" „Rubin
stein!" schreit Käßmay«r augenblicklich,
und als wir uns umkehre», stehen wir
vor Anton Rukmstein. »Schön, drch
Ihr da s«id, Käßmayer", rief «r ärgen-
Und nun erzählte er uns, er wollt« nach
Prag, in seinem.Hotel aber hatte er -sich
consequent geirrt und anstatt Pray
wurde. Als «r fein Billet nach Psag
lösen wollte, erfuhr er, daß dieser Zug
drei Stunden später abging, Nun sstß
einen Tarok machen." Er hatte dieses!
spezifisch österreichische Kartenspiel iz»
Wien erlernt und sogleich eine Leiden
schaft dafür gefaßt.
„Mein Zug g<ht ja bald", wendete
Zug geht." '
„Nein, nein", bat Rubinstein, ,Lhr
miißt bleiben, lhr
Hause."' Wenn aber ein Rubinstein
bittet, giebt's keinen Widrrstmrd, und
Käßmayer blieb. Nicht, lange darauf
kam für. Rubinstein die Abfahrtszeit.
Freund Anton war aber, lacht vo^i
„können warten in Prag>„ werden nich!
Wir spielten werter,, bis das Cafe
wurde. Die Leidenschaft
mengt mit russischen Flüchen.
Um sechs Uhr des Morgens ging der
nächst« Zug nach Prag. Wir drangen
jetzt «rnstlich in ihn, woraus er wider-
Soup«r mit inb«grisf«n". meinte er mit
komisch . tragisch«! Miene, „macht das
mind«st«nS eine kalb« Soncerteinnahme
in der Provinz."
Wir brachten ihn zur Bahn. Als
sich d«r Zug in Bewegung setzte, beugte
er sich w«it aus dem Eoupeesenster her,
Wenir die Frauen eine Niederlage er,
litten haben, ziehen sich die Männer zu
rück.
Kür die Küche.
Kalb s k o? ffup p e. Ein hal-
Kalbskopf wird mehrere Stunden ge
wässert, dann in Wasser mit Salz
drei Stunden gekocht. Einige Möh-
Gieb. Nun zerläßt man etwas But
ler, rührt drei Eßlöffel Ätehl hinein
M die Mehlschwitze mit Brühe auf
uni> giebt es zur Suppe. Das Fleisch
des Kopfes wiid in Stroischen ge
lon auk',Fleifch - Ezkakt, einer Mes
serspitze gestoßener und
Salz so ,wige auf get'«dem Feues ver
rührt, bis die Masse sntzvon der Kasse
rolle loslöst. Nachdenke etwas
tauchten Lössel von den/.Teig kleine
Klöße, läßt jie in Bouiliä» gar koche»
und gibt die Suppe auf.
Boeuf -» la M,Äe. Man
nimmt je nacht Bedarf viee bis sechs
Pfund schönes altschlachtenes Ochsen
fleisch vom Schwanzstück vver das so»
beerblatt und einem Stückchen Brod
rinde, gießt halb Roth- oo»r Weiß
wein und halb Fleischbrüh« oder Was
deckt ist, deckt es fest zu und-läßt eS
mürbe ist, nimmt man es -ms der
Brühe, verdickt dieselbe, welch« kurz
und kräftig sein muß. mit etwas licht-
Bouillon aus Liebig's Fleische-Extrakt.
sie mit Schwitzbutter hellbrmm. Beim
Anrichten füllt man in die Mitte der
Schüssel «in fein«s Ragout >«n Kalbs
milch, Ochsengaumenv Champignons,
Rand mit Blätterteig - Flwrons.
reibt von acht einen- alten Milch
brötchen die Rinde ab unt» schneidet sie
der Länge nach in- der Mitte durch,
worauf man behutsam soviel von den
düimer Rand bleibt: Man röstet sie
ausgehöhlten Brötchen- und bestreicht
sie imnn innen mit-Kriiuterbutt«r, Ge
nügend Garnelen, daß sie zur Füllung
deriNrötchen reichen, schält man Ms,
nmtMnaise mit" richtet di« Brotkru
sten damit hoch gefüllt auf einer mit
ikroffe belegten Schussel an. Die Ober
fläche der Garnetvibrötchen wird noch
inii Kapern und gewiegter Petersilie
bestreut. Wem,-man Geflügel-,Kalbs
braten- oder Fischreste hat, kann man
diese ebenso toie d-ieGarnelen zum Fül
len solcher Bvötchen verwenden, oder
»uch, wenn fld nur sehr gev»gfügig
! sind, mit Ginmeken mischen.
Cavi wvsi alat. Z«hn Sis zwölf
Unz«n ganz- frischer, nicht sjchr salzi
ger Cavia» wird in einem ?ftorzellan»
UK er grauweiß aussieht und
so fein M dkß er sich du och ein Haar
sieb trecken läßt. Hierzp kommt so
dann: Aver Eßlöffel TajttSl, der Szst
zweier Eitnmen und zwei fein gege
bene Aviitbklchen. Nim wird dies zu
sammen wieder nach «ner Seite hin
Masse giilt. Nun hat man in
liche Streifen geschnittene Kartoffeln
uni> »densoviel! hartgekochte Eier, in
Hdicher Weife bereit stehen,
äber die obige Sauce gegossen wird.
Auch dieser Savt muß mehrere Stun
den ziehen, da man ihn nicht mengen
Kars.
De» Erzprotz. Juwelier
(nachdenz er eine Anzahl Brillanten
zur Auswahl vorgelegt hat): „Nun,
Herr Commercienrpth, tver die Wahl
hat. hat auch die Qual." —> Commer
c Benrath: „Packen Sie mir alles ein "
hab' keine Qual nöthial" 3