Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, January 27, 1898, Page 3, Image 3

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    iIMMIWW.
Roman von L. Haivheim.
(lv. Fortsetzung und Schluß.)
«Halt! Halt! Bleiben Sie!
Ulrich! Ulrich! O mein Gott, mein
Gott!" rief es, und ehe irgend Jemand
begriff, was vorging, lag Willa, die
«ine der Letzten des Zuges gewesen,
halb stürzend, halb knieend vor dem
Mönch, hatte den Arm, der die Flinte
hielt, umfaßt und konnte, sprachlos
tonlos stammeln: „Ulrich! Mein Ul
li chi'' ide
„Du auch? Du auch? Mit ihm?"
„Das ist nicht Ihr Platz. Baronesse!
ness^—"
ganz außer sich Ulrich von Klarenberg.
„Nein, nein! Ulrich! Deine Ehre
ist wieder rein! Höre mich! Es ist
an den Tag gekommen! Ruscow war
der Anstifter! Sie wissen es ja Alle
Alle! Wir haben Dich so lange
gesucht und nun? O, Ulrich! Du
bist ja gerechtfertigt Du! Und
Du stößt mich nun von Dir?" rief
Willa, deren letzte Worte in einem
Schluchzen erstarben.
Aber sie durfte ja nicht schwach sein,
nicht jetzt! Während Ulrich sie an
starrte, als. künde sie ihm Unglaub
liches, als 'wage er gar nicht, ihre
Worte zu verstehen und auch der Prinz
sie stutzend ansah, zwang sie sich mit
sagte energisch:
„Die Persidie des Grafen Ruscow
hat meinen Verlobten aus der Hei
math vertrieben, Prinz!"
„O, das weiß Seine Durchlaucht
besser als jeder Andere!" rief bitter
Ulrich von Klarenberg dazwischen.
» Sie ist entdeckt! Der Jockey
club hat ihn ausgestoßen, geächtet!
Daß Sie das nicht wissen!"
„Meine Gnädigste! Ich war zwei
Jahre auf Reisen —"
„Nun, es ist so! Seit dem Tage,
da der sterbende Mitschuldige Ruscows
die infame That bekannt«, haben die
Deinen, ich, Dich gesucht, Ulrich!
O. und warum entzogst Du Dich
„Ich wußte nichts,Willa! Ich kann
«s noch jetzt nicht glauben, nicht fas
sen! Man weiß also?"
Klarenberg war so erschüttert, daß
er sehr leise, fast tonlos sprach. Er
blickte Willa an, als traue er seinen
Augen nicht.
„Man weiß es, Ulrich! Ach, und
nun blicke ein einzig Mal wieder froh
sieh' mich —"
„Willa! Willa! Gott im Himmel!
Ist es denn wahr? Ich halt' es nicht
aus! Es ist zu vi«l!"
Und roth und bleich werdend riß er
seinen Rock auf; da stürzten ihm
plötzlich Thränen über die Wangen. '
Das war seine Rettung. Er schlug
die Hände vor das Gesicht und bebte
wie im Fieber.
Längst hatte der Herzog von Hamil-
Beglüiter und Willas ganze Gesell-
d Prinz sich beklommen um
sah, fand er, sie waren allein.
„Klarenberg!" wandte er sich be
drückt an diesen: „Ich bezweifle nicht,
es ist Alles, wie die Baronesse sagt.
Ich bitte Sie um Vergebung, daß ich
Ihnen Unrecht that."
„Ich danke Ihnen! Ja, Sie thaten
es! Alle! Alle thaten Sie mir Un
recht. Wie ein Verfluchter bin ich
durch die Welt gegangen —und da
„Mein Gott! Klarenberg! Ber
„Ja, ja! Gewiß, Durchlaucht!
stießen bringt! O Willa, Willa! Du
Dich nicht einmal! Ich, der ich
Deine Füße küssen sollte!"
ihren Mund tüßte.
„Meine Willa, meine Willa! Scho
velt!" dachte der Prinz. Dann aber
zwang er sich zu seinem gewohnten
jovialen Lächeln und sagte mit warmer
Stimme: „Meine Herrschaften! Hier
ist, scheint mir, nicht der ganz richtige
Platz zu weiterem Austausch! Viel
leicht verstattet uns der Mönch den
Eintritt in seine Zelle? Und wenn ein
rauenfuß die Schwelle derselben nicht
oetreten darf, so tragen wir unsere
Baronesse hinein wie Etkehard die
Herzogin Hedwig!"
„Auf meinen Händen will ich Dich
tragen, meine Willa!" flüsterte Ulrich
von Klarenberg und nickte dann dem
Prinzen lächelnd zu, mit dem ersten
Lächeln, welches sein Gesicht erhellte.
Der Prinz nes einen Führer, gab
len kleinen Garten gelangten, der an
der Thurmseite hin laufend auf einem
steil aus dem Meer aufspringenden
Felsen sichtlich künstlich angelegt war.
„Gesegnet sei Dein Eingang, Willa!
Willkommen in meinem Asyl, Durch
laucht!" sagte Klarenberg vorange-
Willa stieß einen lauten Ruf des
Erstaunens, der Freude aus. —Da
war wieder das unendliche blaue Meer
zu ihren Füßen, und auf dem kleinen
Gartenfleckchen um sie herum Rosen,
Rosen, überall blühende herrliche Ro
sen! Sie zogen sich, in übermüthiger
toller Ueppigkeit an einem kunstlosen,
«ine Art Veranda bildenden Geländer
und dann weiter an dem grauen
Thurme hinauf, ein uralter, wun
derlich geformter, vom Wetter wie ein
Bündel Fäden gedrehter Olivenstamm
mit breiter Krone stand seitwärts u.nd
Allein seltsame "köstliche'Blüthen'tra
gende Kaktusarten bildeten mit aller
lei anderen, sichtlich sorgsam gepfleg
ten jungen Blumenstöcken und Pflan
zen die Flora des ganz versteckten
Plätzchens, welches wirklich nur von
der schmalen Seite des Eingangs vom
Meere aus sichtbar war, während rie
senhafte Felsblöcke es nach der Land
seite völlig versteckten.
Sie sahen Alles nicht gleich, erst spä
ter oricntirten sie sich; nur das tolle
Blühen in seiner phantastischenUeppig
keit siel ihnen auf, denn schon hatte
Ulrich die Thür des Thurmes geöffnet
und ließ sie eintreten.
Kein Flur kein Vorsaal! Nur
ein großes, durch zwei kleine Fenster
und die jetzt weit offene Thür erhelltes
Zimmer empfing sie, ein so behag
lich eingerichtetes, wie phantasiereich,
mit allerlei wunderlichen Kleinigkeiten
ausgeschmücktes saalartiges Gemach,
dessen Decke dagegen eine doppelte
Lage ungehobelter Holzbretter bil
dete. ,
Stumm vor Staunen sahen der
Prinz und Willa um sich. Das war
ja trotz dieser Zimmerdecke!
hübsch hier! Hübsch, äußerst behag
lich! Und da stand «ine Staffelei,
dort hing eine Geige, —da war ein
großes Regal voll von allerdings ziem
lich unordentlich aufgestellten Büchern,
sichtlich vi«l benutzt! Da, neben dex
Thür, der Schreibtisch, in der einen
Ecke des Zimmers »eine Chaiselongue
Sessel, «in vollständiges ein
faches, aber gutes Mobiliar. Und wie
hübsch die Wände dekorirt waren!
Korallenzweige, Seegewächse, chine
sische Fächer, Straußfedern, Waffen,
schöne große Muscheln ausländische
netzartige Stosse, Binsenkörbchen von
seltenen Formen und großer Feinheit,
wunderliche uralte Musikinstrumente
Geschmack und sichtlicher Freude daran
dort als Schmuck zusammengestellt.
Andere derartige Gegenstände und al
lerlei chinesisches Porzellan befanden
sich auf Brettergerüsten und Eckbört
chen, welche mit Stoff überzogen ganz
vortrefflich aussahen, ja über den
zwei in Nebenräume gehenden Thüren
hingen Portieren von Wollstoff, wie
ihn die Insulanerinnen selbst webten
und der sich hier sehr hübsch ausnahm.
Prinz Schönburg wollte scherzend
rufen: „Und das nennt man eine
Mönchszelle?" als ihm einfiel, wie die
ser Unglückliche wohl geschmachtet ha
ben mußte nach dem gewohntenLebens
conisort, daß er mit solcher Mühe und
solchem Fleiß sich dies Alles selbst ge
schaffen.
Eine moderne Robinsonade.
Er schwieg gerührt und wandte sich
dem gut gemalten Bilde auf der Staf
felei zu, welches eine einsame Felssce
nerie aus dem Deserto darstellte.
Er hatte gesehen, wie Ulrich vor
Willa auf den Knieen lag und leiden
schaftlich flüsterte: „Willa! Willa! ist
es denn Wst Du
Und Willa beugte sich zu ihm,^kUßte
men und sagte ihm auch, seine Mutter
sei hier.
Der vergnügte Lebemann vor dem
Bilde aber wischte sich verstohlen mit
dem Finger eine Thräne aus den Au
gen.
Endlich, nach einer ganzen Weile,
als die Beiden sich ganz zu vergessen
schienen, rief er lachend Willa zu:
„Ich bin wahrhaftig der diskreteste
aller Freunde, meine Gnädigste, aber
und durstig na, da fehlt schon jeder
zutreffende Vergleich! Sollte dieser
liebe Klarenberg denn lediglich von
sein!"
ist das Einzige, was ich habe und eine
Flasche Wein wird sich wohl auch sin-
T
bat der Prinz, zu Willa tretend. Er
dachte, es sei besser, jedeAblentung von
Willa suhlte auch seine gute Absicht.
Sie berichtete ihm im Fluge
hörten selbst die Angelegenheiten des
Jockeyclubs auf. zu ihm zu dringen,—
sogar an Briefen hatte er Mangel ge
litten.
ten mir so," sagte er.
Es dauerte «ine Weile, bis Ulrich
Klarenberg witder kam. Sie plau
derten Willa freilich mußte sich dazu
zwingen.
„Glauben Sie mir, meine Gnädige,"
meinte der Prinz in seiner, immer den
Scherz in die ernste Situation ziehen
den Weise, „Sie wünschen mich
zwar vielleicht jetzt ins Pfifferland,
das fände ich wenigsten? recht natür
lich, aber gut ist es doch, daß Sie und
Klarenberg sich zusammen nehmen
müssen!"
„Ich habe nur freundliche Wünsche
für Sie, Durchlaucht, und Sie sind
sicher im Recht, wir würden alte Wun
den aufreißen und in unseren Schmer
zen wühlen. Es ist besser so!" sagte sie
zustimmend.
Dann aber sprachen sie davon, wie
tief die Spuren dieser Jahre in Ulrichs
Züge sich gegraben.
„Ihre Liebe macht ihn wieder jung,
und mein Wort darauf, man wird ihm
ein Recht hat. Aber das wäre nur
Pflicht, jeder wird, wie ich, das Gefühl
haben, ihm zu zeigen, daß wir Alle
froh und glücklich sind, ihn wieder den
Unseren zu nennen."
Klarenberg trat wieder ein. Er hatte
sich rasch umgezogen.
„Ich bin diesen Rock gar nicht mehr
gewohnt," sagte er, „das Ordenskleid
ist bequem und es schützte mich besser
wie jede andere Vermummung. Dem
excommunicirten Mönch blieben die
Meisten in abergläubischer Furcht
fern."
Er sah noch immer blaß und erregt
aus ergriff öfters Willa's Hände,
als wolle er sich stets von Neuem über
zeugen,daß er nicht träume, und fragte
tausend Dinge durcheinander in fieber
hafter Hast.
Dazwischen versank er in minuten
langes tiefes Schweigen; man sah
ihm an, er blickte rückwärts! und dann
raffte «r sich auf und murmelte: „Gott
sei Dank! Endlich! Also doch noch!
Ich hätte es dicht geglaubt."
Und. zwischendurch zog er einenTisch
in die Mitte des Zimmer, holte Tisch
zeug und breitete es in fieberhafter Ge
schäftigkeit darüber, trug selbst Teller
und Löffel u. s. w. herbei, und als
Willa ihm helfen wollte, wehrte er ihr:
„Laß, mein Engel, Du siehst blaß aus!
Ich' bin gewohnt, Alles selbst zu thun!
wenig?onsortabel gemacht!"
Er setzte und legte alles Tafelgeräth
geschickt an den richtigen Platz und er
zählte, er habe nur einen siebenzehn
jährigen Burschen zu seiner Bedie
nung, der ihm Koch und Stubenmäd
chen, Gärtner und Wäscherin sei und
den er auch Abends oft bei sich behal
„Man kann ohne ein menschliches
Wesen zur Gesellschaft nicht leben,
wenn man nicht Gefahr laufen will,
wahnsinnig zu werden! Ich habe den
erzählte er dabei und dann ging er in
das Kärtchen, brach seine schönsten
Blumen ab und schmückte den Tisch da
mit. Darauf kam er wieder zu Willa.
„Ich möchte immer neben Dir sitzen.
Deine lieben Hände halten, Dich anse
hen, aber ich bezwinge mich, Du bist so
zart, mein liebes süßes Herz, Du bist
von all' dem Kummer krank; ich darf
Dich nicht noch mehr aufregen. Du
mußt Wein trinken und essen," fiel ihm
plötzlich ein und nun lief er ungedul
dig in die Küche.
Endlich war die Fischsuppe fertig
und der Bursche ein hübscher brau
ner Junge sauber in seine Landes
tracht gekleidet, trug sie auf Tellern
„Das ist ja famos! Das ist ja wie
in einem Restaurant ersten Ranges!"
rief der Prinz jubelnd „Austern da
rin! Seekrebse! Servirt. wie siir
die kaiserliche Tafel! Und Teller mit
Goldrand! Na, dieser Ascet! Und —
nein, das ist aber geradezu brillant!
Das ist eine Fischwppe nach einem Re
zept des Sie's nur,
Klarenberg, Sie haben es irgendwo
hier in einer dieser Höhlen gefunden?"
Die Fischsuppe war in der That
kalter Lammbraten fand sich auch noch
Klarenberg selbst aß keinen Bissen;
aber er legte seinen Gästen das Beste
vor und sorgte ängstlich, daß Willa aß.
„Wie ein Märchen ist mtr's, daß Du
hier sitzest! Heute Morgen noch war
das Leben eine öde Wüste für mich und
jetzt —!"
..Glück auf Klarenberg! Möge das
Schicksal gut machen, was es an Ihnen
zweifle nicht daran!" trank der Prinz
ihm z htt k
einen anderen Gedanken, als den an
Willa. Seine Blicke verließen dieselbe
nicht, leise sagte er ihr: „Du warst
Nach dem Essen führte er sie an sein
Lieblingsplätzchen. Es war dies «in
Felswinlel mit einem von der Natur
kalten. Hierher brachte der Bursch«
echten Mokka in kleinen türkischen
Täßchen, und Ulrich Klarenberg er
zählte ihnen, wie er hier in Sturm
nächten gestanden undaus das wüthend
zu ihm empor brüllende Meer hinabge
blickt habe, wie es seine Wellen immer
höher und höher ihm hinaufgeschickt,
rang mit tausend Dämonen; die mir
zuriefen» »Mach' ein Ende! Komm'!"
„Ulrich! Ulrich!"
„An Dich dacht' ich eben, Willa! Du
hattest mir zugerufen: „Lebe! lebe! Es
wird an den Tag kommen!" Ach, ich
hoffte das längst nicht mehr und lebte
doch, weil ich es Dir versprochen!"
„Aber wie war es möglich, Klaren
berg, daß keine Nachricht Sie erreich
te? Man hat Sie aufgerufen in der
ganzen Welt!"
te, fand ich nie und nirgend Ruhe!"
Als Sie mich als ich hierher kam,
Durchlaucht, da hatte ich Ihnen ange
sehen, ich Ihnen noch ein
„Sie Armer!"
„Ja, es war ein elendes Dasein!
Keine Macht des Himmels kann mir
diese Jahre ungeschehen machen!"
sagte Klarenberg düster.
Sein Bursche trat ein und meldete,
«s sei ein Boot für den Prinzen ge
„Und nun zu Schiffe, Klarenberg,
zu Ihrer Mutter!" mahnte Se. Durch
laucht, welcher das Boot bestellt hatte
men.
Willa sah sich, als sie in dasThurm
gemach zurückkehrten, dort ringsum,
als wolle sie sich Alles einprägen,
„Du bist hoffentlich nicht zum ersten
und letzten Male hier, Willa," sagte
wieder?"
„Ich gehe hin, wohin Du gehst, Dein
Land ist mein Land und Dein Gott ist
mein Gott!" erwiderte sie.
„Ja," sagte sie nachdenklich; „nun
kann ich wieder an einen Gott glau
weg hinab, wo Ulrichs Se
gelboot lag. Er befahl seinem Diener,
es ihm nachzubringen und sprang dann
Zeitung zusammen, die eine Mitthei
lung brachte, welche ihn ganz außer
ordentlich aufregte. Sie lautete fol
gendermaßen:
„Der in weiteren Kreisen allgemein
bekannte und wegen Infamie aus den
Clubs der höheren Gesellschaft ausge
stoßene Graf R. ist in Th. wegen ver
suchten Lanbesverraths verhaftet.
wendet hatte/ihm für eine größere
Geldsumme gewisse Pläne und Infor
mationen in die Hände zu liefern, ging
ser Ruscow.
Gestern erst hatte er Hetta von Feld
kirchen gesprochen, die bei ihrerßückkehr
pasfirte und Ludwig an den Bahnhof
bestellte, um Nachrichten von Willa zu
erhalten.
den unglückUchen Rusczw ruinirt, sie
hat ihn ins Elend gebracht, sie ist an
Allem schuld! Und nun gar mit die
sem blutjungen Fant, dem Mr. Mor
ris, durchzugehen! Falsch ist sie wie
eine Katze! Keine Ahnung hab' ich
von ihrer Liebschaft gehabt, weg
war sie mit ihm! Ein Skandal ohne
Gleichen. Sie ist nicht mal von Rus
cow geschieden."
Er hatte sich gestern über das Ge
rede bitterlich geärgert, aber er war
mit allen Anderen längst dahin gekom
men, Tante Hetta für unheilbar in
Bezug auf Ruscow zu halten. Jetzt
packte er in schadenfroher Hast die Zei
tung zusammen, legte Kreuzband da
rum, adressirte sie an das Stiftsfräu
lein Baronesse Hetta von Feldkirchen
und schickte sie sosort in den Post
kasten.
Er war aber noch immer nicht wie
der in sich zur Ruhe gekommen, als
ihm eine Depesche gebracht wurde.
„Hesperia? Es war der Mutter doch
nichts geschehen?"
Er las sie, las sie wieder und
sank wortlos darauf hinstarrend in
seinen Sessel.
»Ulrich gefunden! Höchste Selig-
keit! Komme sofort, um die stille Hoch,
zeit der Beiden mitzufeiern.
Deine glückliche Mutter!"
brachte ihn zu sich selbst.
„Ulrich gefunden! Seligkeit!
Hochzeit!"
Er schlug die Hände vors Gesicht.
„Willa! Willa!" stöhnte er in maß
loser Qual.
Dann aber erhob er sich nach einer
Weile; sein Gesicht war feucht von
rüber und trat ans Fenster.
„Du sollst nicht begehren —" klang
es ihm plötzlich durch den Sinn.
„Du sollst nicht begehren Deines
Bruders Weib! Ein Elender wärst
Mann!"
che jedes unvorsichtige Wort wieder
„Sein ist sie!l Ich begehre ihrer
nicht! Aber sehen will und darf ich sie
nicht!" sagte er sich endlich, ganz müde
und matt. Dann schrieb er erst die
Rückantwort auf die Depesche: „Got
tes Segen über ihn und sie! Haltet
kommen, erwarte Euch Alle hier in Ul
rich's Erbe."
„Und nun ist es Zeit, daß ich ihm
Der Reverend Mr. Feliwis, des
Herzogs Schiffskaplan, traute zwei
Wochen später Ulrich von Klarenberg
und Willa von Feldkirchen.
Das Hochzeitsmahl war das letzte,
welches der hohe Herr mit feinem
Freunde, dem Prinzen und den bei
derseitigen Begleitern auf der Insel
der Glückseligen, wie sie das kleine Ei
land scherzend nannten, einnahm.
Die sämmtlichen Kurgäste von He
speria waren als Hochzeitsgäste gegen
wärtig und in demselben Grade, wie
sie sich für das junge Paar inid dessen
Geschichte intercssirten, waren sie auch
dankbar für die unendliche Fülle von
Unterhaltungsstoff.
Die bleiche, zarte Willa sah ent
zückend schön und jugendlich frisch aus
in der freudigen Stimmung und mit
dem heißen Roth auf ihren Wangen.
Und Ulrich? Die Insulaner woll
ten es durchaus nicht glauben, daß
dieser stattliche Mann mit dem klaren,
festen Blick und der geheimnißvoll«
Mönch, den sie so sehr fürchteten, die
selbe Person sei. Andere flüsterten, er
sei wohl dieselbe Person, aber er sei
ein geweihter Mönch und um der schö
nen Dame willen aus dem Kloster ent
flohen, das könne nimmer gut gehen.
Dennoch tranken sie Abends sammt
und sonders den Wein, den Frau von
Klarenberg ihnen mit unbegrenzter
Freigebigkeit zu schenken befohlen hat
te, und konnten sich nicht genug thun
im Wiederholen der Schilderung der
Trauung.
UlriK und Willa hörten nichts von
all' diesen Reden und all' dem
dengeschrei. Sie waren im Boot still
nach dem Türkenthurm hinaus gefah
ren; standen jetzt, sich zärtlich um
schlungen haltend, in Ulrich's kleinem
Lug-ins-Meer und blickten schweigend
Friedlich lag es in unabsehbarer
Weite, vom Vollmond mit silbernem
Licht übergössen und ganz in der Ferne
schimmerten die weißen Segel der her
zoglichen Yacht.
(Ende.)
Vom Kasernenhof. Un
terossicier: „Lehmann, machen Sie doch
wenigstens einen Versuch, daß Ihre
Visage einem Gesicht ähnlich sieht!"
In der Schule. Lehrer:
„Welcher Mensch ist wahrhaft glück
lich?" Schüler: „Der Herr Lehrer,
wenn er Abends beim Schoppen sitzt."
Nahendes Gewitter.
Grobheiten, wie Sie mir eben gesagt
haben, muß ich mir aber für die Folge
verbitten, Sie behandeln mich ja
gerade, als wenn ich Ihre Frau wäre!"
Vor Gericht. Vorsitzender:
„Räumen Sie ein, die Privatklägerin
„einen alten Drachen" genannt zu ha
ben?" Angeklagter: „Ja! Doch bitte
ich, als Entlastungszeugin die Privat
klägerin vorzuladen!" Vorsitzender:
„Wie? Die von Ihnen beleidigte Pri
vatklägerin?" Angeklagter: „Ja!
Wenn Sie die sehen, dann müssen Sie
mich freisprechen!"
Fe st e n t s ch l o s s en. Braut-
Sie meine Tochter heiraten? Ueberle
gen Sie sich die Sache noch sehr genau,,
andere Leute haben das auch geglaubt
und nachher gemerkt, daß sie sich sehr
getäuscht hatten." Bewerber (sehr
verschuldet): „Ach nein, iH glaube
nicht, daß ich mich täusche, ich habe
mich vorher ganz genau nach Ihnen
erkundigt!"
Pas Alpen-Plttblatl.
Einmal in die Alpen und nicht
wieder! Das sage ich Jeremias Besen
binder, wohlbestallter Lehrer an der
zwanzigsten Bezirlsschule!
Wir drei sind gemeinsame Stamm
tischgäste im „Grünen Laubfrosch":
Privatus Kniebein, Steuerkanzlist
Wohllebe und ich.
glück. Kniebei» kaufte ein Exemplar
der „Wörishöffer Blätter" unv nun
war die Sache fertig. Während wir
stian Kneipp, und nun
sustgehen, Kniegiissen und Kathreiners
Malzlassee bei ihm nicht mehr auszu
murrend zwar, aber er gehorchte. Und
mich packte er beim Ehrgefühl, denn er
meinte, BezirlsschuUehrer seien nun
einmal so eingefleischte Anhänger des
Alten, daß sie sicher den Segen der Na
turheiltunde mit fleischloser Kost nie
türlich wallte mem Bezirksschullehrer-
Herz empört auf. Und ich rief: „Was
Ihr tSnilt, kann ich auch!"
weiche Gras in Frag« kam, ging's ja
auch recht schön. Tann kam eine Halde.
Wohllebe, der voran ginH, hatte sich
„Wörishöffer Blätter" schimpfte wie
Er Hätt'S mit dem Rathe dcs^Alt
vor einer Schmarre gerettet, die ein aus
sein Gesicht geschleuderter Holzlöffel
sicher versprach. Als er aber nun hös-
HerculeS in der Tracht einer Almerin.
Im Uebrigen hätte er nun völlig genug
von jeder Alpenreise.
widersprachen wir. Jedoch schon am
nächsten Tage empfing unsere bereits
aus ein tieses Niveau gesunkene Alpen
leidenschaft ihren Todesstoß. Wir wa
ren eine nicht sehr hohe Wand empor-
Emporklettern lein« großen Schwierig
keiten gemacht hatte. Aber sie war
glatt und es war der Rückweg auch ih
nen nur dadurch möglich, daß man sich
sanst aus ihr „hinabschurren" ließ.
Ich machte den Anfang.
Das ging ganz gut. Ich kam völlig
heil an. aber meine Unaussprechlichen
lädirt und meine Aermet »erloren ihre
Ellenbogenstellen ganz. Aehnlich so
ging's dein Stcurrkanzliste». Aver
der gute Kniebein kam aus der Rich
tung unt» kellerte seitwärts ab. Es
dauerte eine Viertelstunde, ehe wir «lle
Löcher in seinem Gewände zusammrn
gezählt hatten.
Nein nur fort aus den B»rgen!
großen Alpenhotels «in paar T«ge re
stauriren. Ra, und dann k<m das
Finale unsrer Alpenfahrt. Und das
Rechnung! Kniebei» schimpfte, der
Steuerkanzlist Wohllebe »erlor allen
Gleichmuth und mir entfnhr ein wü
thendes: Solch' verfluchte Prellerei !
Sehr kleinlaut kamen n>ir wieder zu
lich fühlen, wenn sie wüßten, wie vie
l«m Unglück sie entgehen.
I?ür die Küche.
Weißkrautsuppe. Man?
giebt einen feingeschabten Kopf Weiß
kraut in eine Pfanne, worin man ein
Stück Butter zerlassen und streut dann
auf das Kraut etwas Salz, einen gu
ten Eßlöffel voll Mehl und einige in
Scheiben geschnittene Zwiebeln und
läßt dann Alles unter stetem Wenden
so lange braten, bis es braun ist. Die
ses so zubereitete Kraut gießt man
Wasser an und kocht das Ganze noch
einmal auf. Es schmeckt sehr gut,
wenn man in der zum Angießen ver-
Rauch fleisch mit K
saftig bleibt. Unter der Zeit bereitet
Nelken weichgekocht und^weggestelk.
Ist das Fleisch weich, zieht man das
Schwärtchen ab und schneidet es recht
eine Erbsensuppe durch Zusatz von
Erbsmehl und einem Viertel Kaffee
löffel Fleifchextract. Nachdem die
Russischer. Salat. Ein
Pfund Kalbsbraten, ein halbes Psund
man von Haut und Gräten befreit hat,
zwei gut gewässerteHäringe, zwei, saure
Gurken, vier Löffel Perlzwiebeln und
ebensoviel« Kapern werden möglichst
gleichmäßig geschnitten, in Würfel ode»
feine Streifen, und dann vermischt.
Vier Eier werden sodann hart gekocht,
die Dotter werden fein gerieben und
mit zwei roh«n Eigelb vermischt; «ine
Tasse feinstes Tafelöl, weißer Pfeffer
zwei Theelöffel Tafelsenf, etwas Ci
tronensaft, eine Pvise Zucker und etwas
Weinessig wird zu einer dicklichen
Sauce gerührt, mit dem Eigelben gut
verarbeitet und dann mit den übrigen
Zuthaten vermischt. Dieser Salar
muß einige Stunden stehen, um durch
zuziehen; während dieser Zeit muß
man ihn einige Male herumschütteln.
Beim Anrichten verziert man ihn mit
Sardellen, Mixed Pickles, Rothrüben.
Eiern und Kapern.
König s b e vg « r Klo ps. Drei
Theile gehacktes Rind- und eil» Theil
Schweinefleisch wevden mit einer gerie
benen Zwiebel, zwei bis drei entgräte
ten und gewiegten Sardellen, sowie mit
einem in Wasser geweichten Weißbrot,
einem Eßlöffel voll geriebenerSemmel,
etwas Pfeffer, abgeriebener. Citronen
schale, einem bis zwei Eiern und, wenn
nöthig, noch etwas Salz vermischt und
zu runden Klößchen geformt! Hi«vauf
röstet man zwei Löffel voll Mehl in
reichlich Butter hellbraun,, fügt, etwas
Wasser, einen Löffel. Essig- zwei. Löffel
Wein, einen Löffel feinen Senf, eine
gehackte Zwiebel, 4 Sardellen, einige
Pfeffer- und Pimenttörner, Kapern
und ein Stückchen Zucker. hinz,u, läßt
alles einmal aufkochen und dämpft
dann die Klopse gut, zpgedeckt eine
halb« Stunde darin.
Gebratene G-irn s e t«b ev.
Mehrere schöne Gänsflebern wässert
man einige Stunden« in Milch, zer
schneidet sie in fingerstarke Scheiben,
bestreut sie mit Salz und Pfeffer und
wendet sie in Mehl und daraus in Ei
und geriebener Semmel. Di« Leber
scheiben werden iw steigende» Butter
schnell gebraten, die Butter mit kräf
tiger Bouillon aus Fleifchextract ver
kocht und über, die Leberscheibcn ge
gMen.,
Ha in b u r A. a l s u p p e. Die
se Suppe erfordert, «ine sehr kräftige,
von Rindfleisch, einem alten Huhn
langsam gelochte., mit Fleischextract
abgeschmeckte BomSon. Ferner einen
Aal. von 3 bis. 4 Pfund, der abgezo
gen und aus den. Gräten geschnitten, in
zweifingerbreiteScheiben getheilt wlrd,
welche man in. wenig Wasser und Es
sig. mit Zwiebel. Salz, G«würz, einem
Lorbeerblatt, »tnd etwas Salbei, gar
lacht. Weitn bedarf es einer Pfund
büchse Brechspargel, ebenso viel grü
ner Erbsen- und eines guten Theil-s
seinwiirfelig geschnittenen Wurz.'l
geschälte, und entkernter Birnen mit
etwas Rothwein. Wasser und Zucker
weich wid schwitzt die verschiedensten
Kraut«, als: Petersilie, Selleriekraut,
Portnla-lt. Majoran. Thymian. Ba
silikum, Salbei, Psesserkraut und
PiinMell«. fein g«viegt in Butt-r.
Nachdem olle diese Bestandtheile der
Reih« nach hergerichtet wurden, berei
tet man ein Brauamehl, rührt es mit
der Bouillon unk der vollkommen ent
fetteten Aalbrüh» klar, läßt die Suppe
mr« halbe Stunde koch«n und thut nun
den Aal nebst den angegebenen Zutha
len hinein, mit Salz und Muskatnuß
abschmeckend und zuletzt Schwemm-
Nößchen hinzufügend.
Naiv. Backfisch: „Mama läßt
um das Lied: „Es liegt eine Krone im
tiefen Rhein', bitten!" „Wollen Ti
es mit oder ohne Begleitung?" Back
fisch: „Aber mein Herr, was würde
Mama sagen, wen« ich mich begleiten
ließe!" 3