Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, December 30, 1897, Page 2, Image 2

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    2 EYlvtstcrgloikcilNiiiige.
von w. Willmeroth,
Die Glocken läuten das Neujahv eil»...
Vereint zu jubelndem Feste
Sitzt lärmend bei Becher und K«rzen-
Die fröhliche Schaar der Gästt.
Was uns has Neujahr briMn mag?
Und bang hallt die Frage im Herze»
WirdtS das Glück uns dringen?
DieNlocken läuten das Neujahr eilt.,.
Im stillen Käinmerlein -droben
Sitzt einsam ein altes Miitterlein,
D«r, Blick gerichtet nach oben.
Was ihr dos Neujahr bringen inrqr )
-Der alte Gott hilst-ioeiter!
Wieder,in Zayr.
Von Otuilav John
In zwanzigW«'uttn wird «in neues
Jahr beginnen. In dem altdeutsch
gemüthlichen Satr-n sitzt eine kleine Ge
sellschaft in hellerer Stimmung bei
sammen. Das einfache, aber auserle
sene Mahl ist trüber. Man befindet
sich in der denkbar besten, -animirtesten
Laune. Eben wird der dampfende
Punsch in die. Gläser gefüllt. Noch
— und .die Gläser
mit begeistertem Jubel das.einziehends
junge Jahr W begrüßen.
Alle sind iio erwartungsvoller Stim
mung. Die «bisher laut geführte Un
terhaltung verstummt. Man denkt an
den kommenden neuen Zeitabschnitt.
Was wird das neue Jahr bringen ?
Welch« Wünsch« wird «6 erfüllen, wil
des Hauses. Sie selbst hat für ihre
eigene Person schor), längst mit dem
Leben abgeschlossen. Was kann es ihr
noch geben? Ihr Mann hat sich aIZ
vielbegehrter Advokat ein hübsches Ver
mögen erworben. Er ist noch immer
Tochter... Nein, das Lebens st fllr sie
ringe Praxis. Sie denkt: was thut !s!
Kriegt Elsa doch eine hübsche Mitgift
mit, von d«r sie die erste Z«it und auch
- Neben ser Hausfrau sitzt ihr Gatte.
Auch ihm,zieht Aehnliches durch den
V sche! Und elegisch summte er das alte
Burschenlied: „O alte Burschenherr
jungen Doctor sitzt, der leise, aber ein
dringlich, zu ihr spricht. Sie hat die
Augen gesenkt, ober er weiß trotzdem,
daß sie selig leuchten. Die Beiden müs-
Aus der Tafelrunde erhebt sich jetzt
ein blonder, bebrillter Herr von feinen»
Schriftsteller. Er blickt durch s^me^ol
weiß man, daß «rein erfahrener Red
ner sein muß... Laute Brovo-Ruse
empfangen ihn. Er lächelt verbindlich
und klopft mit einew der Punschlöffel
chen an sein Glas. Die flüsternden
Lippen verstummen.
Jahres mit einer Rede auszufüllen.
Des alten Jahres? Wie, glauben Sie
wirklich, daß mit dem Schlage Zwölf
haltsamen Gang, nur der Kiger auf
dem Zifferblatt unseres Lebens ha!
einmal seine Runde beendet.
des Schicksals festlich begehen... Ich
der einmal die Herzen im gegenseitigen
Wohlwollen schlagen, damit sich die
Bande d«r Zusammengehörigkeit fester
knüpfen. Ich glaube, das Neujahr
wird gefeiert, damit es das Herz deZ
Unglücklichen mit NtUkN Hoffim.n^en
erfiilk, damit der Nlöckliche nicht über
müthig werdeund fich frag«: Wird dein
Glück auch im folgenden Jahre beste
hen?... Wer überdenkt nicht im
Dämmern des tagenden Jahres die
Ergebnisse des alten, versinkenden?
Wer zieht nicht seine Bilanz? Wohl
uns. wenn wir einen Ueberschuß hin»
übernehmen könn«n in'» nächste Jahr
Dos Ne»jahr, es ist eine Mahnung,
daß wieder einmal eine Seite im Buche
unseres Lebens beschritten ist. Es
mahnt uns, daß wir di« w«nige» Sei
ten dieses Büchleint iicholtsvill und
mit Bedacht beschreiben sollen. Denn
es unbarmherzig in seine Bibliothek,
die die Menschen Fvkdhof »ennen. S»
ein Lebensbüchlein beginnt gewöhnlich
Nacht. Eirrige Augenblicke ist Alles
still, und mam sieht nur ernste Mienen.
Jubel lot. Hell klingen die Gläser an
hoch! Diesmal lasse ich es gelten, denn
es hat uns bereits etwas Erfreuliches
gebracht!"
liches Pimr, auf Elsa und Dr. KlauZ,
Wein Zireund Hilarius.
„Geschäft" in der Kloslerstraße stelzte,
daß Du zu Anfang Deiner gottver
d .... Federfuchser«! mit M Thalern
monatlichem Salair noch Ersvarnisse
Paragraph 158 des Neichsstrafgesetz
liebt
dieses Mimaturpsötchens von Ange
und der Dalles wuchs mit meine«
Liebe. Doch was will das faaen!
Ein Blick meines holden -ris k vis, ein
Ich wohnte bereits drei Wochen in
meiner Dachstube, als mich eines schö
nen Tages mein Zimmernachbar mit
seinem Besuche beehrte. Lexikon, ich
sage Dir, solch' eine confiscirte Visage
in meinem ganzen Leben nicht
Er stellte sich mir vor als Heinrich
Amadeus Nessel, früher Reifender in
Stiefelwichse und Appretur - Utensi
lien, jetzt dramatischer Dichter. Einige
Muse, ein nur siinsakti'gcS Trauerspiel
mit Prolog und Epilog. _
Jch schauerte Zusammen »nd lenkte
auf ein andere« Thema, nämlich auf
das liebliche k vi«, dessen Blick so
eben wie ein Sonnenstrahl herüber
blitzte. Es hielt nicht schwer, aus dem
redseligen Reisenden für Stiefelwichse
und Appretur - Utensilien alles Wis
nikui, hatte auch vor zwei Monaten
die Minna als eheliches Gesponst
heimgeführt. Nessel meinte, er hätte
unb einträglichere Beschäftigung eines
Reisenden für Stiefelwichse und Ap
pretur - Utensilien wieder auszuneh-
erklomm ich die sechs Stiegen und
stand vor ihrer Thür. Ich klopfte,
und zwar so laut, daß drinnen „Her-
Holden mit meinen Glückwünschen
auch mein Herz zu Füßen zu le-
d. i 'tfilh
Rührung und Erinnerung überwäl
tigte ihn. Ich tröstete mit leisem Zu
spruch.
lind da kam es denn in abgebroche
heuer, der sanfte Heinrich, von seinem
Pegasus auf Stiefelwichse umgesattelt
war und so das praktische Herz der
Treppe hinunterwerfen zu können.
.Für mich giebt's kein Vergnügen
„Gefällt es überall!"
„Was sagte» dann die Leute wohl?!"
„Wohlan! ich kein Geld,
AnderHitzedesGefech
te s. Mutter: „Neigung hin, Neigung
her! Du heiralhest das' Mädchen und
damit basta. Papa hat auch nicht nach
seiner Neigung geheirathet!"
Die Gefahren der See
reise. A.: „Denke Dir. mein Bru
der hat sich auf der Uebersahrt von
Bremen nach New Bork verlobt!" B.:
„Das ist wieder ein Beweis dafür,
daß trotz alle Vervollkommnung unse
rer modernen Dampfer die Gefahren
der Seereise noch nicht ganz überwun
den sind.
Der Kenjayrswunsch.
„Nein, Mama .diese Schändlichkeit
übersteigt aber doch alle Begriffe!" rief
die hübsche, neunzehnjährige Mimi
Stein, mit hochrothen Wangen und
zerzausten Stirnlöckchen in das Em
pfangszimmer ihrer elterlichen Woh
nung stürzend und in ihrer Erregung
völlig außer Acht lassend, daß die
Mutter nicht allein war.
„Aber, Kind", fiel die Professorin
Stein der kleinen Ungestümen verwei
send in's Wort, „siehst Du denn gar
nicht —"
chengemüth nicht so leicht mit philoso
phischem Gleichmuth hinwegsetzen
konnte. Eine Gruppe junger Damen
nahm mit sichtlichem Wohlgefallen die
Huldigungen verjchiedener Adonisse in
Uniform und Civil entgegen und
blickte dabei spöttisch triumphirend
nach einer lächerlich aufgeputzten weib
lichen Figur im Hintergründe, die mit
neidischer, verbissener Miene die Ge
feierten durch ihre Lorgnette musterte.
Unter dem sinnigen Gemälde standen
in augenscheinlich verstellter Hand
schrift die kmarsträubenden Verse:
„Die Du aus jedem Ball Dich aus nen
Mann thust spitzen,
Man lacht nur über Dich und läßt
Dich kläglich sitzen.
Und den Du k to»t prix als Gattin
Der kehrt Dir »uns ln«>rei, verliebte
Maid, den Rücken."
„Das ist allerdings ein lehr sader
Scherz, mein gnädiges Fräulein",
meinte der als „Herr Doktor" Angere
dete.
„Fader Scherz!" rief Mimi heftig,
den dicken, bernsteingelben« Zopf, der
ihr bei ihrem Zornausbruch über die
stelnd. „Bitterer Srnst ist es der Ab
leider bringen die Verhältnisse das
sehr oft mit sich irgend etwas Ver
letzendes sagt, das mich für den gan
zen Tag verstimmt, meistens stichelt sie
über meine Kleinheit muß sie mir
nun auch gleich den ersten Tag im
neuen Jahr verderben. Mir wurde
auf dem letzten Ball schon angst und
bang, weil ich zufällig mal ein cinzi
hatte als und ich dachte bei mir
selbst: Wie sie jetzt wohl wieder gegen
Dich anspinnt? Doch daß sie es so arg
„Aber, bitte, wer ist denn diese ge
heimnißvolle „sie"? Die liebenswürdige
Absenderin wird doch schwerlich ihre
Visitenkarte beigelegt haben. Wie kön
nen Sie also wissen —"
„O, die Handschrift ist, obgleich
verstellt, unverkennbar, und dies see
grüne Briefpapier hat sie erst neulich
mit mir zusammen gekauft. Zu.dumm
„Aber den Namen, mein gnädigstes
Fräulein. Ich kenne doch so ziemlich
alle jungen Damen, die in Ihrem
Hause verkehren. Vielleicht bietet sich
mir einmal die Gelegenheit, Ihrer
„Freundin" zu zeigen, wie ich über ver
denke. Diese Art Damen sind mei
stens überaus empfindlich gegen männ
lichen Tadel."
„Nein", sprach Mimi mit Entschie
denheit, und ihre kleine, zierliche Ge
stalt schien förmlich zu wachsen unter
einem heroischen Entschluß, „ich will
nicht am Neujahrstage Böses mit Bö
sem vergelten. Es heißt ja, wie man
das Jahr beginnt, so beendet man es
auch. Aber wissen soll das Gräuel
ach nein, das wollte ich nicht sagen
also wissen soll sie wenigstens, daß sie
erkannt ist. Meine Tante Hermine,
die jetzt bei uns zu Besuch ist, wird
mir deine die Adresse machen, und
dann will ich ihr sofort durch einen
Dienstmann den malitiöfen Wunsch
zurückschicken. Ganz gewiß verräth sie
sich, sobald sie mich wieder trifft, und
dann kann ich ihr einmal ordentlich sa
gen, wie mir's ums Herz ist."
„Das ist eine famose Idee, die Ih
rem Köpfchen alle Ehre macht", rief
Herr Dr. phil. Viktor Bernardi.
„Mehr aber noch," fuhr er mit Wärme
Standhaftigkeit, mit der Sie den Na
men Ihrer Feindin mir gegenüber ver
schweigen."
„Ich meine, Herr Doktor", entgeg
nete die Professorin lächelnd, „Mimi
thäte am besten, den albernen Wunsch
sorsort in's Feuer zu stecken und der
Absenderin in keiner Weise zu zeigen,
daß der Pfeil getroffen hat."
ich mir nicht versagen. Glaubt mir,
es ist für beide Theil das beste, denn
recht ausgesprochen habe, verzeihe ich
ihr vielleicht auch dieses, gerave 10
wie wie schon so manches an-
Die kleine Mimi ist doch ein aller
liebstes Mädchen, dachte Bernardi, in
dem er die Hauptstraße hinterging, um
feine Besuchstournee fortzusetzen.
Millich, ich hätte nicht gedacht, daß
so viel in ihr steckt, und es thut
mir jetzt leid, daß ich sie in der letzten
Zeit so arg vernachlässigt habe.
Allerdings hatte unser Doktor alle
Ursache, reuige Betrachtungen in Be
zug auf die „kleine Mimi,, bei sich an
zustellen. Länger« Zeit war sie ihm
bei jedem gesellschaftlichen Zusammen
treffen der Gegenstand ausfallender
Galanterien gewesen, vielleicht noch et
zusinden pflegten, allerlei gemunkelt.
Aber da war dem Verliebten plötzlich
eine neue, glänzendere Erscheinung in
den Weg getreten, die Mimis beschei
denere Reize in den Schatten gestellt
hatte, und dann ja, wie es so zu
gehen pflegt. Man hatte ja bis jetzt
noch kein bindendes Wort gesprochen,
sagen? Ebenso wenig wie ein gele
gentlicher zärtlicher Blick. Aber ein
Mann in Amt und Würden sollte doch
im Verkehr mit jungen Damen Acht
auf Worte und Blicke haben, denn eine
Tändelei, die man etwa einem
hergefchritten war, nicht bemerkte, bis
ein silberhelles Kichern ihrerseits ihn
aus seinen Betrachtungen aufschreckte.
„Mein gnädigstes Fräulein", rief
er, verwirrt den Hut ziehend, wie ist es
möglich, daß ich sür das Glück Ihrer
Nähe kein Auge gehabt habe! Aber,
ich —"
Schutz gegen die Kälte, ihren weißen
Muss vors Gesicht, so daß ihre dun
keln und schwarzen Haarwellen
meinen Knix bei einem Dutzend al
ter Schachteln und Kollegentanten
machen."
„O wie schade! Und ich bin gerade
auf dem Wege nach Ihrem Hause."
„Sagen Sie „war"," bestimmte
Fräulein Edda Bertram als solche
stellen wir sie dem Leser vor mit
Ihren Besuch jetzt zu machen, wo Sie
wissen, daß ich abwesend bin? Ich we
nigstens ignorire unser Zusammentres-
einen graziösen Abschiedsgruß zu und
bog schnellfüßig in eine Nebenstraße
ein, seelenvergnügt in demßewußtsein:
der zappelt unrettbar in deinem Netz
und entgeht dir nicht.
Ihre Zuversicht war keineswegs un
begründet. „Ein reizendes Geschöpf",
monologisirte der flatterhafte Knaben
lehrer, und seine reuigen Anwandlun
gen waren plötzlich wie weggeblasen.
„Vielleicht ein bisset kokett, auch dürfte
sie etwas weniger etwas weniger
nun, keck, in ihrem Verkehr mit Män
nern sein. Aber das giebt sich sobald
sie die Frau einet Pädagogen ist, der
schon mehr als ein gutes Erziehungs
resultat auszuweisen hat. Uebrigens
muß ich ihr doch heute Nachmittag das
Mißgeschick anvertrauen, das die arme
kleine Mimi betroffen hat. Vielleicht
kann sie das Kind etwas aushntern;
sie ist ja ihn beste Freundin."
Sonderbarerweise war Herr Doktor
Bernardi immer der Thatsache gegen
über kurzsichtig geblieben, daß gerade
die „beste Freundin" von dem Augen
blick an, daß er sie kennen gelernt, sich
bestrebt hatte, ihm die kleinen Schwä
chen Mimis, die ihm bis dahin entgan
gen waren, mit reizender Schalkhaftig
keit vor Augen zu führen. Daß Ed
das brünette Schönheit nur noch mehr
neben den von ihr zerpflückten Reizen
der kleinen blonden Mimi zur Geltung
kam, war das ihre Schuld? Auch
heute kam ihm nicht der Schatten ei
nes Gedankens, daß doch eigentlich
Edda es gewesen, die ihn von seiner er
sten Liebe abgebracht. Im Gegentheil,
mehr noch als je erschien sie ihm in
seiner Reujahrsstimmung als das
nen er seinen Besuch zu machen hatte,
die üblichen Neujahrsphrasen hinun
terleierte, kam immer mehr der Enl
Flieder, gefüllten Veilchen und Mar
schallnielrosen, das der Freiersmann
zu der man solch festes Bertrauen ge
habt hat, in der perfidesten Weise um
Me ganze fvohe Neujahrsstimmung ge
bracht worden ist."
„Auch Sie, Fräulein Edda", rief
Bernardi im Tone innigsten Mitge
fühls, „wer könnte so etwas llbersHerz
Neid! Bittet sehen Sie, ist es zu glau
bl'
Karte, die Edda mit bebender Hand
aus dem Couvert zog, zurück, als habe
er einen Schlag in's Gesicht erhalten.
sein."
„Nicht wahr, man sollte es nicht für
möglich halten, daß die beste Freundin
so falsch, so hinterlistig —"
„Aber um Gotteswillen, wen halten
Sie denn für die Absinderin?"
„Wen anders als Mimi Stein. Sie
war immer so neidisch aus mich, haupt
kämpfte sichtlich einen schweren Kampf
mit ihrer mädchenhaften Schüchtern
heit, endlich stammelte sie mit gesenk
ten Wimpern: „Nun, warum sollte
ich es Ihnen nicht gestehen, Sie wis
sen ja, wie harmlos ich unsern Ver
kehr auffasse, aber die kleine, unbedeu
tende Person war immer -außer sich
vor Aerger, wenn Sie einmal mehr
mit mir getanzt hatten als mit ihr,
deshalb —"
„Aber, mein lies Ber
nte von ihm gehört hatte, „wie ist es
möglich, daß Sie Ihrer bei alledem
besten Freundin solche Infamie zu
trauen!"
„Es ist ihre Handschrift", entschul
digte Edda sich unvorsichtig.
„Wirklich?" bemerkte ihr Exbewun
derer ironisch, „wenn Sie sich da nur
nicht irren. Ich meinerseits möchte da
raus schwören, daß Fräulein Stein ei
„Prosit Neujahr, lieber Doktor!"
erscholl in diesem Augenblick die Stim
me des Justizraths, der mit seiner bes
sern Hälfte durch die Portiere des Ne
bengemachs eintrat. Edda warf dem
Elternpaar, das eine erquickende Siesta
wollen zu umsangen, einen vernichten
den Blick zu. Was brauchten sie in die
sem Augenblick auf der Bildfläche zu
„Aber nun rasch eine Tasse Thee,
liebes Eddachen", mahnte die Justizrä
thin, „es ist bitterkalt; unser guter
Doktor hat wohl auch schon einige
Sehnsucht —"
„Danke, danke, meine gnädigste
Frau", lehnte „unser guter Doktor",
der merkwürdig bleich geworden war,
die Liebenswürdigkeit der Hausfrau
ab. „Indem ich Ihnen meine ergeben
sten Glückwünsche ausspreche, muß ich
mich gleichzeitig empfehlen, da ich mich
schon zu lange bei Ihrer Fräulein
Tochter ausgehalten habe und nun noch
rasch einige durchaus nothwendige Be
suche erledigen muß."
Mit diesen Worten trat er einen fast
brüsken Rückzug an, ohne auch nur
den Versuch zu machen, Eddas zarte
Fingerchen zum Abschied zu drücken.
Verwundert und geärgert blickte sie
„Was hat denn der alberne Mensch?"
war ihr Gedankengang, indem sie an
den Theetisch trat, um ihren Pflichten
als sorgsame Haustochter zu genügen,
jetzt leider nur die Eltern als bewun
derndes Publikum. „Launen? Das
könnte mir grade passen! Solch kleine
Scherze werde ich ihm schon abgewöh
nen, wenn er erst mein Mann ist. Wie
sonderbar er sich übrigens gerirte, als
ich von der knirpsigen Mimi sprach.
Sollte etwa Mimi Stein, wenn
ich so was glauben müßte, schickte ich
dir „verspätet" einen noch ganz an
dern Neujahrsgruß als den ersten, ei
nen, bei dem du einfach starr wä
rest."
Zwei Tage später aber erhielt Mi
nus „beste Freundin" einen „verspäte
ten" Neujahrsgruß, bei dem sie ihrer
seits erstarrte. Allerdings nur auf ei
nen Augenblick, bald genug kam wie
der Leben in vas schöne Steinbild. Die
einfache, weiße Karte, der man nichts
Fürchterliches ansah, flog in Stücke
zerrissen auf den Fußboden, zwei zier
liche Füßchen stampften ein paarmal
darauf herum, dann wurde eine Thür
in's Schloß geschmettert und wehe
dem, dessen Berhängniß es war, Fräu
lein Edda Bertram in diesem Augen
blick in den Weg zu treten. Die
Karte aber hatte nichts enthalten als
die Mittheilung, daß Mimi Stein
und Viktor Bernardi Verlobte wa
— Gemüthlich. Richter: „Sie
wollen also dem Kläger die AD Mark
zurückgegeben haben? Können Sie das
beschwören?" Beklagter (zögernd):
„Hm, lieber wär's mir schon, wenn
ich's nicht zu beschwören braucht'!"
Die Ungenügsame. Frau:
„Seit Deiner Rückkehr von der Reise
geben." Mann: „Ja, aber ich habe Dir
doch erst im letzten Briefe I<X>o Küsse
geschickt."
Ideale rauben."
Junger Adel. „H«rr
Commerzienrath werden uns doch die
Ehre Ihres Besuches schenken?"
—Schrei b se l i „New so
Ariede.
Ueber der Riesenstadt lag frühe
Abenddämmerung. An einzelnen
Fenstern der neuen, wenig bewohnten
Mietshäuser wird «s jetzt auch all
mählig hell unk des Licht ruft hier
fleißige Hände zur Arbeit. Hinter den
faltigen Mullgardinen von Frau Mar-
Näharbeit hat sie längst aus der Hand
die liebste des Tages ist, lehnt sie eine
Weile nachdenklich im bequemen Scha
ukelstuhl. Das Leben hatte ihr nicht
Aussichten gezeigt. Wohl war sie des
geliebten Mannes Weib geworden, aber
ben. Das lleine Pflichtteil deS vat::-
kraft.
„Hab' ich Dich erschreckt?"
Sie schüttelte das Haupt. „Daß
ich noch kein Licht hab' und der
Thee nicht fertig ist bist Du heute
eigentlich früher gekommen?"
„Ja, Liebchen! Und was ich
bring'!"
Er drückte einen Busch blühender,
duftender Veilchen in ihre Hände.
schön! Woher hast Du die?" fragte
sie mit verhaltener Freude.
„Erst Licht, Schatz, und dann hörst
Du Alles!"
Und als die milchweiße Glocke ge
dämpfte Helle ausstrahlte, schlang er
den Arm um sein Weib und freudig
erzählte er, er sei endlich fest angestellt
im Ministerium mit gutem Gehalt und
sicherer Pension.
Martha erglühte.
„Grad' heut" kam es lebend über
ihre Lippen, „0 Friedrich!"
beliider Freude.
„Anders soll's werden, Schatz
endlich mal wie ich's mir längst sür
Dich geträumt habe!"
„O Du!" Sie wehrte seiner stür
mischen Zärtlichkeit.
„Natürlich ziehen wir mehr in die
Stadt hinein das ist schon wegen
des weiten Weges nöthig ein, zwei
Zimmer mehr, das ist doch klar und
dann ein Kleid, das noth»
chelnd, „mein altes Hochzeitskleid ist
noch herrlich, ich brauch' noch lang«
keins."
„Das läßt sich aussrischen wirk
lich, Friedrich wenn Du aber gar
nicht weißt, was Du mit all dem Geld
ansangen sollst dann muß ich
Dir was sagen —"
Er suchte ihren Blick, aber ihr Auze
blieb gesenkt.
„Was ist Liebchen?"
Jetzt rückt sie nahe an ihn heran
und flüsternd, als fürchte sie, ihr Ge
heimniß laut zu verrathen, sagte sie:
„Zum Frühjahr, Friedrich dann
Und sie lehnte ihr glühendes Gesicht
an seine Brust.
Es war lautlose Stille; nur von
draußen her erklang das schwermüthig«
Rauschen der Kastanie den beiden
Glücklichen aber war's als jubilire sie:
zum Frühling zum Frühling!
Er trat an's Fenster. Ein klarer,
dunkelblauer Sternenhimmel spannte
sich über die Erde, und ihm wurde so
weich und warm um's Herz, langsam
löste sich der alte Trotz ein- Sehn
sucht stieg in ihm auf der Friede
des Elternhauses wehte ihn an, und in
Erinnerung verloren brachte er halb
unbewußt ein reuevolles, zärtliches
„Mutter!" über die Lippen.
Martha war zu ihm getreten.
„Wenn sie das erlebt hätte —"
Sie nickte.
„Es wäre vielleicht doch anders ge
kommen."
„Ja, Friedrich!"
„Sie wär' im Frieden von uns ge
gangen!" .
Wieder neigte sich Martha's Kopf.
„Ich dacht« jetzt so ost an sie, Abends,
wenn ich allein war. Auch an den
Bater und daß sie gelitten haben
Da umfaßte er sie in tiefer Rüh
rung. Sie aber löste sich aus seix?.
Armen griss nach den dustendl«
Veilchen und unter Thränen lächelnd
sagte sie: „Die tragen wir morgen
hinaus zu den Großeltern!"
PoesieundProsa. Ver
ehrer: „Um Sie zu besitzen, Fräulein
Ottilie, würde ich all' meinen Reich«
uns!"
Schöne Aussichten. Frau:
„Sie haben also das Ideal eines Man
nes in Ihrem Bräutigam gefunden?"