Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, August 12, 1897, Page 2, Image 2

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Ale Schwestern.
Erzählung vo, E. M. Bocano.
Die alte Skeghvferin im Triisen
graben saß in der Stube am Fenster
brett und flickte ihre alte schilleeseident
Sonntagsjacke. Die Steghoferischen.
mit dem Wildschützen!"
Da warf die Mirzl einen ganz son
derbaren, fast zornigen, dunklen, er
sagte: „Was ist denn das? Ich
mir scheint. Du weißt gar nicht, daß
ich und der Jägerkarl Liebesleute sind,
daß Alles richtig gemacht worden ist
„Wie sollt' ich das nicht wissen?"
sagte die Sopherl blutroth im Gesicht
und fast trotzig. „Und was soll's denn
?run weiter?"
„Nichts soll's weiter, als daß ich
qlaub'. Du bist auch ganz vernarrt in
Juchzer. Und wer war's? Der
Jägerkarl war's, und der war aus
das ausgeschichte Holz am Hasse ge
sprungen und rief: „Mädeln, seid's
da? Ich hab' Euch was zu sagen."
Die Beiden waren im Nu an Gc
nnd die Mirzl rief: „Was hast uns
denn zu sagen?"
Da rief der Jäger: „Gar nichts, als
daß Ihr die zwei hübschesten Dirndle
seid im ganzen Traisengraben! Und
und ein „Psiatgott" auch, weil ich viel
leicht zur alten Mahm in's „Drentere"
hinübergeh' und ein paar Tag' aus
paar frische Edelweiß für Li.h,
Mirzl heut in aller Früh erst ge
brockt für Dich eigens für Dich
am Hochkogl oben, damit Du an mich
denkst, und Juchu!" jauchzte er
lachend auf, als ob er wer weiß wie
lustig wäre, und herunter war er vom
„Jesus Maria!" rief dieMirzl plötz
lich, ihm nachstarrend, und all das Lä
cheln war auf einmal erloschen. „Der
kommt mit dem Paschernaz zusam
men! Was hätt' er mir denn sonst das
Edelweiß gebracht und vom Ausblei
„Das ist wahr! Das ist wahr!"
rief die Sopherl, ebenso bleich wie die
Mirzl, und fügte bei mit zitternder
Stimme: „Ich Halt's nit aus, und
und wenn sie mich mit eisernen Ketten
halten würden. Thu' was Du willst,
Mirzl, ich laus' ihm nach, über Stock
und Stein, bis ich ihn hab' "
„Sopherl, Du bist doch verliebt in
meinen Buben!" rief die Mirzl, und
ihr Zorn wollte wieder aufflammen,
Aber die Sopherl war schon über die
Holzgallerie herunter und lief den
Waldweg entlang, und die Mirzl
Es dauerte wohl stundenlang, bis
die beiden Mädel eine Spur vom Jä
gerkarl entdeckten. Und die Sonne
war bereits im Sinken, da kamen sie
an eine Lichtung im Hochplateau
und von dieser Lichtung her trat der
Jägerkarl zwischen den Bäumen her
vor und blieb überrascht stehen beim
Anblick der beiden Mädchen. Beide
schrieen auf, als sie den Jäger gesund
und wohl erblickten: die Mirzl ju
belnd. erleichtert, und sie fiel ihm um
den Hals. „Karl, Du lebst!" schrie
sie auf.
„Ja, woher weißt Du denn ..
„Daß Du mit dem Wildernaz hast
zusammenkommen wollen? Das hab'
ich Dir ang'seh'n. Karl, zu was hätt'
ich Dich denn sonst lieb wie mein eige
nes Leben?"
„Es ist Alles ehrlich zugegangen!"
rief der Jäger ernst.
„Und wo ist der Naz?" schrie nun
die Sopherl grell auf.
„Der liegt da drin in der Lichtung,
und der Hegerbub ist bei ihm. Der
hat gcseh'n, daß der Naz zuerst auf
mich g'fchossen hat, aus die Bäum'
heraus. Ich geh' jetzt die Sach' an
zeigen! Ich hab' in's Blinde den
Schuß erwidert aber er ist ihm
mitten durchs Hirn gegangen."
„Todt! Jesus Maria!" kreischte
die Sopherl auf. „Und er war mein
Liebster !" Damit schlug sie grad
zu Boden, wie in's Herz getroffen.
AufderGallerie. Einer
vom Land (zu seinem Nachbarn: „Ist
dö Oper, was sie heunt spielen, von
Wagner?" Commis: „Ich weiß nicht."
(Nach einer Pause.) Commis: „Wie
spät ist es?" Der vom Land: „Halb
zwölf!" Commis: „Dann ist sie von
Wagner!"
Resignation. „Was hat
Dir der Verleger für Deine Gedichte
geboten?" „Zehn Mark." „Das ist
«ine Beleidigung! Was hast Du ihm
darauf geantwortet?" „Ich habe die
Äeleidigung ruhig eingesteckt!"
Steve's erste Leistung.
In dem Städtchen Dixon, 40 Mei-
Bursche, der kleitzig in der Schule ge
lernt hatte und dessen höchster Wunsch
.es war, Reporter einer angesehenen
Zeitung zu werden. Leider hatte sein
Ehrgeiz wenig Aussicht auf Befriedi
gung, denn in Dixon gab es mir ein
kleines Wochenblättch«n, dessen Redac
teur zugleich „der Man» für Alles"
und an dem nicht viel Ruhm zu ver
dienen war. Aber seit Steve letztes
Frühjahr die Schule verlassen, hatte
er sich doch mit Erfolg dieser Zeitung
nützlich zu machen verstanden, und
Verhältniß mit der aufgewandten
Mühe stand. Steve aber wollte, wie
gesagt, höher hinaus, und sein glühen-
Steve kam gerade zurecht, um die
Ankunft der Rettungszüge zu beob
achten, was ihn bei seinem Reporter
instincte sehr interessirte. Plötzlich be
merkte er, wie ein junger Mann, ein
Fremder, mit dem Telegraphisten der
Bahnstation sprach. „Also gar keine
Möglichkeit, auch nur einige Wort«
fragen.'
hier und Bronxville durch mehrere tiefe
Schluchten, wo der Draht jedenfalls
an Dutzenden vonStellen zerrissen ist."
eine andcreWeise meinem Blatte Nach
richt von dem Unfall schicken?" betonte
der Fremde.
Der Telegraphist zuckte die Achseln
bedauernd. „Wüßte nicht wie," sagt«
ab, steckte sich eine Cigarre an und
setzte sich auf eine Bank in der Näh«.
Steve erkundigte sich bei dem Tele
in Chicago, sei und sich zufällig aus
Selbstverständlich sei es sein Wunsch,
seiner Zeitung eine genaueSchilderung
blitzte sein Auge auf und er trat be
scheiden an Herrn Maxwell heran.
„Sie möchten gern Ihren Bericht
dere mürrisch. „Aber es scheint, es
soll nicht sein. Weißt Du vielleicht
einen Ausweg, mein Junge?"
schen mit den hellen Augen und ge
scheidtem Gesicht gespannt ansah.
„Ich bin «in guter Schlittschuhläu
fer ich glaube der beste in Dixon
und Umgegend," sprach Steve. „Ich
würde versuchen, quer über dieser
Bucht des SeeS nach Cedar Grove zu
lausen, und dort könnte ich die Depe
rissen ist." b " '
Herr Maxwell indem er
Steve beifällig auf die Schulter klopfk.
„Wenn Du Dich getraust, d«n Versuch
zu machen, so soll es Dein Schaden
nicht sein. Wann kannst Du gehen?"
«iner halben Stunde, sobald ich
habe."
meinen Bericht schreiben, den Du dann
abholen kannst," rief ihm Herr Max
well noch nach, denn der lebhasleKnabe
Pünktlich zur festgesetzten Zeit trat
Bucht an, die Blätter beschriebenes
Papier sorgfältig in der Brusttasche
seines Pea Jacket verwahrt. Denn
gefahrvoll war sie. Zwar waren es
nur knappe 10 Meilen bis nach Cedar
Grove, aber da der Knabe wußte, daß
Umwege wählen müssen, und bei dem
ungewissen Schein des Mondes, denn
der Himmel ivar leicht bewölkt, erfor
derte das schon große Umsicht und
schnellen Blick, damit er nicht aus
dünne Eisschichten gerathe. Einbre
chen mitten ans dem See, zur Nacht
zeit, ohne jedweden menschlichen Bei
stand in der Näh«, bedeutete sicheren
Tod, das wußte er. Aber frohen Mu
thes brach er auf, und nachdem er am
Ufer seine Schlittschuhe angeschnallt
hatte, glitt er pfeilgeschwind Über die
glatte Fläche.
Die erstell 6 Meilen legte er ohne
irgendwelchen Zwischenfall zurück,
denn er konnte sich in der Nähe des
Ufers Halter, wo das Eis fest und hart
war. Aber dann begannen die Schwie
zu gelange», mußte er entweder dem
Ufer bis zum Ende folgen, was «inen
großen Umw«g und «inen Bogen von
mindestens weiteren 8 Meilen erfordert
hätte, oder er mußte jetzt diagonal über
den Seearm laufen, was eine Erspar
mß von mindestens einer halben
Stunde wäre. Verzögerte sich sein«
Ankunft in C«dar Grove durch den
Umweg, so war es zweisell>aft, ob er
das Telegraphenamt noch offen finde»
würde, und alle feine Mühe wäre dann
„Ach was/'redete Steve sich^selbst
doch nicht erwehren, als er die mäch
tige, unabsehbare Eisfläche vor sich
liegen sah, die er nun durchkreuzen
wollte. Der Mond gab nur ganz we
nig Licht, aber den hellgrünen Schim
mer des Eises konnte er doch deutlich
erkennen. Und pfeilschnell fuhr er
dahin; er hatte jetzt den Wind, der ihm
bis dahin von rechts her mit ziemlicher
Schärfe in's Gesicht geblasen hatte, di
rect im Rücken, wodurch sich sein Lauf
bedeutend verfchnellerte.
geglitten war, mochte er in der Mitte
der Bucht sein. Dort, das wußte er,
war das Eis am dünnsten, und er
sandte «inen Stoßseufzer zum Him
mel. daß alles gut ablaufen möge.
Deutlich fühlte er unter dem Gewichte
seines Körpers die Eisschaale, auf der
er sich jetzt befand, hin und herschwan
ken. Wellenförmig bog sich das Eis
unter ihm. Das war ein sehr unbe
hagliches Gefühl, und der kluge Junge
beschleunigte daher seinen Lauf bis
zur äußerilen Anstrengung. Er wußte,
daß darin seine einzig« Rettung lag.
Ader da hört« er, gerade hinter sich,
auf dem Eise, welches er >v«ben blitz
schnell durcheilt, ein Knacken. Die
Eisdecke barst. Wenn es vor ihm ge
schehen sollte, so war er verloren, ret
tungslos verloren. Und Steve s log
später sah er, dort in weiter Ferne, die
Lichter von Cedar Grove ausleuchten.
Das Eis unter ihm war viel starker
geworden. Und nun hatte er den Lan
dungsplatz der Dampser erreicht, setzte
sich hin, schnallte rasch die Schlitt
schuhe ab und folgte dem halbverweh
ten Pfade, der durch den Schne« nach
fort den Inhalt zu senden.
„Bist Du vom „Universe" Z" srug
er.
„Heute Nacht bin ichs, ja," ant
wortete Steve stolz.
Dann horcht« «r mit Bergnügen aus
das Ticken des Instruments, das die
lange Depesche an daS große Blatt in
Chicago übermittelte. Und er streckte
behaglich sein« etivas Wunden Glieder
er, er wieder warm geworden,
das Zimmer verlassen, indem er seine
Schlittschuhe über die Schulter warf,
da rief ihm der Telegraphist zu: „He,
wollen wissen, wie Du die Depesche
500 Worte sollen'? sein."
Steve stand still und «in Gefühl des
Chance, nach der er sich so lange schon
gesehnt. Aber würde er die SOO Worte
„Universe" wollt«? Gleichviel, er
muhte «s v«rsuchen.
So setzte er sich wieder hin und
treuen Bericht über seine Schlittschuh
fahrt b«i Nacht üb«r den dünnen Ei«>
Mantel des SeeS. Ganz einfach, dann
unterschrieb «r'i und fügte sein«
bei für möglich« Fälle. Der
Telegraphist lächelte, als er ihm die
beschriebenen Blätter übergab, aber
er lächelte wohlwollend und ermuthi
auch er.
Und dann trat Steve Blattner wie
der seine Heimfahrt an über den See.
vom Chefredakteur des „Universe".
Es lag «in Check dabei. Aber der
Check freute den braven Burschen we
unten aus natürlich. Mit §lO für
Praxis undArau.
„Nee, weißt Du Alter das Kopf
sagte Albert Keller seines Zeichens
ter. „Sprich Dich mal aus! Discre-
Nr. iue><l. et ekir. Fritz Wolter,
Uef W t '
nicht, das kannst Du Dir denken
—!" „Ach was", unterbrach ihn Kel
ler lebhaft, „wird in den meisten Fäl-
Keller riß die Augen unnatürlich
weit auf. „Ich sehe!" sagte er.
„Gut", entgegnete sein Freund,
„siehst Du dann auch dort an dem
mittleren Fenster den alten Herrn
sitzen?"
Rath Walther zu schaffen?!"
Bater meines Schicksals, wie Du
willst!" tönte es dumpf zurück.
„Jetzt weiß ich nicht, hat er
„Schicksei" oder „Schicksal" gesagt",
murmelte Keller vor sich hin. „Du
bist kostbar!" lachte er dann, „so sieht
also ein Schicksal aus etwas unra
sirt, Hauskäppchen, Schlafrock, ganz
gemüthliches Exemplar, finde ich!"
„Ach, lache auch noch!" rief Wolter
ärgerlich „dieser Rath ist ein ganz ab
scheulich hartnäckiger Kerl! Wie der zu
„Ah pfeift der Wind aus dem
Loch!" dachte Killer und fließ einen
kurzen Pfiff aus. „So, so." sagte er,
„die hübsche Grethe kennst Du auch
schon?!"
„Schon lange!" sagte der Doktor
und nahm wieder Platz. Als ich mich
damals zum Examen vorbereitete, war
sie gerade in Tübingen bei einer Tante
zu Besuch. „Na, und weißt Du, da
waren wir zusammen auf ein paar
Bällen und dann gab's so nette kleine
Tanzereien, und und "
„Na ja, und so weiter, und so wei
ter!" sagte Keller verständnißvoll.
„Und so weiter, ganz richtig!" wie
holte sein Freund.
„Nachdem ich dann mit allem fer
tig war. ließ ich mich getrost hier nie
der, hatte auch das Glück, den alten
Herrn im „Adler" kennen zu lernen,
ich durste mich sogar an seinen
Stammtisch setzen! Hierauf machte ich
dann Besuch, wurde eingeladen,
kurz und gut alles klappte! "
„Und die Grethe?" schaltete Keller
ein.
„Ach. Grethe ist einzig! Einmal, denk',
überraschte ich sie am Herd, wie sie
Apselküchlein buck herrlich!"
„Was? die Küchlein? oder —?"
„Sei doch nicht so fad!" rief Wolter
böse. „Na also das Mädchen war
mir sicher ist's noch! aber der
Alte! Ich geh- beklommenen Herzens
hin, feierliches Schwarz hüllt mich
ei», dazu pikseine helle Handschuhe.
Lackstiefel, ich sah gar nicht schlecht
aus. weißt Du! Wie der Alte mich
so sieht, macht er schon ein mißtraui
sches Gesicht, zieht die Nase wie ein
Jagdhund, wenn er Witterung hat."
„Hahaha!" lachte Keller.
„Ich bitte also ergebenst um die
Hand der Fräulein Tochter, setze zu
seiner Beruhigung meine Familien-
und Geldverhältnisse auseinander und
„Na, und der Alte?"
„Dankt verbindlichst für die
Ehre! —"
„Mein lieber, junger Freund", sagte
nett, aber es vergnügt mir nicht! Se- j
hen Sie, ich sitze Tag für Tag von
morgens acht bis zwölf Uhr und wie
der von zwei bis sechs Uhr an diesem
Fenster, da sehe ich dann Alles,
nur ein kleines Mädchen mit seiner
Mutte' leiJhnei war und neulich noch
eine alte Dame, die aber jetzt gestorben
ist "
„Sehr gut!" lachte Keller.
„Hausarzt", fuhr der Doktor in sei
ner Wiedererzählung fort, „sind Sie
Häberle und weder der, noch seine
Frau ist je krank! Mein lieber, jun
ger Freund, wir wollen uns wieder
sprechen, wenn JhrePraxis etwas grö
ßer geworden ist, nichts für un
gut!" Und dann frug er mich ganz
harmlos, ob ich zum Abendschoppen
käme!"
„Der ist gut, der Alte, kann so blei
ben!" meinte Keller belustigt, „wie
lange ist denn das schon her?"
„Vier Wochen!" seufzte Wolter.
„Hm, das muß anders werden,
Fritze!" rief sein Freund. „Sei mal
ruhig! Hier muß es doch einen Aus
„Ausweg! Jawohl! Patienten!
mich wie die Pest zu fliehen! Ich kann
doch keinen Hausknecht anstellen, der
die Leute statt zum Haus hinaus-, in
dasselbe hineinwirst!"
„Nee, nicht gut, aber Du könntest
vielleicht einen Mann miethen, der
etwa bei Gedränge oder Glatteis
die Leute anrempelt sie salken hin,
schimpfen, stöhnen, eben dieser
Mann richtet sie auch wieder auf,
schleppt sie trotz allen Widerstrebens zu
Dir, wo Du sie auf Hals-, Arm- oder
Beinbruch hin untersuchst macht
dann zehn Mark!"
„Du bist verrückt!" brummte der
Doktor und stützte sein sorgenbelastetes
„Weißt Du", sagte Keller, „darüber
muß ich ungestört nachdenken, mein
Hirn arbeitet ietzt schon rasend! Sei
überzeugt, einen Ausweg,
wozu wäre ich denn Schriststeller, des
sen Beruf es ist, Conflicte herbeizu
führen und sein säuberlich wieder zu
lösen, wobei dann die Geschichte alle
mal mit einer Verlobung ausgeht,
das ist meine Force! Na, adieu, sei ein
Mann und raffe Dich auf!"
„Der hat gut schwätzen!" murmelte
Wolter ihm nach.
Es war einige Tage später, und der
Herr Rath Walther saß schon über eine
Stunde mit einem unbeschreiblich er
staunten Gesicht in seinem Lehnstuhl
am Fenster und hielt die Zeitung ver
kehrt m der Hand.
„Nummero drei!" schrie er plötzlich
und fuhr von seinem Sitz auf, „ja,
was ist denn da drüben los?! Viel
leicht geht die zur Posträthin
ei, der Kuckuck, sie tritt in's War
tezimmer ! Grethe, Grethe!" brüllte
er. „hört denn das Mädel nicht, Greee
the!"
„Ja, Papa, was ist denn?" rief sei
ne Tochter und strich eilig die blonden,
etwas aufgegangenen Löckchen aus
dem vom Küchenfeuer erhitzten Gesicht,
„was ist denn nur geschehen?"
„Um 9 Uhr kam die erste, um halb
10 Uhr die zweite und nun ging gerade
die dritte zu ihm !"
„Ja was denn, wo denn?" frug
Grethe und trat mit dem Finger hin
ter deutete nur mit dem Finger hin
über. „Ach!" stammelte Grethe, plötz
lich noch röther werdend, „Patien
ten! ! Da kommt eine wieder heraus!
Zu dumm, man kann wegen dem
Schleier nicht sehen, wer's ist", sagte sie
ärgerlich.
~'Ne feine Dame ist's", meinte der
Rath. „Sieh! da zieht die zweite ge
rade ihren Mantel an, die letzte ist bei
ihm drin."
„Zu dumm!" seufzte Grethe, „auch
die ist verschleiert!" Nach einer Vier
telstunde erschien die dritte, aber ohne
„Scheuleder", wie der Rath sich aus
drückte.
„Ein nettes junges Ding, was mag
der wohl fehlen?" sagte er mitleidig.
Außer zwei Arbeitern kam an dem
Tag niemand mehr. „Na, was sagst
Du nun dazu?" frug der Rath seine
Tochter beim Abendessen.
„Ich?" sagte diese und legte die Ga
bel fort, „ich habe es gar nicht anders
erwartet, einmal mußten sie doch
kommen! Ich begreife überhaupt nicht,
wie man nur den alten häßlichen Me
dicinalrath haben mag! Emmy sagte
neulich, er hätte ihren Papa ganz falsch
behandelt vorigen Winter."
„Emmy ist 'ne Gans!" rief der
Rath.
„Und die zwei andern Aerzte hier
sind auch nicht viel be„er", fuhr Gre
the kaltblütig fort, „der Dr. Messner
soll ja erst auf einen Stuhl steigen
müssen, um sich die Zunge seiner
Kranken besehen zu können, und der
dicke Dr. Hartwig rieche ganz schreck
lich nach Bier und Tabak, hörte ich
„Da bliebe für die leidende Mensch
heit also nur noch Dr. Wolter übrig?"
lachte der Rath belustigt, „nun. mir
Kurz nach diesem Gespräch begaben
sie sich zur Ruhe, sie gingen beide früh
schlafen.
Plötzlich, es mochte schon elf Uhr
sein, wurden sie durch das schrille Läu
ten der Hausglocke ausgeschreckt. „Zum
Kuckuck, was ist denn das!" rief der
Rath, als das Läuten noch stürmischer
wiederholt wurde „vielleicht 'ne Depe
sche!" Hastig fuhr er in seinen Schlaf
rock und rannte an das Fenster. Un
ten stand ein Mann und brüllte, als er
ihn sah. in die Höhe: »Der Herr Dok-
den!"
„Hören Sie doch!" überschrie ihn
endlich wüthend der Rath, „ich heiße
nicht Wolter, sondern Walther, der
nahm er aber, wie jemand sagte: „Der
Herr Doktor Wolter wohnt nicht hier,
sondern da drüben, er wird aber
wohl nicht da sein, sie haben ihn vor ei
ner Stunde geholt!" „Ich wünschte die
ser Mensch säße aus dem Blocksberg!"
es immer verschleierte Damen („mit
Hautleiden behaftete", erklärte der
Rath es sich und seiner Tochter), dann
sah dieser aber auch ab und zu einen
hörte von diesen in der Kneipe, sie hät
ten ihn, den Wolter jetzt als
Hausarzt, der Medicinalrath werde
sich ja ohnehin bald zur Ruhe setzen
und der junge Doktor solle mit einem
Male einen riesigen Zulauf haben
das konnte der Rath allerdings bestä
tigen. Und daß des Doktors Nacht
glocke nicht mehr das „ungezogenste"
Ding der Stadt war, um diesen alten
Witz zu gebrauchen, davon wußte
der Rath ein Lied zu singen. Es war
der Nacht sein Name mit dem
des anderen verwechselt wurde
daß er sein Schild kürzlich hatte ent
fernen lassen, seitdem genoß er unge
stört wieder die Nachtruhe. „Jetzt
könnte er meinetwegen mal wieder an
klopfen", sagte er eines Tags zu Gre
the, nachdem er die Frau BaroninHocke
bei dem jungen Arzt hatte vorfahren
sehen. „Scheint wirklich ein tüchtiger
Kerl zu sein! Ist zudem auch ganz
profitlich, einen Arzt als Schwieger
sohn zu haben, was meinst Du, Gre
the?" Ob nun Wolter ein ungeheuer
fein ausgebildetes Ahnungsvermögen
besaß, oder ob da eine gewisse kleine
Person die Vorsehung gespielt hatte
genau konnte es nie festgestellt «werden
jedenfalls schellte es oben bei Raths
etwa um halb zwölf Uhr, gleich darauf
wurdeMr Herr Doktor Wolter gemel
det. Wsmal schien er mit seiner
Werbung mehr Erfolg gehabt zu ha
ben, denn Bertha, oder das Mädchen
für Alles, welches beim Conditor noch
geschwind einen Nachtisch bestellte, er
zählte daselbst, sie sei um was zu fra
gen, in das Zimmer gegangen und
fast auf den Rücken gefallen, denn da
habe gerade der hübsche Doktor Wolter
ihr Fräulein gelußt, und der Herr
Rath sei am Fenster gesessen, als wenn
Der erste, dem's der Doktor selber
mittheilte, war sein Freund Keller,
merkwürdigerweise bedankte er sich bei
dem für den guten Ausgang und dieser
erwiderte darauf:
„Pah. das sind die Borth-ile einer
großen Familie. Meine fünf Schwe
fterlein haben Dich sehr gerne abwechs
lungsweise besucht und meine Herrn
Brüder mußten von ihrem Stammlo
kal aus ohnehin jeden Abend an Dei
nes Schwiegervaters Haus vorbei! Ei
gentlich that mir der Alte leid, aber es
ging nicht anders! Und nun noch
mals von Herzen Glück, Dir und Dei
ner Grethe!"
Ergötzlicher Irrthum.
Als, Alexander Dumas die Schweiz
bereiste, kam er eines Tages in ein
Dorf, in dem sich nur ein einziger, sehr
bescheidener Gasthof befand, in dem
der berühmte Romanschriftsteller noth
gedrungen die Nacht zubringen mutzte.
Der Wirth, der nur deutsch sprach,
fragte Dumas, was er zum Abendessen
wünsche, und dieser suchte ihm, aber
vergeblich, klarzumachen, er möchte ihm
doch einePortion Pilze bereiten. Schon
wollte er den Versuch aufgeben, da kam
er auf den Gedanken, dem Wirthe bild
lich darzustellen, was er ihm nicht mit
Worten erklären konnte; er nahm also
ein Stück Kreide und malte einen Rie
senpilz wenigstens hielt er seine
Zeichnung dafür an die Wand. Der
Wirth nickte verftändnitzinnig, ging
hinaus, und der hungrige Dumas
freute sich bereits über den geschickten
Ausweg, der ihm das geliebte Gericht
doch noch verschaffen sollte, als er schon
wenige Augenblicke später den Wirth
die Stiege wieder herauskommen hörte.
Die Pilze konnten unmöglich in so
kurzer Zeit zubereitet sein, doch Du
mas brauchte nicht lange über den
Grund der frühen Rückkehr des Wir
thes nachzudenken, denn nach einigen
Sekunden wurde die Thür geöffnet,
und herein trat der Wirth, mit trium
phirender Miene einer» Regenschirm
seinem Gaste entgegenhaltend.
Ein gebildeter Küchen
dragoner. Köchin Karline: „Ach
Jette, ick kann Dir ja nich sagen, wat
ick jetzt vor een scheenet Buch aus die
Leihbibliothek lesen dhue. Det muht
Du ooch mal lesen. Et heetzt: „Kuno
von Höllenbrand und die unschuldige
Nonne." Jette: „So? Wer hat denn
det Buch geschrieben?" Köchin Kar
line: „Na nu! Wat bist Du aber noch
unjebildet. In die Leihbibliothek jiebt
et nur gedruckte, aber keene geschriebene
Bücher!"
Schneidig. „Herr Lieute
nent, ich konnte Ihnen metne Cousine
nicht mehr vorstellen!" „Schadet
nichts, wenn bischen unglückliche Liebe
weniger aus der Welt ist!"
Nach Jahmi.
Von Gustav Falle.
Die ruhenden, stillen Felder,
Davüber der Bollmond steht.
Die weiten, schweigenden Wälder,
Die schöne Nachteinsamteit,
Und hab« den Schatz verschlossen
Für kommende, dürstende Zeit.
Sacht rauschen die alten Bäume,
Und alles am alten Platz.
Mir ist's, als könnt' ich gehen
Nur grad' in's Feld hinein,
Mit geschlossenen Augen sehen
Kühl mich wieder an.
Und die alten Sterne stehen
Ueber dem träumenden Mann.
TaS Rosenöl-
Die Geschichte des Rosenöls ist mit
derjenigen aller Culturvölker eng ver
wachsen. Sind wir doch gewöhnt, die
Höhe der Culturentwickelung eines
Landes nach dem Grade abzuschätzen,
in dem die Menschen ihre Sinne sozu
sagen als Thore der Seele zu behan
deln wissen. So ist auch der Geruchs
sinn von jeher als „Thor des Gedächt
nisses und der Seele" angesehen wor
den, und die ersten Versucht, Rosenöl
zurückzuführen sein, die innige, seeli
sche Freude der Menschen an derßlume
aller Blumen auch aus die rosenlos«
Zeit deS Jahres auszudehnen.
Mittelasien, das Heimathland der
Rose, gilt auch für die Geburtsstätte
des Rosenöls. Anfangs freilich dürfte
es nur Rosenwasser gewesen sein, daS
man dort gewann, indem man Rosen
blätter mit Wasser übergoß und von
der Sonne bescheinen ließ. Die Blume
der Liebt war schon im klassischen Al
terthum Aphrodite geweiht; doch auch
dem Dionysos, dem Begünstiger der
Tafelfreuden, galt sie als heilig, und
so wurde es möglich, daß sie von den
genußsüchtigen, sllditalischen Griechen,
von den Sybariten, und später auch
von den Römern in einer verschwende
rischen Weise gebraucht wurde, die
setbst die phantasiereichen Orientalen
als Entweihung empfanden. Um so
höher stieg di'e Werthschätzung der
Rose im romantischen Mittelalter, wo
sie als Symbol mit dem Marienkult
verwuchs und gleichzeitig als Wahrzei
chen des heiligen Blutes und des To -
des galt, sowie sie ja schon von den
Griechen als Sinnbild der Vergäng
lichkeit aufgefaßt und bei Bestattungs
feierlichleiten benutzt wurde. Anfangs
des siebzehnten Jahrhunderts waren
gegen vierzig Rosenölrecepte im Um
lauf-, auch findet sich in Reiseberichten
die Meldung» daß im Morgenlande
Rosenöl theuerer sei als Gold, wäh
rend es offenbar in Deutschland bereits
billiger hergestellt wurde. Noch heute
werden die Goldflacons, in denen das
türkische Rosenöl in den Handel
kommt, zum großen Theil in Deutsch
land hergestellt.
Mit Wattebäuschchen hatte man an.
Fangs den köstlichen Oelschaum abge
tupft, der sich aus dem Rosenwasser in
winzigen Tropfen sammelte. Die mo
derne Chemie setzt uns in den Stand,
das Verfahren wesentlich zu vereinfa
chen. Das Rosenblatt enthält einen
unendlich geringen Procentfatz beson
deren ätherischen Oeles. Es sind acht
zig Rosen nöthig, um nur einen einzi
gen Tropfen Rosenöl zu gewinnen.
Daher sind zur Herstellung des kostba»
ren Duftes ausgedehnte Rosenfelder
erforderlich. Bis vor Kurzem befan
den sich die größten Rofenculturen der
Welt in Rumelien, wo die Bewohner
von hundertundzwanzig bulgarischen
Ortschaften mit der Herstellung von
Rosenöl und Rosenwasser beschäftigt
sind. Neuerdings ist auch Leipzig mit
feinem „Rosenthal" stark an der Ge
winnung des geschätzten Parfüms be
theiligt. Die bessere Beschaffenheit der
Apparate u»d die vorzüglichen Eigen
schaften der Centifolie, der „deutschen"
Rose, haben dem Präparat dort schnell
ein ausgedehntes Absatzgebiet erobert.
Große, kupferne Destillirblasen wer
den zur Zeit der Rofenblüthe täglich
mit vielen tausend Pfund frischer, in
de» Morgenfrühe gesammelter Rosen
blätter gefüllt. Es können bis zu
100,(X>0 Pfund Blätter verarbeitet
werden. Das Verfahren besteht darin,
daß man die Rosenblätter mit chemisch
reinem Wasser übergießt und sie derje
nigen Wärmehöhe aussetzt, die das
Rosenöl löst, ohne es zu verbrennen.
Der Verschluß der Gesäße hindert es,
sich mit der umgebenden Luft zu ver
mischen sich aus Mangel an binden
de«. beschwerenden Stoffen zu ver
flüchtigen. Das Rosenwasser tropft
nach unten aus den geschlossenen „Bla
sen" ab; es wird alsdann starker Kälte
ausgesetzt, wobei das Rosenöl sofort
erstarrt und nun abgeschöpft werden
kann. Das Rosenwasser bildet be
kanntlich ebenfalls einen verbreiteten
Handelsartikel. Droguerien, Parsü-'
merien und Conditoreien sind die
hauptsächlichsten Abnehmer für die ge
suchte Waare.
Auf ähnlichem Wege wie das Ro
senöl werden fast alle kunstlichen Blu-
mendüste, wie „Flieder", „Maiglöck
chen" u. f. w. gewonnen.
Verplappert. Frau (Mor
gens): „Leugne nicht, daß Du^spät
Stiefel knarren gehört! Mann (eilig):
„Das ist nicht wahr, denn ich habe
sie schon auf der Straße Ausgezo
gen l"