Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, May 20, 1897, Page 2, Image 2

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    2 Meberraschlmgcn.
ES gibt Leute, die für Überraschun
gen schwärmen, und andere, die gar
nichts von ihnen halten, ja sie ganz aus
der Welt schaffen möchten, und doch
liegt auch hier, wie bei so vielen Din
gen, die Wahrheit in der Mitte. Woll
das Leben "würde eines großen Reizes
das liebe 'WeihnachtsfkA ohne die da
mit verbundenen Ueberraschungen zu
schönsten Festes, und wollten wir sie
Reizes entkleiden.
Aehnlich ist es mit Geburtstags-,
das Richtige zu treffen.
Mitglieder des stärkeren Geschlechts, es
selbst ihren Nächsten durchaus nicht ge
ben Werth des Besitzes erhöhe, sondeni
Selbstüberhebung nennen.
Warum sollte nicht eine liebende
Gattin, Mutter, Schwester oder Toch
ter die Wünsche des gestrengen Haus
herrn errathen oder ihm ohne seinWis
sen ablauschen können, und warum
sollte sie nicht Geschmack und Geschick
genug haben, einen Gegenstand in ei
ner ihm wohlgefälligen Form herzu
stellen oder auszuwählen? Ist es nicht
unrecht, einem liebenden Wesen diese
gerade so in unserem Besitz sehen mö
gen? Durchaus nicht. Gar oft ver
stehen unsere Lieben, wo es unser
Wohlbehagen gilt, besser zu wählen,als
wir selbst.
Auch würden wir leicht aus den
Haushaltungen des Mittelstandes ein
gut Theil Comsort und bescheidenen
Luxus verbannen, wollten wir es tin-
Geschenken zu überraschen, und auch
selbst diese schöne Sitte nicht mehr
üben; denn die meisten von uns sind
zwar leicht genug geneigt, für andere
zum Gescheut einen Luxusgegenstand
oder einen die Behaglichkeit erhöhenden
Zimmerschmuck zu laufen, würden sich
aber niemals entschließen, für sich
selbst etwas derartiges anzuschaffen.
Also lassen wir es bei Geschenken
ruhig bei der Ueberraschung, es wird
in den weitaus meisten Fällen immer
das richtige sein. Eine Art der Ueber
raschung gibt es jedoch, die bei vielen,
d. h. nur bei solchen, welche sie bereiten,
sehr beliebt, und doch selten von dem
gewünschten Erfolge begleitet ist. Dies
ist die Ueberraschung mit einem Be
such. Selbst bei den allernächsten An
gehörigen sollte man sie unterlassen
und sich vorher anmelden, dadurch be
reitet man, wenn man wirklich will
kommen ist, seinen Lieben die Borfreu
de, einen lieben Gast zu erwarten, und
läßt ihnen Zeit, alles zu seinem Em
pfange zu rüsten. - -h j
sächlich bei der übermüthigen Jugend
beliebte und geübte Art der Ueberra
schung, die schon viel Unheil angerich
tet hat: da? Erschrecken. Wie oft hat
nicht solch dummer Scherz, daß Je
mand plötzlich im Dunkeln hinter einer
Thür hervorgeschlichen oder mit lau
tem Geschrei hervorgestürzt kam, sich
in dem Kleiderschrank oder unter Ti
schen und Betten versteckt, um wenn die
Bewohner des betreffenden Zimmers
ahnungslos heimkehrten, unerwartet
aufzutauchen, besonders bei nervös
veranlagten Personen die schädlichsten
Folgen gehabt, eine plötzliche Krank
heit oder gar eine dauernde Gesund
heitsstörung, Krämpfe etc. herbeige
führt!
Auch das Leben ist reich an Ueber
raschungen, die uns oder andern zu
bereiten oder zu ersparen nicht in un
serer Macht liegt, und das Beste und
Klügste ist, die unangenehmen guten
Muthes zu ertragen, und sich um so
mehr zu freuen, wenn einem dasSchick
sal auch zuweilen eine angenehme Ue
berraschung bereitet.
Dasgenügt. Sie: „Halten
Sie lange Verlobungen für gut?"
Er: „Nun. meiner Ansicht nach sollte
eine Verlobung lang genug sein, um
die Beständigkeit des Mannes zu prü
fen und dem Mädchen Zeit zu geben,
lochen zu lernen!"
Kasernenhofbliithe.
„Der Vegetarier Schulze kann den
Bauch nicht zurücknehmen; hat wobl
beute wieder zu viele Kräuter gefres
sen! (Brüllend.) Einjähriger Schulze,
so ziehen Sie doch endlich Ihre Botani
sirtrommel ein!"
Die Kurt des Aio Grande.
/ i.
Aldrdings hat Onkel Sam. läng?
der t«xanisch-mexicanisch«n Gresze
wände strahlten Hitze aus, die wie seu
rothen Gluth der Sonne. Selbst das
Plötzlich sprang der Eine von ihnen,
.Big" Kelley, auf und horchte. „Was
ist das? Ich höre etwas", sagte «,
dieser Hitze."
schüttete das kalte Wasser auf den
Kopf des Schwerverwundeten, wäh-
Lill? Was ist geschehen bei Euch?"
Bewußtlosigkeit.
Kübel Wasser aus der Thür seines
's'
einen Augenblick, während ihm ein
Tropfen Nässe im Auge blinkte, das
er aber sofort mit der Faust abwischte.
Man wußte genug. Bill Uokum,
mit dem sie manchen Trunk Whiskey
derte Rache. Die sollte ihm werden.
Das war so selbstverständlich, daß es
Niemand aussprach, sondern sich nur
Jeder fertig machte für einen langen
Ritt.
11.
San Elisarlo war es zehn Mellen blt j
zur Ranch.
Als sich die Schaar der Rächer
dieselbe erreicht, erblickte man die ver
kohlten Trümmer des Ranch-Gebäude.
Dicht dabei lagen vier Leichen, scalpirt
und völlig ausgeplündert.
Joyce, Hans und Kelly saßen ab
And untersuchten diese Spuren eines
brechens. „Mescadro Apaches augen
scheinlich und Greasecs, können
ungefähr fein, und hoben das Paso
Paso del Nork dürfende sich
auch nicht. Bleibt ihnen elso nur der
Paso del Muerte, und t»r ist über
55 Meilen entfernt. Wir holen sie gut
ein, wenn wir uns gehörig erfrischen
Sie können mit ihrer Viehheerde, denn
sie müssen mindestens B<X) Stück mit-
Mtxicanischem Gebiet."
Und so wurde es beschlossen. Man
ruhte sich aus, bis die Kühle der Nacht
lich sind und doch 6-—8 Meilen die
östlicher Richtung, vielleicht 3 Meilen
entfernt, das dumpfe Trappeln der
Heerde, und dazwischen ab und zu
einen gellenden Laut, wohl der Zuruf
der Vaqueros. Die Verfolger hielten
>an. Wußten sie doch jetzt, daß ihre Be-
Hochsommer. Der Rio Grande war
jetzt seicht. „Dutch" Hans schlug vor,
die ermüdeten Pferde etwas rasten zu
die Verfolgung wieder aufzunehmen
und die Räuber in der Furt selbst zu
ZLeno man die Vor
ihren Ohren dringen. Man schwang
sich vom Pferde, ließ die letzteren gra
sen und streckte sich dann zu kurzem,
bin.
2 Indianern aus braunbärtigen Grea
fers bestand, alles kernige, sehnige
Vaqueros, und es entstand eine Pa-
Die Scene, die sich während der
nächsten S Minuten abspielte, spottet
jeder Beschreibung. Die wüthenden
Ein Tkeil der Heerde wandte sich zu
rück und kletterte wieder das felsige
Ufer der Texas-Seite hinaus. Mitten
in das Gewühl und in die schnau
bende, brüllende Masse sandten die
ihre nimmer fehlenden Ku
fchrei oder das Todesröcheln der ge
troffenen Räuber. Die Indianer an
der Spitze des ganzen Zuges hatten
sofort, wie sie sahen, daß die Verfol
ger ihnen aus den Fersen waren, die
Flucht ergriffen und der Theil der
Heerde, der das mexikanische Ufer des
! Die Texaner hatten sofort das Gleich«
gethan, nur waren ihre Verstecke auf
iexanischem Ufer. Zwischen 25 und
30 der Räuber waren schon in dem
Einzelkampf. der nun mehrere Stun
den noch stattfand, erwiesen sich die
Texaner als treffliche Scharfschützen,
während die Mexicaner mit Ausnahm«
eines Streifschusses, den „Big" Kell?
an der Wange erhielt, als er sich spä
hend einen Moment zu weit hinter
seinem Felsstück vorbeugte, keinen
Schaden angerichtet hatten, denn die
mexicanischen Vaqueros sind notorisch
als geschickt- Fechter mit dem langen
Messer, der Machete, aber ganz er
bärmliche Schützen.
Als die Sonne schon ziemlich hoch
gestiegen war und die Zahl der kampf
fähigen Mezicaner sich durch die ihnen
von Zeit zu Zeit zugesandten Schüsse
auf 11 vermindert lMe, da theilten
sich die Texaner, und während 10 im
Anschlag hinter ihren Felsblöcken blie
ben machten die andern elf einen offe
nen Ausfall auf die Berstecke ihrer
Feinde. Jeder Kopf, der sich zeigte
über dem Gestein, «rhielt eine sichere
Kugel. Die letzten der Schaar, die
lebendig in die Hände der Rächer fie
len, traf ein ärgeres Loos als ihre
Brüder. Mit ihren eigenen Lassos
wurden ihnen Hände und Füße gefes
selt, und dann wurden sie von den
Cowboys in die texanische Prairie hin
ein geschleift, bis nur noch eine blu
tende, staubige, formlose Masse Hinte?
den Hufen der dahinrasenden Pferde
blieb.
So wurde der Raubzug nach der
Hubbard'schen Ranch gerächt.
Aie letzte Marli.
Eine hutcre Geschichte von Hligo Klein.
An einem hellen Morgen stand ein
junger Mann von etwa fünfundzwan
zig Jahren am Fenster seiner hübschen
tleinen Stube und betrachtete nach
denklich ein Geldstück. Es war eine
Mark die letzte Mark aus einem
ganz ansehnlichen väterlichen Erbtheil,
welches der junge Mann, mit Namen
Dr. Cajus Rabe, in zwei Jahrm ver
jubelt hatte. Ein letztes Geldstück,
welches keinen Nachfolger hat, ruft
immer allerlei tiefsinnige Betrachtun
gen hervor. Der junge Taugenichts
gedachte der vielen lustigen Vorgänger
dieser Mark und überlegte, ob er die
sem letzten Mohikaner nicht eine ernste
Verwendung geben sollte. Nun, was
läßt sichÄ-scheidtes anfangen mit einer
Mark? Wie läßt sich ein solches Geld
stück am klügsten und nützlichsten ver-
Für eine Mark hätte er in einer
Zeitung -in kleines Inserat erscheinen
lassen können, das für einen vielver
sprechenden jungen Mann von Fähig
keiten und tüchtiger Bildung eine pas
sende Beschäftigung suchte. Ferner
konnte man für ein« Mark zehn Brief
marken laufen und zehn freundlichen
Gönnern seine Dienste anbieten. Man
erhielt dafür auch so viel weißes Pa
pier, daß man eine Sensationscomödie
niederschreiben könnte, sür die manche
neuen Dramatiker, wie man erzählte,
100,000 Mark erhallen sollten. Kurz,
es war erstaunlich, zu was alles eine
Mark verhelfen konnte, wenn man nur
auf schnöden Erwerb ausging. Da
aber Dr. Rabe seine Pension auf vier
zehn Tage noch vorausbezahlt hatte, so
meinte er, es sei nvch Zeit zum Erwer
ben. Die letzte Mark vom väterlichen
Gute, das ihm so viel Vergnügen be
reitet,mußte würdiger verausgabt wer
den. Eine Weile schwankte der junge
Mann, ob er die Mark vertrinken oder
eine gute Cigarre für sie kaufen sollte.
Da er noch einige Cigarren hatte, die
leidlich waren, entschied er sich amEnde
sllr's Vertrinken.
Er kannte eine Weinstube, wo für
eine Mark eine ganz gute Flasche zu
haben war. Dorthin begab er sich. Er
sreute sich auf den Genuß, den ihm bei
jedem Schlucke der Gedanke bereiten
mußte, daß dies ein Wein war für die
letzte Marke des baar-n Geldes, das
er besaß. Leider hotte «r. laum daß er
die Weinstube betrat, ein nnangeneh
mcs Rencontre. Als er den Ueberrock
auszog, stieß er, natürlich xusSeig, an
einen schlanken Herrn an, der eine
mächtige rothe Narbe auf der Stirn
hatte. Er entschuldigte sich, doch er
mußte dem Herrn wehe gethan haben,
denn dieser brummte einige Worte är
gerlich in den Bart.
„Sagten Sie etwas?" fragte Rabe.
„Ich' meine." erwiderte der Fremde,
„daß neuestens Leute in diese Wein
stube kommen, die wenig Lebensart be
kunden."
„Und ich meine," erwiderte Rabe,
„daß man hier manchmal Leute findet,
„Sie wünschen?"
„Sie werden mir für dieses Wort
Rechenschaft geben!"
„Ich stehe zu Diensten." erwiderte
Rabe kühl.
Der Fremde zog eine Brieftasche
hervor, entnahm ihr eine Visitenkarte
und überreichte sie dem jungen Mann.
„Zwei meiner Freunde." fügte er
hinzu, „werden sich erlauben, bei Ih
nen vorzusprechen."
„Ich erwarte die Herren morgen
zwischen 10 und 12 Uhr. Meine
Adresse steht auf der Karte." Damit
gab er die eigene Visitenkarte dem
Fremden, der sie sorgfältig in die
Brieftasche legte.
Darauf grüßten sich Beide kalt. Der
Herausforderer ging von dannen. und
Dr. Cajus bestellte eine Flasche Wein.
Die kleine Episode verdarb ihm bei
nahe die Freude der Stunde. Nicht,
daß ihn die Aussicht auf einen Zwei
kampf ernst gestimmt hätte: er hatte
schon einige Affairen gehabt und dabei
nicht übel seinen Mann gestellt. Er
war aber etwas abergläubisch. Ein
Duell in dem Augenblicke, da das Geld
zu Ende ging daS kam in einem un
glücklichen Momente zu Stande.
Uebrigens war das nicht ein stilge
rechter Abschluß einer tollen Zeit?
Vielleicht enthob ihn dieser Zweikampf
aller weiteren Sorgen das war ja
auch etwas!
Er trank wieder wohlgemuth seinen
Wein und sah die Karte an, die ihm
der Andere gegeben hatte. „I. Meier,
Reserve - Lieutenant." Soast nichts.
Nun, Meier gab es viele. Von einem
Meier aufgespießt zu werden, schien
ihm auch ein wenig rühmliches Ende.
Was war gegen die Tücke des Schick
sals zu thun? Er wollte sich seiner
Haut wehren, so gut er konnte. Nützte
es nichts, so konnte es ihm egal sein,
wer ihm den Gnadenstoß gab. ob ein
Herr mit siebzehn gräflichen Ahnen, ob
ein bürgerlicher Meier.
Als Rabe seine Flasche Wein ge
trunken, zahlte er sie mit seiner letzten
Mark. Der Kellner sah sie kaum an.
als er sie einstrich und in seine Geld
tasche fallen ließ. Und es war doch
«ine schöne, bedeutungsvolle Mark ge
wesen. ...
So war auch die letzte dahinge
gangen. ... Als Dr. Cajus die Wein
stube verließ, schlug es 4 Uhr. Er be
gab sich in seinen Club, um die Zeit zu
ihn in seine Theaterloge. Es war eine
heitere Posse, und der Mann ohne
Geld unterhielt sich vorzüglich. Auch
das Souper ließ er sich trefflich mun
ben.
wenig heißen wollte. Aber es wurde
10 Uhr, 11 Uhr, und Niemand kam.
Dr. Rabe hatte die Zeit benutzt, um
müssen, nicht zu machen. Gegen Mit
tag war er mit der Arbeit zu Ende,
und da der angesagte Besuch bis Pir
sich die Herren verspätet. Endlich, um
halb Eins, ertönte die Klingel. Es
war aber nur der Briefbote, welcher
zum Glück", stand an der Spitze des
Briefbogens zu lesen. > „Wozu der
seltsame Umweg?" murmelte der junge
Mann. Was aber wollte überhaupt
das Heirathsvermittlungs - Bureau
„Hymen" von ihm? Er las:
Sehr geehrter Herr!
Bezugnehmend auf unsere gestrige
Rücksprache —"
Dr. Rabe unterbrach sich und sah
wieder nach der Adesse des Briefes.
Aber da stand sein Name ganz deut
lich: Dr. Cajus Rabe. Auch die
doch niemals mit demHcirathsvermitt
lungs - Bureau „Hymen" etwas zu
thun gehabt! Sollte sich einer seiner
Bezugnehmend aus unsere gestrige
Rücksprache theilen wir Ihnen mit,
daß es uns heute schon gelungen ist,
ein weibliches Wesen luisfindig zu ma
chen, welches allen Ihren Wünschm
entsprechen dürste. Es ist eine junge
Wittwe. 22 Jahre alt. Vermögen 100,-
000 Mark. Die äußeren Reize der
Dame werden alle Ihre Erwartungen
übertreffen. Bitte, stellen Sie sich noch
heute ihrem Vater, Herrn Cigarrenfa
brikanten Karl Bernauer vor (Adresse
weiter unten), am besten gegen 2 Uhr.
Die Dame weiß nichts von der Sache,
Herr Bernauer wird Ihnen alles Wei
tere mittheilen. Indem wir Ihnen den
besten Erfolg wünschen, zeichnen wir
u. .s. .w. u. .s. w." Die Adresse des
Herrn Bernauer war ai.i Ende des
Briefes angegeben.
Offenbar hatte sich einer seiner
Freunde einen Spaß erlaubt und ihn
bei dem Heirathsvermittlungs-Bureau
„Hymen" angemeldet! Aber die Sache
traf sich nicht übel. Eine junge, hüb
sche Wittwe mit 100,000 Mark das
durfte man sich schon ansehen! Ein
reicher Cigarrenfabrikant als Schwie
gerpapa auch tt>.e schlechte Erfin
dung. Immerhin sah bei der Sache
ein kleines Abenteuer heraus. Der
junge Mann aber langweilte sich
ohne Geld gab es keine Zerstreuung.
So machte er sich gegen 2 Uhr auf den
Weg zum Cigarrenfabrikanten.
Ein freundlicher alter Herr empfing
„Dr. Cajus Rabe Ich danke Ihre
werthe Adresse dem Heirathsbureau
„Hymen"
„Ah, vortrefflich! So einen hüb
schen. eleganten Herrn wie Sie suchen
wir gerade! Sie sind Jurist?"
„lawol —"
„Haben Sie eine eigene Kanzlei?"
„Nein. Ich arbeite bei einem Freun
de." Er nannte a»f gut Glück einen
seiner Freunde, von dem er wußte,
daß er ihn nicht im Stiche lassen wür
de, falls man sich mit einer Anfrage
an ihn wenden sollte. Er gab dann
auch Auskünfte über seine Familie.
„Ich habe einen reichen Obeim,"
sagte er, „von dem ich jede Unterstütz
ung erhoffen kann, wenn ich ein ernstes
Leben der Arbeit biginnen will. Um
ausrichtig zu sein, ich habe bisher et
was flott gelebt. Nun zwingen mich
aber die Verhältnisse, ernst zu werden.
Eine Heirath ist eil wichtiger Schritt
ein besonderes Fach?"
„Hm ... Ich bin Spezialist in Erb
schasts - Angelegenheiten."
„Nun, dazu würde sich in meinem
gebreitet. Sie müßten sich selbststän-
bin dazu bereit .... Indessen
darf ich nun auch um einige Aus-
kiinfte über Ihre Frau Tochter bit
ten?"
„Ja, sehen Sie, das ist ein eigener
Fall sonst hätten wir uns ja auch
nicht an ein HeirathSbureau gewendet!
sie betrauert ihn noch immer, schließt
sich von der Gesellschaft, von allen Ver
gnügungen ab, ergibt sich dein Trüb
sinn, Alle unsere Bemühungen, sie da
herauszureißen, sind vergeblich. Da
des Heirathsbureaus auf einem Spa
ziergange ini Auge. Ich trat ein und
sprach mit den Herren. Ich sagte ih
nen, ich könnte irgend einen sehr hüb
schen, sehr flotten Mann brauchen, der
es versteht, eine' Frau aufzuheitern.
Wenn ihnen ein solcher vorkomme, so
möchten sie ihn zu mir senden. Der
Preis ist nicht übel: eine schöne Frau,
ein schönes Vermögen, eine schöne An
stellung. Aber Sie müssen sich Ihr
Weib selbst erobern. Die Frage ist,
ob sie Ihnen gefällt."
Der alte Herr reichte Dr. Rabe eine
Photographie. In der That, es war
ein Weib von seltener Schönheit! Ein
rundes Kindergesicht mit träumerischen
Augen.
„Ich lese in Ihren Blicken," sagte
Bernauer, „daß Ihnen meine Tochter
gefällt —"
„Sie entzückt mich geradezu —"
,',So brauche ich Sie! Sie bleiben
gleich zu Tische bei mir. Meine Toch
ter speist nämlich heute hier. Ich stelle
Sie als meinen neuen Rechtsanwalt
v0r.... Wir sind sehr besorgt und
wenn es Ihnen gelingt, meine Sophie
ihrer Melancholie zu entreißen, werden
Sie an mir für immer einen sehr, sehr
Eine halbe Stunde später stellte
Bernauer den Gast seiner Familie vor.
Die trostlose Wittwe war in ihrer stil
len Trauer noch schöner als auf dem
Bilde. Dr. Rabe sah bei Tische na
türlich neben ihr. Anfangs war die
junge Frau sehr einsilbig, und seine
Bemühungen, ein Gespräch in Fluß zu
bringen, verliefen sehr kühl. Dann
aber stellte sich heraus, daß ihr Gatte
ein Studiencollege von ihm gewesen,
mit dem er zusammen in Heid'lberg ge
wohnt. Nun war sie lebhaft interes
sirt. Unerschöpflich floß der Born
seiner Rede in der Schilderung des
fröhlichen Studentenlebens, wiederholt
entwickelte sich stürmische Heiterkeit,
und auch die traurige Wittwe lächelte.
„Ah, ich wundere mich nicht, daß er
Sie geheirathet hat!" rief er gelegent
lich aus, als er merlte, daß feineDame
sich in freundlicher Stimmung be
fand. „Er hatte, was die Frauen an
belangt, immer einen vorzüglichen Ge-
Die trostlose Wittwe fuhr förmlich
empor. „Wie meinen Sie das?"
„Nun, es fällt mir da eine Geschichte
ein Damals kannte er sie ja noch
nicht!"
Und er begann sofort eine übrigens
wahre Geschichte zu erzählen und von
einem wunderhübschen Schätzchen, das
der Selige in Heidelberg gehabt und
auf das er so eifersüchtig war, daß er
Niemandem etwas verrieth, außer ihm,
seinem besten Freunde und Stubenge
nossen. Er habe sie sogar Heirathen
wollen, sie zog ihm aber einen Schau
spieler vor und ging mit diesem zur
Bühne. „Später spielte sie in Berlin,
im Lessing - Theater."
„War es nicht die ?"
„Selma hieß sie mit dem Taufna
men. Meinen Sie diese?"
„Dieselbe! Ich mußte jedes Mal
gehen, wenn sie spielte! Mein Gatte
behauptete, ihr Spiel gesalle ihm so
sehr!" Das Auge der trostlosen
Wittwe funkelte im Zorn.
„Und er sprach sicherlich die Wahr
heit," siel Rabe ein. „Wenn man eine
Selma kaum ein anderes, als histori
sches Interesse finden."
Die schöne Wittwe lächelte, und von
da ab war das Eis gebrochen. Als
Rabe von der schnurrigen Posse er
zählte, die er Tags vorher gesehen, und
die ganze Familie animirte, gemein
sam das Theater zu besuchen, sträubte
sich die junge Dame kaum mehr und
stimmte zu/ Der alt- Bernauer ließ
sofort eine Loge besorgen.
„Sie müssen aber mit uns kommen,
Herr Doctor." sagte die trostlose Witt
we. „Sie haben einen solchen Fond
von Heiterkeit, daß Sie allen Anderen
die Grillen verjagen."
„Gern gehe ich mit. Wie gern, wage
ich Ihnen heute noch gar nicht zu sa
gen."
Die trostlose Wittwe wandte sich er
stelle der alte Bernauer seinem Gaste
in einem unbelauschten Augenblicke zu.
„Sie haben ja gewonnenes Spiel! Ich
kann Ihnen nicht sagen, wie glücklich
ich bin!"
Wahrlich, er hatte gewonnenes
Spiel- Und drei Wochen später fand
seine Verlobung mit dem schönen
Frauchen statt, das nicht mehr trostlos
war und auch nicht mehr Wittwe blei
ben wollte.
Einen Tag nach Versendung der
Verlobungskarten erschien ein fremder
Herr bei Dr. Rabe.
„Sie wünschen mich zu sprechen? Ich
bin Dr. Rabe."
„Verzeihung doch es muß ein
Irrthum Ein Anderer hat sich
uns als Dr. Rabe vorgestellt, ich
habe ihn selbst empfangen —"
„Mit wem habe ich die Ehre?"
„Ich bin Beamter des Ehevermilie
aus?" ch chs Fl t
Eine rothe Narbe zog sich ihm über die
Stirn —"
„Nun wird mir alles klar," rief
Rabe, und lachte herzlich auf.
„Der Herr hat Ihnen irrthümlich
meine Karte gegeben, die er kurz vor
her in seine Brieftasche geleqt. statt
seiner eigenen. Darum wartete ich
vergebens auf die Secundanten! Der
M-inn mit der Narbe fand meineKarte
nicht mehr und wußte keine Adresse!
Und mir fiel die Braut zu, die ihm be
stimmt war, sammt den 100,000Mart
und dem Schwiegerpapa —"
„Ihnen Glück zu wünschen, wurde
ich entsandt —"
„Machen Sie keine so besorgte
Miene! Ich werde nnch dankbar er
weisen, ob ich Ihnen zwar keinen Auf
trag gegeben habe. Ich bin?u glück
lich, um das zu verweigern. Herr, ich
bin bis über die Ohren verliebt!"
„Wir bedienen stets unsere Kunden
so. Unsere Devise ist:
„Durch die Ehe zur Provision!
Weiß schon und auch Ihre Rech-
Als sich der Agent entfernt hatte,
stand der jungeMann einen Augenblick
wieder nachdenklich am Fenster. Ja,
er hatte wahr gesprochen, er war glück
lich und wem dankte er dieses
Glück? Nur seiner letzten Mark, der
er ein frohes Ende hatte bereiten wol
len, welche ihn in die Weinstube ge
führt. das Rencontre mit einem unbe
kannten Meier und die Verwechslung
der Persönlichkeiten angezettelt hatte.
Er wollte noch oft denken an diese letzte
Mark, welche die erste gewesen, die er
mit Bedauern scheiden sah. Von Ge
ringem hängt oft das Glück der Men-
Doch nicht Jedem geht es so, der '
seine letzte Mark vertrinkt. Dai will
zum Schlüsse besonders vermerkt sein!
Ter Miniatur- Anzug.
„Also, Meister, ich verlasse mich fest
darauf, daß Sie mir meinen Anzug
längstens Samstag Abend zustellen
werden", sagte ich mahnend zu dem
Bekleidungskllnstler, der mir soeben je
nen angemessen und der die üble Ge
wohnheit hatte, auf seinen Empseh
lungskarten die prompteste Bedienung
zuzusichern, während er in Wirklichkeit
in Bezug auf rasche Ablieferung der
saumseligste Schneider von der Welt
war.
„Gewiß", meinte er, „Sie können
sicher darauf zählen, daß Sie Ihren
Anzug längstens bis Donnerstag ha
ben werden!"
„Ich machte eine etwas ungläubige
Miene zu seiner Versicherung und
wollte eben seine Werkstätte verlassen,
als mein Blick auf ein winziges rothes
Röckchen und ein ebenso winziges gel
bes Höschen siel, die auf einem kleinen
Tisch ausgebreitet lagen.
„Alle Wetter!" rief ich erstaunt aus,
„für wen ist denn dieser Miniatur-
Anzug eigentlich bestimmt?"
„De» kommt ins Damenpensionat
von Madame Labonville. . .
„Ins Damenpensionat von Mada
me Labonville?" unterbrach ich ihn.
„Aber was in aller Welt, soll denn mit
diesem rothen Röckchen und mit diesen
gelben Höschen geschehen?"
„Ja." meinte der Schneidermeister,
„mit diesem winzigen Anzüge hat es
sein eigenes Bewandtniß. Madame
Labonville hält streng darauf, daß m
ihrem Pensionat alles vermieden wird,
was nur im geringsten anstößig erschei
nen könnte. Vorgestern haben nun
die Pensionärinnen im Jnstitutsgar»
ten ein Lebewesen eingesangen, das sie
in den Speisesaal verbrachten, um sich
dort mit dem Beschauen desselben zu
vergnügen. Als sie eben daran waren
durch das nähere Betrachten des Ein
gefangenen auch ihr« zoologischen
Kenntnisse zu erweitern, und somit
das Nützliche mit dem Angenehmen
zu verbinden, ging die Thüre aus und
Madame Labonville trat in den Spei
sesaal.
Mit langsam abgemessenen, feier
lichen Schritten trat sie auf den Knäuel
der Pensionärinnen zu, der sich um
das eingefangene Ding gebildet hatte.
Kaum hatte sie jedoch gesehen, was
die Neugierde der Fräulein so sehr er
regt hatte, als sie dasselbe ihren Schü
lerinnen rasch vor der Nase wegnahm
und es mir brachte, damit ich ihm ei
nen Anzug mache. Dieser hier ist es"
er zeigte dabei aus den Miniatu»
anzug „und heute Abend noch wird
das Wesen, dessen Nacktheit so sehr das
Mißfallen von Madame Labonville er
regte, mit ihm bekleidet sein, somit die
Pensionärinnen auch fernerhin sich an
den lustigen Sprüngen ihres Laub
frosches im Glase, wenn er im Gigerl
costllm nach den Fliegen hüpft, ersreuen
können."
Tic Schwärmer.
von Emil Beyer.
Drei junge Maler saßen
Und zechten froh und frei.
Der Erste rief: „Hoch lebe
Die Freilicht Malerei!"
„Es ist die einzig wahre,
Die richtige Manier,
Zu ihren Ehren schmeiß ich
Hier eine Runde Bier!"
Der Zweite drauf: „Natürlich
Stimm' ich Dir völlig bei,
Und ganz speciell die Freiluft
Ist meine Schwärmerei.
Als dieser Kunst Vertreter
Betrachte ich mich hier
Und schmeiß zu ihren Ehren
Auch eine Runde Bier!"
Der Dritte trank gemächlich
Nur eines weiß ich sicher:
j Ich schwäime für F r e i b i e r l" ,