Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, February 25, 1897, Page 2, Image 2

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    2 Mutter und Hochter.
In der Nähe meines in der Man
teuffelstraßc gelegenen Polizei-Revier
mit ihrer siebenzehnjährigen Tochter.
Sie hatte seiner Zeit als blutjunges
Mädchen dem stattlichen Obersten, !vel-
Tochter ein angenehmes Heim zu er
halten. Die Mutter, welche einstmals
das Lehrerinnenexamen gemacht, un
terrichtete das Töchterchen selbst und
lebte fast nur für dasselbe, in Folge
Ich lernte die Dame in einerSitzung
des Frauenvereins, dessen Vorstands
mitglieder mit besonderen
lich nach einem leeren an
meinen Tisch zu bitten und sie meiner
Yrau vorzustellen. Die Damen fan
den Gefallen an einander und nament
meinem Hausse ganz wohl zu fühlen.
Unter der Hand erfuhr ich dann, daß
sich die nun fünfunddreißigjährige
Wittwe mit einem an Jahren jüngeren,
selbstständigen Kaufmann aus guter
Familie verlobt hatte oder im Begriffe
war stch zu verloben, was mich um so
mehr frappirte, als ich wußte, daß der
Kaufmann sich um ein junges, sehr
ihm hierbei auch von keiner der maß
vebenden Seiten Schwierigkeiten in
den Weg gelegt wurden.
Eines Nachmittags hörte ich in mei
nem Sprechzimmer, das nur durch den
Korridor vom Bureau getrennt war
und im Zusammenhange mit meiner
Privatwohnung stand, die sehr erregte
Stimme einer weiblichen Person, die
nach mir verlangte, und gleich darauf
dem anmeldenden Schutzmann herein
und erzählte schreckensbleich und mit
fliegendem Athem, daß die Frau Gene-
soeben in ihrer Stube todt
zum Polizeiarzt, der zugleich mein
Hausarzt war, und eilte selbst, dem
«inen Wachtmeister die Anweisung ge
bend, mir unverweilt mit zwei Beam
ten zu folgen, an Ort und Stelle.
Ich traf die Situation genau so wie
dessen Inhalt sie in einen Zustand
gerufen: „Die Wahrheit, die Wahr-
Karafse mit Wasser stand, plö^lich
vor dem Sopha stand ein fast volles
Glas Wasser, während ein zweites
Gla» zerbrochen dicht neben der Tod
ten lag; zweifellos hatte sie aus die
sem zuletzt getrunken. Am Boden des
zerbrochenen Glase? haftete noch un
aufgelöstes weißes Pulver Cyan
lali bemerkte der Arzt sehr ernst, wie
«r auch dasselbe inhaltschwere Wort
von dem in der Enveloppe noch be
findlichen Pulver gebrauchte. Dieses
Pulver, sowie das zerschellte Glas mit
seinem Inhalt nahm ich sofort in sorg-
Während nun der Arzt bemüht war,
die Tochter in's Leben zurückzurufen,
setzte ich die nöthigen Depeschen an das
Polizei-Präsidium, den Staatsanwalt
«nd den Untersuchungsrichter auf,
lenhaust Bethanien, um die Kranke
mittelst geschlossener Sänfte dorthin
befördern HU lassen und sandle den
Wachtmeister nach der Privatwohnung,
sowie einen nach dem
Verbrechen!
Da die Mutter todt, die Tochter be
sinnungsws an einem hitzigen Fieber
Verdacht auf, daß ein Verbrechen ver
übt sei —— um der ferneren An
sprüche einer unbequemen überflüssigen
Braut überhoben zu sein. Dem wi
dersprach allerdings das Vorleben des
Betreffenden und sein Ruf. Aber:
trau, schau wem? So gut wie es
Jemand fertig brachte, sich mit einer
Dame der besten Gesellschaft zu ver
loben, zu gleicher Zeit aber bei einer
Anderen auf Freierssiißen zu gehen,
ebenso gut konnte man ihm auch ein
derartiges Verbrechen zutrauen so
calculirte ich und der Herr Staatsan
walt mit mir.
Nachdem alle Formalitäten erfüllt
die Sektion der Unglücklichen hatte
unzweifelhaft Vergiftung durch Cyan
kali festgestellt wurde die Generalin
begraben und die Wohnung versiegelt,
da merkwürdiger Weise kein einziger
Verwandter sich meldete.
Die Criminalpolizei forschte nach
dem Verbleib des Kaufmanns, dessen
Geschäft vorläufig von seinem Vater
beaufsichtigt wurde, und mir wurden
die übrigen Ermittelungen übertragen.
Wo stammte das wie ein Blitzstrahl
tödtende Gift her; wer hatte es be
schafft?
Ich hatte früher in Magdeburg in
Garnison gestanden und es fiel mir
ein, daß dort ein Photograph gleichen
Namens wie der verschwundene Kauf
mann wohnte; Erkundigungen erga
ben, daß beide Brüder waren und dies
bestärkte mich in meinem Verdacht.
Denn Photographen gebrauchen Cyna
kali zu ihren Bildern und der Berliner
Bruder konnte bei Gelegenheit eines
Besuches leicht ein Pülverchen haben
mitgehen h«ißen, ohne daß der Andere
es merkte. Und ein solcher Besuch
hatte vor Kurzem stattgefunden.
Selbstverständlnch wurde bei sämmt
lichen Berliner Apothekern und Drogi
sten specielle Nachfrage gehalten, ob
und von wem in jüngster Zeit etwa
von dem gefährlichen Gift gekauft,
oder ein Kauf versucht worden war.
Von dieser Maßregel versprach ich mir
allerdings wenig. Denn Gift darf
nur, abgesehn von iirzjlicher Verord
nung, auf einen von der Polizeibe
hörde ausgestellten Giftschein abgege
ben werden, und wenn wirklich in ei
nem Falle von dieser gesetzlichen Be
stimmung abgewichen war, so würde
sich der betreffende Verkäufer natürlich
hüten, dies einzugestehen. CyankaU
verfolgte den Verbleib desselben bis
auf das allergeringste Quantum
aber es ließ sich keine Brücke finden, die
gegen fand ich in seinem Schreibtisch
denn ich hatte in seiner Wohnung
und seinem Comptoir das Oberste zu
unterst gekehrt ein Fläichchen mit
Blausäure und ein gravis Pulver, das
einem Chemiker zur Untersuchung
übergeben wurde, in einem sogenann
ten verborgenen Fache, ein Umstand,
der die Chancen des anscheinend Ent
flohenen auf „Null" sinken ließ.
Während dieser Ermittelungen, die
natürlich längere Zeit in Anspruch
nahmen, schwebte das arm« Mädchen,
die Tochter der Verstorbenen, zwischen
Leben und Tod. In ihren Phanta
sien rief sie die Mutter in der rührend
sten Weise zu sich dann klagte sie
wieder in herzzerreißenden Tönen den
Entflohenen an, sie der besten der
Mütter beraubt zu haben. Es war
deter Familie kennen gelernt, ein war
mes Interesse gefühlt und seine Eitel
keit sei mit in's Spiel gekommen, als
er gemerkt, daß das Interesse ein ge
genseitiges sei. Außerdem habe er
geglaubt, daß die Generalin über ein
bedeutendes Vermögen verfüge und
darauf hin habe er sich, um auch ihr
etwas bieten zu können, etablirt; dann
habe er sich erklärt und das Jawort er
halten mit der Bitte, die Verlobung!
vorläufig geheim zu halten, da sie sicb
erst mit den Verwandten ihres verstor
benenMannes auseinandersetzen wollt.
Bei dieser Gelegenheit habe er erfah
ren, daß kein großes Vermögen das
vorhandene gehörte noch dazu der
Hauptsache nach der Tochter vor
handen se: und er hätte doch unbedingt
verloren und sei, als die Generali» ihm
das Wort „Elender" halb sinnlos zu
geschleudert und gleich darauf nach
ein... nicht ich, sie selbst
war, halb wahnsinnig davon gerannt.
„Sie ist todt?" schrie er Plötzlich, mich
mit weit geöffneten Augen groß an
gesteckt?"
nach Hamburg zurückgereist, um nach
Berlin zu gehen. In Hamburg sei er
erst so recht zum Bewußtsein seiner
sei ruhelos umhergelaufen und habe,
in Altona angelangt, den Entschluß
gefaßt, seinem verfehlten Leben ein
Ende zu machen.
Sprach der Mann die Wahrheit?
schuldig an dem Verbrenn war, nichts
sollte gehört haben, denn die sensatio
nelle, der Öffentlichkeit gegenüber in
tiefes Dunlel gehüllt« Affaire war
durch alle Zeitungen gegangen! Ich
telegraphirte nach Kopenhagen und er
hielt noch am Abend desselben Tages
die Bestätigung seiner Ausnahme und
späteren Entlassung aus dem Hospital.
Natürlich hatte ich einen Haftsbefehl
fangenen zu betrachten und erbat,
meine Behörde sofort telegraphisch zu
benachrichtigen, wenn er transport
überführen. Dann reiste ich zurück
und erstattete ausführlichen Bericht,
der beim Untersuchungsrichter und
Staatsanwalt nicht geringes Aufsehen,
oder vielmehr Zweifel erregte.
Altona schickte die Frau Oberin des
Krankenhausesßethanien, die mir per
sönlich genau bekannt war, zu mir und
Ausspruch des Arztes mit Bewußtsein
und durchaus meine Gegenwart ver
langt, daß der Chefarzt ausdrücklich
angeordnet, mich, wenn irgend mög
lich, zur Stelle zu schaffen, damit ich,
falls sie bei ihrem Erwachen nach mir
frage, nicht erst geholt
treten.
Und so saß ich denn zu Häupten,
etwas rückwärts, des beklagenswerthen
jungen Mädchens, deren wachsbleiche,
eingefallene, früher so lieblichen Züge
sich unter dem weißen Häubchen
man hatte ihr das prächtige, braune
Haar kurz abgeschnitten gar
ihres Lagers abhoben, während die
Frau Oberin selbst am Fußende Matz
genommen hatte. Plötzlich bemerkte
ich, wie die Augenlider ganz unmerk
kam das Bewußtsein jenes schrecklichen
Augenblicks, in welchem sie die Mutter
leblos zur Erde hatte sinken sehen, mit
elementarer Gewalt über sie, sie rich
tete sich jäh auf und in dem Augen
blicke, als die Oberin sie liebevoll mit
ihrem Arm umfing, lösten barmherzige
Thränen den Bann, der bisher auf ihr
geruht. Ein unwillkürliches Geräusch,
das ich auf meinem Sitz verursachte,
denn ich wollte mich leise zurückziehen,
ließ sie sich jäh umwenden? eine flam
mende Röthe schlug ihr in's Antlitz
und mit dem Ausdruck einer unendli
„Gott sei Lob, daß Sie da sind! ——
lch. ich allein bin die Mörderin!
-- meine Mutier, sie that es
Der herbeigerufene Arzt brachte sie
sehr schnell wieder zum Bewußtsein,
und als sie die Augen abermals auf-
den Worten: „Ich sterbe, wenn ich ihm
nicht Alles sagen kann/'
habe wie ein Blitz aus heiterem Him
mel gewirkt, die Mutter sei gänzlich
gebrochen gewesen, habe sich aber voller
Unmöglichkeit sei. Als die Verstor
bene dann aus den Augen desErbärm
lichen die Wahrheit erfuhr, auch ohne
daß sein Mund sie auszusprechen
wagte, sei sie dem Umsinken nahe ge
wesen und nun habe sie selbst ihrer
Tasche ein Brausepulver entnommen
(wie sie geglaubt), habe es in «in Glas
geschüttet und den Trank der Mzitter
gereicht. Als diese plötzlich mit ver
glasten Augen zu Boden gestürzt, sei
ihr wie ein Blitz die Erkenntniß ge
kommen, daß sie di« Pulver verwech
selt, und anstatt dK erfrischenden
Brauseftulvers ein anderes, giftiges,
genommen, dessen sie sich zur Anferti
gung photographischer Bilder sie
war wirklich im Besitz eines kleinen
photographischen Apparates stets
bediente; dann habe sie das Bewußt
sein verloren. Aber in ihren Phanta
sien habe sie nur immer daran denken
müssen, daß man die Mutter für eine
Selbstmörderin halte und das verdiene
doch die Edle, Gute, Reine und Ver
klärte nicht! „Und nicht Su
getödtet! aus Versehen; aber
ich will dafür büßen denn, sagen
Sie mir die Wahrheit, alle Welt
glaubt, daß Mama sich selbst getöd
tet?" Armes, armes kleines Mädchen,
auf welche Abwege hatte dich dein
Schmerz geführt, und wie wenig ver
standest du zu lügen! Denn ich sah
ihr an. daß sie nicht die Wahrheit
lch zarte durchsich
ten ruhte, mit festem Druck, und sagte
ihr mit warmen Worten und der
Wahrheit gemäß, daß Niemand seither
von einem Selbstmord gesprochen oder
auch nur an einen solchen gedacht, daß
vielmehr von Jedermann, von der Be
hörde und bis jetzt auch von mir, der
entflohene Bräutigam für den Mörder,
den feigen, kaltblütigen Mörder gehal
ten worden sei! Da öffneten sich ihre
Augen weit und sie stieß entsetzt her
aus: „Jawohl, er ist der Mörder!
Aber nicht so, wie Sie meinen; nur,
weil sie verzweifelte, als sie die Wahr
heit über seinen feigen Verrath erfuhr
und ich ihr ein Pulver gab, das ich
verwechselt hatte; Schuld ist er an
dem entsetzlichen Unglück, aber meine
Hand brachte das Verderben!"
Darauf meinte sie in immer mehr
steigender Aufregung, sie werde nun
wohl sogleich „eingesperrt" werden,
daß ich es für nöthig hielt, nach der
Uhr zu sehen und meine sofortige Ent
fernung durch'unabweisbare Dienstge
fchäfte zu motiviren.
Ich fuhr nun direct zum Polizei-
Präsidenten und dann zum Unter
suchungsrichter und erstattete Bericht.
Die Folge war. daß am nächsten Mor
gen der Untersuchungsrichter sich zur
Vernehmung des jungen Mädchens, da
dies natürlich nicht zu umgehen war,
nach Bethanien begab. Auch er ge
wann die Ueberzeugung, daß ihm un
ter dem Eindruck einer unerklärlichen,
seelischen Depression ein Märchen aus
getischt wurde, drang aber aus Anra
then des Arztes nicht weiter in die
Kranke.
Jedenfalls wurde der Haftbefehl ge
gen den jungen Kaufmann zurückge
nommen, da es fest stand, daß er der
Mörder nicht war. Er war durch das
Bewußtsein seines Bubenstreiches völ
lig außer Fassung gebracht und um
allen Folgen seiner Handlungsweise
aus dem Wege zu gehen, halb unzu
rechnungsfähig in die Welt hineinge
laufen.
Nach Rücksprache mit meiner Frau,
welche die Genesende täglich besuchte,
beschlossen wir, die Aermste bei ihrer
Entlassung aus dem Krankenhause bei
uns aufzunehmen; denn nähere Ver
wandte der Mutter waren nicht da,
und die Angehörigen des Vaters über
trugen den Groll wegen der „Mesal
liance" auf das bedauernswerthe Kind.
Dieses nahm das diesbezügliche Aner
bieten meiner Frau unter Dantesthrä
nen an.
Auch meine Frau hatte die Ueber
zeugung gewonnen, daß die Assaire
sich so, wie das jungeMädchen erzählte,
nicht zugetragen, aber vorläufig war
mit dieser nicht» anzufangen, auch
nicht, nachdem sie zu uns übergesiedelt
war. und sie hatte es nur dem großen
Wohlwollen des Untersuchungsrich
ters zu verdanken, daß dieser meine
Bürgschaft annahm und von einer
Haftnahme wegen fahrlässige^Tod-
Ges?ändniß nach Abstand nahm.
Ich legte mir die Sache so zurecht,
daß die Tochler genau wußte, daß die
Mutter sich vergiftet hatte; aber die
schwärmerisch« Liebe, mit welcher sie
stets an der Mutter gehangen, brachte
bei ihr eine derartig krankhaft über
reizte Stimmung hervor, daß sie
glaubte, das Andenken der Mutter vor
dem Flecken des Selbstmordes bewah
ren zu müssen, und daß sie das Un
recht nicht sah, welches in ihrer Hand
lungsweise überhaupt und auch ihr
selbst gegenüber lag.
Nach unsäglicher Mühe gelang es
mir nach vielen Wochen endlich, fest
zustellen, daß die Generalin eines Ta
ges persönlich eine bestimmte Apotheke
ganz in der Nähe ihrer Wohnung be«
sucht hatte, und nun war es verhält
nißmäßig leicht, auch den Gehülfen zu
ermitteln, welcher sie damals bedient
hatte. Sie hatte ruhig ein Gramm des
scharfen Giftes verlangt, dessen sie zur
Ausführung photographischer Bilder,
ihr?r Liebhaberei, bedürfe und der
junge Mann hatte nicht gewagt, der
ihm bekannten Hochgestellten dann eine
abschlägige Antwort zu ertheilen.
Später, als er von dem entsetzlichen
Borfall gehört, hatte er die Verant
wortung gescheut und geschwiegen.
Der arme Mensch verlor seine Stel
lung und wurde noch obendrein be-'
straft.
Aber selbst die Mittheilung diese?
doch entscheidenden Vorfalles ver
mochte nicht das junge Mädchen zur
Erkenntniß zu bringen; sie wurde nur
leichenblaß und sah mich fast feindlich
an, während sie doch sonst mit gerade
zu rührender Dankbarkeit und fast
kindlichem Vertrauen mir entgegen
kam! der Untersuchungsrichter er
reichte ebenso wenig.
Meiner Frau gelang es endlich, das
Eis zu brechen, welches das Herz und
den Sinn der Bedauernswerthen ge
fangen hielt. Sie stellte ihr vor, wie
sie sich versündige und wie der Geist
ihrer verklärten Mutter nur mit
Trauer auf sie herniederschauen un>
nicht zur Ruhe kommen könne, wenn
sie die Wahrheit ferner verschwiege.
Da fiel die Schwergeprüfte unter ei
nem Thränenstrom meiner Frau um
den Hals und wie sie au» Liebe zu der
Verstorbenen, um deren Andenken rein
zu halten, sich selbst hatte zum Opfer
bringen wollen, so gab sie nun aus
Liebe und um der abgeschiedenen Seele
endlich die Ruhe wiederzugeben zu,
daß sie eine Lügnerin gewesen.
Wie die Generali» dazu gekommen,
sich das Gist zu verschaffen, und ob sie
damals schon ihrem Bräutigam nicht
traute, ist unaufgeklärt geblieben; das
junge Mädchen ist vor nicht allzu lan
ger Zeit als barmherzige Schwester
nach unseren Solonieen gegangen.
Weine Schlittenpartie.
Erzählt vom Rentier Meiigcn in DrSlen.
Das muß wahr sein, merkwärd'z
is's und bleibt's, was Eenem so dann
und wann ämal passtr'n kann! Ae
Beispiel hierd'rzu kann'ch Se von mir
aus der allerneisten Zeit erziihl'n. Da
kriegt'ch Se nämlich neilich ä Brief
chen von mein'm Vinter Ewald aus
Tharandt. „Lieber Heinrich!" schrieb'r
mir dadrinne. „Indem daß nächsten
Donnerstag meine Tochter Frieda ihre
Verlobung seiert, lade ich Dich und
Deine Pauline zu diesem freudigen
Familienaktusse freundlich ein. Bringe
nur gute Laune und ditto Appetit mit,
für das Uebrige werde ich sorgen. Mit
Gruß PP." Niatierlich war das Wasser
uss meine Mihle, denn ärschtens war
Frida mei Pathchen und ä Liebling
von mir, und zweetens wußt'ch, daß's
än fidelen Ahmd gab.
Der bestimmte Tag kam. Leider
konnte meine Pauline nich mitkommen,
denn se hatte än Schnuppen, daß se
kaum aus d'n Oogen feh'n konnte.
Desterhalben mußt'ch mich alleene usf
de Strimpe machen. Nu war Se an
dem Tage grade de scheenste Schlitten
bahn.
„Wie wär'sch," dacht'ch deswegen
uff d'n Wege nach d'n Bahnhofe so
be! mir, „wenn De ämal das Ange
nehme mit d'n Nitzlichen verbinden
thätst und mieth'st D'r än Droschken
schlitten nach Tharandt."
Gedacht, gethan, und kurz d'rauf
saß'ch, behäbig in meinen molligen
Pelz gewickelt, in än flotten Eespän
ner. HoSa, hast De »ich geseh'n! ging's
dorch d'n Plauenschen Grund, denn de
Bahn war wie usf än Tische. Dabei
schneite es, als wenn Frau Holle ihr
Bette vier Wochen lang nich gemacht
uns Beeden nischt."
Der Kutscher war in diesem Falle
ooch ganz und gar kee Unmensch, und
sei Grögchen.
Da erteente plötzlich Schelleugelaite
und iinne Minute später trat ä eben
oogenscheinigte, war'sch mei' Rechtsan
walt, d'r Dr. N. aus Dresden.
„Ei, herrjem'rsch, Sie sind's, Herr
ten Bekannten trifft. „WaS fihrt Sie
Da «rfuhr'ch denn, daß mei' Rechts
beistand in Tharandt geschäftlich ze
thun gehabt hatte und itze uff'n Heem
wege war.
„Na, Ihnen ze Ehren muß'ch noch
ä Gläschen trinken," meent'ch und be
stellte for mich und d'n Kutscher noch
Lnne neie Ufflage. Mir kam'n in's
Dischkeriren, und, weeß i^
Mal war m'rsch ganz deitlich, a?s
wenn de Erde bebte. Es war schun
stockfinster und dichte trieb's d'n
Schnee jn d'r Luft 'rum. Mir Beede
schlugen de Pelzkragen In de Hehe.
„Gute Nacht, Herr Dokter, und
Wohl nach Hause!"
„Gute Nacht, Herr Kleeßchen, und
diel Vergniegen!" teente es noch vor d'r
Ich schlage de Oogen usf. Potz Stra
ner großen Kärche vorbei, die m'r so
bekannt aussah. Je weiter m'r fuhr'n,
desto bekannter Wörde m'r Alles.
„Was Eenen doch so ä bissel Grog
veralbern kann!" denk'ch so bei mir.
„Kommt mir, westerhole, das gemith
liche Tharandt heite ganz wie de Wils
druffer Vorstadt vor!"
Uff eemal wärd m'r die optische
Taischung doch zu arg. Stand da
rechter Hand nich de Post und links
dort's Waldschlößchen-Resterant?
„Kutscher, um's Himmelswillen, sag'n
Se m'r norr, wo m'r uns gegenwärt'g
befinden?" schrie'ch ganz perplex.
„Nu, wo wär'» m'r denne andersch
sein als uff'n Pustplatze!" war de Ant
wort.
Ich war wie vom Blitze getroffen.
Das ging nich mit rechten Dingen zu.
Im Oogenblicke gloobt'ch wärklich an
Hexerei. Wie sollte sich ä verninst'ger
Mensch das zesammenreimen? Mir
lief d'r Angstschweiß von d'r Stärne.
Da fuhr m'r plötzlich ä Gedanke dorch
d'n Kopp. Ich wagt'n, weeß Knäpp
chen, gar nich auszedenken. Und doch
konnte 's nich andersch sein. Hatten
mir Beeden, mei Rechtsanwalt und ich,
in der Finsterniß, und trregefihrt von
den boshaften Groggeistern, doch di»
Schlitten verwechselt, so daß der
Rechtsanwalt von Deuben wieder nach
Tharandt und ich nach Dresden zerick
fuhr. Ich war Physisch und moralisch
vellig geknickt. Was wärde meine
Pauline, was mei Better in Tharandt
sagen? Zenächst verabschiedete ich d'n
Kutscher, dann ging'ch uss's Telegra
phenamt und telegraphirte: „D'r
greeßte Esel unter d'r Sonne kommt
ärscht heite Ahmd um Achte nach Tha
randt. —Dei Vetter Heinrich." Dann
stürzte ich uff'n Behm'schen Bahnhof.
Zun, Glicke war grade ä Zug nach
Tharandt abzegeh'n bereit, als'ch dor
ten ankam, und ä gutes halbes Stind
chen später war'ch an Ort und Stelle.
Daß meine Erzählung iber das ge
habte Pech viel Vergnigen verursachte,
läßt sich denken, und eener von den
anwesenden Gästen gab m'r den Spitz
namen „Odysseus zu Schlitten."
Zu Enkirch im Anker.
Bon I. Trojan.
Zu Enkirch im Anker,
Da giebt's einen Wein,
Der könnte nicht blanker,
Nicht duftiger sein,
Ein Labsaal der Kehle,
Ein Bad für die Seele!
Gerp kehr' ich da ein.
Zu Enkirch im Anker,
Sitzt einer so gut,
Da lauscht bei dem Trank er
Dem Rauschen der Fluth.
Darüber erheben
Sich Berge voll Reben.
Zu Enkirch im Anker,
Wie wohl sich's da ruht!
Zu Enkirch im Anker,
Gern geb' ich das kund
Kommt dorthin ein Kranker,
Der matt ist und wund:
Bibelfester Redacteur.
der ihm einige Gedichte vorgelegt hat):
„So, so, das haben Sie gedichtet! Und
nach einem Honorar trachten Sie als»
ten des menschlichen Herzens ist böse
Trumpf. Herr: „Wie alt
sind Sie, wenn ich fragen darf?"
Fräulein: „28 Jahre." Herr: „So
noch älter!"
Entgegnung. Studiosus:
„Tantchen, tostet Dich der Unterhalt
Geld?" Tante: „Nicht so viel, wie
Kater kostet."
—Jn der Schule. Lehrer:
Fritz, kannst Du mir sagen, wo das
> Kameel zu Hause ist? Fritz: Das
ist überhaupt zu Haus, das treibt
her.
Bessere Bezeichnung.
Kellner: „Ueber die Biertemperatur be
schwert sich jener Herr dort mit der
Kupsernase!" Wirth: „„Kupser
nase" sagt man nicht „Gastglüh
licht"!"
den Sie die Bühne verlassen?"
Ehemaliger Schauspieler: „Schwerhö
rigkeit halber Trommelfell vom Ap
plaus geplatzt!"
Schönesßerhiiltniß.
„Wie leben Sie mit Ihrer Frau?"
„O, wir pflegen ui's von frtih bis spät
gegenseitig W bedauern."
Kritiker und Meswisser.
denn sie schasst viel Entmuthigung und
Unzufriedenheit. Es ist nun nicht an
ders, wir leben in einer Zeit der Kritik.
Beobachten wir unsere Kinder, so wer
den wir bei vielen einen kritischen Zug
antreffen. Sie treten denErscheinunaen
des täglichen Lebens, den Menschen,
mit welchen sie in Berührung kommen,
der Art und Weise ihrer Lehrer, den
Vergnügungen, die ihnen bereitet wer
den, den Kleidern, welche sie tragen, den
Speisen, welche sie genießen sollen,
kurz allem und jedem mit kritisch««
Geiste entgegen. Ost sind die Eltern
stolz auf das frühreife oder vielmehr
anmaßende Wesen ihrer Kinder. Sie
bedenken aber nicht, daß die liebliche,
treuherzige Harmlosigkeit des
welches alles ihm Gebotene in der Ue
berzeugung, daß es so und nicht anders
sein müsse, dankbar hinnimmt, ihren
mit eine gesunde Grundlage künftiger
Zufriedenheit. Und wie sieht es mit der
kindlichen Fröhlichkeit aus? Nur zu
bald hat sich aus dem drolligen kritifi
renden Kinds ein blasirter, nörgelsiich
tiger junger Weltbürger entwickelt.
Macht auch das stets kritisirende W«sen
bei Erwachsenen keineswegs einen lie
benswürdigen Eindruck, so hat doch der
im Leben Erfahrene mehr Berechtigung
dazu als die Jugend, obwohl es zu
feinem Glücke auch nicht beiträgt. Der
stets Kritisirende verkümmert sich und
Andern jeden Genuß, jede harmlose
Freude. Immer bemerkt er sofort
Schatten, wenn auch das Licht beiWe:-
tem vorherrscht; er hat stets Besseres,
Richtigeres gehört und eschen. Er
hält es für ein Armuthszeugniß, sich
an nicht ganz Tadellosen zu erfreuen !
ja er hält es geradezu für ein Unrecht,
nicht ganz Vollkommenes, sei es in der
Kunst, in der Wissenschaft, oder sonst
im Leben zu unterstützen. Was ist
aber vollkommen in dieser unvollkom
menen Welt! Wie weit auseinanderge
hend sind die Ansichten über Menschen
und Sitten, über Kunst und Kunstge
nuß! Wie häufig können sich selbst
Fachleute über den Werth oder Un
werth einer Leistung nicht einigen?
Man findet aber bei diesen durch
schnittlich ein weit nachsichtigeres Ur
theil als bei Laien. Letztere, wenn sie zu
d«r großen Familie der Alleswisser ge
hören, sind ordentlich glücklich, eine
Schwäche entdeckt zu haben, und damit
ist auch das Werk verdammt; das Ur
theil wird meistens merkwürdig rasch
und meist abfällig ausgesprochen. Der
Fachmann dagegen weiß di« Tüchtig
keit der Arbeit, die dabei zu überwin
dend«» Schwierigkeiten zu würdigen
und beurtheilt einen Fehler mit Nach
sicht. Charakteristisch ist, daß der Alles
wisser sein Urtheil gewöhnlich mit gro
ßer Bestimmtheit ausspricht. Natürlich
lassen sich unsichere und w«niger Er
fahrene, auch junge Leute, von solch-r
Sicherheit vollständig blenden und
sprechen das Gehörte nach. Dies Nach
ken sollte, und häufig genug mag ein
junges Talent entmuthigt, ein tüchtiges
Streben auf diese Weise geschädigt wor
den sein. Ist «s nicht ein viel befriedi
genderes Streben, insbesondere für
Frauen, das Gute und Schöne überall
hervorzusuch«n und anzuerkennen, Vo
rwärtsstrebend«, auf welchem Gebiet« es
auch sei, mit Nachsicht und gütigem
Ernste anzusporiten; Kleines nicht mit
Großem zu vergleichen, und vor Allem,
jede Persönlichkeit, jede Sache in ihrer
Eigenart zu würdigen? Wer Andere
kritisiren will, muß zunächst Selbstkri
tik zu üben verstehen. Deshalb müssen
wir vor Allem uns selbst mit kritischen
Blicken zu betrachten verstehen. Nur
dadurch erlangen wir die Berichtigung,
über Andere und Anderes zu urtheilen.
Leider kommt es nur zu häufig vor,
daß wir an Anderen tadeln, was wir
kaum selbst besser machen. Sorgen wir
daher, daß nicht nur unsere äußereEr
scheinung möglichst tadellos und un
sern Verhältnissen angepaßt sei, son
dern daß vor Allen, unser Charakter
den Anforderungen strenger Selbstkri
tik genügen möge. Eine gerechte und
all,»häufig vergessen, daß derjenige,
welcher kritisiren will vor allen
Dingen die Sach« gründlich verstehen
muß.
MorgcnWiiz im Winter.
Wintermörg«n
Als ruh« schon ein
Tief im Gewölk verborgen.
Der Reis zum h«llen Lichte,
Und sanft verjüngendHofsen strahlt
Bon jedem Angesichte.
daß Tu Alles nur halb dhust!"
Sie haben entschieden Ihren Beruf
sollen. Gehilfe: O bitte! Warum?
Herr: Weil Sie fortwährend Ge
— Aufrichtig. Müller (auf
Si« schnarchen ja
Mayer (erwachend): „Da thunSi« mir
leid."