Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, January 07, 1897, Page 2, Image 2

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    2 (Linst »i!d
j In's Dorf bin ich aeqang!»
Bis zum Hollunderbanm,
Als dort die Vögel sangen,
Kam mir ein alter Traum.
Entschwund'nes Jugensleben,
Vielfach beweintes Glück.
Auch manche Wonnestunde
Gab er mir treu zurück.
So zogen Menschen, Dinge
An meinem Blick vorbei.
Bis ich mich endlich sragte,
Ob ich es selber sei.
BrittitiglilMhriilicn.
Von Jane Guy.
! Alles blinkt in dem lleinen Speise
zimmer, wo sie ihr Diner einnelmun.
Alles blinkt und blitzt. Alles hat den
Anschein des Neuen. Und ist
wirklich neu, selbst das junge Paar, die
Neuvermählten von sechs Wochen.
Sie befinden sich also noch im vollen
Genuß der Honigmonde. Aber bei
ihrem Anblick würde man dies kaum
glauben: Er sitzt mit weit von sich ge
streckten Beinen und ausgepflanzten
Ellbogen da, in die Lectüre seincs
Journals versunken. Sie leyiil träu
merisch und traurig am Kam ne. mit
verschleierten Augen und ihtt sup^n
wirklich bemüht sie sich mit aller Krast,
die Thränen zurückzuhalten, <ie bei
den bittern Gedanken, die sie bewegen,
ihr in's Auge treten.
Denn sie ist sehr enttäuscht, die
orme Kleine. Wie unsagbar hat sie in
diesen sechs Wochen gelitten! Di
schmeichelhafte Meinung, die sie sich
gebildet hatte, war nach und nach völ
lig zerstört worden.
Aus der Hochzeit ihrer Cousin«
Blanche hatten sie sich kennen gelernt.
Sie war Brautjungfer und er ihr
Cavalier gewesen. Wie herrlich war
diese Hochzeit, welch ein wunderdares
Fest! Und den ganzen Tag über, aus
dem Standesamt, in der Kirche und
Abends beim Balle haite er sich ihr ge
genüber so liebenswürdig, so aufmerk
sam, so zart und discret zuvcrkom
inend gezeigt, daß er sogleich ihre
Sympathie gewann.
Beim Tanz war sie schon halb er
obert. Die Klänge der Musik, dl«
Wohlgerüche, der Glanz der Lichter
und nicht zum wenigsten die zärtlichen
Worte, die er ihr in's Ohr flüsterte,
hatten das Ihrige gethan. Aber als
sie ihn in der Morgendämmerlini, im
Moment des Ausbruchs, beiinAbschied
iiehmen in Thränen ausbrechen sah. da
war sein Sieg vollkommen. Und von
sein inständiges Bitten, bei den Eltein
O, diese Thränen! Diise Thränen,
die um ihretwillen slossen! Das batte
sie tief bewegt, sie, die niemals einen
Mann weinen gesehen. Sie hätte sie
trinken mögen, diese Thränen, die ihr
das Herz umgekehrt hatten, diese
Thränen, die einen solchen Schatz von
heit des Gemüths.
doch gewiß der zärtlichste, der fein
sinnigste Gatte sein, der ihr das mono
tone kleine Städtchen in ein Paradies
verwandelte. Wie glücklich würde sie
sein! Wie wunderbar niirde ihr Le
ben neben einem so gütigen, so fr'.nbe-
Die Hochzeit war genau zwei Mona
te nach Blanche's Hochzeit gefeiert
worden. Ach, ach über die grausame
Täuschung! Wie hatte sie sich geirrt,
und
ten, weinenden Cavalier von cbedem,
und seit sechs Wochen bemühte sich der
„Elitemensch", sich als das zu ent
puppen, was er in Mrtlich'cir war:
ein schlecht erzogener, grober Egoist,
Mindesten feinfühlig war.
Der jungen Frau wollte das Alles
gar nicht in den Kopf, wi- sie wieder
so dasaß und über ihr Schicksal brütete.
Endlich hielt sie nicht länger cn sich:
anders bist, als Du aus jenem Ball
von Dir Abschied nahm? Dies: Tbrä
— Kleines Mißverstä nd
ja!" Z g pp ho
Nachgethaner Arbei t.....
«Wie, Herr Bummel schläft noch im
mer?" „Ja, der arme Kerl wird
auch n»' er hat nämlich diesen
Morgen oen Reisen von seinen« Aelo-
Äi>ed neu aufgeblasen'"
Der ampulirte Arm.
Auö ctnrr LebenSgeschichte nacherzählt von
Bei dem letzten Nationalconvent von
Civilingenieuren und Elektrotechnikern
in St. Louis konnte man einen noch
jungen Mann bemerken, dessen rechter
Roöärmcl schlaff und leer herabhing.
Obgleich äußerst bescheiden in seinem
Austreten ur?d obgleich er nur sprach,
wenn er dazu aufgefordert wurde,
Name dieses jungen Mannes war, wie
das Protokoll auswies, Carl Wachs.
Er war ein Deutsch-Amerikaner,dessen
gelassen. Aber sein Universalerbe, der
Erbe seines Genies für alles Techni
sche, war Carl, der Jüngste, geworden.
sagt gewesen waren. Zugleich darf
man sagen, daß Carl Wachs ein leben
der Beweis dafür ist, daß auch heute
brik des Herrn Trowbridge in South
Manchester, Conn. Um seiner Mutter
nicht länger lästig zu fallen, war Carl
Wachs schon mit 12 Jahren in dieser
Fabrik beschäftigt, wo er sich ernährte,
ja sogar von seinem kargen Wochen
lohn der Mutter noch regelmäßig einen
Theil sandte. In diesen 3 Jahren
hatte der Knabe schon so deutliche Be
weise seines Verstandes, seiner frührei
fen Charakterstärke und seines beson
deren Talentes für die Mechanik und
das Maschinenwesen gegeben, daß er
jetzt, mit IS Jahren, die Besorgung
der neuen, sehr kostspieligen und äu
ßerst complicirten Maschine erhalten
hatte. Seine Arbeit nahm sein unge
theiltes Interesse in Anspruch, und so
vertieft war er thaisächlich in dieselbe,
daß er nicht einmal den Eintritt der
schönen und vielbewunderten Miß
Trowbridge, der einzigen Tochter und
Erbin seines Arbeitgebers, bemerkt
hatte, die jetzt von dem Superinten
denten der Fabrik, Herrn Fell, umher
geführt wurde in den Räumen, wo das
Surren und Schnurren der Maschinen
die menschliche Stimme fast erstickte.
Carl war ein Liebling des Superin
tendenten, dem sein ruhiges, bescheide
nes Wesen und seine außerordentliche
Tüchtigkeit äußerst sympathisch wa
ren, und jetzt trat dieser Herr, an sei
ner Seite die anmuthige junge Dame,
an seine Webmaschine, «und ihr Beglei
ter erklärte in kurzen Worten die Zu
sammensetzung und die Funktionen
dieses Meisterwerkes mechanischer Ge
schicklichkeit. Dann standen die Beiden
noch eine Weile dicht neben dem Kna
ben und beobachteten, in welcher mu
stergiktigen Weise derselbe diesen stum
men Diener menschlicher Intelligenz
bemeisterte. Miß Trowbridge führte
unterdessen eine Unterhaltung mit
Herrn Fell.deren Bedeutung dem Kna
ben verborgen bleiben mußte bei dem
Lärmen ringsumher. Aber dann
wandte sich die junge Dame dem Kna
sagte mit herzgewinnender Freundlich
keit zu ihm: „Carl. Herr Fell hat mir
soviel Gutes über Dich erzählt, daß ich
wünsche, Dir bei Deinem Fortkommen
behilflich zu sein. Von jetzt an darfst
Du jeden Tag in der Bibliothek mei
nes Vaters soviel lesen und studiren,
wie Du willst. Du wirst dort man
ches Buch finden, das Dich interessiren
und Dir in Deinem Fortkommen von
Vortheil sein wird. Also ich rechne
darauf, mein Junge, daß Du uns be
fuchst so oft Du willst merke Dir
das." Und Herr Fell stand dabei und
nickte zustimmend und ermuthigend.
Dem schüchternen Kraben stieg die
Röthe in's bleiche Antlitz. Er fühlte
sich tief bewegt und voll von heißer
Dankbarkeit aber er vermochte nur,
eine linkische Verbeugung zu machen
vor dieser Erscheinung aus einer an
deren. froheren Welt, womit er seinen
Dank aussprechen wollte. Dann ver
schwanden die Zwei wieder und die
rasselnden Maschinen tönten.weiter wie
zuvor. Und doch nicht wie zuvor.
Etwas war jetzt dazu gekommen,
das wie himmlische Musik klang, etwas
das in sein junges Leben einen neuen
Inhalt brachte. Aber Carl Wachs be
herrschte sich er arbeitete weiter, un
verdrossen, bis die Glocke um 6 Uhr
Abends erscholl. Und um 8 Uhr stand
er, in plumpen, groben Schuhen, aber
mit reinem Kragen und in peinlich
sauberer Kleidung, vor dem hohen
Thor des in Grün und Blumen ver
steckten Hauses des Herrn Trowbridge,
und ängstlich zog er die Klingel.
» » »
Carl Wachs las und las Abend für
Abend, und Sonntags ftudirte er in
der Bibliothek seines Arbeitgebers mit
verdoppeltem Eifer. Tagsüber aber
besorgte er in derselben tadellosen
Weise seine grobe Arbeit. So trieb
er'i rastlos über ein Jahr bis sein
noch zu jugendlicher Körper Einhalt
seinem Delirium erblickte er die schön«
Mb Trowbridge über sein Kiffen ge
beugt und ihm tröstende, liebevolle
Worte zuslüsternd. So lag er sechs
Wochen lang, und eines Tages
draußen blitzte der Sonnenschein auf
reinem, krystallenem Schnee er
fand sich in einem schönen, weichen
Bette, im Hause des Herrn Trow
bridge, schwach aber genesen. Die
Krankenwärterin erzählte ihm Alles —
wie tranl er gewesen, wie der Arzt eine
Zeitlang an seinem Wiederaufkommen
gezweifelt habe, wie Miß Trowbridge
das regste Interesse und die zarteste
Theilnahme für ihn empfunden habe,
wie sie den Hochzeitstag verschoben,
mehrmals nur um des lleinen Patien
„Und wo ist sie jetzt?" flüsterte der
bleiche Knabe mit kaum hörbarer
Stimme.
Herrn Fell. Sie sind nach Europa ge
reist den Winter wollen sie in Ita
lien und erst in einigen
ist"sie." Ach!"'"" "
LOW Arbeitern. Aber Carl Wachs
Und das Kind wuchs und erblühte
allmälig zur Jungfrau. Oft ruhten
die blauen, sinnenden Augen des jun
gen Mannes auf ihrer liebreizenden
Gestalt, ganz das Ebenbild der Mut
ter. Aber sie ruhten auf ihr so wie der
gläubige Katholik das Muttergottes
bild betrachtet voll Verehrung und
Sehnen. Das bescheidene Gemüth
dieses schweigsamen getraute
Was Carl Wachs Jahre^
bei seinem Erscheinen sofort von der
gesammten wissenschaftlichen Welt mit
Frohlocken begrüßt ward. Es war eine
Amerikaner mit einem Schlag zum
berühmten und reichen Manne machte.
Aber nichts machte ihn halb so stolz
und nichts brachte seinen Gleichmuth
so sehr in's Wanken, als wenn am
Abend jenes Tages, da der Telegra
phendraht dem kühnen Erfinder die
Anerkennung der ganzen civilisirten
Welt gebracht, Frau Fell und ihr
Töchterchm zu ihm in's Zimmer traten
und ihn mit warmen, tiefempfundenen
Worten beglückwünschten. Carl sah
die holde Dora erglühen und ihre
Hand zitterte beinahe so stark wie die
seine, als sie ihm ihre zarte Rechte bot.
Carl mußte an sich halten und alle
Welche Gaben des Geistes oder des
nach seiner Rückkunft wurde in seiner
Gesellschaft die Fabrik deren Wach
sen und Gedeihen fast ausschließlich
das Werk des äußerlich so unscheinba-
Glücks, so durchschritt Carl dieses
mächtige Gebäude mit seinem ameisen
haften Getriebe, zur Seite Frau Fell
und ihr Gatte, die zuerst den armen,
er selbst vor einer Reihe von Jahren'
besorgt, blieb die Gruppe stehen, und
mit innerer Rührung blickten sie alle
auf dieselbe, der Vergangenheit geden
kend. Da plötzlich ertönte hinter
Carl's Rücken ein Schrei der Schrei
Blitzschnell drehte sich Carl Wachs
Blässe deckte sein Antlitz. Gerettet
hatte er wohl die, die er liebte, aber
zerrissen.
So ist Carl Wachs zum Krüppel
geworden. So ist er aber auch zum
glücklichsten der Menschen geworden.
Aie Wcckukr.
nachlässig auf den Schultern, den
randigen Filzhut etwas nach hinten
geschoben und die linke Hand in die
jungerHerr durch die morgendämmern
den Straßen der Provinzialstadt M.
Die Arbeiter gingen bereits in die Fa-
und lieben Freunde, dem Regierungs-
Assessor Walter Birow die Hand zum
deren Hochzeit die Pensionsgenossm
Ob er hoffen durfte? Welch' eine
belte.
traf.
„Frau Wachtel", sagte er pathetisch,
„Schön, Herr Assessor. Und
„Bitte! Das hat Zeit, bis mein
verlassen!
Drei Uhr Nachmittags. Charlotte
von Wittingen, ganz in Weiße Spitzen
ruft sie.
„Det is ja 'ne nette Wirthschaft",
den Wagen nich geschickt? Wie?"
boren! Sollten Se nich 'ne Hochzeits
kutsche nach Aujusta - Straße vierund
sünfzig eine Treppe zu Frau Majorin
'mal jefälligst 'n bisken."
In diesem Augenblick bog eine
Coupee in den Thorweg ein. Im
nächsten Augenblick war Marie drau
ßen.
„Sie, Onkel", rief sie den Kutscher
an, „spannen Se man jarnicht erst
mit unser Frailein in die Kirche." Da
mit kletterte sie behende zum Kutscher
auf den Bock.
„Erlauben Sie mal", intervenirte
der Fuhrherr, „so ohne Weiteres geht
denn das doch nicht. Wir haben heute
verschiedene Trauungen, die bestellten
Wagen sind aber richtig gestellt wor
den. Also für wen... *
Marie war entrüstet.
„Is Ihnen eine Frau Majorin von
Altern noch nicht jut genug? Wir sind
sichere Leute."
schnell.
Innere des Doms in dem Augenblick,
als das Paar vor dein Altar bereits
Mitglied er sie hielt, zuführte/ Welch
kannten Personen. Jetzt ward es ihr
te. Der Officier blieb mit Charlotte
wenig von dem geliebten Bruder zu er
zählen.
! ...
„Herr Assessor! Herr Assessor!"
„Was denn, mein Engel?"
„Der Wagen ist da. Er knallt vor
„Ach, das ist ja Unsinn. Mein
so. . . "
„Aber der Wagen, Herr Assessor!"
der Peitsche, richtete sich auf und sah
nach dem Zifferblatt. „Drei Uhr."
Seine Augen wurden weit, der Schweiß
>u. Krampfhaft durchwühlte er dann
den Kleiderschrank. Endlich war Al
les beisammen. Er wusch sich nur
halb trotz des Aufwandes einer doppel
ten Gewalt. Zum Ueberfluß entglitt
ihm der Kragenknops. Kurt warf die
Stühle um, rückte das Gspha weg und
suchte in allen Winkeln. Zum Schluß
trat er auf den bis in die Mitte des
Zimmers gekollerten Ausreißer, der da
rüber natürlich in die Brüche ging.
„FrauWachtel! Sosort einen Knopf,
iinen Knagenknopf, Sie sollen fürstlich
belohnt werden!"
Während Frau Wachtel in ihrem
Raritätenkästlein kramte, sah sich Kurt
seinen Wecker an. Er war richtig nicht
abgelaufen, und er konnte es auch
nicht, denn die kleine Hemmvorrich
tung unter der Glocke hielt den Ham
mer fest, das hatte Kurt übersehen, als
er das Kunstwerk aufzog.
Endlich kam der ersehnte Knopf und
wenige Minuten später saß unser
Freund im Wagen. Es war vier Uhr.
Der Wagen sauste nach Augustastraße
den sich wahrscheinlich längst im Hoch
zeitshause. „Hotel Kaiserhos!" Rich
tig, da war man schon im Begriff, sich
zur Tafel zu fetzen. Flüchtig, zerstreut,
brachte er bei dem neuvermählten Ehe
paar seinen Glückwunsch und seineEnt
schuldigungen an. Seine Blicke irrten
suchend im Saale umher. Endlich!
Dort entdeckte er sie. Die Angst vor
ihrem Zorn quälte ihn. Wie freudig
war er überrascht, als ihn ihr fröhlich
lachender Blick traf. Nein, sie zürnte
ihm nicht, im Gegentheil, sie war lusti
ger als je und gab ihr Abenteuer mit
kindlichem Vergnügen zum Besten.
Ach, er hatte es ja gewußt: seineinZau
ber konnte sie nicht widerstehen, ihm
hatte ja noch keine widerstanden!
Nur einmal wurde seinSelbstvertrauen
ein klein wenig erschüttert, als sie von
Herrn von Sobritz sprach. Erstere
Folgen hatte das aber Gott sei Dank
nicht. Beim Champagner lieh er be
reits das schwere Geschütz ernster Lie
beswerbung spielen, aber zum eigent
lichen Sturmangriff kam er doch nicht,
weil ihm der Feind im entscheidenden
Augenblick stets auswich oder seine
Absicht durch geschickte Manöver durch
kreuzte. Wenn er nur eine einzige
Viertelstunde mit Charlotte hätte al
lein sein können! Nun denn mor
gen!
Am andern Mittag übergab Kurt
Marie seine Visitenkarte, war aber
schmerzlich überrascht, als er Charlotte
nicht mehr vorfand. Wichtige Fami
lien-Verhältnisse hätten ihre sofortige
Abreise dringend nothwendig gemacht.
Kurt überlegte, ob er der jungen
Dame seine Liebe schriftlich erklären
oder zu ihr reisen sollte. Noch bevor
er zu einem Entschluß kam. erhielt er
einen Brief, der dem Poststempel nach
nur von ihr kommen konnte. Er
drückte das Couvert an seine Lippen
und küßte die Schriftzüge. Dann
schnitt er den Umschlag auf. Was er
herauszog, war eine Doppeltarte. Auf
der einen Hälfte stand: „Die Verlobung
ihrer Tochter Charlotte mit dem Pre
mierlieutenant etc. Herrn Eugen von
Sobritz" u. s. w. Einige Augenblicke
später hörte Kurts Wirthin, Frau
Wachtel, einen scharfen Knall. Als sie
ins Zimmer stürzte, fand sie Kurt
bleich gegen einen Eckschrank lehnend
und in der gegenüberliegenden Ecke
die zerschmetterte Weckuhr.
Die eingebildete Kranke.
Frauenarzt (dem eine Patientin in
halbstündiger Rede alle erdenklichen
Leiden vorklagt): „Also das Alles ha
ben Sie, meine Gnädige?! . . Nun, da
fehlt Ihnen ja eigentlich gar nichts!"
Einclassischer Feldweb:!.
Einjähriger: „Heut' sind Sie wieder
einmal geistreich!" Feldwebel: „Ja,
i' bin halt wie der alte Cäsar sagt
a 'wem' wieder witzi'!"
Verkannt. „Ich glaube, lie
ber Nesse, Du kannst meinen Tod gar
nicht abwarten, um zu meinem Gelde
zu kommen!" „Aber Onkelchen, für
wie schlecht hältst Du mich! Mußt Du
denn durchaus zuvor sterben?!"
Verschnappt. Baron: „Jo
hann, von meinem Portwein muß Je
mand mittrinken! Passen Sie aus, daß
ich den Kerl erwische!" Diener:
„Werd' schon Obdacht geben, Herr Ba
ron das können wir uns nicht ge
fallen lassen!"
Probat. „Wie hast Du es nur
gemacht, daß Dein Rechtsanwalt sich
so für Deine Sache interessirt?"
„Ich hab' ihn angepumpt. Verlier' ich
nun den Proceß verliert er seinGeld
mit!"
Auch ein Benefiz. Herr
(zum Regisseur einer Schmierentrup
pe): „Warum spricht denn heute Ihr
Souffleur so laut? Man kann ja die
Schauspieler kaum mehr verstehen!"—
Regisseur: „Ja, wissen Sie, der hat
heute feine Benefiz - Vorstellung!"
Schwer glaublich. Erster
! Student: „Du, pump' mir zehnMark".
Zweiter Student: „Hab' keine."
Erster Student: „Was? Dein Alter
hat Dir doch heut' Morgen fünfzig
Mark geschickt!" Zweiter Student:
„Ja. aber unter der Bedingung, daß
Dienstmädchen): „GehenSie 'mal gleich
zum Arzt, er soll zu meinem Vetter
kommen-, auf dem Rückwege könnenSie
auch beim Thierarzt anklingeln!"
Dienstmädchen: „Soll der auch zu Jh
dtn gebrauche ich persönlich!"
Ein bedenkliches Expe
riment: „Warum nimmst Du Dir
denn teineFrau. alter Junge?"— Zwe
iter Freund: „JhrMann könnteSchwie-
Keugierde.
ganz frei von Neugierde wissen. Hie
und da etwas zu erfahren v:n Leuten
und über Leute, die uns interessiren,
das lann freilich kaum Ncug.eide ge-
Triebe, der unruhig und unaufhörlich
fpäht, fragt, schaut, forscht, drängt
und quält, und sich bis in die innerste
Herzensfalte einzwängt! dem nichts
heilig ist, weder Vergangenheit,
Glück, noch Leid, n>,ch Liede, !red>r
Freude noch Trauer, noch Schuld oder
Unschuld.
Welcher Mensch könnte je van sich
sagen: ich hatte nie das Bcdursniß
nach Einsamkeit? Und welches Herz
kennt nicht Stimmungen, die es am
liebsten sich selbst verbürge? Wer
kennt nicht Stunden nach schwerer, gei
stiger und seelischer Anstrenguno, wo
schon die bloße Anwesenheit eines an
deren sei es selbst des geliebtesten
Menschen wie eine körperliche Last
empfunden wird? Ob wir unS im
Verkehr in der Familie noch so sehr
gehen lassen und gehen lauen dürfen:
ein Tiefstes, ein Innerstes gieb, es
doch, das nur uns gehört und sich nicht
fremden Blicken stellen will. Eheleute
dürfen keine Geheimnisse vor einander
haben," ein schönes Wort, ein klares
Wort, aber das, was neuzurige Au
gen erforschen wollen, ist meistens kein
Geheimniß, sondern ein rein seelischer
Vorgang, der am besten »ibeachtet
bleibt, weil er dann am ehesten über
wunden wird. Oder es ist das Ge
heimniß eines anderen, das sich >n res
Gatten Seele birgt. Bringt »och das
geschäftliche Treiben in jedem Beruf
und in jedem Stande so mannigfache
Einblicke in das Leben des Nächsten
mit sich, daß es ein Segen ist. »enn
Jemand fremde Geheimnisse bewahren
kann. Ein neugieriges Weib ist dem
ernsten Manne eine schwere Last und
arge Bürde: denn abgesehen von
der Qual des Mittheilens, zu der ihn
ihr Drängen und Forschen zwingen
will, von der Unsicherheit, ob sie nicht
doch ausspionirt, trotz aller Vorsicht
und Vorsichtsmaßregeln was ihr ver
borgen bleiben soll seines Schwei
gens ist er sicher, aber nicht des ihrigen.
Der Mann, der im Frieden seines
Hauses auch den Frieden seiner Seele
in heiliger Scheu gehütet und gewahrt
weiß; der im sicheren Bewußtsein des
Vertrauens thun und lassen kann, was
er will, ohne ängstlich zu bedenken, ob
es Grund zu Verdächtigungen gibt;
der, selbst wenn er die Schlüssel seiner
Schreibsächer stecken weiß, überzeugt
ist, daß kein anderes Auge hineinblickt
und neugierig und argwöhnisch in
jedes Eckchen späht: ein solcher Mann
ist glücklich und weiß, welchen Schatz
er an seinem Weibe hat.
„Ich thu' es aus Liebe," so entschul
digt sich die sie der Kin
heit gestattet sein. Es giebt selbst in
Selbstverständliches erblickt. Man
ran, ihre Schränke und Sachen zu
durchsuchen. Fühlen sich die Binder
von neugierigen Augen umgeben und
gen unterliegen, so werden aus ihren
kleinen Heimlichkeiten große, und aus
dem Verstecken kleiner Dinge l ;ld-t sich
Nur von der Neugierde in der
Familie spreche ich: sie draußen in der
Welt aufzusuchen, ihr dort zu kolaen,
das hieße, in ein Wespennest greisen.
In der Welt hat die Neugierde eine
böse Begleiterin, die sich an ibre Fer-
Jedermann.
Warum ich die Neugierde "?es
nes gegen die Frau nicht hervorhob?
Weil die Frau, in Abwesenheit des
Gatten, wohl immer ein stilles Stünd
mit Interesse verfolgt. Was lastig