Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, December 31, 1896, Image 2

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    Au
vielleicht int
Haus.
ProMNeujahr!
Schwinget die/Gläser und feuchtet die
/ Kehlen,
Und als JnhTspruch lasset uns wählen:
„Heiter im Glück und fest in Gefahr!'
Prosit Neujahr!
Juttgfrauenljaar.
Ein« luftig« AeujabrSgrschichte von Carl
W°!s,
Vor vielen, vielen Jahren mei,
i will nit grad sagen, es seien tausend,
aber neunhundert fein's ganz g'wiß
da is drobmet auf der Jaufenburg a
steinreicher Graf g'weft. Jetzt wenn
der Graf heut noch beim Leben sein
thät, steinreich wär er a, weil die Aecker
und Wies'n, de zu den G'schloß gehört
haben, heut nix sein, rils steinige Gan
ten und öder Grund, und 's G'schloß
112 selber ist a Steinhaufen, und nit mehr.
Damals war in dem G'schloß a Glanz,
daß jedweder Mensch, der einigangen
ist, hat müss'n blaugsarbelte Augen
gläser trag'n, sonst wär er stockblind
g'word'n, so hat all die Herrlichkeit
g'sunkelt. Der Graf ist so auf's Präch
tige g'wef'n, daß er sich einbildet hat,
er kann lei auf goldene Böd'n wandeln.
Bon alle Tischler im ganzen Thal hat
er die Leimpfandlen z'sammeng'liehen
und die ganze Dienerschaft auf'n
Schloß hat müss'n z'sammenhelf'n.
In die Leimpfandlen haben sie in der
Kuchl drunt auf'n Herd nur lautere
Goldstücklcn g'schmolzn und alle Stu
ben- und Kammerbödn sein fingertief
mit Gold an'gstrichen gwordn. Die
Tischler haben als Entgeld 's Gold,
das in die Leimpfandlen ist hängen
blieben, außerkratzn und die Diener
schaft hat dürfen die Pemstel behaltn.
Der Graf hat a Tochter g'habt. Die
Tochter war so schön, daß wenn s'
übers Feld oder durch!» Wald gangen
ist, hat s' mllßn vor'n Gesicht a Vor
hang! tragn, denn von die Manderleut
findn thuast, der so schön wie mein
Tochter."
einer Red?
ist alleweil mehr ang'wachsn und wie's
Grrfenfräulein zwanzig Jahr alt war,
ist der Goldhaüsn in der Kammer
'leichlt so groß gwest, wie derMisthaufn
vorn Stall. Und dös war a Häufn,
denn der Graf hat zwölf Schimmel,
zwölf Rappen, zwölf Fuchsn und AWölf
hat sich aber auS'n ganzn Land trin
Werbvr hergetraut, weil der Gras
g'sagt Hat, er muß gnro so an Hausen
Gold ausweisn.
Da, in der Neujahrsnacht Ms
g'weft, die Leuk' sein vcn alle Seiten
der Kirche zugewandert und die Glv
vergessene Graf auf'n Solder
Schloß mid spöttelt den keutnrn, die
zur Kirche qangen sind.
In die Höll' soll »«sin
ken
Und aus dem Loch soll gegen Hin«!
Dein sündhaft Lästern stink'n!
Kein Baum soll wachsen und te»
Strauch,
Ersterben soll alle» Leben,
Bis einstens in der Neujahrsnacht
Man wird den Zauber heben I
Ein Junzfrauenhaar in fromm«
Und wird den gold'nen Schatz der Holl'
Lu Neujahr „bderzwingen."
benswöltl, sonst versinkt er auf sieben
weitere Jahr. In derselben Nacht muß
er von einer Jungfrau Haupt sieben
an Mitternach zu schlagen, muß er an
fangen und beim letzten Schlag muß
der Pfennig Grund finden in der
Gruben. Dann soll er in Gottes Na
men anfangen aufzuziehen, und der
ganze Schatz ist sein."
Mäuserlstill war es in der Stube,
nur das Ticken der Uhr hörte man und
das Knacken der Brodgrammeln aus
Bäuerin schnitt Knöd'lbrod für den
kommenden Tag. Die Kinder hatten
sich enge an die Erzählerin herange
drängt, die Mägde ließen bei besonders
spannenden Stellen die Spinnräder
ruhen, und die Knechte berechneten,
was ein Star „g'strich'n g'mess'n",
Goldstücke in Guldenzetteln ausmachen
dürfte.
Als schon alles im Hause schlief,
drehte sich der Hartl oben in der Dach
kammer im Bette um. „Sixt, schläfst
schun?"
„Kreuz sackera. schlaf Du, wenn Dir
in einemfort der misthaufengroße
Schübl Gold vor die Aug'n funkelt!"
„,A so geht's mir a," brummte der
Hartl. „Aber mi' luckt nit lei 's Gold
alloani, 's Rittersmensch oder de Grä
fin mit'n Fürhangl vorn G'sicht gei-
Hand umi," wehrte Sixt ab. „Mir ist
lei um's Gold! Aber mei, zu was sich
in einer Sach in Grind (Kops) ang
strengnen, des gar net mögli' ist."
„Warum nit mögli', Du Zoch, Du!
All's ist mögli'," murrte Hartl.
Er setzte sich in seinem Bette zurecht.
„Jetzt will i Diar füroatn (vorrech
nen), wia miar zwoa den Schatz heben.
Ist er heroben, geh'n miar zen Schmied
und thuan 's Gold auf seiner großen
Schnöllwag ausanonder wäg'n. 's
Gold geht auf gleiche Thoal, wenn
aber 's Madl, dös Grafn-Diandl an
dem Schatz dran hängt, zelm bin i
alloanig Oagner."
„Alsdann drunt bei der Nähterin,
der alten Leni, Jungfernbund Vorste
herin ist sie, aber den Manderleuten
blinzlt sie nachi, wia a müader Hund
der Fliegn, wenn sie sein Nasn um
sumt, bei der Leni ist a junges Basele
einzogn, fünfzehne mag sie sein und bei
liabs Mandl, anbandle» werd i scho,
sell aber mit der Jungen. Die Haarln
rupf i ihr aus so fein und manierli,
daß sie gar nix g'spür'n thust. Und
nachher mir ums halbete Gold im
iSteuerschreiber, die Burgermaster und
Pfarrer alle pechschwarz sein, bin i
döcht a König und Kronen lass' i mir
seines Kameraden Sixt. Endlich
sagte er, tief aufseufzend: „Und i iß
lei mei Schweinenes mit Kraut, sei's
Bald schnarchten Beide und träum
ten von Gold und Ehren.
Neujahr rückte immer näher. Die
Sixt eines Sonntags seinem Freunde
ein mächtiges, lebzeltems Herz, welches
er beim Kramer gelaust hatte, mit
„So Herzuggert, wia dös Herzl,
Grad so schmecksüaß bist Du,
vird wia a Honig wärst, wenn D'
fagest.
Mei Fensterl, sell i« heut nit zu."
Das kleine Lenerl fühlte sich in der
That gayz gewaltig geschmeichelt über
gnllgen aus, die sonstigen kleinen Ge
schenke versperrte sie in ihrem Schrein
nnd als Sixt, eine günstige Gelegen
sonnenverbrannten Hand den
.Schnauzbart" Rnls und rechts glatt
strich, Vorbereitungen zu einem recht
Herzhaften Kuß, da gab sie ihm eine
tüchtige Ohlfeige imd lief lachend da
von.
„Bin auf'n besten Weg Hartl/ br
richt.-teSixt am anderen Tage. »Wen,
die Dirndlen anfangen z'kratz'n. beißn
und schlag'n, kimmt die Liab bald zum
Ausbruch."
Nur eine Sache konnte da» kleine
Leuerl nicht verstehen. Oft und oft
schmeichelte der Sixt, sie möge doch ein
mal sa.gen, was sie sich denke, wenn er
plötzlich eines Abends vor sie hintreten
werde, um ihr sieben schön« Haare aus
zurupfen. Als die Kleine auch ihrer
zählte, erfüllte freudiger Schreck das
Herz der alten Jungfer. Jungfräu
liches Haar ist doch in aller Welt be
kannt als erprobtes Mittel, harte Her
zen zu bezwingen. Du lieber Himmel,
und das hatte sie nicht einmal bemerkt!
Der schmucke Bursche, der Sixt hatte
es ja auf sie selbst abgesehen. Die
Jungfrauenhaare, die suchte er freilich
aus anderem Boden, der Böse, aber ein
treues Herz sollte er nur bei ihr suchen
Von nun an war die alte Näherin
dem Sixt eine fördernde Freundin.
Ohne Scheu konnte er das kleineHäus
chen besuchen, wurde dort sogar mit
Kaffee bewirthet und sonst mit aller
lei Aufmerksamkeiten überrascht. Das
junge Dirndl war ein Schlauköpserl
und bemerkte recht gut das verliebte
Augenverdrehen der Base. Sie selbst
hatte ja nicht die geringste Absicht, mit
dem Sixt anzubandeln, und stand ihr
daher auch jede eifersüchtige Regung
ferne. Im Gegentheil! Sie erhoffte
von der ganzen Geschichte einmal einen
großen Spaß.
Der Hartl stieg indessen völlig tief
sinnig herum. Ganz genau besah er
sich den Platz oben in der Jaufenburg
und.traf die eingehendsten
Haue und Schaufel trug er zum
Schmied und ließ zu dessen größter
Verwunderung in beide Grabwertzeuge
Endlich brach der große Tag an.
Hartl war die personisicirte Melan
cholie. Mittags aß er für fünf. „In
Gottsnamen," sagte die Bäuerin, „was
ist lei oanmal mit'n Hartl! Der
Mensch hat ja in Hungertyphus!"
Hartl aber entgegenete: „Wer woaß,
wia oft i no' bei an 'deckten Tisch
huck'." „Will's Gottmit so an Hun
ger nit ost," entgegnete die Bäuerin,
„Du fressest in's no' auf."
Sixt war zwar aufgeregt, aber er
schaute mit aller Zuversicht der heuti
gen Schatzhebung entgegen. Es war
ihm gelungen, das junge Lenerl zu
einem Fensterln zu bewegen. Um elf
Uhr sollte er anklopfen, und er hatte
sich fest vorgenommen, wenn sie sich
nicht gutwillig die sieben Jungfrau
haare abschmeicheln ließe, so werde er
sie mit Gewalt auf einen einzigen
Griff herausreißen. Als Entschädt
digung sür den ausgestandenen Schre
cken und Schmerz wollte er ihr einen
Schubkarren voll Goldstücke vor's
Fensterl führen.
Es war eine verhältnißmäßig schöne
Nacht. Finster zwar, aber nicht be
sonders kalt. Die kleinen Fensterchen
zu den höchsten Bergen, waren alle be
leuchtet, denn um zwölf Uhr wandert
ja Alt und Jung zur Kirche.
Schon seit acht Uhr schaufelte und
harkte der Hartl oben im Schloßhofe
an der gefrorenen Erde herum. Eine
kleine Laterne beleuchtete den Platz und
daneben stand ein braunes Häferl mit
Weihbrunnen. Fleißig besprengte sich
Hartl daraus und der Satan, sowie
das sonstige Höllengesindel mußten ge
waltig Respect davor haben, denn bis
jetzt zeigte sich nichts Verdächtiges.
Die Arbeit ging schwer von Statten,
denn er mußte ja schweigen, er konnte
mit keinem„Kreuzteusl" oder mit einem
„Höllenhund versluachter" nachhelfen.
Unten im Dorfe, es schlug eben elf Uhr,
stand der Sixt auf einem hohen Holz
stoß am Häuschen der Näherin und
blutjungen Lenerl. Hätte er nur ge
sehen, welches Teufelchen aus ihren
kleinen Leni und begann wieder mit
der alten Bitte um die sieben Haare.
„Geh', Herzerl, geh' sei fein! Grad
sieben Haarlen lass' Dir ausrupfen,
daß mir unsere Lieb z'sammenknüpfen
können."
„Guat," flüsterte das Dirndl, „i will
Dir den G'fall'n thuan. Wart lei a
Weilele, i will mir die Zöpf aufma
„Bleib nit z' lang," flüsterte Sixt,
denn eben schlug es halb zwölf. Der
kleine Teufel aber huschte in die Neben
kammer, wo ihre Base, den Kopf vor
einem kleinen, mit Papier eingefaßten
Spiegel hin und herdrehend, FesttagZ-
Fensterl." Maria!" schrie
Wind flog sie zur Thüre hinaus und
an's Fensterl.
Zöpfe, ein kräftiger Schnitt mit seinem
scharfen Messer, ein Sprung, ein Ra
scheln und Klappern des zusammen
stürzenden Holzstoßes und Sixt flog
mit dem eroberten Jungfernhaar die
Dorfgosse hinauf. Und wie es schon
zu fem pflegt: Am unteren Ende
des Dorfes springt ein Heuschreck in's
gesprungen."^
So ging es auch hier. Die alte
Näherin stieß bei dem Ueberfall einen
markerschütternden Schrei aus. Und
zehn Minuten darauf war das halbe
Dorf hinter dem Sixt her, in der Mei
nung, einen Mörder zu verfolgen.
Entgegenkommende Leute schnitten,
henden Sixt den Weg ab. 801 l Angst,
die Mllternachtsstunde zur Schatz
hebung zu versäumen, sprang Sixt
über eine hohe Mauer, durchquerte eine
Wiese, die tobende, schreiende, johlende
Menge hintendrein.
Wehklagend folgte mit einem Hau
fen Weiber die einzöpfige Näherin.
Sixt erreichte endlich das äußere
Thor der Jaufenburg, den mageren
Zopf der Alten noch immer in der zu
sanimengekrallten Hand.
Hartl, schon tief in der ausgegrabe
nen Grube stehend, hörte von ferne das
Toben und Schreien der Menge. Da
auf einmal polterte und kollerte eine
keuchende Gestalt heran, erschien einen
Augenblick auf der Höhe des aufgewor
fenen Erdhaufens und rutschte dann
mit einem guten Theil desselben kopf
über in die Grube, neben den entsetzt
zurückweichenden Hartl. Ohne «in
Wort zu äußern, so fest und genau
hielten sich Beide an die Schatzgräber
instruction, nach welcher ja nie bei einer
solchen Arbeit ein Wort gesprochen
werden darf, hielt Sixt dem Hartl den
erbeuteten Zopf hin.
Aber zu spät. Schon tobten die
Verfolger und umringten, nun selbst
höchlichst verwundert, die Grube mit
den beiden Burschen.
Selbstverständlich wurde nun der
Fall sehr bald aufgeklärt. Ein un
bändiges Gelächter erfüllte die Burg
ruine, welches sich noch mehrte, als die
scheltende Näherin mit einem Zops und
einem Haarwurzelstumpf aus dem
Schauplatze erschien.
Hartl nahm den Zopf und hielt ihn
nahe dem Lichte der Laterne.
„Dös stimmt." sagte er trocken.
„Sixt, dös stimmt. Mit den Zöpsl
moan i, lupsn miar in Schatz nit auf."
„Kannst's nit wiss'n," schrie nun der
als Witzvogel bekannte Schuster Franz
dazwischen. „Wer woaß. ob er mit
den Zöpfl nit die Nather-Leni als
Schatz heranzjagt."
Die alte Leni machte ob des uner
warteten Vorschlages ein so süßes, ver
söhnliches Gesicht und näherte sich der
Grube, in welcher die beiden noch im
mer standen, daß der arme Sixt in sei
ner Herzensangst wie ein Wiesel em
porkletterte und mit einem mächtigen
Satz nach hinten in der Dunkelheit
verschwand. Lautes Gelächter der
Anwesenden folgte, denn auch die Näh
terin rannte mit lautem Geschrei hinter
her. „Mein Zopf gibst miar, du Ha
derlump, du Einbrecher, du Räuber,
mein Zopf gibst her!"
Langsam und bedächtig stieg nun
der Hartl aus der Grube, schlug sich
mit seinem Hute die Erdspuren von den
Kleidern und sagte: „Sou a Teufels
graberei in dem gefrorenen Bod'n und
all's für die Katz. In Sixt aber, dem
geht's schlecht. Gott stärk'n. daß n
die Hex' nit derwischt!"
JahcSwenide.
Vorwärts fluthet der Strom der Zeit!
Flüchtig entgleiten die Wogen dem
Blick.
Kaum erschienen, wie weit schon, wie
weit
Liegen die lachenden Ufer zurück!
Lauf,
Von der mächtigen Strömung erfaßt,
Hält unser Wünschen sein Fliehen
nicht auf.
Scheidendes Jahr, du gleichest dem
Der sich in dämmernde Ferne verlor,
Aber im Osten taucht neues Land
Aus den leuchtenden Fluthen empor.
Zwar noch liegt es nebelumhüllt:
Macht es die Träume des Herzens
uns wahr?
Hoffend betreten wir sein Gesild,
Sei uns gegrüßet, du neues Jahr!
Freundliche Bilder umgaukeln den
Sinn.
Glockentöne, sie klingen so rein,
Flößen uns Ahnung von süßem Ge
winn,
Hoffnung künftigen Glückes ein.
Reichgesegnetes Menschenherz,
Das, wie oft auch sein Hoffen trog,
Immer noch aus vergangenem Schmerz
Neuen Glückes Verheißung sog!
Neues Jahr, du täuschest uns nicht!
Denn wir wissen: es bivgt dein Schooß
Düstere Tage und Tage voll Licht;
Freude mit Leid ist des Sterblichen
Loos.
d' Gl"ck
Hofsnungsfreudig^m
Dürfen wir rufen: Fröhliche Fahrt!
Lenkt doch das Steuer der ewige
Gott!
Zweifel.
Herbstestage. Die Blätter fallen.
Und im Goldlaub versinkt der Fuß.
Hoch im Blauen verwthen, verhallen
Hör' ich der Wandervögel Gruß.
Gold'ne Frühe voll Duft und Schim
mer,
schluchzend stirbt in der Thränen
Thau.
Sterbetage. Staub sinkt zu Staube,
Und kein Blühen kein Werden mehr
winkt!
Tage, wo mir Hoffnung und Glau-
Ach! wo selbst die Liebe versinkt.
Stumme, trauernde Scheidetage,
Wo der Tod rings das Leben küßt,
Wo ich umsonst umsonst mir sage:
Selb st bewußt. Lieute
nant: Was haben denn gnädiges Frä
ulein für ein interessantes Buch? Fräu
lein: Das ist mein Tagebuch! Lieu
tenant: Aeh dann lesen gnädiges
Kräulein mal etwas von mir vor!'
Zn der Yeujalirsnacht.
Tiefe Nacht lag über der kleinen, al
ten Stadt. Ihre Thürme und Giebel
ragten steif in den dunklen Himmel
empor, an dem kein Stern sein Gold
licht blitzen ließ. Nur graue, dicke
Wolken schoben und drängten sich rast
los darüber und senkten sich ties bis zu
den Berghängen und Wäldern herab.
dette der alte Nachtwächter aus und
ab, die Mütze über di? Ohren gezogen
und den warmen Schafspelz dicht um
die Glieder geschlungen. Ein trauri»
ges Amt, allein und frierend das harte,
holprige Pflaster zu treten, während
aus allen Häusern, an denen er vor
überging, fröhliches Lachen und Be
cherklingen herausscholl. Eben kam ihm
ein Trupp stämmigerLandsknechte ent
gegen mit Lärmen und Singen. Ei
lends war er von ihnen umringt und
trotz seines Warnens mitgezogen in die
nächste Schenke, an der ein grüner, be
schneiter Tannenkranz baumelte. Moch
te nun, wer wolle, die Stunden aus
rufen, Sylvester kommt nur einmal im
Jahre, da kann man auch dem alten
Wächter ein froh Pokuliren und Zechen
nicht wehren.
Nun war's leer zwischen den engen
Mauern ... der Wind pfiff um die
Ecken und verfing sich stöhnend in den
Winkeln der Dächer. Und langsam,
leise, in leichten Flocken fing es vom
Himmel herabzutanzen, und weicher,
nasser Schnee legte sich auf Dach und
Boden
Da drehte sich das alte schwere
Stadtthor unhörbar in seinen Angeln,
und ebenso, wie von unsichtbarerMacht
Eine greise Gestalt war hinausge
treten.
Mit vorgebeugter, zitternder Hand
schaute der alte, müde Mann in die
weiten Lande, die vor ihm lagen. Ue
berall Nacht und Dunkel und immer
stärker werdender Flockenwirbel.
Das alte Jahr war es. Nun ging's
zurück zu den Tausenden von Brüdern,
zum ewigen Schlafe. Man hatte ihm
stark zugesetzt auf Erden, das Haar ge
bleicht und die Knochen mürbe gemacht.
Keine Kraft mehr in den Lenden und
kein Glaube im Herzen, so begann der
Greis sein Wandern in die Heimath.
Hei, wie er vor zwölsMonden jauch
zend und jubelnd in die Welt gezogen!
Da war er ein junger Gesell mit leich
tem Sinn und frischem Muth, bestrebt,
es allen Menschen recht zu machen.
Ihm sollte man ein treu Gedenken be
wahren noch in später Zeit und sich in
schlechten Jahren noch nach ihm zurück
sehnen. So hatte er sich seine Herr
schaft gedacht. Und wie war's gekom
men! Ein alter Mann, gebeugt von
Sorgen und Undank, schlich er sich
trübselig aus der Welt. Die Menschen
weinten ihm keine Thräne nach. Alles
jubelte seinem Nachfolger entgegen.
Wankenden Schrittes, auf den lan
?e, bahnte sich den Weg durch den
Schnee. Der weite, graue Mantel
flatterte um ihn, und die Winde weh
ten ibm die kalten Flocken in's Gesicht
und setzten ihm mit Stößen und Sau
sen noch hart zu.
Am Rand des Waldes, der nun be
gann, machte er Rast.
Dort saß ein greiser Mensch auf ei°
nem Stein und grub das faltenreich«
Gesicht in seine dürren Hände.
„Wer bist Du?" sprach ihn das alte
schwelgt?"
scheint vergessen zu haben, daß ich noch
auf der Welt weile."
„Der Tod? Und warum bist Du
dem Leben feind? Theil' mir Deinen
Kummer mit, vielleicht kann ich Dir
helfen?"
„Wer bist Du denn, daß Du das konn
„Das alte Jahr bin ich, und meine
Herrschaft geht zu Ende."
„Du bist das alte Jahr?" rief der
witterten Gesicht auf. „So bist Du es,
der mir soviel Schmerz gebracht, der
chern werden ließ, die unter dem Gal
gen nochGott lästerten, Du also bist
es! Ich hatte wohl Grund, Dir zu
fluchen, doch gib meiner einzigen, mei
ner letzten Bitte die Erfüllung, Du
hast ja noch die Macht, gib mir den
Tod, und ich bin Dir dankbar."
Gerührt lauschte das scheidendeJahr
den Worten des Alten.
„Du bist der erste Mensch, der mir
Dank verspricht. All das Harte, das
ich Dir angethan, will ich wieder gut
machen, indem ich Dir Deinen Wunsch
erfülle."
Und das alte Jahr legte seine kal
ten Hände auf das weiß: Haupt des
Greises, der in friedlicher Ruhe ent
schlief.
Dann wanderte es weiter.
Noch nicht lange war es gegangen,
als ein klagendes Schluchzen an fein
Ohr drang. Ein junger Gesell, schmuck
und schlank, lehnte mit seinem Locken
kops an einer hohen Tanne und weinte
und stöhnte ganz herzerbarmend.
Das alte Jahr wollte vor seinem
Scheiden noch recht vielGutes thun und
fragte das junge Blut nach seinem
Schmerz.
Die alte Geschichte: ein Mädchen
liebte er, jung und schön, aber reich
das war sein Leid. Denn der Alte, ein
hartherziger Geizhals, dem die giild'»
nen Dukaten schöner noch dünkten als
des Töchterlein golden Haar, jagte den
armen Burschen, der nur sei» Herz voll
Lieb- und Liedern bieten konnte, zur
Thür hinaus. Jung-Röslein härmte
sich ab in stiller Kammer, ilnd er wollte
in die Welt ziehen, umGeld und Ruhm
zu finden.
Doch wie's halt ging! Kaum war
er aus devStadt, da packte ihn Schmerz
und Verzweiflung, fein herzliebes Mä
del je zu erringen und nun hätte er
nur mehr einen Wunsch: lieber gleich
zu sterben, als vor Sehnsucht zu verge
hen und seinem Lieb zeitlebens ferne zu
Tod kann ich Dir schon geben,
armer Bursch." dachte sich das alte
Jahr und erhob seine Hände, um ihm
den ewigen Schlaf zu verleihen.
Da ging ein Klingen und Sausen
durch den Wald, übermüthig schüttel
ten die Zweige ihre weiße Last auf den
Boden, und ein ü^rirNscher
flüsterte der Alte: .Mei
ne Macht ist aus!" und verschwand
hinter den Stämmen.
Geblendet stand der Bursch vor dem
Glanz, der sich um ihn ergoß, und in
den Ohren brauste es ihm wie von fer
nen Melodieen und Psalmeien. Vor
ihm stand in himmlischer Verklärung
ein herrlich schöner Knabe, der ihm
freundlich zulächelte:
„Kann Dich denn nur der Tod glück
lich machen? Augen auf, mein Junge,
froh und stolz in die Welt geschaut.
jetzt beginnt meine Herrschaft, und
Jung-Röslein sollst Du freien!"
Dann brach er aus dem Diadem,
das seine goldenen Locken krönte, einen
hellen Edelstein und reichte ihn dem
Burschen. „Da hast Du den Schlüssel
zum Herz des Wucherers, er ist mehr
werth als der kostbarste Demant, und
Röschens Vaters Augen werden leuch
ten. wenn er ihn sieht!"
Dann verlor sich der Schimmer, nur
der Demant blitzte in der Hand des
Burschen wie sonnengoldnes Feuer.
Nun zurück zu Jung-Röschen!
Wie er aus dem Walde trat, sah er
in weiter Ferne das junge Jahr vor
den Mauern der Stadt, die Thore
Glocken klangen von den Thürmen und
feierten seinen Einzug.
Und aus der Schenke „Zum rothen
Hahn" schwankte der Wächter heraus
und blies in sein Horn, so gut er es
noch konnte. Der schwere Wein war
Nur der ktoth koan Ich»m»g
lassen.
«Münchener GerichtSsccne.>
Ein bekanntes Sprichwort sagt:
„Een echter Berliner hat ewig Geld"
wogegen der Münchener sagt: Nur koa
Traurigkeit spür'n lassen. Dies be
herzigt insbesondere der Maler Mi
chael -k., ein lustiger Mann von vier
undvierzig Jahren, der immer noch
dabei ist wo es eine Hetz gibt, obwohl
er das Schönste bereits gesehen hat
und sein Leben lang mit Sorge, Ar
beit und widrigem Geschick sich abmü
hen mußte. Wenn die Geld- oder Ma
genfrage zu ungestüm an ihn heran
kommt, so hat derselbe ein Präservativ
in einem humorvollen Sprichworte
und dies heißt:: „Nur der Noth koan
Schwung lassen!"
Der Michl, ein gemllthvoller blonder
Junggeselle, dem beständig ein sardo
nisches Lächeln um den Mund schwebt,
keine Späße! Berken Sie sich das!
Aus Ihren Mienen ersehe ich, daß Sie
da zahl i überall, bei die Madln da
das Wenigste, d' Freund' soso lala; d'
nig; d' Verwandschaft GrueßGott!
dann erst kimmt der Unterstand?
Wenn Sie bereits drei Zetteln bam:
Im Namen Seiner Majestät, sollens
an Eanern g'wohnt'n Hausherrn nix
ambt'n zahlt! Was denka's Eahne
nacher? Jetz'n kriegt Koaner was,
daß koan Verschmooch ausheben! net
wahr?
Richter: Bitte! Ihr Hausherr hat
seinen Arrest durchZahlung wieder be
seitigt und Sie waren benachrichtigt,
daß Sie wieder an ihn zahlen dürfen.
Angekl.: Freilich! Sie sagen'» ja
selber, „dürfen", aber was i darf, is
no' lang net „müaß'n", i hätt' viel
leicht aa dreimal zahl'n dürfen, aber
hier hoaßt's müaß'n, sonst mag der
Michl net.
Richter: Kurz! Der Hausbesitzer
Andreas D- kam in Ihre Wohnung
und verlangte den Miethzins und statt
zu bezahlen, überschütteten Sie densel
ben mit einer Fluth von Schimpfwor
ten. Mittags drangen Sie noch in
erst nach geraumer Zeit, als es Ihnen
beliebte, nicht aber nach wiederholter
Aufforderung, die Wohnung zu ver
lassen.
Angekl. :A bisserl was is scho' wahr,,
aber net Alles! Also der Herr Haus-
Quittir'n und sagt: So Michl! Ehst
gehst zwanz'g Stutz'n einreib'n, woaßt
der Zins is das Erste für an richtigen
Mann. I woaß ja, Du magst a Bier
zahl'n, Steuer und Abgaben, Umla
gen, Reparaturen, G'schästsleut und
dergieicha, da kann sich Koaner an
dem Haus d'rauf und 's nächst Monat
kost't Wohnung a so zwoa Markl meh
rer. Da bin i wild worden und sag:
Erstens zahl i net mehrer, wia ausg'-
macht ist, zweitens kann i net mehrer
zahlen, weil der Verdeanst z' gering is,
drittens brauch i was zum Leben, pnd
wenn mi' alle Hausherrn von der
zen Stadt als an Haderlumperer an- j
schaug'n, und viertens, fünftens und
sechstens hab i koa' Geld zum Zahl'n.
WennDu selber so richti' zahlen thätst,
nachher hätt' i net mein' ganzen
Schubladen voll Beschlagnahmen. Die
san meine größte i jedes
mal dabei denk: Jetzt is a Reicher g'-
storb'n! Im Verlauf der Unterhal-
Depp'n und nachher hab i eahm mit a
wengl saftigere Bröckerln aufg'wartet.
Dös war die Beleidigung. Bitte, mer
ken's Eahna aber den Depp'n, dös
war i selber.
Richter: Nun zum zweiten Fall!
Wie kamen Sie zum Hausfriedens
bruch?
Angekl.: Das is' was Anderes! I
kauf mir auf den Schrecken a Maß.
Wissen's wenn Oaner a mal imG'wer
gel is', na mueß er nur der Noth koan
Schwung lass'n! Dös Jammern und
Zapfen hat gar koan Werth und wia
d' Noth anSchwung hat, nacher kannst
nimmer mitthuan, da bist verlesen. I
geh' also ganz zerm wieder hoam und
denk mir: morgen geht wieder a an
derer Wind, pfeif über d' Stieg'»
nauf dös nette Liadl „Sehg'n Sie!
das is' ein Geschäft, das bringt etwas
ein! ein jeder Mann nicht,
d' Hausfrau: Sie, Herr Michl! zu
mein' Mann eina sag' i und dös glei'.
A gueter Kerl wie i bin, geh' i eina.
Der sitzt mit'n Schlafrock und an ro
then Türtenzylinder auf'n Kanapee
und raucht an Guet'n und sagt in.sei
ner Dampfwolk'n drinnet wia a G'-
wittergott: Michl! wennst glei aus
ziahgst, daß i di' morgen Fruah nim
mer seh', nachher schenk i dir in Got
tesnamen die M Markl! 's gibt ja
Häuser gnua in der Stadt und i quit
tir' Dir sogar den Zinst. Da war i
ganz weg und sag, wenn er was quit
tir'n will, dann soll er die Quadrat
detsch'n quittir'n, die er kriegt, wenn
er an ordentlichen Mann, der ehrlich
und röthlich dasteht, no' a mal so an
Antrag macht. Erlauben's a mal! I
will haben, daß dös ausg'schrieb'n
wird, weil i darin a Aufmunterung zu
aner Urkundenfälschung 'rauskenna
thua. —Guet! d' Frau kennt mi' schon
a bisserl und moant, i kunnt hand
handgreiflich werden, da schreit's:
Simmerl. schaff eahm außa, na hol i
d' Schandarmerie, funst timmt no'
mehrer. Der Simmerl hat dann g'-
sagt: Dös brauch i mir net zu gefall'n
zu lassen! i sag' eahna ganz ener
gisch: 'naus, 'naus, 'naus! I laß
eahm no' a bisserl net
waren fertig.
Der Michl erhielt für seine Ruchlo
sigkeit zwei Geldstrafen von je fünf
Mark. Er mochte etwa mehr erwar
tet haben, denn er meint«: Wenn i net
von Eahna selber, Herr Stadtricht«r,
a vierazwanzg Stund'n kriag'n kunnt,
nacher that i no' a mal an Haussrie- /
densbruch risliren, aber so is ja die
G'schicht ganz guet 'nausganga. Nur
der Noth koan Schwung lass'n!
Bedenklicher Fleiß.
Mutter (stolz): .. Und ob der Pepi
fleißig beim Violinsvielen ist! Jetzt
hat er seit einem halben Jahr' Stund'
und die dritte Geige ist schon hin!"
Eine weite Aussicht.
Auf dem Wasserthurm in Hamburg
sagte zu dem Wächter ein Besucher:
»Man hat doch von hier aus eine ziem
lich weite Aussicht? Gewiß! giebt
der Angeredete zur Antwort. Man
kann wohl auch von hier aus Tuxha
sen sehen? frägt der Besucher.
„Natürlich noch viel weiter! erwidert
der Wärter. So, das Ist aber doch
kaum denkbar! Na, passen Sie
Aha! A.: der Arzt hat mir
verboten, vorläufig Champagner zu
trinken. B.: Wahrscheinlich, bis Du
ihm Deine Rechnung bezahlt hast!