Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, October 22, 1896, Page 2, Image 2

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    2 Armer Kert.
1.
! Armer Kerl!
Eines Tages hatte er sich entschlos
sen, ihr seine Liebe zu erklären. All die
Wahnsinnige, glühende, flammende Lie
be, die in seinem Herzen lohte.
Die junge Dame hörte ihn mit arti
gem Lächeln an, und als er seine Er
klärung endlich fertig gestammelt hat
te, da bat sie ihn, sich den Gedanken
an sie doch gefälligst lieber aus dem
Sinne zu schlagen.
Armer Kerl!
Er stand da wie geknickt; er wurde
todtenbleich, seine Lippen versuchten
weiter zu stammeln, aber es ging nicht.
Dafür rannen zwei dicke Thränen über
seine Wangen.
Das junge Mädchen wurde durch
den Anblick dieser Thränen gerührt.
Sie reichte ihm ihre Hand, sprach
ihm einige freundliche Worte des Tro
stes zu und schloß: „Sie sollen stets ei
ne Schwester an mir haben, eine auf
richtige Schwester! Wollen Sie?"
Armer Kerl!
«>ng.
Ging.um sich auszuweinen und aus
zufchluchzen. Und da das zu lange
dauern zu wollen schien, so schickte sein
Papa ihn auf Reisen.
Armer Kerl!
2.
Drei Monate waren vergangen.
Es war Hochsommer.
? Der junge Mann kam an Bord der
»Normandie" von Amerika zurück,
«hne vergessen zu haben.
Durch einen Brief, den er zu Hause
antraf, erfuhr er, daß Alice Alice
hieß die unbeugsame Schöne auf
Ghlt sei.
. Auf Sylt?.'
Natürlich fuhr er sofort dorthin.
Armer Kerl!
Er kam auf Sylt an.
Bei jedem Mädchen, jedem Weibe,
das er sah, klopfte sein Herz höher,
denn in jedem Weibe sah er, oder
glaubte er Alicen zu sehen.
Aus dem Strande kommt ihm eine
junge Dame entgegen. Diesmal ist es
Alicr.
Armer Kerl!
Sie streckt ihm beide Hände entgegen
und heißt ihn willkommen.
Ach, und wie schön sie geworden ist.
Noch viel tausendmal schöner als sie
gewesen; so frisch, so rosig, so duftig,
in ihrem Kleide von weißem Piquee.
Sie aber hält seine Hände fest und
sieht ihm zärtlich in die Augen.
Armer Kerl!
„Erinnern Sie sich noch," sagte sie
zu ihm, „jener Tage, da ich Ihnen sag
te, ich wollte Ihnen eine Schw:ster
sein?"
Ach Gott! und ob er sich erinnert!
Ein tiefer schwerer Seufzer sagt es ihr
mehr, als alleWorte es ihr sagen könn
ten.
Armer Kerl!
„Nun denn," fährt das junge Mäd
chen fort, jetzt will ichJhnen nicht mehr
Schwester sein. Ich will Ihnen mehr
sein, das Theuerste, was es auf Erden
giebt!"
Und sie preßt feine Hände so innig
und sieht ihn so an, so zärtlich, 50....
so
Armer Kerl!
„Wäre es möglich?" ruft er.
Da senkt sie wie verschämt ihr Köpf
chen.
„Ja," sagte sie, ich will Ihnen mehr
sein, viel mehr: eine Mutter!"
.Eine Mutter?!?!?!!!... !?"
„Jawohl, eine Mutter! Gestern hat
Me?
„Ich ... habe „Ja" gesagt."
Armer Kerl!
An dem Tage hatte er keinen großen
Appetit. Und das Menu war so gut.
Armer, armer, armer Kerl!!
Vor- und Nachher.
Der jugendliche Liebhaber Felix Po
serl am Stadttheater in Kleingroß
heim hatte die üble Gewohnheit, der
Vertreterin der jugendlichen Liebha
berrollen, sobald es das Stück vor
schrieb, nicht den üblichen Theaterkuß,
sondern allemal statt zu „markiren",
einen sehr feurigen wirklichen zu le
ben.
Die Dame war wüthend, sie hatte
Ohrfeige verabreicht der Direktor
schäumte und nahm Poserl in immer
höhere Strafen es nützte aber alles
nichts, Poserl wollte absolut nicht mar
tiren. Im Gegentheil, er verfolgte die
hübsche Collegin sozusagen Tag mid
Nacht nun auch außerhalb des Dien
stes mit seinen Liebesbetheuerungen.
Endlich ließ sie sich erweichen und hei
rathete ihn fast am selben Tage gin
gen sie in ein anderes Engagement.
Unlängst nun besuchte eine Collegin,
die Kleingroßheimer Kußge
schichte mitdurchgemacht hatte, Frau
Poserl. „Nun", war eine ihrer ersten
Fragen, „küßt Dich Dein Mann nach
seiner alten Gewohnheit noch immer so
Merkwürdig. Mikosch (zu
Bcinem Freund): Hob' ich mir gekauft
schön's Glaserl in Berlin, schau durch,
schau 's Brandenburger Thor. Komm
stallzUHcms' seh durch, is meiSchwein
«hin mit einem Anderen gehen sieht):
Schau,schau, die Kathi! Morgen wollt'
tch mit ihr eine Liebschaft anfangen
Heu 6 wird sie mir untreu!
Die erste Waßt w Snake
Kulch.
Heute ist Snake Gulch ein flottes,
lebhaftes und ziemlich volkreiches Mi
nenstädchen in Arizona geworden, aber
damals lag es noch sozusagen in den
Windeln. Zu den „ältesten" Ansied
lern und hervorragendsten Bürgern
gehörte Col. Aellowbuck und Major
Ruft. Der Colone! war aus Kentucky
und hielt viel auf seine Eigenschaft als
Gentleman, weßhalb er auch von den
übrigen Ansiedlern, nach dem Motto:
Nur der Lump ist bescheiden, mit einer
gewissen Rücksicht behandelt wurde, die
nicht allein seiner außerordentlichen
Treffsicherheit mit dem Revolver und
seinen umfassenden Kenntnissen auf
dem Gebiete des Sports zuzuschreiben
war. Man erzählte sich sogar von ihm,
er sei ein durchgebrannter Buchmacher,
der seiner Zeit als Autorität auf allen
Rennplätzen des Blau-Gras-Staates
gegolten habe. Auch war Col. Uellow
buck ein sehr stattlicher, großer Mann,
dem die Portweinfarbe im Gesicht
sehr gut zu seinem ergrauten, üppigen
Haarwuchs stand. Ihm zunächst an
Ansehen stand der Major, ein Mis
sourier; obwohl er beinahe einen Kopf
kleiner war als der Colonel hatte er
doch einen Bulldognacken und die
Stärke eines Stiers. Die Beiden wa
ren große Freunde, und jeden Morgen
konnte man sie zusammen in Pete
Dozle's Apotheke den „Eye Opener",
Abends die „Nachtmütze" und selbst
während des Tages eine Anzahl Do
sen Medizin hinunterschlucken sehen.
Gewöhnlich bestand diese Medizin in
einfachem Whiskey, ohne Wasser. Ih
nen zuhören war ein Genuß, denn sie
besaßen beide die Gabe des Südlän
ders, über Alles hübsch und lebhaft zu
reden.
Eines Morgens im August standen
die Zwei wieder vor der blanken Ma
hagonybar und schluckten ihr Lieb
lingsgetränk mit Grazie hinunter.
„Mehdscher", sprach da plötzlich der
Colonel, „dies ist eine sehr nette An
siedlung das reine Paradies. Nur
Eins fehlt."
„Richtig, Cörnel, Eins fehlt die
Mäjestät des Gesetzes."
„Correct, Mehdscher wie wär's,
wenn wir die Sache in die Hand näh
men? Eine Localwahl, um Ordnung
in der Ansiedlung zu schaffen, die
Aemter richtig vertheilt was?"
„Stimme vollkommen überein mit
Ihnen, Cörnel die Aemter richtig
vertheilt dann würde Snake Gulch
einen großen Aufschwung nehmen.
Wir schulden das unseren Mitbürgern,
Cörnel, wir Zwei, zu denen sie auf
schauen."
„Ganz recht, Mehdscher laßt uns
an die Sache gehen. Vorläufig ge
nügt ein Friedensrichter, ein Rath der
Superviforen und ein, hm, hm —"
„Ein Sheriff, Cörnel, ein Sheriff
laßt uns den nicht vergessen, Cör
nel wichtiges Amt, wozu ein Mann
von Charakter gehört —" und der
Major sah dem Anderen scharf und
spähend in's Auge, so daß der Colonel
etwas röther ward.
„Ja, ganz recht, ein Sheriff das
hätte ich beinahe vergessen."
Und sie schüttelten sich die Hände
links abbog.
Eine Woche verging so, eine ereig
nißreiche Woche. Denn es wurden
drei Personen gelyncht in jener Woche.
Erst Jim McFarland wegen Pserde
diebstahls, dann dessen Bruder Per
kins, weil der zwei der Regulatoren
auf offener Straße niedergeknallt hat
te, und schließlich Aleck White, der im
Red Star Saloon beim Falschspiel er
tappt worden war.
Es ging damals überhaupt noch
etwas wild zu in Snake Gulch. Fast
keine Woche, ohne daß die Regulatoren
den würde, was doch im Hinblick auf
die steigenden Preise der Baustellen
und aus das Geschäft nicht wünschens
werth war.
Der obigen Unterredung zwischen
dem Colonel und dem Major folgte
denn auch bald eine zweite.
„Ich habe einen Mann im Auge,
Cörnel", nahm der Major das Wort,
„der mir sehr passend erscheint, um der
wachsenden Gesetzlosigkeit Einhalt zu
gebieten", und wieder blickte er den
Andern augenblinzelnd an. Der Colo
nel erröthete.
„Haben Sie, Mehdscher, haben
Sie? Das freut mich," murmelte er.
„Ja, einen tüchtigen Mann, einen
von Principien, der auch das Herz auf
dem richtigen Flecke hat."
„Was wollen Sie nehmen, Mehd
scher?" frug der Colonel, indem feine
Augen glänzten.
„Die übliche Dosis, Cörnel, die üb
liche Dosis, und, wie gesagt, es'wird
Zeit, daß wir uns an die Arbeit
wenden, Ordnung ist das erste Gesetz
des Himmels."
„Gut, thun wir das, Mehdscher",
brummte der Colonel.
Und sie begaben sich wirklich an die
ber, um die erste Localwahl in Snake
Gulch zu Wege zu bringen. Und ihre
Idee fand Beifall. Das Lynchen hatte
l!i> Laufe d-r letzten sechs Monate fast
Jeder schon diesen oder jenen Freund
aus so unerwartete Art verloren hatte.
Das Datum der Wahl wurde be
stimmt und Candidaten für die ver
schiedenen Aemter schössen auf wie die
Pilze, obwohl es doch eigentlich nur
zwei Posten gab, die der Mühe werth
waren die des Friedensrichters und
des Sheriffs. Aber für Friedensrich
ter, darüber waren sie alle einig,
paßte doch nur Einer „Lame" Ald
redge, der zugleich Postmeister und
Agent für die Expreß-Compagnie
war, denn der war der einzige, der
eine blasse Idee vom Gesetzbuch hatte,
und der konnte auch so leidlich ortho
graphisch schreiben.
Hingegen für Sheriff, so stellte es
sich bald heraus, waren Zwei im Fel
de. Und dies waren, wie Snake Gulch
mit Erstaunen constatirte, der Colo
nel und der Major. Doch das Erstau
nen der Stadt war nicht so groß darü
ber wie ihr eigenes Erstaunen. Es
lag offenbar ein böses, ein schlimmes
Mißverständniß vor. Denn bis vor
einerWoche hatte der Colonel geglaubt,
sein Freund, der Major, „arbeitete"
für ihn, und der Major wieder hatte
angenommen, daß der Colonel sich für
ihn aufopfere von früh bis spät, um
somehr als sich die Zwei nicht mehr in
ihrem gewöhnlichen Rendezvous, bei
Pete Dozle's, getroffen hatten.
Als der Colonel von dem Verrath
seines Freundes hörte, da nahm fein
rothes Gesicht eine bläuliche Schatti
rung an und er murmelte etwas in
den Bart von der „Schlange im
Gras". Der Major dagegen, als er
die Nachricht vernahm, schlug die
Hände über dem Kopf zusammen,
tippte sich dann vor die Stirn und
sagte nur: „Also deßhalb nahm er
meineJdee so günstig auf hm, hm!"
Das war Alles. Und so waren die
Beiden denn thätig von früh bis spät,
um ihre Chancen für den Wahltag,
jeder für sich, zu verstärken, und kein
Haus, kein Saloon, nicht einmal die
zwei chinesischen Waschonkel, die seit
Kurzem in Snake Gulch ihre segens
reiche Thätigkeit entfalteten, blieben
von ihnen verschont. Und wenn sie sich
auf der Straße begegneten, der Colo
nel und der Major, so strichen sie an
einander vorbei wie zwei knurrige
Köter.
So kam der Wahltag heran. Es
ging sehr lebhast zu. Sowohl der
Colonel wie auch der Major strengten
ihren Credit auf's Aeußerste an, um
ihre Freunde und Parteigänger nicht
trocken werden zu lassen. Im Wahl
zimmer hielt sich, als der Tag auf die
Neige ging, eine kleine Anzahl von
prominenten Bürgern auf, um zu se
hen, daß Alles mit rechten Dingen zu
gehe. Als der Colonel Mexican Joe,
einen des Englischen völlig unkundigen
Maulthiertreiber, herbeischleppte, da
erhob sich ein Murmeln der Unzufrie
denheit unter den Freunden des Ma
jors, denn der Mexicaner war, soviel
man wußte, nicht einmal Bürger der
Vereinigten Staaten. Aber als dann
der Major mit den beiden Chinesen an
langte, und diese lächelnd und unschul
dig ihre Zettel in die Urne werfen
wollten, da gab es einen Aufruhr un
ter den Anhängern des Colonel, und
Letzterer selbst suchte zu verhindern,
daß die beiden Mongolen stimmten.
Indessen bemerkte der Major ganz
richtig und geschäftsmäßig: kvi-l'.v
didaten fielen.
Dies waren indeß die letzten Stim
mzettel, die an jenem Tage abgegeben
wurden. Sonst hatte schon jeder
Mensch in Snake Gulch seiner Biir-
genügt.
das Zählen der Zettel los. Es dauerte
und zu goß er sich sein Glas voll und
leerte es. Der Major that dasselbe.
Plötzlich erhob sich die Stimme des
Wahlrichters:
Major Ruft 88."
„Ich protestire— die Wahl ist un
jor.
„Ungültig, weil Major Ruft, der
und hell.
Als der Rauch sich verzogen hatte,
saßen sich die beiden Gegner und ehe-
Stühle gefallen. Beide waren todt
beide hatten eine Kugel in's Herz er-j
halten.
So endete die erste Wahl in Snake
Gulch. Eine Woche später fand die
Supplementärwahl statt. Pete Dozle
wurde zum Sheriff erwäblt. Man
mußte ihm doch Gelegenheit geben,
seine großen Verluste am Wahltage,
die er durch den Colone! und den
Major sowie deren beiderseitige
Freunde erlitten, wieder einigermaßen
Der Sanftmuthspreis.
Ich war fünfunddreißig Jahre alt
und Junggeselle, was meine Eltern zur
Verzweiflung brachte, und fortwährend
mußte ich Vorwürfe hören.
„Du wirst doch nicht Dein ganzes
Leben lang Junggeselle bleiben? Du
willst also ein unnützes Mitglied der
menschlichen Gesellschaft werden? Ein
alter Junggeselle ist ein todter Zweig
muß! Was soll denn aus Dir wer
den, wenn wir nicht mehr sein werden?
Wer soll Dich pflegen, wenn Du
krank bist? Wer soll für Dich ko
chen? Es fehlt doch nicht an jungen
Mädchen. Wir kennen prächtig«
Partieen."
Nuu mußte ich zum hundertstenMa
le die Aufzählung all' dieser prächtigen
Partieen aus demVekanntenkreise mei
ner Eltern über mich ergehen lassen.
Irma Vobinhard, einzige Tochter,
alte Eltern, Vater früherer Fabrikant,
hübsche Mitgift; Celestine Rosenville,
Tochter eines Viehhändlers, Waise,
schönes Vermögen, einzige Erbin einer
tranken Tante, die seit Jahren mit ei
nem Fuß im Grabe stand; Henriette
Pochaud, Tochter eines Notars, der
Unglück gehabt hat, Opfer eines Ju
stizirrthums (er ist freigesprochen wor
den) hat ein großes Vermögen erwor
ben, das einen dichten Schleier über
seine Vergangenheit wirft. Ivette de la
Brauchen«, eine sehr wohlerzogene
junge Person, nicht sehr reich, aber
schöne Beziehungen; Malonia Frain
bois, Tochter eines Kaufmannes,
Künstlerin bis an die Haarwurzeln,
musikalisch bis zu den Fingerspitzen,
spielt die schwierigsten Stücke, sogar
auf der Zither. Ich habe Mißtrauen
gegen musikalische Damen, selbst wenn
sie nur Zither spielen. Lucie Rascaille,
Tochter eines hohen Eisenbahnbeam
ten, sehr häuslich und stickt vorzüg
lich.
Mir wurde die Wahl schwer.
Was mir ganz besonders mißfiel,
war der Umstand, daß immer nur vom
Vermögen die Rede war. Da ich selbst
ziemlich wohlhabend war, so wollte ich
vor allen Dingen ein junges Mädchen
heirathen, das mir gefiel.
Daher blieb ich auf alle Ermahnun
gen taub. So standen die Dinge, als
meine Tante und meine Cousine mei
nen Eltern einen Besuch machten.
Wir haben eine passende Partie für
Emil," rief meine Tante.
Emil bin ich nämlich!
„Aha!" sagte ich zu mir; „schon wie
der eine Partie!"
„Eine prächtige Partie!" erklärte
meine Tante.
.Ja," fuhr meine Tante fort, „ein
reizendes junges Mädchen, sehr wohl
erzogen .zeichnet wie Raphael und singt
wie eine Lerche."
„Und wie heißt diese Perle?" frag
te ich.
„Charlotte Verduret!"
„Und was auch nichts schadet," setz
te meine Tante hinzu, „sie hat eine
schöne Mitgift; ihr Vater ist Armee
lieferant gewesen."
„Ja, ja," meinte ich, „bei dem Ge
schäft wird Keiner arm!"
„Wenn Du Fräulein Verduret nicht
haben willst, so bist Du wirklich schwer
zu befriedigen." „Jawohl," fuhr mei
ne Cousine fort, „Charlotte ist ein En
gel. Wir waren zusammen in der Pen
sion; sie hat den Sansmuthspreis be
kommen; was sagst Du dazu?"
„Wenn sie den Sanftmuthspreis be
kommen hat," versetzte ich, „so habe ich
nichts mehr einzuwenden."
Es wurde beschlossen, mich vorzu
stellen.
Einige Tage später erhielt ich eine
Einladung von den Verdurets; meine
Tante führte mich ein. Fräulein Char
lotte, eine Brünette von 25 Jahren, ein
sehr hübsches Mädchen, gefiel mir so
fort. Sie schlug die Augen zu Boden
und musterte mich dabei von Kopf bis
zu den Füßen.
Ich war entschieden bezaubert. Ich
kam wieder, und man gestattete mir,
Fräulein Charlotte den Hof zu ma
chen.
Das junge Mädchen war zurückhal
tend und sprach nur wenig; desto mehr
aber thaten das die Eltern. Abends
wurde ich eingeladen, den Thee mit ih
nen zu nehmen; meine Zukünftige setz
te sich an's Klavier und sang uns mit
ziemlich angenehmer Altstimme etwas
vor. Während dieser Zeit zählte mir
die Mutter die guten Eigenschaften ih
rer Tochter aus, während der Vater,
der in einem Fauteuil ausgestreckt lag,
fortwährend Cigarren rauchte.
Eines Abends öffnete die zukünfti
ge Schwiegermutter einen Bibliothek
schrank und sagte:
„Das sind die Preise, die meineToch
ter nach sause gebracht hat; sie war
stets die erste in der Pension."
Ich bezeigte meine Bewunderung.
„Sie hat auch den Sanftmuthspreis
bekommen."
„Das wußte ich," sagte ich.
„Soll ich ihn Ihnen zeigen?"
„Ich wagte nicht, Sie darum zu
bitten!"
Die Schwiegermutter reichte mir den
Band: „Geschichte der unglücklichenKö-
Es muß wohl sehr viele unglückliche
Außerdem war er illustrirt.
Ich blätterte darin.
Ein Holzschnitt stellte die unglückli
che Jane Grey dar, wie sie der Henker
eben ergreist; «in anderer zeigte Ma
rie Stuart, den Kopf auf dem Block ;
ein anderer Marie Antoniette, auf das
Schaffst steigend.
Madame Verduret zählte mir
sämmtliche Preise auf, d!e ihre Tochter
erhalten. Ich mußte einenßlick in jedes
Bucb werfen und der glücklichen Mut
ter Complimente machen. Mit meiner
Braut hatte ich mich noch nicht viel
unterhalten können; daher benutzte ich
einen Abend, als wir allein waren, um
sie nach ihren Gefühlen, mir gegenüber,
zu befragen.
„ich stehe im Begriff, Ihr Gatte zu
werden, und möchte gern wissen, ob
meine Persönlichkeit Ihnen angenehm
ist!"
„Mein Herr," versetzte sie, „meineEl
tern haben Sie als Schwiegersohn an
genommen und ein wohlerzogenes jun
ges Mädchen muß seinen Eltern gehor
chen."
„So meine ich es nicht!" rief ich; die
Einwilligung Ihrer Eltern genügt mir
nicht; ich will vor allen Dingen dieJH
rige haben!"
Sie schlug die Augen zu Boden.
„Ich habe nicht gesagt, mein Herr,
daß ich nicht einwillige!"
„Wie! Sie willigen ein?"
Außer mir vor Freuden ergriff ich
ihre Hand, die ich ehrfurchtsvoll an
meine Lippen führte, und drückte einen
heißen Kuß auf zwei Finger, die sie
nicht allzu hastig zurückzog.
Meine Cousine hatte Recht, meine
Zukünftige war ein Engel, ich war gar
nicht würdig, einen solchen Schatz zu
besitzen. Trotzdem hielt ich mich bei die
ser Betrachtung nicht auf und die Hoc
hzeit wurde festgesetzt.
Sie wurde mit Pomp gefeiert und
acht Tage lang folgte ein Diner und
ein Ball dem andern. Zahlreiche Gäste
wurden eingeladen. Meine Frau war
zu allen liebenswürdig und zeigte sich
als vollkommene Weltdame. Ich war
stolz auf sie. Als der letzte Gast, ein al
ter Vetter, der garnicht gehen wollte,
verschwunden war, sagte ich zu meiner
Frau:
„Endlich allein! Jetzt sind wir, Gott
sei Dank, die langweilige Gesellschaft
los."
„Sie sind nicht höflich gegen unsere
Freunde und Verwandten," entgegnete
sie.
„Weil ich so glücklich bin," versetzte
ich zärtlich.
Dabei zog ich meine Cigarettenta
sche heraus und wollte mir eine anzlln
„Jch hoffe, Sie werden hier nicht
rauchen!" meinte meine Frau.
Eine Cigarette, eine ganz kleine
Cigarette."
„Nicht um die Welt!" rief sie im
lebhaften Tone.
„Aber mein liebes, kleines Frau
„Nein!"
„Die Cigarette ist Ihnen so unan
genehm?"
„Sie ist mir nicht unangenehm; aber
ich will nicht, daß Sie rauchen."
„Ihr Vater raucht den ganzenTag!"
Mein Mann wird nicht rauchen.
Ich bin nicht wie Mama, ein Lamm,
das sich abschlachten läßt."
„Aber das ist ja garnicht meine
Frau," dachte ich, „man hat sie mir
ausgetauscht."
„In einer Ehe," fuhr ich fort, „muß
mau sich gegenseitig zu Gefallen leben;
und dasCigarrettenrauchen ist für mich
eine alte Gewohnheit."
„Sie werden sie eben aufgeben, das
ist alles!"
„Das ist nicht ernsthaft, Sie scherzen
sicherlich?"
„Ich verbiete Ihnen zu rauchen, nun
versuchen Sie es doch!"
„Und ich." versetze ich, „verbiete Ih
nen, in diesem Tone mit mir zu spre
chen!"
Ich hatte noch nicht ausgeredet, als
ich einen dicken Band an den Kopf be-
Ich bückte mich, um das Buch auf
zuheben und wich entsetzt zurück.
Es war der Sanftmuthspreis!
Und trotzdem trotzdem leben wir
noch immer zehn Jahre sind seit un
serer vergangen—sehr glück
lich. Wie süß ist die Versöhnung nach
solchen Scenen! Ich glaube nicht mehr
daran, daß eine Frau denSanstmuths
preis besitzen muß, um ihren Mann
glücklich zu machen....
Aus dem Zaun.
Die kleinen Vögel schweigen,
Bald wird die Heide braun,
Ein Vogel nur gar eigen
Singt Abends noch vom Zaun.
Ein muntrer Vogel, wißt es,
Der gerne hüpft und springt,
Ein lust'ger Vogel ist es,
Der von dem Zaune singt.
Doch wenn im Abendschauer
So still die Welt umher,
Nur hinter schwarzer Mauer
Des Waldes rauscht das Meer,
Wenn dann vom Zaun in Tönen
Es schallt um diese Zeit,
Den Vogel, klagt er mir:
„Mein Schatz ist über'm Meere,
Ach, wär' mein Schatz doch hier!
Wie würd' ich dann wohl munter,
Wie flög' in einem Nu
Ich von dem Zaun hinunter
Und grade auf ihn zu!"
Der sprechende Kund.
Daß es sprechende Kanarienvögel
gibt, haben wir erst kürzlich auf dem
letzten Hamburger Dom gesehen, wo
bekanntlich ein derartig kleines, gelbes
Vieh ausgestellt war. welches auf die
Frage: „Wat magst Du leewer smö
ken, en Cigahr oder 'n Piep?" mit gar
nicht mißzuverstehender Geberde erwi
derte: „Piep!"
Und warum nicht? Existiren doch
singende und tanzende Mäuse, Pfei
fende Stare und sogar auch pfeifende
Gemsen, also weshalb sollte nicht eben
falls mal ein sprechender Hund vor
kommen können?
Der Herr Bürgermeister von Däm
lichhusen glaubte bisher freilich nicht
daran. Er war nämlich, trotzdem er
im Uebrigen als unumschränkter Ge
bieter in seinem kleinen Landstädtchen
herrschte, geistig doch etwas beschränkt,
genau so, wie es für seine Gemeinde
Paßte.
Deshalb mochte ihn auch Jeder gern
und man verehrte ihn förmlich wegen
seiner „vernünftigen" Ansichten.
Nun aber hatte unser braves Stadt
oberhaupt dasGlück, mit geradezu her
vorragend intelligenten Lebewesen um
geben zu sein, ein Umstand, der im
Laufe der Zeit zu einem höchst unange
nehmen Eonflikt für ihn führen sollte,
wie wir bald sehen werden.
Da war in erster Linie Karo, sein
kleiner Teckel, ein Hund von so über
aus großer Begabung, daß er seinen
Herrn in allen Dingen, bei welchen es
nicht nur auf Instinkt, sondern auch
auf Ueberlegung ankam, bei weitem
übertraf. Karo konnte z. 8., um nur
eins anzuführen, mit Leichtigkeit in
einen Dachsbau hineinkriechen, und
das brachte der dickleibige Bürgermei
ster trotz seiner vornehmen Stellung
mit dem besten Willen nicht fertig.
Ferner war der Johann, der Haus
knecht, ein welterfahrener Mann, der
seine vier Jahre ehrlich bei den Garde
dragonern in Berlin abgedient hatte,
und daher in Dressur und Schliff den
klugen Karo womöglich, jedenfalls
aber seinen nichtgedienten und nicht
gereisten Chef leicht aus dem Felde
schlug.
Und I.'liit not lc.iut, zählte zu der
Umgebung des hohen Herrn auch noch
Trina, die Haushälterin (der Herr
Bürgermeister war nämlich unbe
weibt), eine große, starke Brünette von
circa dreißig Jahren, deren weibliche
Schläue von Niemandem angezweifelt
wurde, ebenso wenig wie ihre Energie,
vermöge deren sie ihren Brotherrn und
somit im weiteren auch das ganze Ge
meinwesen des Städtchens beherrschte.
Was man sich sonst noch von dem
zwischen den Beiden obwaltenden Ver
hältnisse erzählte, das gehört nicht
hierher, weil es erstens nicht erwiesen
ist und weil man zweitens der hohen
Obrigkeit kein Mißtrauen entgegen
bringen soll.
Soviel steht aber fest, zwischenTrina
und Johann existirte nicht das beste
Verhältniß. Sie zankten sich unauf
hörlich. Dennoch wagte der Herr Bür
germeister den Johann nicht hinauszu
werfen, denn derselbe war ihm eben
zu klug! Er wußte so allerlei.
Nun finden wir aber in unserer
meister in liebenswürdigem Tone,
„wirklich ein überaus kluges Thier!"
„Ja, dat meen ick ok, un wenn he en
Verl mehr werth!"
„Gewiß, gewiß, lieber Johann, aber
daran ist doch bei einem solch unver
nünftigen Vieh gar nicht zu denken,
daß es jemals sprechen könnte!"
„Oho, Herr Burmeister, dat seggen
Se man jo nich. As ick dunntomalen
in Berlin bi de Dragoners stunn, da
lewte dor en Professor, de kunn de
Hunn'n dat Snacten bibringen!"
„Aber, Johann, das ist doch wohl
unmöglich!"
„Nee, dat is ganz wiß un wahrhaf
tig so, un mi schient, wenn überhaupt
en Köter dat Snacken lehren kann,
denn is uns' Karo doch wull de Neegste
dorto, denn so'n klauten Hund gisst
dat doch up de Welt nich wedder!"
Das leuchtete dem Herrn Bürger
meister endlich ein und geschmeichelt
erwiderte er: „Darin hast Du aller
dings durchaus Recht, lieber Johann!
Einen klügeren Hund gibt's wohl
kaum. Aber wie sollte man es nur an
fangen. jenem Professor den Hund
hinzuschicken, da Du vermuthlich die
Adresse nicht weißt?"
„Oh, dat's ganz eensach. Ick reis'
siilwst mit unsen Karo nah Berlin!
Den Professor finn ick ganz säcker, ick
weet dor jo gaud Bescheed!"
„Wie, Johann? Du wolltest Dich
hen?"
„Jawull, dat dhau'k giern! Wenn
ick den Herrn Burmeister en Gefallen
paz nix!"
Nun, uin die Sache kurz zu erzäh
len, Johann bekam also von seinem
wohlhabenden Herrn reichlich Reisegeld
eingehändigt, nahm den klugen Karo
an die Leine und fort ging's, freilich
nicht nach Berlin, denn dies Geld
konnte man ja sparen, sondern einfach
bis nach Hamburg, was viel weniger
recht hübsch einige Tage vergnügen
und den „Hang zum Wohlleben" be
friedigen kann.
Spannung.
„Jowull! Dat's allens in beste
Ordnung! De Herr Professor seggt,
der afhalen, denn kann he so gaud
snacken, as wie beiden! Kost't äwer
hunnert Mark!"
Also das Vierteljahr verging und
Johann wurde auf's Neue mit diesmal
noch reichlicherem Reisegeld und gleich
fessor ausgerüstet und nach Berlin ge
schickt. Selbstverständlich fuhr er wie
der blos bis Hamburg, blieb aber dies
erstaunten und wohl auch vorwurfs
vollen Blicken.
„Nun, Johann, Du hast den Hund
wohl noch auf dem Bahnhof zurückge
lassen?"
"s"'h d bd P fss
nicht ausgelernt?
„Was soll daS heißen? Ist denn
Herr Burmeister dat denn affluts we
ten will'n, denn mutt ick't jowull man
verteilen: Ick kam also vichtig wedder
in Berlin bi den Herrn Professor an,
stieg de Treppen herup un klopp an de
Dör. „Herein!" röppt dat ganz lud
un wat meenen Se wull, dor sitt uns
Karo ganz alleen up'n Sopha un kickt
mi so recht kluksnautig an. Ick weer
ganz fürchterlich verwunnert! Dat kä
nen Se sick wull denken, Herr Burmei
ster.
„Allerdings! Nun, und dann?"
„Up eenmal makt de Hund dat Mul
up un fangt an so snacken, grad as vb't
de Herr Burmeister siilwst weer. Hi
snackt vun diit un von jenes, wo schön
un so wider!"
„Erstaunlich, wirklich erstaunlich!"
„Jowull,dat weer dat ok un ick hadt
ok min helle Freud an den klauken
Köter. Mit'n Mal fängt he äwer an
hier von uns' Verhältnissen tau sna
cken."
„Nun, das war doch sehr hübsch von
ihm, daß er sich der alten Heimath er
innerte."
„So? Na, denn passen's mal up.
Up eenmal sröggt he: „Na, Johann,
wat makt denn de Herr Burmeister?
Pussirt he noch Ummer mit de Hushöl
lerin Trina?"
„Weten Se, Herr Burmeister, do>
kunn ick mi nich mehr Hollen. Aewei
düsse Niederträchtigkeit würd' ick in
den Oogenblick so wüthend, dat ick so
forts minen Knüppel nöhm un der
Hund up de Städ dodt slög!"
„Das hast Du recht gemacht, mein
lieber Johann!"
Gewohnheitsspiel.
Dame: „Also jetzt wollen wir Pfänder
spielen." Student: „Bitte, keine
unangenehmen Erinnerungen er
wecken!"
Wunderbares. Herr:
Nun, haben Sie sich auch der Alpen
Wunderwelt angesehen? Tourist:
Ja, 's ist dort wirklich wunderbar
was in den kleinsten Wirthshäusern
für größte Preise Platz haben!
--Merks. Herr (zum Nachbar
bei der table d'hote, der sich immer die
besten Stücke wählt): „Sie scheinen
sehr fromm zu sein!" „Wie so?"
.Prüfet alles und behaltet das Beste!"
rung. Professor (zu seiner redseli
gen Frau): Erzähl' nur nicht imme:
Deinen Kränzchen - Damen von ko
mischen Verwechslungen, die mir Pas
sirt sind sonst glauben sie am Ende,
ich habe Dich auch nur aus Zerstreut
heit geheirathet!
Kräftige Wirkung. Kauf
mann zu einem anderen): Die Wir
kung des Karlsbader Wassers ist wirk
lich eminent, mein Buchhalter kam um
zwanzig Kilo leichter zurück! Das
ist noch garnichts, mein Kassirer hat
sich einen Urlaub nach Karlsbad ge
nommen und ist überhaupt nicht mehr
wiedergekontme».