Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, September 24, 1896, Page 3, Image 3

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    Uevanche!
(10. Fortschung).
Mittlerrolle. Pharisäerhaft brüstete er
sich vor sich selbst: seht, was ein famo
ser Kerl ich bin! Ist es etwa sehr inte-
Trümmer bald ist die Stunde da,
wo Boularöde sich von diesen Trüm
mern die weiße Fahne der Kapiiula
derstrebcn dazu bequemt, die Grund
losigkeit seines Verdachtes einzusehen.
Aber der Haß gegen alles Deutsch
thum blieb. Zum mindesten Halle er
schäftlichen Starrsinn des der
auf jede Nachricht verzichtet.
Und ihr Herz? Mit aller Energie,
deren sie fähig war, gebot sie ihm
In t!er Angst der ersten Zeit, da sie
Was? Er soll den Deutschen in Schutz
lar«>de!
„Ich bitte Sie, Madam« Gertrü
Sie wissen, ich bin Ihr Sklave und
Gleich reute ihn das Bekenntniß
ist sie denn wirtlich schuldig? Hat sie
mit dem Preußen ihren Mann hinrer
cher überrumpelt, seine grauen Augen
in die ihren bohrend: „Sind Sie schul
dig oder nicht? Ich muß das zuvor
wissen!"
Die Worte stockten ihm fast in der
Kehle wenn sie „ja!" sagte? ge
rade heraus „ja...."
An dem Schreck über dies« Möglich
keit erkannte er erst, wie sehr sein Herz,
sein altes, abgetriebenes Herz, das bis
her alle ernsthaften Angriffe abgeschüt
telt, in ihren Fessel» schmachtete.
„Nein!" rief st«, und der Blick seiner
Augen prallte an dem ihren ab wie an
einem Stahl. „Nein"—kurz und scharf
und hiebartig, mit einer verhaltenen
Wuth klang das, als schnitte sie sich
damit selbst die Möglichkit einer zu
künftigen Schuld ab. >. >"
zur Vernunft bringe»,!"
Er athmete erleichtert auf und seine
Augen blitzten vor Genugthuung.
„Wissen Sie," sagk er, und sein
Athem stürmt« erregt mit den Worten,
„Wissen Sie, wenn das der Fall ge
wesen wäre, so hätt« Viktor recht ge
habt mit dem Todifchießen. Ich thäte
es auch...."
Er unternahm es also, „seinen
Freund" Viktor zur Vernunft zu brin
gen. Das gelang erst allmählich.
„Na, ich m«ins doch, lieber Freund,
wenn ich Ihnen rathe, sich zu beruhi
gen und den Preußen ->,! -icti» zu le
gen. so brauchen Sit doch lein Beden
ken mehr zu hegen...."
Vittor rächte sich für den Zwang,
den der andr» ihm auferlegte. „Wie ist
es denn mit Ihrer famosen Deutschen
hetze?" stachelte er immer von Neuem.
„Nun, da müßten ja auch Sie mit
auffliegen!" wehrte sich Boulardde
bissig.
„Was schadet's! Gern! Hier ich
bin bereit! Wir Jaminets haben unser
Loos verdient. Lassen Sie doch die
Deutschen endlich springen!".
Schier unheimlich klang das grim
mige Hohnlachen, das diese Worte be
gleitete. Boularöde wandte sich mit ei
nem lvegwerfenden Achselzucke» ab. Er
fühlte den Vorwurf der Schuld bren
nen, die er durch seine zögernde Lau
heit am Patriotismus beging aber
niß solcher Unterredung mit Gertrud
sein mußte, behagte ihm natürlich au
ßerordentlich: solche Chance halte er
sich laum erträumt! Und er begann,
sie energisch auszunutzen.
Ehe sie sich's also versah, halt« Ger
trud einen Kourmach«r, und der Skan
dal halte recht, wenn er den bis über die
Ohren v«rliebt«n Dichterpatrioten zu
ihren Füß«n girren ließ.
Sie sträubte sich mit nichte» dagegen.
Nicht, daß sein Minnedienst ihrer Ei
telkeit geschmeichelt oder in ihrem Her
zen einen Widerhall gefunden hätte.
Vielleicht hatte die Pariser Luft ihre
deutsche Moral dennoch abgehärtet.
Innerlich spottete sie ja der Gefahr
und verlachte sie die Leidenschaft, die
unter tändelnder Art zu
lodern schien. Aber ihre Klugheit war
erwacht, und mit einer Sicherheit, über
War dieser Minnedienst nicht das
Gegengift gegen Vittors Eifersucht?
Lenkte er nicht den Verdacht von Zeu
mantel gegen ihr bedrängtes usd be
drohtes Deutschtlhum? Ja, vielleicht
leicht läßt sich Viliors Eifersucht in
Das wäre köstlich! Vielleicht bedeutete
dem Eifer feines Liebesdienstes die
Pflicht gegen sein Vaterland so sträf
lich zu vergessen schien.
Und Rosa Schneider? Bah, ihre
und der Tyrannei ihres leidenschaftli
chen Herzens, das stets bereit war, sich
in Lavaströmen zu ergießen, längst
überdrüssig geworden.
Er hatte sich längst nach Freiheit ge
sehnt. „Kletten" kann er nicht leiden.
gen Ruck entledigte er sich ibrer also.
Vielleicht hätte sie sich schnell getrö
stet. Vielleicht hätte sie diesen Schlag,
bald überwunden aber Gerlrud ih
re Nachfolgerin? Das war zu stark!
Das war zu viel!
Und all ihr Trachven und Denken
richtete sich von da an auf Rache. Sie
zösifchen Vaterlandes durchbebenden
Revanchisehnsucht? Und ihr Herz wird
diese Racl>e erleben, so gewiß Frank-
Einundzwanzigstes
Kapitel.
Was er anstrebt, ist doch gut er ist
ein Idealist und sieht seine Zeit wie
seine Mitmenschen durch eine Rosa
wir."
»Ich setze mir lieber die grüne, die
Hzssnungsbrille auf," meint- er anzüg
lich. „Wir Franzosen haben nur eine
Pflicht, uns nicht von der Hoffnung
abbringen zu lassen..."
Dergleichen Redensarten, die den
versteckten Preußenhaß athmeten, achte
te sie taun, noch,so sehr halte sie sich da
ran gewöhnt. Die Revanciie-Jdee war
ihre Ruhe dabei zu bewah
ren. Die Revanche ist die große Mode
klankheit der Franzosen, und Viltor
ist besonders schwer davon ergriffen.
sich Wunderwirtungen davon. Er ver
sicherte. obgleich schon wieder im Ori
ent ein neuer Völkerbrand ivetterleuch
tete. daß die Menschheit in Zukunft
von der Kriegsgeißel verschont bleiben
werde. Aber noch war es nicht Zeil, die
unbekümmert darum, daß sein Vermö
gen an der Gluthhitze seiner Manie im
mer mehr zusammenschmolz.
Das Prädikat der Verrücktheit, das
ihm Vittor ausgestellt, erhielt dadurch
allerdings eine drastische Bestätigung,
daß er ernstlich mit Armand in Unter
handlung getreten war. um ihm sei
nen Sprengstoff abzulaufen. Das
Kriegsministerium, dem Armand sein
„Tanatoid" zur Prüfung eingereicht,
hatte es mit einem höflichen Achselzu
cken das Tanatoid zeich
stungen war es für diesmal noch nichts.
Armand fühlte sich schwer enttäuscht.
Aber ein eingefleischter Erfinder läßt
sich so leicht nicht einschüchtern. Er
wird also das Tanatoid zu verbessern
trachten dem massenmörderischen
verbleiben!
Kaum, daß Sir Rowland von der
Erfindung gehört, als er auch sofort
mit einer Offerte an Armand heran
trat, um ihm den Stoff abzukaufen
und diesen somit unschädlich zu ma
chen. Lag es nicht im Interesse der gro
ßen Friedensidee, die Welt von solcher
Brutalität zu befreien.
Armand ging anfangs auf das An
gebot ein; Viktor stachelte ihn des Gau
diums halber. Und so hatte Sir Row
land in bekannter Zähigkeit, die nö
tigenfalls eine Mauer einzurennen be
reit war, die gebotenen Summen im
mer höher gesteigert. Man war jetzt
auf fünfund'vierzigtaufendFranken pe-
Icmmen. Die Andern, die diesem köst
lichen Scherz zuschauten. setzten dem
sein und dvs Geld ausschlagen hät
te er es nicht durch Scharfsinn und
Ausdauer verdient?
Da stießen sie aber auf die nicht
minder rabiate Manie des Erfinders:
„Hoho, ich soll den kostbaren Stoff für
ein Almosen verschleudern? DasTana
toid ist Millionen werth —es wird
einfach den nächsten Krieg zurEntschei-
Mcm konnte im Zweifel sein, wer
der Verrücktere von den Beiden wäre.
Sir Rowlands erste „Konferenz"
fand im Saal Vanclouver statt. Es
war selbstverständlich, daß sich die
Spaß- und Skandalmacher von Paris
und die Gamms der Presse hier ein
Rendez-vous gäben. Beim heutigen
Diner der jungen Jaminets, an dem
einzelne Herren, da/unkr Voularöde,
theilnahmen, versprach man sich vrn
diesen „Folies-Rowland" einen unge
heuren Jux. Man wollte gleich nach
aufgehobener Tafel hin, denn der An
drang zu dem ohnehin beschränkten
Saal würde groß werden. Es sei schr
de, daß Madame Gertrü nicht mit
könne!
Gertrud hob runzelnd die Brauen:
„Welch' ein grausames Vergnügen,
meine Herren, einen allen Mann sich
vor versammeltem Publikum lächerlich
machen zu sehen!" andwortete sie, halb
zerstreut, indem ihre blüthenweißm
Finger eifrig damit beschäftigt waren,
eine Orange kunstgerecht zu zerlegen.
„Mit nichte», mit Nichten, Madame,
wir wollen uns gern belehren lassen
ich mache grundsätzlich jede Konfe
renz mit, religiöse, politische, soziale"
fiel einer der Gäste ein, „En-tout
oas" genannt, weil er überall lnbn
war und das Geheimniß verstand, sich
an einem Abend zu verzehnfachen, ein
Dreißiger, hager, zäh, mit stetig wech
selndem Augenausdruck und zickzackar
tigen Bowegungen.
„Ich bin auch für den Völlerfrieden
warum nicht?" sagte Viktor. Und
einen Blickespfeil nach seiner Frau
hinschnellend: „aber nachdem, wohl
verstanden!"
Alle bei Tisch wußten sofort, daß er
„nach der Revanche" meinte.
„Selbstverständlich —" murmelte
der alte laminet kleinlaut. Das kam
wie ein Seufzer heraus; er schien den
ganzen Abend über schon so gedrückt.
Und Boulari>d«? Was meinte er von
der Sache? Ach, er halte keine Zeit! Er
bewunderte eben das graziöse Finger
spiel der angebeteten schönen Frau.
„Ich meine, man könnte sich die Sal
baderei schenken," warf er zerstreut
gen die quetschende Marter eines dum
pfen Saales zu vertauschen.
„Gibt es eine Gelegenbeit für Sie,
Sache verdient zu machen, so ist es
diese!" sagte Viktor, ärgerlich über
fortgesetzte Lauheit. „Sie
„Viktor!" flammte Gertrud auf,
Teller." " >rr e aus
beruhigte sie Boulari'de mit seinem
süßesten Lächeln.
Und ein innig dankbarer Blick aus
ihren Augen belohnte ihn für dies Ver
sprechen.
„Allons, der Friede, meine Herr
schaften!" rief „En-tout-cas" liebens
würdig. mit einer gezackten Gest? das
Glas erhebend. Man stieß lachend
darauf an.
stammelte^der alte laminet, wie er
leichtert durch das Wort. Und er
leerte den Inhalt des Glases mit einer
Art seierlicher, abergläubischer An
dacht. als müßte sich dadurch der
Frisde, ach der Friede, der den fern:-
Ren Bestand seines Hauses bedeutete,
beschwören lassen.
Ball, keine Gesellschaft frei von
Phrasen. Heuchelei, Lüge, Thorheit,
Intrigue, Neid und Leidenschaft. Sie
hatte oft der Feigheit angeklagt,
schier sträfliche? GlUckesdurst, der sie
Schweigen zu bringen.
Wohlig zurückgelehnt in den Sessel,
die Fußspitzen auf das Kamingitter
stützend, saß sie schon über eine Stun
de; mechanisch wandle ihr« Hand die
Seiten einer Revue, und ihre Blicke
flatterten zerstreut Mischen den Zei
len; zuweilen sank das Buch herab
aus das wechselnde Gluthleben des Ka
minfeuers gerichtet. Jetzt glimmte und
rung über den heuchlerischen Zwang,
in Gertruds. Antlitz schien das
Der Diener? Oder die Zofe? Nein,
warmes Plätzchen bittet.
~'n Tag Papa! Wie kommst Du
denn? Aber gern, recht gern! Du
schon zum Sitzen einlud. „Komm, es
ist wohl kalt draußen Du scheinst
zu frösteln?"
„Belästige ich Dich nicht? Was
längst solche Mühe! Er hätte sich längst
Papa? Ich dachte es mir. Mir thäte
so etwas im Herzen weh."
Er schlug mit der schlaffen Hand
fortbleiben sollen! Er leistet niemand
einen Dienst. Friede (der heisere
Ton emes Lachens, ohne die Miene
stände, diesen Friedensapostel todtzu
schlagen —"
„Herrgott!" schrie sie aus.
men und sein Schritt hatte die frühere
elastische Festigkeit eingebüßt. Er war
alte längst nicht mehr, und der
der beiden Gatten, als man der von
Egoismus durchsetzten Natur des ein
gefleischten Kaufmanns zugetraut
hätte. War dies ZerwUrsniß nicht ein
verhängnißoolles Symptom, das den
det? Ja er fühlte schon das ferne Nol
austcben und die gefährdeten Funda
mente würden sich als standhaft erpro
ben. Aber heute Abend, dort im Saal
Baucouleur, war ihm plötzlich die Ge
wißheit aufgeleuchtet, daß das wuth
lx'sere Kreischen des Deliriums die
Summen der Vernunft zu überschreien
im Begriff su.
„Um Gottes willen was ist? Was
redest Du für schreckliche Worte, Pa
pat! Was ist geschehen?"
„Ich wiederhole Dir Du mußt
das Todtschlagen nicht wörtlich neh
men, Gertrü. Es wurde kein Knüttel
gegen sein ehrwürdiges Haupt erho
„Hat man ihn nicht reden lassen?"
„O gewiß. Ich habe ihm eine halbe
Stunde lang zugehört, und dann ging
ich. Ich hatte genug."
„Wieso? Er ist ein wenig Phantast,
aber voll Herzensgute. Er verdient
nicht, daß man ihn schlecht behandelt."
„Er hat ein zähes Fell und scheint
gegen Spott und Hohn abgehärtet,
nach Prophetenart. Zuletzt erst ah,
was soll ich Dir erzählen? Es war
nicht sehr hübsch durchaus nicht
hübsch —"
Plötzlich fuhr er aus diesem Mur
meln auf und schlug mit den flachen
Händen auf die Stuhllehnen: „Denk
Dir, Gertrü —" rief er mit bitterer:
Grimm „Denk Dir, Aber der Red
nerestrade prangte die Devise: lid<-rt6
— krat?ruit6. Wir Fran
zosen fühlen nicht, welche Blasphemie
wir fort und fort gegen die heiligen
Worte begehen!"
„Ihr habt keinen Anspruch mehr
auf Eure angestammte Höflichkeit
nimm mir das nicht übel, Papa. Al
les möget Ihr sein, aber liebenswür
dig nein!"
Es fuhr ihr wie ein lang verhaltener
Zorn heraus, und ihre Augen funkel
ten erregt.
Wieder sank sein Kopf herab und
starrten die Auge» unter dein Grau
mit einem Nicken bekräftigend. Weh
müthig zitternde Fältchen schnitten
über seine Mundwwkl.
Zweiundzwanzigstes
Kapitel.
Ja, es war nicht sehr hübsch gewe
sen. Ein länglicher Saal mit niederer
schauer fettig braun, wie mit glänzen
der Oelfarbe gestrichen. Nur die Hälfte
der Gasflammen des Kronleuchters ist
angezündet, und das gelbliche Licht
dieser Flammen zuckt im regelmäßigen
Takt, als wäre ihm der Athem zu kurz
in der schweren, verdorbenen Luft des
überfüllten Saales. Alle Bänke sind
dicht besetzt, im Mittelgang steht eine
festgekeilte Menge gleich einer Mauer;
darüber ragen die unförmlichen Zwei
master einiger Gendarmen. Lauter
fröhlich grinsende Gesichter; eine Art
Gassenjungenlächeln scheint allen ge
meinsam: denn man will sich unter al
len Umständen amüsircn! Selbst die
Gendarmen haben ihr« pedantische
Amtsmaske gegen dies Grienen des
Juxes vertauscht.
Zuerst ein wüster, wühlender Lärm,
der mit lachenden Flüchen begleitete
Kampf um die Plätze; das Wiehern
eines überaus dankbaren Publikums
über das Bonmot eines Spaßvogels;
die Ungeduld, die sich mit kräftigen
Rufen Luft schafft. Auch die Gas
flammen wollen das ihrige zu dem
Skandal beitragen und sie zischeln
übermüthig dazu.
Noch immer ist die Estrade leer. Und
der Gegensatz der großen leeren Holz
fläche, auf der das einsame, mit einem
verschossenen grünen Tuchfetzen belegte
Tifchlein mit seinen zwei Lichtern und
dem üblichen Glas Wasser steht, gegen
die quetschende Ueberfiille des Zu
schauerraumes, scheint die Ungeduld
noch zu reizen. Jetzt beginnt man hin
ten in der Ecke mit den Füßen zu
trommeln, und sofort pflanzt sich das
Signal über den ganzen Saal fort,
ein ohrenbetäubendes Stapfen und
Stampfen und Dröhnen der Fuß
boden erzittert, die Wände scheinen zu
wanken und die Scheiben des Oberlich
tes klirren.
Endlich! Da ist er!
Ein ungeheures „A —ah!" empfängt
den Apostel, wie er in seiner vorwärts
schiebenden Art angefchlürft kommt,
im viel zu weiten, schlotternden Frack,
dessen Taschen wiedet wie gewöhnlich
mit Schriftstücken und Broschüren
vollgestopft sind, ein naiv kindliches
Lächeln über der weieen, unordentli
chen. weißen Halsbinde.. Die linkische
Verbeugung der lanK» Gestalt im
Verein mit diesem kindliches öächeln
entfesseln «inen höhnenden Bradv
„Pfcht! Ruhe! Laßt ihn doch reden!"
die Worte, die die hölzernen, rechin-in
keligen Gesten des Redners begleiten,
werden hörbar. Eine Stille, die fast
.geinsend gespannten Mienen horch! al
les nach ihm hin, und ein« Weile be
lauscht das nicht inkorrekte Franzö
sisch des Engländers, das nur durch die
man die Studiertheit des Schreibti
sches anmerkt, mit einer gewissen ein
tönigen Salbung vorgetragen. Es
hier und 'da regt sich die Ungeduld
.Telemach!" ruft einer.
Das ist's! Langweilig wie das erz
klassische Buch, mit dem man auf der
Schule das Stilgefühl der Jugend
glättet. Das sieht nicht nach einen»
Amüsement aus und deshalb ist
man doch da!
„Was wollen Sie d«nn da oben?"
! „Wir sind hier nicht in der Kirche!"
„Einen Witz Hella, einen Witz!"
„Reden lassen!" hallt es in die von
allen Seiten keck aufschnellenden Stim
„Der Friede... hört, er ist endlich da
ran! Jetzt beginnt's! Er hat von sei
nem Frieden angefangen!" Jetzt kann's
lustig werden. Der ewig« Völkerfriede
giebt es etwas Köstlicheres als die
se Narretei?
Wieder verlrerb er sich in einen
Phrasenschwulst, der die edenhaften
Segnungen des künftigen Jdealzu
standes beschreibt. Noch läßt man ihn
gewähren, noch erduldet man das Rie-.
fallende Scherze werden noch mäßig be
lacht, aber das Grren«n und Grinsen
ist längst xur Explosion reif. Selbst die
Büste der Freiheitsgöttin, die sich über
dem Kopfe der eifrig gestikulirenden
Gestalt erhebt, scheint eine ironisch«
Grimasse zu schn«iden unter ihrer Ja-
Plötzlich schallt der laude Ruf durch
Es ist wie «in Funke, an dem sich
der verhaltene Skandal entfacht. Das
Grienen und Grinsen verzerrt sich in
aufgeregte Hassesmienen, so aufsta
chelnd wirkt der Name.
„Ein Spion! Ein Agent Bis
marcks! Ein Preuße! Hinaus
mit ihm! Herunter!"
Die wüthenden Droh rufe mehren
sich. Das ist's! Daß sie sich alle von sol
cher Friedensschalmei bethören ließen!
Niemand anders als Bismarck ist im
Spiel!
„Man will uns provoziren! Her
unter mit dem Spion!"
Die Aufregung wächst Trom
meln mit den Füßen ironisches
Händeklatschen schrille Pfiffe
heulende Töne jetzt flieg«» scharfgel
lende Verwünschungen geballte
Fäuste werden nach der Estrade ge
schwungen „Hinaus! Hinaus!
Hinaus!"
Inmitten dieses ungeheuren Lärms,
der ihm entgegenbrandet, hält immer
noch der Apostel und seine langen Ar
me fahren unentwegt fort, die Worte
seiner Lippen zu begleiten, die spurlos
von dem Lärm verschlungen werden.
Mit nervöser Bewegung greifen die ge
krümmten Finger jetzt öfter, gleich ei
nem Kamm durch die moosartigen
Büschel feines Backenbartes, und seine
dunklen Augen glühen lebhafter unter
den leise wetternden Brauen. O, er ist
solche Szenen gewöhnt! Er weiß, daß
seine Idee sich erst durch feindliche Ver
halle von Vorurtheilen Bahn brechen
muß. Auch er ist bereit, sich als Mär
tyrer für sein Ideal in Stücke hauen
zu lassen.... Einmal reckt er sich auf,
als wolle er sagen: „Hier bin ich!
Kommt und schlagt mich doch todi!"
Doch nun ist's genug des Heulens
und Drohens! Und wenn der Bis
marck-Agent nicht gudwillig geht....
Plötzlich springt Jemand mit einem
Satz auf die Estrade neben das Tisch
chen «ine feiste Gestalt mit einen,
borstig behaarten Grautopf und fana
tisch flackernden Augen. Ein Hurra
und Bravo begrüßt ihn.
„Wer ist's?"
„Nun, Lasosse Sie kennen doch
Lafosse —"
„Ah, der!" Gewiß kennt man ihn.
Derselbe, der das Preußennest verlas
sen und sich seitdem aus den patrioti
schen Märtyrer ausspielt. Ein schlauer
Macher, der aus den Umständen Kapi
tal zu schlagen weiß.
Lafosse beginnt zu reden, als wäre
der Andere gar nicht da; jetzt übertönt
die knarrende Stimme des ehemaligen
Buchhalters das Chaos. Und fast ko
misch ist's zu sehen, wie es den Anschein
hat, als machte der Engländer neben
ihm, der sich auch durch diese unerhörte
Herausforderung noch nicht aus dem
Text hat bringen lass«n, die begleiten
den Gesten zu dem Geknarr.
Was, will der verrückt K>erl denn
immer noch nicht weichen? Das ist zu
arg! welche Unverschämtheit! Allgemei
nes Erheben: „Hinaus! Hinaus!
Hinaus!" brüllend, johlend, kreischend,
fluchend, in allen Tönen.
Wieder zittert der Fußboden, wie
der scheinen die Wände zu wanken.
Und das schnellere Zucken der Gas
flammen gibt der Szene ein noch wil
der erregtes Ansehen.
Der alte laminet war erbleicht, als
er Lafosse dort auf der Estrade erblickte.
Was kann der wollen? Es ist selbstver
ständlich. daß der Buchhalter die Ge
legenheit ergreift und sich endlich für
die ihm geschehene Ausweisung rächt.
Wenn erst der Lärm sich gelegt hat,
wird er das lang verhaltene Gift ge
gen das Haus laminet ausspeien.
Schon reckt sich sein Arm mit dem Zei
gefinger er weist auf Jemand im
Saal. Ihm gilt das Weifen, ihm, Ja-
Jetzt glaubt er deutlich seinenNamen
zu hören, der ihn; mit einem Zischton
entgegen fliegt. Vor seinen Blicken
schwankt es er meint alle Köpfe sich
loenden und alle die von der Wuth ver
zerrten Gesichter nach ihm hingrinsen
zu sehen. Unker seinen Füßen bewegt
sich wirklich der Boden „Hinaus!
Hinaus!" Gilt das Wuthgeschrei nicht
ihm?
Wie unter den Geißelhiebe» dieses
„Hinaus!" machte er sich davon. Ta
pferkeit war nie seine Sache gewesen.
Er wußte nun, wie es um ihn und die
Existenz seines Hauses stand; wie ver
nichtet schlich er über die Straße nach
seinem Heim. Der Portier, die Diener
schaft empfingen ihn, so meinte er, mit
verächtlich-mitleidigen Blicken. Die
wußten schon! Ah. es war ja nur eine
Täuschung gewesen! Aber Lafosse, die
racheschnaubende Erscheinung dort in
dem zuckenden Licht, war kein Erzeug
niß seiner Erregung. Die Rache kommt
ivenn nicht h-euke, so morgen: das
„Hinaus!" hängt in der Luft. Fort
und fort gellt es ihm in den Ohren.
(Fortsetzung folgt.)
Isür die Küche.
Pflaumensuppe. Ein PfunL
ausgesteinte Pflaumen locht man mit
reichlich einem Quart Wasser, etwa»
Zimmt, Citronenschale und zwei in
Scheiben geschnittenen Milchbrötchen
weich,streicht die Suppe alsdann durch
ein Sieb, vermischt sie mit Zucker und
nach Belieben mit etwas Wein, läßt sie
einmal aufkochen und richtet sie über
geröstete Semmel oder Zwieback an.
Gehackter Weißkohl mit
Sahne. Die von den Rippen be
freiten Kohlblätter werden gewaschen,
blanchirt, gut ausgedrückt und givü
körnig gehackt, mit einer feingehackten
und in Butter weißgeschwitzten Zwie
bel, Fleischbrühe und ein wenig Salz
aus gelindes Feuer gesetzt, gut zuge
deckt und unter öfterem Umrühren
langsam weich und kurz eingeschmort.
Dann kocht man von Sahne mit etwas
Weißmehl eine dickseimige Sauce, ver
mischt diese mit dem Kohl und fügt ein
wenig Zucker, Muscatnuß und Pfeffer
hinzu; nun läßt man den Kohl noch
ein Weilchen ganz sacht schmoren. Nach
Belieben und Geschmack kann man den
Zucker auch.weglassen. Als Beilage
gibt man Cotelettes oder Saucischen.
Pichel st einer Fleisch. Man
nimmt hierzu ein Stück Rindslende,
hackt dasselbe sauber ab und schneidet
es In nicht zu kleine Würfel. Kartof
feln werden geschält und in dünne
Scheiben zerschnitten, einige Zwiebel
scheiben mit Butter weich, doch nicht
gelb geschmort. Man bestreicht den
Boden einer Form, mit gut schließen
den, Deckel, fett mit Buiter, legt eine
Schicht Kartoffeln hinein, darüber eine
Lage Fleisch und einige Zwiebelschei
ben und fährt abwechselnd so fort, biZ
die Form beinahe gefüllt ist, bestreut
auch jede Lage mit dem nöthigen Salz
und legt ein Stück Butter darauf, auch
kann man etwas zerstoßenen weißen
Pfeffer oder zerpflücktes Lorbeerblatt
hinzugeben. Schließlich gießt man et
was dicke Sahne über das Ganze,
schließt die Form fest zu, stellt sie in
siedendes Wasser und läßt es zwel
Stunden ununterbrochen kochen.
Sollte die Suppe, welche sich in der
Form selbst gebildet hat, zu dünn sein,
so füllt man sie ab, kocht sie schnell mit
ein wenig in Wasser klar gequirltem
Mehl sämig ein und gießt sie wieder
auf die Speise. Auch aus Rindfleisch,
niageremSchweine- und jungem Ham
melfleisch kann man Pichelsteiner
Fleisch bereiten. Man nimmt von je
der Fleischart zu gleichen Theilen.
Miridon vo« Kartoffeln
mit Schweinefleisch. AuS ei
nem Pfund Schweinefleisch von der
Keule schneidet man fingerdicke, thaler
große Scheiben, welche man klopft und
mit Salz und Pfeffer bestreut. Mit
etwas Zwiebel und Gewürz dämpft
man nun die Stückchen in gutem Fett
gelbbräunlich und weich. Sodann but
tert man eine Form und gibt schichten
weise das Fleisch mit geriebenen Kar
toffeln hinein, gießt während des Ein
legens einige Löffel guter Bratensauce
darüber und zuletzt eine Tasse kräfti
ger Fleischbrühe. In heißem Ofen
schön gelb gebacken, stürzt man die
Speise auf eine erwärmte Schüssel
und gibt eine Sardellen- oder Kapern
sauce dazu.
Bayrische Kartoffeltorte.
Ein Viertel Pfund Mandeln werden
abgewaschen und nachdem sie mit
einem sauberen Tuche trocken gerieben
sind, mit der Schale gröblich gestoßen
oder gewiegt. Sodann schlägt man
zwei ganze Eier mit einem Viertel
Pfund gesiebtem Zucker schaumig, gibt
die gestoßenen Mandeln, eine Messer
spitze fein gestoßene Nelken, einen
Theelöffel Zimmet, die fein gehackt«
Schale einer Citrone und nach Belie
ben etwas geriebene Muscatnuß und
zuletzt ein Pfund gekochte, gerieben«
Kartoffeln dazu. Nun verarbeitet
man alles zu einem Teig, rollt mit
Hilfe von wenigem Mehl eine runde
Teigplatte in der Stärke eines Feder
kiels aus und belegt mit dieser eine ge
butterte Tortenform. Um den Rand
legt man eine fingerdicke Teigrolle,
nachdem man denselben vorher mit
Gelbei bestrichen hat, damit derselbe
gut hält. Nun füllt man den Raum
der Torte mit einer feinen Marmelade
oder eingelegten Himbeeren, Johannis
beeren und so weiter und macht vom
übrigen Teig ein hübsches Gitter da
rüber. Auch dieses bestreicht man mit
Gelbei und backt die Torte in gut ge
heiztem Ofen. Sobald sie gar ist,
wird sie mit gesiebtem Zucker bestreut.
Rothe Grütze. Man vermische
ein halbes Quart ausgepreßten Him
beersaft mit einem Viertel Pfund
Zucker und soviel Wasser, daß alle?
zusammen ein Quart Flüssigkeit aus
macht. Diese bringe man zum Kochen
und gebe dann eine Tasse Gries hinein
und rühre es, bis es gar gekocht ist.
Dann füllt man es in eine mit Wasser
ausgespülte Form, lasse es erkalten,
stürze es und gebe süßen Rahm dazu.
Chocolade - Creme mit
Wein. Man kocht ein Quart Roth
wein mit einem halben Pfund Choco
lade und 7 Unzen Zucker. Dann
mischt man eine Unze aufgelöste Hau
senblase. weiße oder rothe, hinzu, und
verrührt alles sehr feip; besser noch,
man streicht die Masse durch ein Haar
sieb. Sodann mengt man den Schnee
von vier Eiweiß darunter, füllt die
Creme in eine hübsche Form und stellt
sie auf Eis.
Eine strenge Mutter.
Kartcheti: „Papa, darf ich nicht einmal
an Deinem Käse riechen?" Vater:
.Gern, mein Kind." Mutter: „Aber
Mann, wie kannst Du das Kind nur
so Maßlos verziehen!"
Wink. Herr: „Ihre Frau Ma»
ma stottert?" Fräulein: „Aller
dings aber „ja" kann sie fliehend?
sagen." 3