Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, September 24, 1896, Page 2, Image 2

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    2 Z>er älteste Lieöesörief.
Das Britische Museum in London
besitzt eine kleine auf einen Ziegelstein
tische Prinzessin. Liebesbr^f
aus dem Jahre IKOO vor
älteste Epistel seiner Art. Als solcher
des gelehrten Dominikanerpaters
Scheit sich jetzt in Konstantinopel be
findet. Die schlichten Worte, mit de
nen der Briefschreiber an feine Ge
liebte oder sein Weib sich wendet, wer
den nicht verfehlen, das menschlich«
sympathischerWeis« vorzuführen. Nun
der Wortlaut des Schreibens: „Der
Bibia sei Folgendes kund: was mich,
Gimil-Marduk, anlangt, so mögen die
Götter Samas (Sonne) und Marduk
(der bibl. Merodach) um meines Na
mens willen (das ist: aus Liebe zu
mir) dich ewig leben lassen. Ich sende
hiemit (Anfrage) um Nachricht über
dein Wohlergehen; sende mir Kunde,
ob es dir wohl geht. Ich befinde mich
(augenblicklich) in Babel und habe
Dich nicht gesehen, weshalb ich sehr
beunruhigt bin. Sende mir doch Nach
mich freue; komme im Monat Arach
samna (Marcheschwan). Um meines
Namens willen (d. i. mir zu Liebe) !
mögest du «wig leben." Daß die Bi
bia nicht etwa eine Mutter ist, sondern !
sein« Geliebte, die der Schreiber offen
bar in Babel zu finden erwartet hatte,
geht aus einem andern Schreiben her
vor, das ein Sohn an seinen Vater
richtet, und das beginnt: „Meinem!
Vater s«i Folgendes kund u. s. w."
Denn wäre die Bibia die Mutter d«s
Schreibers, dann hätte er, schon aus
Ehrerbietung, seinen Brief nicht an
ders als mit „Meiner Mutter Bibia"
begonnen. Da auch dieser zweite
Brief höchst characteristisch sür das
Privatleben der Babylonier jener Zeit
ist und eines humoristischen Beige
schmacks nicht entbehrt, so sei auch er
zum Schluß den Lesern vorgeführt:
„Meinem Vater sei Folgendes kund:
was mich, Zimri-era anlangt, so mö
gen Samas und Marduk dich ewig le
ben lassen; es möge dir Wohlergehen.
Ich sende hiemit (Ansrage) um Nach
richt über dein Wohlergehn! sende mir
Kunde, ob es dir wohlgeht. Ich be
finde mich hier in der Stadt Dur-
Sin. Da wo ich mich befinde, gibt es
keine Nahrungsmittel für mich zum
essen. Siehe, ich siegle (d. i. lasse ab
stempeln) ein Drittel Sekel Silber
und s«nde es dir; schicke für dieses
Geld gute Fische und andere Lebens
mittel für mich zum essen". Gerade
die Begleichung dieser beiden Brief«
ist psychologisch hoch interessant: hier
die yiehr mat«ri«lle Magensrage, di«
dem Sohn den Griffel in die Hand
drückt und dort di« zärtliche Beforgniß
um Nachricht von dem Aufenthalt und
Wohlergehen der Geliebten, wob«i noch
b«sond«rs auf das zweimal wieder
holte „um meines Namens willen (d. i.
aus Liebe zu mir)" aufmerksam ge
macht sei. Beachtenswerth ist auch,
sür sein« Auslagen gleich mitschickt.
Wenn einmal in weiteren 3V(X> Jah
ren die Postkarte eines deutschen Stu
denten, worin er an seinen Vater um
Geld schreibt, neben diesem altbaby
lonischen Bittbrief in ein und demsel
ben Museum liegen wild, dann wird
der Vergleich gewiß zu Gunsten des
babylonischen Bittstellers ausfallen.
Die Innigkeit und Zartheit der Lie
besbriefe jedoch bleibt in allen Jahr
tausenden die gleiche, nur daß viel
leicht das Schlichte des Ausdrucks je
nach den verschiedenen Zeiten wechselt
-und späterhin gelegentlich durch senti
mentalere Töne ersetzt wird.
Ei« Jahr.
Äon Käsern ein gülden Gewimmel,
Ein Rauschen wie rieselnd«! Blätter
Fall.
And drüber der blaue Himmel.
Am Beden flimmerndes Silber ver
streut.
Nicht «ndenwollendts Feiern. ,
Es klopft wie mit Kindersing«r»
An'i sonnenlaue Eis,
Ein Neigen von Ast zu Äst,
Die Nester voll junger Last.
Der Käfer gülden Gewimmel,
Der müden Blälter Rieseln
Und drüber der blaue Himmel.
Gutes Zeichen. Herr:
«Nun, hat sich die Schwerhörigkeit Jh
— Der kranke Trinker..
Arzt: „Bekommt der Kranke auch re-s
gelmößig seinen Lössel Tokaier?"
Wärterin: „Selbstverständlich; mit
z«hn Eßlöffel voll ist er schon im Vor
schub!"
Stille Wasser.
Sieh doch, Mutter, da unten fährt
Else Strombrrg mit ihrem Bräutigam
vorüber."
Die verwittwete Frau Majorin
Klettke, an welche diese Worte gerichtet
waren, murmelte zur Erwiderung ei
nige unverständliche Worte, nicht weil
die Bemerkung ihrer Tochter sie kalt
gelassen hatte, sondern weil dieselbeOel
ins Feuer goß. Sie halte ihre Tochter,
Frage vorgelegt, warum dieses herr
liche braune Haar, dieser zarte, rosig
angehauchte Teint, diese dunkelblauen
die schönsten Partien machten.
„Und diese reizende Figur!" brumm
te sie vor sich hin, als Erna sich jetzt
erhob.
„Was sagtest Du, Mutter?"
„Ich sage, daß Du ebenso gut wie
Else Stromberg verlobt sein könntest,
Du nicht den Männern gegen
„Ach was, man muß es nur ver
stehen. Jetzt bist Du bereits einund
zwanzig Jahr« all, alle unsere Be
kannten wünschen, daß Du einen gu
ten Mann kriegen möchtest "
„Aber ich kann doch nicht auf allge
„Und alle würden Dir dazu verhel
fen, wenn Du nicht so kalt wärst. Der
Assessor machte Dir auch den Hof, und
nun geht er hin und verlobt sich mit
Elf« Stromberg."
„Es bleiben ja noch genug Männer
übrig."
„Wenn Du wenigstens deutlich er
klären möchtest: Ich will gar nicht Hei
rathen, dann wüßte man doch, woran
man wäre."
„Ich habe nichts gegen eine Heirath."
„Dann thu' auch etwas dazu. Wa
rum gehst Du immer gekleidet wie
Aschenbrödel? Vielleicht glaubst Du,
wenn Du so ärmlich angezogen gehst,
wird Dich einer aus Mitleid nehmen?"
„Nicht doch, liebe Mutter," lächelte
Erna. „Ich glaub« nur, wenn ich mich
kostspieliger kleidet«, müßten wir un
ser kleines Capital angreifen, und
das wirst Du doch selbst nicht wollen."
Die Majorin schwieg und versank in
tiefes Nachdenken. Plötzlich sprang sie
auf und rief mit der ihr eigenen Leb
haftigkeit:
„Ja, wir werden das Capital an
greifen, und nicht nur angreifen
nein, ich setze das ganze Geld auf eine
Karte —"
„Mutter, Du willst doch nicht nach
Monaco fahren?"
„Nicht nach Monaco, aber nach ir
gend einem fashionablen Badeort. Ich
will nicht hier unterm Dach mit Dir
versauern. Du weißt, Erna, wenn ich
einmal einen Beschluß gefaßt hab«,
bleibt es dabei. Wir lassen uns schöne
Toiletten machen und reisen ab."
„Du wagst, Mutter, unser Capi
tal "
„Die paar tausend Mark werden den
Kohl nicht fett machen, und wir sind
doch bis jetzt ohne das Geld ausgekom
men. Nein, nein, keine Widerrede, es
wäre Sünde und Schande zu warten,
bis Du eine alte Jungfer bist, und das
wirst Du werden, denn der eine Hei
rathscandidat, der alljährlich in un
serm kleinen Neste auftaucht, hat hier
zuviel Auswahl. Der geht Dir stets
mit Sicherheit flöten."
Ein allzu energischer Widerstand
lag nicht im Charakter der stillenErna,
und so fügte sie sich schweigend in die
Anordnungen der Mutter. Die Toi
letten wurden angefertigt, die Koffer
wurden gepackt, und zu Beginn der
Bade - Saison stand Frau Maiorin
Klettke nebst Tochter in der Kurliste vcn
Diese Kurliste in der Hand haltend,
saß die lebhafte kleine Dame, welche in
den ersten Vierzigern stand, aber noch
viel jünger aussah, in ein?m Zimmer
des „Hotel Weber", während Krna mit
den Koffern beschäftigt war.
„Herr von Meyer nebst Gemahlin—
Kommerzienrath Moosheim nebst Ge
mahlin und drei Töchtern Mül
ler, verwittweteKanzleiräthin mit zwei
Töchtern diese gräßliche Concur
renz! Hartmann. Rittergutsbe
sitzer unvßittmeister z. D. Hm! hm!
Der scheint keine Frau, auch keine Töc
hter bei sich zu haben Rittergutsbe»
sitzer und Rittmeister. Also sozu
sagen doppelt gerittert und wohnt
auch im „Hotel Weber" was meinst
Du, Erna, möchtest Du den haben?"
„Wenn ich bitten dürfte", sagte das
»unge Mädchen ironisch lächelnd.
„Nein, ich meine natürlich. falls er
haben ist, aber das werden wir bald
„Ich möchte Dir doch rathen, für
allr Fälle noch tinige Herren zur Re
ferk? aus der Kurliste herauszusu
chen."
„Rein, mein Kind, verstehst D»
nicht. Dein Vater sagte immer, beim
Angrfff muß man seine ganze Stärke
cuf em?n Punkt concentrircn.
Mit Ailfe des Wirthes sammelte sie
folgende Personalien des Rittmeisteis:
„Wittwer, Vater zweier Kinder!m
Alter von acht und zehn Jabren, dir
sich auf dem Gute unter Aufsicht einer
Gouvernante befinden. Alter teSßitt
meifters: Achtundvierzig. Charackr:
Wenn ihn seine Krankheit, ein Leber
leiden, plagt, mürrisch, sonst höflich,
aber zur Einsamkeit geneigt. Hat die
Erlaubniß, den Brunnen zu benutzen,
ehe er dem Publicum geöffnet wird.
Ist Punkt neun Uhr früh am Bsun
nen. Dann Bad und ärztlich«
Confultation. Nach der luble ck'dol«
einsamer Spaziergang im Walde mit
Zeitungslesen, Dann auf seinem Ziin-
nier. wo er die Berichte seines Verwal»
ters prüft und Briefe schreibt. Abends
Herren."
Ein dem Oberkellner gespendetes
reichliches Trinkgeld bewirkte, daß der
Rittmeister bei der 'l'udlo <l't»ote
Nachbar der Majorin wurde. Es war
ein großer, schlankerMann mit schwar
zem, graumelirtem Haar und Schnurr
bart, gelblichem Gesicht und scharf
blickenden. dunllen Augen. Ueberrafcht,
die unbekannte Dame als Tischnach
barin zu finden, stellte er sich ihr vor:
„Mein Name ist H —a —a—m."
„Ah, habe ich recht verstanden?"
fragte die Majorin mit ihrem freund
lichsten Lächeln, «Sie heißen wirklich
Hartmann?"
„Donnerwetter, die muß gute Oh
ren haben." dachte der Rittmeister, „die
versteht etwas, was man gar nicht
„Allerdings. Hartmann, meine Gn
ädige."
„Und natürlich ehemaliger Cavalle
des Majors Klettke, stand ein Lieute
„Wie sich das herrlich trifft, Herr
Rittmeister "
„Die hat den Satan im Leib", dach
te der Angeredete, „jetzt hat sie mir
trotz des Civils angesehen, daß ich
Rittmeister bin".
Mensch." fuhr die Majorin fort. „Ich
muß wohl sagen, er war mir der sym
pathischste unter den Officieren. An
unseren musikalischen Abenden war
«r der Eifrigste."
„Da muß er sich sehr g«ändert ha
ben. Soviel ich weiß, war ihm alleMu
welche die Parad« - Marsch - Pfeifer
der Compagnie machten."
„Vielleicht irre ich mich auch es ist
so lange her aber wie gesagt, ich
interessire mich noch immer für ihn."
Der Rittmeister murmelte etwas lor
sich hin, und bis zum Schluß derMihl
zeit war ihm nicht mehr als ein Ja
oder Nein zu entlocken. Nichtsdestowe
niger war die Majorin mit diesem An
fang zufrieden. Rom ist nicht an :in?m
Tage gebaut worden, sagte sie sich.
Freilich mußte sie ihre-„Angriffe" auf
die Z«it der l'uble ll'kot« beschränken,
bei welcher sie gewöhnlich ne
ben dem Rittmeister oder ihm gegen
über saß. Einmal machte sie das Expe
riment, ihre Tochter neben ihn zu pla
«iren. aber ohne Erfolg, dtnn Beide
sprachen nicht ein einziges Wort mit
einander.
„Du wirst mich um den Lohn meiner
Bemühungen bringen." jammerte sie,
als sie mit Erna allein war. „Du bist
gegen den Rittmeister so kühl, wie re
gen alle anderen Männern, und er
könnte doch Dein Vater sein."
„Das Letztere will ich nicht bestrei
ten."
„Aha, er ist Dir wohl zu alt?"
„Nein, Mutter, so unbescheiden bin
ich nicht. Ich weiß, daß ich keine An
sprüche machen darf."
„Vielleicht willstDu nicht gernStief
mutter sein?"
„Ich weiß nicht, Mutter, ich habe
allerdings noch keine Uebung darin,
aber—"
„Was nicht ist, kann werden, das
meine ich auch. Wir müssen jetzt zur
entschiedeneren Offensive iibergeh.'n."
„Ach, liebste Mutter—"
„Stille, keine Insubordination! Ich
bin der Generalstab, und Du hatt ein
fach meine Ordre auszuführen. Mor
gen früh werden wir um neun Uhr un
ser« Toilette beendigt haben."
«Mir recht, wenn Du—"
„Ich weiß, was Du sagen willst. Ich
werde meine Neigung zur Lcmgfchlä
ferei überwinden."
Als der Rittmeister am anderrMor
gen vom Brunnen kam, trat ihm die
Majorin entgegen, während Erna eine
Strecke zurückgeblieben war.
„Ach, mein lieber Herr Rittmeister,
wie freue ich mich, daß ich Sie zufäl
lig treffe."
Der Rittmeister schnitt eine Gri
masse und freute sich durchaus nicht.
Der Brunnen, der zu seiner Kur noth
wendig war, hatte immer eine fatale
Augenblickswirlung für ihn. Er ver
ursachte ihm Schmerzen, die nur da
durch gelindert wurden, daß er heim
eilte und sich aufs Sopha lege.
„Womit kann ich Ihnen dienen,
meine Gnädigste?"
„Mir ist gestern eingefallen aber
so lomm' doch hierher. Erna, der Herr
Rittmeister wird Dich nicht beiße»—,
Ihr Herr Better, der Lieutenant Hart-
Erna stieß ihr« Mutter heimlich cn,
um sie auf den Rittmeister aufmerksam
zu der in größter Unruhe sich
Seite bog. Die Majorin blinkte ihrer
Tochter zu. als wollte sie sagen: „Ich
habe es auch schon gemerkt, es ist das
erste Zeichen einer aufkeimenden Nei
gung."
„Was geht mich mein Vetter an,"
sagte der Rittmeister unwillig.
„Aber, Herr Rittmeister, wie böse
Sie ausseben! N«n habe ich ganz ver
gessen. was ich fragen wollte und
es war doch so wichtig——"
„Aber, Mutter," rief Erna, „wie
konntest Du ihn nur so quälen! Sahst
Du nicht, daß er grün und blau im
Gesicht wurde?"
Gesichtsfarbe ist das sicherste Merkmal,
daß der Gegenstand unserer Liebe in
der Nähe ist."
Offenbar glaubte aber die Majorin
selbst nicht recht an diese Auslegung,
denn als sich der Rittmeister an der
IÄKII- <l'l>»tv fortan noch reservirter
verhielt, stellte sie die indirekten „An
griffe" fast gänzlich ein. Die „indi
rekten" Angriffe nannte sie diejenigen,
welche sie selbst zu Gunsten ihrerTsch
ter unternahm. Nunmehr lag es in ih
rem Plan, Erna selbst zur Offensive
anzustacheln.
„Bedenke, liebes Kind, daß wir un
ser ganzes Capital eingesetzt haben. So
eher antreten, als bis ich mir sagen
muß: Wir sind endgültig besiegt, ge
schlagen."
„Aber, beste Mutter, ich begreife
nicht, warum Du Dich auf den Ritt
meister caprizirst."
„Ach, mein Kind, ich habe inzwischen
Umschau gehalten. Junge Leute giebt
es hier nicht viele, und die wenigen
sind entweder zu krank und haben
sie schlimmsten Falls ihrer Mttwe hin
terlassen können oder sie sind schon
versagt und von der Concurrenz in
Beschlag genommen."
„Wie kaufmännisch Du Dich aus
drückst, Mutter!"
„Meine liebe Erna, ich habe meine
heldenhafte Seite, um das Andenken
Deines Vaters zu ehren, und ich habe
meine commerzielle Seite, die vom
mütterlichen Standpunkte gerechtfer
tigt ist. Aber was ich sagen wollte, Du
wirst von jetzt an, während ich Min
Nachmittagsschläfchen halte, im Walde
spazieren gehen."
„Ja, liebe Mutter."
„Du gehst dieselben Wege, wie i-er
Rittmeister, mit träumerischem Aus
druck in Deinen Zügen, in der Hand
ein Buch haltend, mit Goldschnitt, in
rothem Einband am besten irgend
ein philosophisches Buch die Herren
lieben es, wenn wir Bücher lesen, die
wir nicht verstehen."
„Ja, liebe Mutter."
„Nun, da stehst Du wieder, als ob
Du nicht bis drei zählen kannst Tu
bist doch wirklich schon in einem Alter,
überflüssig sein sollten ich überlasse
Dir Alles Weitere und »rwarte täglich
Deinen Rapport."
Majorin fragte:
„Glaubst Du nun wirklich, daß er—
daß er Dich liebt?" erwiderte Erna
„Ja, liebe Mutter."
des AnHaltens wegen, geben."
Aber dazu schien der Rittmeister
nicht die geringste Lust zu haben. Da
faßte die heldenhafte Mutter den Ent
schen.
dete Wand und wär« vor Ueberra
fchung fast in die Erde gesunken. Erna
saß auf einer Bank und hatte ihreHrnd
einem jungen Manne überlassen, der
dieselbe wiederholt küßte.
Mit einem Schrei fuhr Erna lm
stand.
„Mein Herr Badearzt," wandte sich
die Mutter an den jungen Mann, der
„Ihre Consultationen scheinen seltsa
mer Natur zu sein."
„Liebe Mutter," nahm Erna statt
„Ja, gnädige Frau, ich bitte um die
Hand Ihrer Tochter."
„Aber so schnell, gleich bei der ersten
Begegnung—"
„Nicht doch, Mutter! Beinahe so
„Jeden Nachmittag? Mit Kurt?
fürchte ich werde ohnmächtig. >'err
Doctor. wieviel Gehalt haben Sie?"
Der Arzt nannte eine anständige
entfernte Bank nieder.
„Statt des doppelt Geritterten nur
ein einfacher Arzt", dachte sie bei sich,
„Ach Sie sind es. Herr Rittmeister,
als ich beabsichtigte. Das wird unc I
prächtige Doppelhochzeit giben."
Der Hramukünstler. Z
" Pcler Rosegger.
Eines Sonntags Nachmittags saß
ich in jeyein Bauernwirthshause und
voller Fliegenpunkte und draußen war
trostloser Salzburgerregen. Anstatt
auf der so schön aucgedachten Berg-
Greis.
den, aber es kann auch noch eine Zeit
wild bleiben." Ich hatte also nur ei
nige ganz gleichgültige Worte gesagt,
die der Wirth ebenso gleichgültig be
antwortet. Meine Zeche hatte ich schon
bezahlt, daher begriff ich nicht recht,
warum «r immer noch bei mir am Ti
sche sitzen blieb. Dabei sah mein Wirth
so grämig drein, daß ich die Pflicht
fühlte, ihn zu unterhalten.
„Wer ist der Alte dort beim Ofen?"
fragte ich.
«Ist der Kohlenrabler"
„Kohlenrabler, was ist das?"
„Der vom Kohlenschoppen die Koh
len in die Schmiede tragt, unten beim
Hammerwerk."
„Was macht er denn jetzt?" fragte
ich weiter. Denn der Mann am Ofen
that an einer schwarzen Wurst herum
und rieb an etwas Glänzendem, das
daran war.
„Sein Spektivel (Perspektiv) putzt
er," belehrte der Wirth und setzte, auf
einmal ganz überraschend gesprächig,
bei: „Ja, ja, der Augustelist ein gar
großer Herr."
„Wer? Der Alte dort? Der Koh
lenrabler?"
„De» Kohlenrablet. Gehen's nur
Ich trat zum Ofen hin und der
Wirth, als er mich vom Halse hatte,
siffelte sachte zur Thür hinaus.
„Na, wie geht's, wie geht's, Alter?"
redete ich den Greis an. Dieser rückte
seinen stoppelbartigen Kinnbacken zu
recht, wetzte mit der Zunge die Lippen,
wobei ich nicht einen einzigen Zahn
sah, blinzelte mit den kleinen Rund
äuglein und sagte mit einer zarten,
fast piepsenden Stimme:
.Ist die Frage dem Auswendigen
vermeint, ode» dem Einwendigen?"
Weil ich auf diese Antwort hin ver
blüfft war, so rückt« der Alte ein wenig
weiter in den Winkel hinein, als ob er
mir an seiner Seite Platz machen woll
te, und fuhr fort: .Das ist halt nit so
einfach, mein Mensch. Dem Kohlen
rabler ist sie vermeint? Du, hör' ein
mal, der Kohlenrabler ist ein armer
Schrägen, der geht den ganzen lieben
Tag zwischen dem Schoppen und der
Schmiede hin und her mit seinem
Korb und tragt Kohlen. Kohlschwar
ze Kohlen. Auf dem sein Gesicht kannst
mit dem Finger weiße Stricheln ma
chen. so schwarz ist es. Das ist «in
langweiliger Nötler, der Auswendige,
den mag ich selber nit und bin allemal
froh, wenn ich ihn auf den Abend ins
Stroh wevfen kann. Nachher wird der
Andere munter, der Einwendige. Du
der!" Bei dem letzten Worte hob er
seine Stimme zum Tone höchsten Re
spektes vor dem „Einwendigen". Ich
saß bei solchenWorten ganz rathlos da,
so lugte er mich schmunzelnd an, hub
von der Bank sein Fernrohr auf und
sagte: „Was ist das? Das ist ein
Spektivel. Schauest jetzt durch, so
siehst gar nichts. Alles kohlschwarz.
Ziehen wir's haA einmal auseinan
der. Er that's, so daß das Rohr nun
zwei Längen gab. „Guckst jetzt durch,
siehst auch nicht viel. Ziehen wir's
halt noch einmal auseinander." Er
zog das dritte inwendige Rohr hervor,
das Instrument war jetzt so lang, wie
«in« Elle. „Nu guck einmal durch!"
Ich hielt das Rohr gegen das Fen
ster, lugte hinein, sah aber nichts, als
eine graueScheibe mit wogendem Perl
mutterschimmer. Das Glas war
durchaus schadhaft.
„Siehst du's jetzt?" fragte der Alte.
„Ich sth« ni^ht«,--?
mir daS Rohr aus der Hand, „man
sieht ja eine schöne, lichte Weltkugel.
Und das, mein Mensch, ist auch ein
Gleiches. Der alte Kohlenrabler ist
auch so ein Spektivel mit drei Röhren.
Wenn ich auf den Abend das Gewand
auszieh', da ziehe ich halt das erste
Rohr herab. Wenn der müde Mensch
leib nachher einschlaft,da ist das zweite
Weltkugel. Das ist der Augii
steigen, ich lunnt zeigen, was der
für ein hoher Herr ist. Solllest du
mit dem Augustel reden wollen, so sag'
gutwillig: Euer Majestät!" .
ich. Habe aber meine Meinung ein
wenig ändern müssen. Denn es kam
heraus, daß ich die Ehre hakte, mit ei
nem Philosophen zu sprechen, mit ei
nem Dichter und Künstler, kurz, mit
einem großen, gottbegnadeten Narren.
.Sein thut's halt so,' sagte der ge-
sprächige Alte. „Auf den Abend, wenn
der Kohlenrablev einschlaft, wacht der
Augustel auf. Und stehen sie schon all«
um sein seidenes Bett herum, die Ho
senanleger und Stiefelanzieher, di«
und Haarkräuslerin
nen und Bartstutzerinnen und.Nagel
schneiderinnen und die Mantilumhän
ger. Und nachher bringen mir sieben
Diener das Frühstück, auf güldenen
Schüsseln Sauerkraut mit Speck, ab«r
es ist jetzt leine Zeit zum Essen. Zwölf
Knaben mit silbernen Trompeten ge
leiten mich in den Thronsaal, setze ich
mich auf den güldenen Stuhl, rücke mir
die Kronhaube zurecht und hebe an zu
regieren. Das ist ganz leicht, mein
Mensch, die sürnehmen Leut' laß ich
im Winkel stehen und die armen Leut'
kriegen Dukaten und Sauerkraut mit
Speck. Und wenn sich gar wo ein
Kohlenrabler zeigt, so winke ich ihn
ganz zu mir heran und thue ihm was
Gutes. Denn mir selber ist es von
daß ich alle liebe Nacht träumen muß,
ich wär' ein armer Kohlenrabler. Da
wartet Eins nachher freilich zwicknotig,
bis man munter wird. Alsdann nach
her zu Mittag gehe ich zu meine» Fa
milie, meine junge Frau, drei herzliebe
Kinder warten schon auf mich bei der
großen Herrentafel. Ich habe einen
wahren Heißhunger, aber allemal,
wenn ich die Gabel mit Sauerkraut
und Speckgrameln zum Munde will
führen, finde ich die Gabel nicht, oder
muß kleine Kinder auf dem Arm hal
ten, oder es ist die unrechte Schüssel
und das ist ja mein einziges Elend,
daß ich im Königsschloß nit und ewig
nit dazukommen kann zum, Sauer
kraut. Dieweilen wird's kalt, es wird
frisches gekocht und wie sieben Köche
den Kessel, in dem der Speck brodelt,
zur Tafel schleppen, ist's aus, ich lieg'
auf dem Stroh und bin wieder der
Kohlenrabler."
„Altes Kind Gottes!" rief ich nun
aus, .Sauerkraut mit Speck! Dazu
muß sich der Mensch ja nicht gleich in
ein Königsschloß hineinträumen. Das
wird wohl auch für den Kohlenrabler
noch zu erlangen sein."
Blickte mich der Alte schweigend eine
Weile an und sagte endlich: „Meinst
du?"
„Wenn ich nicht irre, hat es gar in
diesem Haus, in dem wir sitzen, Sau
erkraut mit Speck gegeben, heut zu
Mittag."
„Hat's auch gegeben!" rief er leb
haft aus, „was hilft mir das! wenn
ich's nimmer beißen kann. Und sei
ne Majestät, der Augustel kunnt's bei
ßen, der hat noch junge Zähne, schau,
mein Mensch, und der Augustel kann's
nit verwarten und kann's nit verwar
ten!"
Gar geschmackig wußte er mir viele
Einzelnheiten seines nächtlichen Kö
nigthums zu schildern. Eine Nacht wie
die andere träumte er davon und beim
Einschlafen wußte «r es so anzustellen,
daß keine andere Traumvorstellung an
setzen konnte, daß sein Königsleben da
einsetzte, wo es des Morgens zuvor
unterbrochen worden war. Einmal ge
schah es, daß er vomSchloßsenst«r aus
hinabstürzte in den Graben. Während
des Fallens dachte er sich schnell: Nur
jetzt geschwind aufwachen, sonst fällst
dich todt und kannst morgen nicht mehr
König sein. Ein anderes Mal war ein
junger Ritter vorhanden und wollte
seine Frau verführen. Wenn die Frau
einverstanden ist, dachte er, so kann da
einmal ein König auch nichts machen,
das Beste ist, geschwind munter wer
den und gleich wieder einen Tag Koh
len tragen, kohlschwarze Kohlen, mor
gig ist der falsche Ritter sicherlich ver
fchlvunden und ich habe meine treue
Gemahlin. Noch hübscher war's, als
er einst einen goldenenApsel verschluckt
hatte, wahrscheinlich den Reichsapfel,
daß er infolgedessen ersticken sollte und
er sich geschwind in die Zunge biß, um
noch rechtzeitig aufzuwachen. So
ler, seine Träume zu leiten und zu
wenden, daß er König war und blieb;
aber so weit, bis zum Sauerkraut und
Speck, so weit brachte er es nicht. Da
steht man, daß der Mensch nicht ein
mal im Traume alles haben kann, was
sein Herz verlangt.
Also hatte de» alteKohlenrabler mir
seinen inneren Menschen gezeigt und
Rohre seines „Spektivels", in welchem
die „lichte Weltkugel" war.
Der Regen hatte aufgehört, die Ne
bel stiegen, die Berggipfel wurden
derschast. Allerlei Herrliches hatte ich
Kohlenrabler sitzen geblieben, nicht tie
fer in das Königsthum feines Augu
stels gedrungen zu sein. Vielleicht war
Traum vorbereiten. Während des
Traumes kommt es auch auf die Be
reitwilligkeit an, mit welcher man in
mich aufs andere Ohr und versuche
den Traum dort wiekr anzuknüpfen,
wo er abgerissen worwn. Ost
gelingt's Bor kurzem fah ich im
Traum aus Dämmerungen tauchend
«ine Gestalt langsam auf mich zukom
men, sie war mit einem weißen Tuch«
verhüllt und grauenhaft anzusehen.
Und da fiel es mir ein: Denke nicht,
daß es ein böser Geist ist, sonst ist's
aus der Stelle einer, denke, daß es dein
heiterer Sohn ist, der dich necken will.
In demselben Augenblick warf die Ge
stalt das Tuch ab und mein Sohn
lachte mich an. Und so, mein' ich,
liegt es theilweise in unserer Macht,
Träume nach Belieben zu gestalten.
Unser Wille, wenn es ein starker ist,
hat auch noch im Schlafe einige Macht.
Es giebtTraumgruppen. So wie bei
dem alten Kohlenrabler neben dem
Königthum das Sauerkraut mit Speck
stand, so giebt es in meinen Träumen
selten ein Gewitter, in welchem neben
dem Wege nicht ein weißgekleidetes
Knäblein steht, das ein schwarzesPrie
sterbarett auf dem Kopfe träzt. Zu
den wenigen meiner beklemmenden
Träume zählt jener, in welchem die
Scheunen meines Geburtshauses bren
nen. Die Flammen gebärden sich nicht
gerade heftig, greifen aber immer nä
her heran gegen das Wohnhaus. Und
nun kommt mir der wohl aus Erfah
rung früherer Träume geschöpfte Ge
danke: Wache rasch auf, sonst brennt
auch das Wohnhaus nieder! Und ich
werde wach. Dann trachte ich wieder
einzuschlummern, den Traum weiter
zu spinnen und so, in dem Bewußtsein
zu träumen, eine stattliche Feuers
brunst zu beobachten. Auch existiren
in meiner Traumwelt drei rothe Ka
tzen, die immer am Brette nagen, auf
dem ich stehe. Dieses Nagen thut mir
sehr wohl, ich suhl« es wie ein Strei
cheln an meinem Haar. Nun weiß ich
aber während dieses Gefühls, daß,
wenn das Brett durchgenagt ist, ich in
«in« unendliche Tiefe stürze. Daher
trachte ich beizeiten, sobald die rothen
Katzen auftauchen, sie mit einem Schrei
zu verjagen. Dadurch erwache ich, der
Schrei gellt aber noch lange unheimlich
in mir nach und ich darf eine Weile
nicht einschlummern, sonst find die Ka
tzen auf de» Stelle wieder da.
Es giebt Traumepochen. Ich hatte
eine Reihe von Jahren, in denen mir
der Traum immer nur meine damals
lange schon vergangene Handwerterzeit
vorführte, dann kamen Jahre, in wel»
che» ich jede Nacht die verdammte
Schulprüsung ablegen sollte, trotzdeiy
ich mir bewußt war rein gav nichts zu
können. Solche Schulprüfungen sind
die schlimmsten Feinde eines ruhigen
Schlafes Heut« träume ich häufig,
am Vorlesetisch zu sitzen, das Publi
kum aus mich warten zu sehen und im
Buch trotz allen Blätterns das richtige
Stücklein nicht zu finden. DaS ist
eine Qual, so sehr ich mir auch sag«:
Mache dir nichts draus, lasse dasPub
likum warten und schlafe, denn es ist
doch nur ein Traum! Das Ding ist
schwer von d«v Seele zu schütteln. Es
soll mir aber auch noch gelingen, man
muß sich nur üben in der Kunst, der
Träume Herr zu werden.
Mein alter Kohlenrabler ist beim
Tage Kohlenrabler und b«i der Nacht
König. Schon s«it Jahren, wi« «r in!»
vertraut hat. Er soll sich in sein Kö
nigthum so sehr hineingelebt haben,
daß «r den Kohlenrabler für die
Traumgestalt hält. Und er hat Recht.
Wissen wir and«r«n es denn besser?
Traum dies, Traum das. Traum hin,
Traum dort. Glückselig de». weichn
entweder so oder so zu seinem Sauer
kraut mit Speck kommt.
Unerwartete Wendung.
Es war Friedrich dem Großen stet»
was er nicht öffentlich besprochen wis
sen wollte. Im Jahre 1756. kurz vor
dem Ausbruch des Krieges, bat ihn ein
Feldwebel von der Leibgarde um die
Erlaubniß, nach seiner Heimath reisn»
zu dürfen.
„Es ist jetzt nicht Zeit, auf Urlaub
zu gehen," sagte der König, „wir wer
den bald marschiren."
Gleich darauf hörte er, daß sein»
Leibpagen sich im Vorzimmer heftig
stritten, und der Thür nähertretend,
hält er sein Ohr an dieselbe und horcht.
„Nun, und wohin wird denn der
Alte marschiren?" fragte einer der
Pagen.
„Ganz gewiß nach Schlesien," ant
wortete der andere.
„Ei bewahre! Ich weiß es besser;
er schickt uns gewiß in das langweilige
Sachsen," entgegnete der erstere.
Plötzlich wurde die Thür geöffnet:
und Friedrich d«r Große sagte: Nein,
ligeren Spandau."
Und wirklich schickte der König die
Pagen auf drei Wochen in Arrest nach
d«r Festung Spandau.
Gute Ausrede. Freund
(zum Autor eines Trauerspiels): „Wie
hat das Publikum Dein neuestes
Trauerspiel aufgenommen? Wurde
recht viel applaudirt?"—Autor:
„Das Publikum konnte vor Schluch
zen nicht applaudiren."
„Ach, die Frauen
sind doch unberechenbar!" „Na, hö-
Schneider ganz genau!"
Boshaft. „Was werden Sie
denn unserem Vorstand zum Geburts
tage schenken?" „Eine Cigarren
spitze!" „Aber sein« Frau erlaubt
ihm ja gar nicht, zu rauchen!"
«Eben deshalb!"
abnehmen werde?" „Gewiß! Im
vorigen Jahre hat eine Dame wie Sie
um 1V Kilo und 2 Töchter abge»
Liebe „stiller Verehrer" und^ist dann
in der Ehe der ärgste Schreier.