2 Fayence. In unserer decorationslustigen Zeit, in der das Mahnwort: „Schmücke Dein Heim!" nicht mehr ungehört ver hallt, haben sich die Fayence-Geräth schaften, nachdem sie Jahrhunderte nicht der Beachtung werth erschienen, als willkommene Decorationsartikel schnell wieder ihr altes Ansehen errun gen, und speciell Deister Fayence und Porzellan ist von der heutigen Mode bevorzugt. Es sind dies jene eigenar tigen, nur in blauen Farbentönen aus geführten Malereien. Schon im 16. Jahrhundert kamen kostbar bemalte italienische Thonwaa ren, unter dem Namen Majolika- oder Majorca - Waare, als Prunkgefäße in den Handel. Dann begann Nürnberg derartige Thongefäße mit deutschem Gepräge herzustellen; und bald folg ten die Niederländer, vor Allem die Holländer. Durch ihre Handelsver bindungen hatte« sie die vortrefflichen chinesischen Porzellanmalereien als Borbilder an der Hand. Bei den vielfachen Versuchen, die Porzellan masse nachzuahmen, erhielten sie statt der erhofften jene eigenartige, sein» Steingutcomposition, welche man Fa yence nennt. Diesen Vorbildern gemäß sehen wir auf den altdelfter Fayencen vielfach chinesische Ornamente, wundersame Thiergestalten, wie Kraniche, fliegende Fische, Scorpione, Drachen u. f. w. vertreten, eigenartige Blumen, den be zopften Sohn des himmlischen Reiches ,i. s. w. Allgemach bricht sich aber der eigene Geschmack des Holländers Bahn. Dem Charakter des Landes, seiner Vieh- und Landwirthschaft entspre chend, bilden Bauern. Kühe, Mühlen, ländliche Stillleben, Gebäude, Schiffe u. f. w. die Motive der Fayence. Nur einzelne chinesische Anklänge haben sich bis auf den heutigen Tag erhalten. Bald vermehrten sich die vereinzelten Fabriken, in Delft besonders blühte der neue Industriezweig am Ende des 17. Jahrhunderts und es konnte kaum den vielen Nachfragen genügt werden. Schon nach einem Jahrhundert aber verdrängten andere, neuerstandene Steingutmassen, die in billigerer, kunstloser Ausführung ganz besonders aus England kamen, die alten, theuren Fayencen. Nur eine einzige Fabrik erhielt sich mit aller Anstrengung be triebsfähig. Es ist die noch bis auf den heutigen Tag bestehende Firma „Joost u. Trost u. Lahouchöre" in Delft. Hier fanden und finden her vorragende Künstler ihre Ausbildung. Die Fayencemasse besteht zumeist aus reinem plastischen Thon, dem Quarz besonders in Form von Feuerstein und Kreide zugesetzt wird. Natür lich ist die Zusammensetzung der Masse streng gehütetes Geheimniß der Fa brik. Nachdem das Material fein zermah len, geschlemmt und sorgfältig ent wässert ist, wird der fertige Thon in Formen gepreßt, doch müssen dieselben ein sehr schnelles Arbeiten gestatten. Die fertig geformten Gegenstände wer den in einen geheizten Raum, den Trockenraum, gebracht und hier zum ersten Male gebrannt. Ist der Ofen abgekühlt, so werden die Stücke her ausgenommen und bemalt. Auffal lend ist bei der Deister Malerei, trotz dem nur Blau, selten noch Braun da zu verwendet wird, die große Menge verschiedener Pinsel, derer sich die Maler bedienen. Unter den 9—12 verschiedenen Größen, ähnlich unseren Aquarellpinseln, fällt eine Art beson ders auf: den gewöhnlichen Pinseln werden in der Mitte drei Kuhhaare so eingefügt, daß sie etwas herausstehen, die' Spitzen werden ganz glatt geschnit ten. Die von dem Hauptpinsel aufge nommene Farbenmenge theilt sich der Spitze zum Ausführen der Conturen mit, auf diese Weise können dieselben ohne Unterbrechung ganz gleich herge stellt werden. Eigenartig sind die aus vielen, ca. 4 Zoll großen Fliesen zu sammengesetzten Bilder. Die kleinen Quadrate werden dicht nebeneinander schräg auf ein Brett gestellt und bei der Ausführung auf der Staffelei als eine ganze Fläche behandelt. Da die Far ben erst beim Brennen ihren eigentli chen Ton annehmen, so sieht die Ma lerei ungebrannt wie eine «graue Silhouette aus. Sind die Geräthe fertig gemalt, so werden sie in eine Glasurmasse getaucht, die aus Quarz sand, Mennige, Borax oder Soda, Salpeter und Smalte besteht. Der Thon saugt d«n feinen Schlamm auf, so daß sich ein feiner, weißer Ueberzug über die ganze Gefchirrfläche bildet. Dann folgt der zweite Brand des Ge fäßes, der 12—15 Stunden dauert. Nach der erforderlichen Abkühlung sind die Stücke zum Verkauf fertig. Der Hauptwerth der heutigen Deister Waaren besteht darin, daß nur Origi nale von Niederländern copirt werden, z. B. die Franz Hals'fchen Bilder, die Wurmann'schen etc. Ein Pild von 25 lebensgroßen Figuren, dessen Original im Museum vonAmsterdam ist, wurde im Auftrage der Königin - Regentin als Geschenk für den deutschen Kaiser destimmt und befindet sich jetzt im Kö lliglichen Schlosse zu Berlin. Boshafte Auskunft. Dichter: „Ich möchte Hern wissen, wie man hypnotisirt. Wie fängt man es an, jemand einzuschläfern und ihn nachher zu bewegen, daß er alle gegebenen Be fehle ausführt?" Arzt: „Für Sie ist das besonders leicht. Sie lesen dem Medium Ihre Gedichte vor, dann schläft es ein, und wenn Sie ihm her versprechen, nicht weiter vorzule sen, thut es sicher gern alles, was sie befehlen. Deshalb. Fräulein (sich vom Klavier umdrehend): „Sie wissen wohl werdv!" Herr: „Ah, deshalb geht tinem jede durch Mark und Bein!" > Im Schnee Begraöen. Hoch oben im Nordwesten, da wo das Gebiet der Vereinigten Staaten an die canadische Provmz Manitoba stößt, führen Onkel Sa'n's Zollbeamte kein sehr bequemes Leben. In der That kann man jagen, daß sie sich red lich placken müssen, um ihr keineswegs hohes Salaic -u <>erdi/,!en. Denn in !?mr Gegen) tcmmen zu den Gefah ren, die den Beamte» von Seiten der ve.'zweifelten und äußerst listigen Schmuggler drohen, auch noch die 'chlimmcn Ges.ilren des Klimas, das in> Winter icbr :auh, miw.uhlich und tückisch ist. Die plötzlichen Witte rungswechsel, bei denen oft innerhalb weniger Secunden das Thermometer einen Sprung hinauf oder hinab von 40 Grad und mehr macht, sind allein schon bedrohlich, da diese schroffen Uebergänge auf der weiten, unermeß lichen Prairielandschaft zugleich auch plötzliche Thau-, oder Regen- und Schneestürme bedeuten, wodurch dev Verkehr zu einem lebensgefährlichen wird. Aber hierzu gesellen sich noch die schlimmsten Plagen die Bliz zards und die Schneetreiben oder „8»t»v di'ikts". Die Blizzards sind ja auch weiter im Innern des Landes auftreten. Ich erinnere mich z. B. des fürchterlichen Blizzards im Februar 1888, wobei in Dakota und Nebraska allein über 200 Menschen ihr Grab ten, als sie ermattet umsanken in dem dichten Schneegestöber und erstarrten in der fürchterlichen Kälte. Aber wer die Verhältnisse in jenen noch rauheren „Drift" noch gefährlicher und tücki scher ist, denn er ergreift seine Opfer ohne jede Warnung, ohne eine Mög lichkeit der Rettung und begräbt sie bei lebendigem Leibe, wie die Lawine in den Alpen der Schweiz oder Tirols. Darum erfordert auch der Dienst für die Bundesregierung in jenen Ge genden Männer von besonders starkem Calibev Männer, die dem Tode furchtlos in's Auge zu sehen verstehen und die sich einer starken Gesundheit und eines durch alleUnbilden der Wit terung abgehärteten Körpers «erfreuen. Mit Vorliebe nimmt man daher Leute in den besten Jahren, die eine Reihe von Jahren in der Bundesarmee ge dient und Klima sowie Land und Leute gründlich in dem ewigen Gue rillakrieg gegen die räuberischen oder aufsässigen Jndianerstämme des Nordwestens kennen gelernt haben. An ein rauhes, ziemlich einsames Leben und an strenge Disciplin gewöhnt, ge ben solche ehemalige Unterofficiere der Bundescavallerie meist vorzügliche Zollbeamten ab. » « » Ein solcher Mann, Fred Manke,von Geburt ein Deutscher, war zu der Zeit, als sich die nachfolgende Geschichte zu trug, im Commando auf einer kleinen Zollstation, nur wenige englische Mei len von der gegenüberliegenden Sta tion in Manitoba entfernt, Braidwood mit Namen. Fred Manke hatte Onkel Sam circa 15 Jahre treu und redlich als Soldat, später als Sergeant im 8. Cavallerie-Regiment gedient, und war im ganzen Gebiet des ungeheuren Nordwestens herumgekommen. Wegen mehrfacher Verwundung bei Streifzü gen gegen die Nez Perces und die Sioux hatte er schließlich seinen ehren vollen Abschied und eine kleine Pension erhalten, und ein Jahr später war er auf seinen jetzigen Posten versetzt wor den, wo man einen Mann wie ihn gut gebrauchen tonnte. Denn es herrschte ein lebhafter Schmugglerverkehr über die Grenze, und der Verlust, den die Bundeskasse nachweisbar seit eine» Reihe von Jahren in Folge dessen er litten hatte, bezifferte sich hoch in die Hunderttausende. Fred Manke'sVor gänger war zu bequem gewesen, um ernstlich den Versuch zu machen, diesem Unwesen ein Ende zu bereiten,aber mit der Ankunft des neuen Chefs kam so fort ein anderer Zug in die Sache, und es dauerte nicht lange, da war Jn spector Manke weit und breit gefürch tet unter den schmuggelnden Franzö sisch-Canadiern und „Halfbreeds" in jenem Theile von Manitoba. Denn aus solchen nur bestand die ganze, wohlorganisirte Bande von Schmugg lern, und es waren dies keineswegs zu verachtende Feinde, denn sie kannten jeden Fußbreit Land, jeden Creek und jeden Baum auf dem weiten Prairie boden daselbst, und mit solcher einge henden Kenntniß des Landes verban den sie eine ebenso genaue Kenntniß der Witterungsverhiiltnisse und waren tollkühne, verwegene Hallunken noch außerdem. Aber Fred Manke verstand sich auf solche Burschen, und nachdem er einen Winter hindurch mehrmals Gruppen dieser Leute abgefaßt und eingeliefert hatte und Waaren im Werthe von ca. P 50.000 durch ihn con fiscirt worden waren, da trat eine merkwürdige Besserung in den dorti gen Verhältnissen ein,' und die Zoll erträgnifse stiegen von Monat zu Mo nat. Nur einer dieser Schmuggler, ein riesiger Halbblut Namens Big Joe verstand es immer noch, dem Jnspector ein Schnippchen zu schlagen. Verschie dene Male schon hatte ihn Manke er wischt, aber immer nur unter solchen Umständen, daß eine Schuld nicht nachzuweisen war, und die kleine Bande, deren Haupt der Riese war, machte offenbar recht gute Geschäfte! denn man wußte.daß sie stets „kliiüli", d. h. mit Geld wohlversehen waren. Diesseits dir Grenze, nur 3 Meilen von der Station entfernt, hatte ein alter Französifch-Canadier.Jean Lan gerin, ein baufälliges Gasthaus nebst weitläufigen Schuppen, und es war längst bekannt,daß der Alte es mit der Bande hielt und sie sich seines Hauses als Versteck und Zwischenstation für Mitten in der Nacht stand deshalb Jnspector Manle vor der Thür dieser Spelunke. Es war im Januar und der scharfe, beißende Nordwestwind heulte und pfiff über die Prairie. Der Jnspector und seine vier Leute waren der Witterung gemsß gekleidet Pelzröcke und Klappmützen, nebst mächtigen hohen Stiefeln, aber jeder Mann trug in der rechten Hand feine scharfgeladene Büchse und im Gürtel des Rockes steckte der dicke „Bullenbei ßer". Mit dem Kolben seines Geweh res donnerte Manke an die Füllung dev Vorderthür. „Halloh, Jean, mach' uns auf! Es sind Freunde hier!" Und einen Moment später steckte auch Jean Langerin sein Wieselgesicht aus dem Fenster und blickte, mit der Hand die Augen gegen den blendenden Wiederschein des blitzenden Schnees schützend, in die Dunkelheit. Als er jedoch die Büchsenläufe blinken sah, da ließ er schnell das Fenster wieder her ab, und sofort auch hörte man im In nern seine fluchende Stimme und das Scharren von Füßen. „Zum Teufel auch schnell, Har- Kerlen die"Flucht ab." rief derJnspec tor, „wer nicht steht auf Anruf, wird Und im selben Moment hatte er auch schon die Thür eingeschlagen und drang jetzt mit seinen übrigen drei Leuten ein. Der Fang war «gegluckt. Innerhalb fünf Minuten lagen die Schmuggler, die aus dem tiefsten Schlafe geweckt worden waren und deshalb nicht Gelegenheit gehabt hat ten, sich zur Wehr zu setzen, gefesselt auf dem Boden des großen Gastzim mers. Der Jnspector zählte sie ab, wie die Rinder: „Eins.Hwei Domi nick Lesueur, Peter Levine. Joe RenS, Auguste Fidi-le sechs im Ganzen, und wo ist Big Joe?" Der kleine Franzose, Jean Lange rin, stand dabei, kopfschüttelnd und mit allen Zeiche» der Angst. „Big Joe? habe ihn seit Monaten nicht gesehen, Monsieur l'Jnspector. Wie sollte ich wissen? Und diese Messieurs hier" er hob flehend die dürren Arme „sind alle brave, fröhliche Männer Sie müssen falsch berichtet sein, Mon Dieu, mon Dieu, welche Schand' für mein 'Aus ah, Sair —" „Schon gut," brummte der Jnspec tor, der dieComödie wohl durchschaute, und schritt nach dem Hinterhaus, wo er Harvey antraf, der ihm berichtete, er habe Niemand flüchten sehen. „Da ist der Erzhallunke doch wieder entschlüpft," schimpfteManke mit eini gen kräftigen Flüchen, und begab sich mit Harvey in's Haus, denn die Nacht war bitterlich lalt und er wünschte einen Tropfen Heißes. So wurde denn eine Wache mit geladenem Ge wehr neben die sechs Gefangenen ge stellt, während der kleine Wirth vor den Augen des Jnspectors einen steifen Grog brauen mußte, der die durchge frorenen Gliedmaßen der Zollbeamten bald wohlig durchglühte. Dann wur den mehrer« Blöcke trockenes Holz in den mächtigen Ofen geschoben, und nachdem der Wirth der Sicherheit hal ber mit zu den Gefangenen gesteckt worden war, machte sich der Jnspector aus seinem Pelzrock und einer Ma tratze ein dürftiges Lager zurecht und legte sich hin auf einige Stunden. Am nächsten Morgen bei Tagesanbruch sollte dev Transport der Gefangenen nach Braidwood vor sich » » » Jnspector Manke mochte eine Stunde etwa geschlafen Huben, als er auf einmal durch einen eiska'ten Zug, der ihn mitten in's Gesicht traf, geweckt wurde; er sprang mit beiden Füßen von seinem Lager auf. Beim Glim men des Feuers erblickte er ein halb offenes Fenster am anderen Ende des Zimmers, und in einer Entfernung von circa 60 Dards sah er in der Dun kelheit nur undeutlich die Umrisse einer menschlichen Gestalt. Aber der Jn spector hatte scharfe Augen, und er sah sofort an der Höhe und der Gelenkig keit der Riesengestalt, die dort im Schnee dahineilte, daß cs der Gesuchte, daß es Big Joe war. Im Nu hatte er das Fenster erreicht, die Büchse an die Wange gerissen und gezieli. De: Schuß dröhnte, die Kugel pfiff dem Ziele nach, und ganz d«u:!ich glaubte noch so schnellfüßig ist. Bleibt Ihr sich marschfertig. „Gehen Sie lieber nicht, Herr Jn spector," meinte Harvey, der schon 10 „Der Schnee treibt schlimm, und sie können in der Dunkelheit, auf unbe kannten Pfades leicht versinken. Au ßerdem ist es funkffkar kalt es muß 3V unter Null sein. Sie würden Ge fahr laufen zu erfrieren." „Ach was ich muß den Kerl fan den er geht mir sonst wieder durch die Lappen und ich hätte das Nach sehen. Ich habe mir's fest vorgenom men, ihn diesmal zu kriegen." Und damit schritt der Inspektor, eine Flasche des heißen Grogs in die Tasche seines Pelzes versenkend, zum Staunen seiner Leute hinaus in die Dunkelheit. Sie sahen sich «inen Mo ment verdutzt a» sie mochten sich wohl ein wenig schämen, daß sie ihren Chef allein der Gefahr überließen. Aber Harvey schüttelte blos stumm den Kopf, und so sagten die Uebrigen auch nichts. Der Jnspector kam nicht wieder zum Vorschein. Aber Big Joe auch nicht. Die Gefangenen wurden am nächsten Morgen sicher in der Zollsta tion zu Braidwood abgeliefert, und Harvey erstattete einen kurzen telegra phischen Bericht nach Washington hin, worauf die Ordre kam, sofort.eine sy stematische Suche nach dem vermißten Jnspector anzustellen. Am Abende desselben Tages kam die kleine Schaar mitten im Walde, ungefähr 4 engli sche Meilen westwärts von Jean Lan gerins Gasthaus, auf einen Schneehü gel, der einen natürlichen Graben aus füllte und mehrere Fuß über denßand hinausragte. Es hatte den Tag übev wieder ge schneit und die Spuren menschlicher Füße paren davon verwischt. Aber aus der entfernten Seite des Hügels stak eine Hand heraus, eine geballte Faust vielmehr, und man machte sich daran, die Leiche herauszuziehen. Es war, wie man erwartet, die Leiche des Jnspectors Manke. Aber nicht diese allein. Untrennbar mit ihr verbun den, war die Leiche von Big Joe. Wie eine eiserne Klammer spannte sich »noch im Tode die nervige Linke des Jnspec tors um die Kehle seines Opfers, und Big Joe war im Tode noch die Angst Im „Drift" hatten sie Beide geendet. Der Stern von Warschau. Musikalisches Märchen von Alice Liebling Ein glänzendes Publikum füllte alle Plätze der Großen Oper in Paris. den Beginn der Vorstellung, denn zum ersten Mal soll die schöne Apollina auftreten, „der Stern von Warschau". psichore! Und wirklich, ihr Tanz hat Göttli ches, Herz und Sinn Berauschendes! Ihre Bewegungen sind von unnach ahmlicher Grazie, und Anmuth, und aus ihren Augen strahlt ein blendender Glanz, ein verzehrendes Feuer; ihre Gestalt ist schlank und biegsam, ihr Antlitz edel, ihr Auftreten vornehm und doch gepaart mit einer Alles be- Das Ballet ist zu Ende. Die tau sendköpfige Menge klatscht, rast, ju belt ; man verlangt eine Zugabe, und „dis" und „bis" ertönt es von allen Seiten. Da schreitet Apollina, die nie Ermüdende, vor und giebt ein Zei chen, daß sie tanzen wird. Leise summt Tact zu wiegen, und dann beginnt sie. Eigenthümlich ist ihr Tanz, leiden schaftlich, wild und stürmisch, im scharfen Rhythmus des dreiviertel Tactes, dazwischen sanft und zart, doch bald wieder lustig und feurig, in ra sendem Tempo, und immer singt sie halblaut die eine Melodie. Horch! Ist das nicht ein Mazurka, eine polnische Mazurka? Apollina sieht nicht die begeisterte Menge, hört nicht den tosenden Beifall, sie tanzt und tanzt, vergißt sich selbst und alles darüber, bis sie plötzlich wandern, mit Schleifen und Karten geschmückt, in eine elegante kleine Woh nung in der „i'ue 6« und verwandeln diese in einen duftenden Märchengarten. In einem weißen Gewände, auf niedrigem Sessel ruht Apollina, die löblichste Blume idieses Gartens; zu ihren Füßen kniet ein schöner junger Mann. Es ist ein un ermeßlich reicher ausländischer Prinz; er bietet ihr sein Herz und seine Hand. Doch Apollina schüttelt traurig das Köpfchen, sie dankt für die große Ehre, und mit einem wunderbar sehnsüchti gen Blick in den Augen spricht sie zu ihm: „Ich habe einst ein heiliges Ge lübde gethan, mir nur einen Gatten zu wählen, der dreierlei in sich vereinigt: Ein Edelmann soll er sein, aber arm! ein stolzer Pole! ein Meister der Ton kunst! Der soll mir dann die Musik zu einer Mazurka schreiben, zu einer echten, schönen polnischen Mazur ka!.. Wochen vergehen, Apollina ist jetzt in Mailand und feiert imSkala-Thea ter mit ihrer Kunst Triumphe überTri umphe. Die Begeisterung für sie kennt leine Grenzen und steigert sich zu fre netischem Jubel, wenn sie nach dem Ende des Ballets als Beigabe ihren fremdländischen Tanz vollführt. Und selbst der größte Componist Italiens, den sein früher Ruhm stolz und hoch miithig gemacht hat, fühlt sein Herz unwiderstehlich von ihr gefangen, und in seiner melodischen Sprache erklärt er ihr seine Liebe und beschwört sie heiß und leidenschaftlich, seine Gattin zu werden. Doch Apollina schüttelt wieder ihr Köpfchen und spricht: „Herr, kennst Du meine drei Bedingungen nicht? Wohl bist Du noch ein großer Künstler, ein Genie! Aber gelingt Dir auch eine einfache, z» Herzen gehende Mazurka? enn Ich bin eine Polin, > und nur ein Pole soll mich freien." Wort! Weißt Du noch, Apollina, hier ihre Eltern und viele, viele anderen Menschen schnell dahingerafft. Nie mand kümmerte sich in der schrecklichen Herumziehende Zigeuner nahmen sie mit, und sie ließ sich willig fortführen. Dort ging es ihr nicht schlecht; mit schlauem Blick berechneten sich die Leute kleine schöne Polin ihnen dermaleinst verschaffen follte. Sie lernte regelrecht alle Künste der Zigeuner, Seiltanzen, Wahrsagen und dergleichen mehr. Aber eines Abends beim flackernden Herd feuer fiel ihr „Stasch" ein, den sie seit dem Ausbruch der Cholera nicht mehr gesehen hatte, und sie brach in listiges Weinen aus. Sie hatte ihn so lieb ge habt, den feinen, blassen Nachbarskna ken draußen in der Vorstadt in War- und es waren die schönsten Stunden ihrer Kindheit, welche sie mit Jenem verleben durfte. Der alte Graf war gut gelaunt war, so spielte er den Kin dern auf seiner Geige aus seinem rei chen Gedächtnißschatze etwas vor. Er wußte immer wieder neue Melodien. Am meisten gefiel ihnen eine Mazurka, da schlangen Stasch und Apollina die die und begann wie unbewußt dazu zu tanzen. Die abergläubischen Zigeuner saßen und lauschten aufmerksam. Ue ber Apollinas zierliche Gestalt glitt der röthliche Schein der Flammen und er leuchtete sie; ihr süßes Antlitz hob sich Warschau". Zehn Jahre waren seitdem verflos sen, zum herrlichen Weibe erblüht, als fellschaft Vergötterte, Angebetete, tritt Apollina zum ersten Mal im Großen Theater in Warschau auf. Es wird Nationaltanz der Polen, „die Mazur ka", den effectvollsten Glanzpunkt bil det. »Und wie berauscht, vor ihren Landsleuten zu stehen, sich endlich un ter den Ihren zu fühlen, den heimi scheint ihr Bestes zu geben. Ihr ist's, Ist jener vornehme Eavalier nicht „Stasch". der arme Stasch, der stolze Gras Stanislaus P.? Lippen den innersten Schrei ihrer Seele: „Auf Dich habe ich gehofft und geharrt all die Jahre lang. Du mein Einziger! Viele habe ich verschmäht um Deinetwillen. Die Treue habe ich Dir gehalten, ohne daß ich wissen konnte, ob Du mich je lieben würdest. Und nun bist Du mein, und ich Dein.Du mein geliebter,stolzer Stasch, Du mein angebeteter großer Künst ler!" Zwei starke Arme umschlangen sie, und aus ihren Lippen brannte feurig der erste Kuß. Erklärung. Kausmannl sohn: „Was versteht man denn unt« Experimental- und Naturphiloso phie?" Vater: „Merk Dir's, liebn Karl. Wenn Jemand von einem An dern Geld borgen will, das ist Expert» mentalphllofophie. wenn der Andere et ihm abschlägt, dai ist Naturphiloso phie." VegründeteVorsi 6^t. — Studio (bei der Zimmerbesichtigung): „Die Bettstelle erscheint mir zu schwach für mein Gewicht." Wir thin: „Da können Sie ja gleich Probe kommen." Kurze Kritik. „Du, wie tanzt der dicke Meyer eigentlich?" „Ach, den solltest Du walzen sehen ... " Berechtig tlGeschäftsfreund: „Was ist denn mit Ihnen los, Cohn, sen?" Cohn: „Weshalb solNch das Haar nicht wachsen lassen . . . mach' ich doch die Reciamegedichte selbst, die jeden Tag von mir in der Zeitung ste hen!" Höne Dorwissen. In der That, sie tonnte sich .der drückenden Gewißheit nicht länger ver schließen: Der königliche, vereidigte Gerichtsauctionator Ueberbein trank! Ihr Mann trank! Freilich, was man so „betrunken" nennt, war er noch nie gewesen. Aber das war wohl Alles nur noch eine Frage der Zeit. Und dabei hatte er solches Glück, eine so gute Frau bekommen zu haben. Ja, wenn Mama noch lebte! Papachen, dem sie ihre Noth geklagt, hatte ihr ein „Radikalmittel" vorge schlagen: sich daran zu gewöhnen. Das fehlte gerade! Ihre Seele schwoll vor „Pfui, Du riechst nach Bier!" Diese eines Abends schaudernd hervorge brachten Worte statt des gewohnten Gutenachtkusses mußten ihn doch sehr verblüffen. Es war nur zu klar wenigstens für Frau Ueberbein die so glücklich veranlagte Ehe begann aus den Fugen zu gehen. Und nicht retten können! Doch der Himmel erbarmte sich ihrer. Eines Tages hielt sie die Rettung in Händen, verkörpert in folgendem In serat: „Unentgeltlich versende Anweisung zur Rettung von Trunksucht mit und ohne Vorwissen. Dr. Zillis, S. Ritterstr. 135." Noch an demselben Tage lag diesem herrlichen Menschenfreunde die herz brechende Wehklage einer anieitungs bedürstigen postlagernden „P. Q. 13" vor, Abtheilung: „Ohne Vorwissen". Nun konnte sich aber der Bierteufel in Ueberbein in Acht nehmen! Dr. Zillis bearbeitete ihn vorläufig mit Mittel 1. Er hatte deren zwei auf der Pfanne, eines immer durst- und magenfeindli cher als das andere. Dieses erste be ruhte auf einer heimlichen, aber dafür desto gründlicheren Verschiebung der Gesammtdiät für das beklagenswerthe Opfer. Schrecklich, es zu denken! Jene Quelle der reinsten Genüsse für tausend tagsüber im Schweiße wir kenden Ehemänner, die Kochkunst ihrer werthen Hälften, für Ueberbein sollte sie zum meuchlerischen Gift werden. Die unnatürlich prickelnden Wonnen eines entmenschten Folterknechts em pfand Frau Ueberbein eines schönen Mittags bei folgender Tischred» ihres Ehegatten: „Ich weiß nicht, Miezchen, aber un ser sonst so vorzügliches Tischbier schmeckt seit einiger Zeit einfach gräu lich." „Ja," meinte Miezchen füßlächelnd, „wenn der reichliche Frühschoppen nicht wäre!" Es war ein unsäglich gramvoller Blick, mit dem der königliche Gerichts auctionator seine Gegenrede begleitete: „Seltsam, auch den hab' ich heute ganz vergessen!" Das war ein Tag ungetrübten Tri umphes für sie, und sie hätte es dabei bewenden lassen sollen. Indeß hatte sie etwas von der Thomasnatur, sie mußte die Hand auf ihres Glückes Wunde legen. So sagte sie denn eines Mittags zu ihrem gleichgiltig im Essen wir heute Abend alle drei zusammen einmal tüchtig kneipen gingen?" Nun, sie gingen den Abend selbdritt zum Bier, und man urtheile, wie srag geplaüdert zu haben, worüber sie sich heute keine klare Rechenschaft geben konnte. Wie nahe war es ihr nun gelegt, aus vergleichenden Betrachtungen über die verschiedene Widerstandskraft ver schiedener Constitutionen Milde in Beurtheilung ihres Gatten zu ziehen. Nichts von alledem; sie bestellte Mittel L. Das um so eher, als ihr Versuchs object wieder fideler zu werden schien. Das wollte sie ihm wohl vertreiben! Als sie den andern Tag sich nach dem Hauptpostamt aufmachte, um das Mittel in Empfang zu nehmen, wurde ihr die düstere Kunde. „P. O. 13 be reits abgeholt!" Gewiß von ihrem Manne! scheitert. „Kennst Du P. O. 13, Ungera thene?" Ihr alter Vater war es, „Woher weißt D» —?" Wahrheit! Ich Hab's wohl gehört, dies: Na warte, Emilchen, P. Q. 13 dies da bewirktest." Damit schleuderte er ihr ein zer knittertes Papier vor die Füße. Es war der Brief von Zillis. Der Brief Werthe Frau! Da unbegreiflicher Weife bisher al les und jedes Mittel schließlich ver sagt hat, so bleibt uns nur noch um stehendes. das, ihm geschickt beige bracht, den Teufel wohl unterkriegen soll. Niemand wird etwas merken, und bald werden Sie befreit und glücklich ausathmen. Verzagen Sie nicht, der Sieg ist unser! Ihr Z. „Du wirst doch hoffentlich Emil nichts davon sagen. Das verdürbe mir meinen schönsten Plan," meinte sie ruhig. diese Stirn! Armer Mann, darum wurde er zusehends elender! Oh!" „Herrgott, das isi auch so schlimm nicht! Wenn der Friedenstörer nur erst todt ist!" Er sah sie aus hohlen Augen dumm, an. Sie winkte ihm, einzutreten. Da riß er spronstreichs aus. Papa» chen war wirklich schon zuweilen kin disch. Nun suchte er wahrscheinlich Männe auf, kakelte dem die Ohren voll und besorgte ihr einen tüchtigen Kladderadatsch. Ach. es war gar nicht so leicht, sein eigener Hausarzt zu sein. In ärgerlichen Befürchtungen ver brachte sie den Rest des Nachmittags, den Abend, einige Stunden der Nacht; ihr Gatte kam nicht. Er mußte sehr böse sein! Soviel Angst und Bangen war die dumme Cur am Ende auch nicht werth. Endlich, lange nach Mitternacht sie war aber noch auf kamen Schritte die Straße und die Treppe herauf seltsamerweise von zwei Paar Füßen ausgehend. Die Thür flog aus. „Hurrah, Schatz ich bin ge ge heilt bin ich!" Er wußte also Alles und höhnte sie, denn der und ge heilt! Bei dem Capitalrausch! „Und Herzel Papa hat'n Batt stahn Stadtbahnanschluß verpatzt. Bleibt bei uns. Hopp lustige Schwiegerpapachen!" „Willst Du noch etwas essen?" fragte sie mit gefrorenen Tönen. — um Gotteswillen, nein!" fuhr Papachen beschwörend dazwi schen. „Ja, Schwiegerpapachen sorgt heut' um mich wie wie die — ich bin das Füllen —" „Mein Gott!" seufzte Frau Ueber bein tief auf, dann meinte sie kurz: „Papa, Du schläfst drüben im Be» ?Nein, nein," wehrte der ab, „hier bleib' ich, ganz dicht bei Euch!" Seltsamer alter Herr! Ihm wurde willfahrt. i l » » » Als am nächsten Morgen alle dret beim Kaffee zusammen sahen, war Ueberbein's erstes Wort: „Braver Zillis! Er hat mich doch wieder gesund gekriegt!" „Zillis?" fragte Frau Ueberbein; ihre Augen waren riesengroß gewor den. „Wer? Was? Zillis?" „Zillis. mein Kind. Ein Original. Mit seinem „Doctor" mag's ja nur so sein, aber mich hat er doch schon ver schiedene Male in letzter Zeit auscu rirt von meinem fatalen Magenleiden. Meine neueste Rettung haben wir ge stern ein bischen heftig begossen. Ver zeih', Schatz! Ja, was machst Du denn für ein verzwicktes Gesicht? Wa rum lachst Du denn so unvernünftig? Nun ja. es ist wahr. Zillis vollführt ja zuweilen tolle Chofen. Da bildet er sich z. B. ein, mit zwei verrückten Re cepten hinterrücks die Trunksucht hei len zu können. Seit Wochen schon amllsiren wir uns in der Kneipe über einen solchen Fall. Ein anscheinend ganz verdrehtes Exemplar von Weib bearbeitet da unter seinem Beistande so ein armes Opfer von Mann. Aber nichts hilft. Das muß ein wahrer Staatsfüffel sein. He was hast Du?" Sie lachte nicht mehr, sondern war ihm Plötzlich, wie tief beschämt, an den Hals geflogen. Langsam ging ihm ein Licht auf. „Wie das Du? Herrgott,, muß ich einen guten Magen haben, den Magen eines kerngesunden Menschen! Zillis hat mich immer auf Magen schwund hin behandelt!" „Armer Männe, was hast Du um meinetwillen ausgestanden!" schmei chelte sie zärtlich. „Und ich alter Dussel habe geglaubt. Du willst Deinen Mann vergiften!" grollte Papachen ganz gelnickt. „Das kommt aber Alles von dem verflixten „ohne Vorwissen" handeln." Er fand lebhafteste Zustimmung. Ein boshafter Schmie ger söhn. Dame: „Haben Sie sich nicht gefürchtet, mit Ihrer Frau durch die Äbruzzen zu reisen?" Herr: „Nein, die Schwiegermutter hat im mer am Kutschenbock gesessen." Galant Herr: „Warum so nachdenklich, mein Fräulein?" Fräulein: „Ich suche vergeblich nach einer treffenden Verdeutschung des Wortes Philosophie." Herr: „Philo sophie ist, mein Fräulein, neben Ihnen zu sitzen und nicht aus der Fassung zu kommen." Durch die Blume. Pro fessor: „Herr Kandidat, das Examen fen." Antithese. „Herr! Wenn scheidteste Mensch auf Erden!" ruhen Excellenz mit meinem Hotel zu frieden zu sein?" Minister: „So ziemlich! Nur Maulkörbe für die Selb st verrath. Bäckers frau: „Mann, gieb mir einen Kreuzer her für den Bettler draußen!" -- Mann: „Wer wird ihm denn gleich ß» viel geben! Gieb ihm doch lieber eine
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