Revanche! ErsteZ Kapitel. „Boularöde, zum Donnerkeil las sen Sie den Unsinn!" rief der Unterof fizier, ein wuchtig«?, bis in die Augen hinein bärtiger Landwehrmann, in der Uniform der siebenten preußischen Pio niere. Die Kriegsgefangenen arbeiteten an einer Neu-Traversirung der Schieß stände, die sich am Moselhang der Koblenzer Kartaufe hinziehen. Bou lart-de war ein Zuave, der sich aus der Höhe einer Traverse seinen Arbeitsort ausgesucht, damit er um so effektvolle: seine Späßchen und Mätzchen, allen sichtbar und vernehmbar, loslassen könnte. Natürlich braucht« er als Fra nzose nichts von dem drohenden Kauder welsch des Landwrhrmannes verstan den zu haben, und so lieh er seine Witz weiter flattern. Einige lachten; viele je doch der biederen Troupiers verstanden diesen Pariser mit seinem rasfinirten Boulevardjargon nicht und grinsten nur mit, um die aufsichtführenden Prufsiens zu ärgern; einzelne schaufel ten in finsterer Verbissenheit weiter, als gälte es, dnrch das mechanische Einerlei der Arbeit die Gedanken an die Schmach ihrer Gefangenschaft zu verscheuchen. Die theatralische Zuavenunisorm konnte nicht trefflicher zu dem clownar tigen Wesen Boulart'des passen; und er hatte das Exotisch« in Schnitt und Form noch übertrieben: die unterrock artigen Hosen, deren Noth durch Son ne und Lagerschmutz gebräunt war, noch Iveiter und faltiger; die Schnörkel an der blauen Jacke noch phantasti scher, den Fez mit der übermäßig lang baumelnden Quaste noch tiefer in den Nacken des wie rasirt geschorenen Kop fes gerückt. Ein behender Kerl mit faxenartigen Bewegungen, dessen schmales, schnauzartiges Gesicht, das ein röthlicher Napoleon 111. zierte, stets von Grimasse zu Grimasse wechselte. Er schien wie zu einem Zuaven geboren, und man hätte es ihm nicht zugetraut, daß er erst beim Beginn des Krieges die Feder des Komptoiristen mit dem gefiirchteten Säbelbajonett vertauscht hatte. „Wollt ihr wohl schuften ver dammte Franzosenbande!" donnerte von Neuem der Unteroffizier, und feine sonst so gutmüthigen westfälischen Blauaugen "quollen wüthend; immer wieder der Unmuth. daß man hier ste hen und den Kerkermeister für die win digen Parlez-vous spielen muß, wäh rend daheim das Geschäft stillsteht und Weib und Kinder in Sorgen ver kümmern. Die Gefangenen verstanden die Worte nicht, doch Gebärde und Miene des Preußen bedeuteten nichts weniger als eine Liebkosung; und sie wußten, der Kommandant des Lagers macht, wenn die Meldung einer Widersetzlich keit an ihn gelangt, kein Federlesens. So begannen sie also von Neuem zu schaufeln. Nur einer, «in Chasseur in hecht grauer Uniform, stieß den Spaten mit zornigem Nachdruck in den losen Bo den und schob das Käppi schief nach kurz geschoren« Haar in scharfen vor kragenden Winkeln auf Stirn und Schläfen zeichnete. Eine hübsche Er tzenden Braunaugen und keck ausge steiftem Schnurrbärtchen; selbst hier in der Verkommenheit des Lagerlebens wohnten Eleganz; so wußte er über den abgetretenen Stiefeln stets ein Paar weißleinener Gamaschen (selbst gewa schen!) schneeig schimmern zu lassen. den Spaten handhabte, wobei er sich freilich kein Weh durch Uebereifer an that, konnte man an dem kleinen Fin ger seiner Rechten einen Brillanten mächtig funkeln sehen. „Was meint er, Jaminet?" rief das ter wies verächtlich zuckend auf den Preußen hin. „Du verstehst ja doch deutsch, mein Alterchen!" Jaminet macht« eine abwehrende nur eine Neckerei sein, sie sollte Jaminet nicht wehe thun, ihn nur zu neuem Preußenhasse stacheln. Was kann er dafür, daß der Wohlstand des Hauses Sulpiz Jaminet, Rue de aus deutschen Quellen schöpft? daß schon sein Großvater Armand Jaminet mit dem Hause Heinrich Wahl zu Mülheim am Rhein eine Art Kompagnie bildete? Dem Kaufmann gehört die Welt; er Nothwehr gegen die allseitig drängende Konkurrenz; und w«nn Sulpiz Jami net mit der in Mülheim fabrizirten die theurere französisch« Konkurrenz zum stets anwachsenden Vortheil des eigenen wie des Wahl'schen Säckels das damals vor dem Kriege doch nicht unpatriotisch! Heute freilich.... Nun, Hai «r, der älteste Sohn Ja minets, nicht «in« Prob« des Patrio tismus für sich und das ganze Hau», der Chappfeide zum Trotz, abgelegt? Hat er sich nicht sofort beim Ausbruch des Krieges unter die Kämpfer für das heilig« Vaterland einreihen lassen? Wohl aus wirtlicher Begeisterung nicht nur um di« Schreier, die in jenen Tagen Alles, was nach Preußen roch, verdächtigen und »«rdammen wollten, zum Schweigen zu bringen nein, aus echter, heißlodernder Begeisterung! „Boularöde—Himmelhund!" brüll te der Landwehrmann, außer sich über das wegwerfende Achselzitcken; und er riß das Faschinenmesser mit der Sche ide aus dem Koppel und schüttelte es mit der Gebärde des Hau«ns gegen den Gefangenen die Drohung mit der blanken Waffe wäre nicht so beleidi gend gewesen. „Allons, Boularöde macht keine Dummheiten!" ries ein Marinesoldat einer Brustseite voll Medaillen, den die Gefangenschaft gewiß noch schärfer schmerzte, als diese grünen Bramar basse, die das Pulver fast nur auf dem Schießstand g«roch«n. r«>de. Und auf diesen Sieg hatte er seinen Plan gebaut. O, er war nicht von dem Schlage der Maulhelden wie Boula dachte wirklich zu handeln. In den vielen müßigen Stunden des Umherlungerns auf dem Lagcrstroh hatte sich dieser Plan ausgebrütet, phantastisch, verwegen, fast wahnsin nig wie eine fixe Idee. Nichts weniger als ein Aufstand, ein Ausbruch der Gefangenen. In dem Lager waren fünftausend von Sedan her vereinigt, zumeist der alten, schlachterprobten kaiserlichen Kerntruppe angehörig. Die Bewachung wurde anscheinend sehr leichtsinnig von den Preußen gehcind habt, sollte doch ein Häuflein Land wehrleute die ungeheure Ueberzahl in Wenn sich die zehntausend Franzosen fäuste erst ihrer Kraft bewußt werden! Ein« Kleinigkeit, die paar preußischen Wichte in der Nacht zu überrumpeln und in Stucke zu hauen! Und dann auf! Hinaus! Uebn die Berge nach Frankreich hinein! Es sind nur die Schmerzen.... „Der Teufel soll euch srikassiren!" brüllte der Unteroffizier. Seine Geduld Arbeitsfeld uinst«llt hielten. fpenstigen einfach mit dem Bajonett aufspießen zu lassen, oder ihnen mit einer blauen Bohne das Maul zu stopfen! „Pariser Windhunde!" knurrte der Marinesoldat, im Aerger über die nutz lose Herausforderung. Der Posten setzte sich auf den Ruf hin phlegmatisch in Bewegung. Da riß Boulartche den Svaten aus der Erde, und ihn wie eine Waffe hoch über dem Kopfe schwingend, rief er, daß es laut über die von Arbeitern wimmeln de Fläche hallte: >'. V nn»ü!" fiel Jaminet ein und seine Augen loderten. Gleich schien ihn das zu reuen. Das Geschrei K In Boularöde verdirbt ihm am Ende seinen Plan. Wenn man ihn, Jaminet. in der Kasematte festsetzt iver soll dann die Fünftausend nach Frankreich führen? Er spie also in die Hände und begann seine Wuth in ei nem übertriebenen Geschaufel auszu lassen; die Erde spritzt- umher, so daß die zunächst Arbeitenden Halt! und Holla! riefen. An den ander» Traversen schaute man überrascht auf, wer denn so wahn sinnig und zu so ungelegener Zeit nach Zlevanche krähte. Zwischen den beiden Landwehrleuten gab es einen kurzen Wortwechsel: der Posten fand keinen Grund, «inzuschni ten die Schreihälse oben arbeiten ja wieder, was will man mehr? Auch Boulart>de hatte sich, da die Prussiens Ernst zu machen drohten, wieder an's Schaufeln begeben. „Laßt sie nur schimpfen da be kommt ihnen unser Kommißbrod bes ser!" meinte der Posten, „die Haupt sache ist, daß man sie nicht versteht!" Eine Weile herrscht Ruhe, nur das Knirschen des Eisens in der kiesigen Erde und das scharrende Geräusch der Spatenwiirfc. Es ging gegen Mittag, die Sonne hatte das treibende Wolten meer durchbrochen und beschien nun das weitgedehnte Plateau der Kar tause wie das Waldgebirge des Küh kopfs, das massig darüber aufsteigt, mit scharfem Herbstlicht, überall blen dende Farben und grelle Lichter entfa chend. Hier auf dem Arbeitsplatz gab das Gewimmel der rothen Hosen und bunten Uniformbesätze gegen die seuch dem Aufblitzen der geschwungenen Spatenblätter, ein lustig bowegtesßild. Jenseits der olivenbraunen Rasenflä che des Exerzirplatzes stand das Ge fangenlag«!. sautxr und niedlich von einer Spielzeugschachtel ausgepackt: die eingerichteten Glieder der hellen Zelte, die üb«rdachten, von grauen Dampf die Verwaltungs- und Offiziersbara cken mit spiegelnden Fenstern und stolz flatternder preußischer Fahne. Unter den eckig«n Erdlinien das Fort Alexander, ferne, jenseits des Rheines, ragte di« Feste Ehrenbreitstein, glei ßend im Sonnenzild, einer feenhaft-n Riesenburg gleich. Das Lager konnte nicht herrlicher gelegen sein, ist doch die Koblenzer Kartause ein vonFremden vielbesuchter Glanzpunkt des Rheins. Die meisten der Gefangenen mochten, wenn sie an die endlosen Märsche im Staub und Schmutz d«r Landstraße, an das Elend der Biwaks und die Todesnoth des so bejammerns-werth finden. Hatten sie nicht Essen und Obdach und Schlaf, diesen sogar mehr als sie brauchten? Waren sie nicht aller Plackerei ledig? Und dies- schier verbr«ch«rische Apathie tonnte Jamimt zur Verzweiflung bringen! Bis jetzt wollte sein Plan sich nicht der Ausführung nähern. Die Stunde der Befreiung vorbereiten. Wenn Jaminet aber mit seinem Plane herausrückte, so fand er bei den Einen man müsse sich dem Vaterlande für bessere Zeiten erhalten! Die Heuchler! Einzelne Hitzköpfe, wie Jaminet selbst, wären am liebsten gleich ausgesprun- Plan! Aus seinem Zeltgenossen Boularöde ward er nicht klug. Dieser fand den Ausführungen Jaminets mit einem tönenden Wortschwall, mit dem Ge donner seiner Phrasen nieder: „O, wir werden Frankreich schon retten!" Mit dem „wir" meinte er „ich". S«ine Phantasie riß ihn sofort ins Märchen hafte fort; «r sah sich schon als Retter Viele hatten ja recht: noch war die Zeit nicht da! Es fehlte der Elan. Es mußte erst ein Ereigniß kommen, das die aufstachelte. Ein Sieg ein endl ch?r Triumph der französischen Waffen. Und er horchte und horchte mit fie bernder Ungeduld nach der Heimath es umgab, nicht einmal sehen, und man hatte Mühe, einen der Posten zu enl decken. Der Ausbruch mußte natürlich hier nach der Waldseite stattfinden Heide ist bald - überschritten, t»nn nimmt der Kühkopf und das Mosel gebirg mit seinen ausgedehnten Wäl schmuck seines Laubes prangt, absicht lich ihnen zum Unterschlupf dorthin g-st-IU. wenn die zehntausend Fäuste sich ihren Weg bahnen? Holla, wir kommen! Wir kommen schon Ein paar Sekunden, dann folgt der Donner des Kanonenschusses selbst, ein krachendes und rollendes Echo in Nachhall des ersten mischt. Rauchwolke hüllt die Feste ein, hie und da sieht man die Feuerzunge des Ge schützes blitzartig heroorschnellen; und Was ist's? Selbst die Preußen wis sen es nicht. Ein Sieg was sonst? Am Tage von Sedan erzittert« die stimmen. In den Gesichtern der Gefangenen malt sich Ueberraschung, Schreck, Ver blüffung. Einzelne sind darunter, Keiner denkt mebr an die Arbeit, man will Gewißheit haben. D-r Of fizier befiehlt, zum Abmarsch antreten zulassen; das geht diesmal auffallend rasch von statten. Bald wälzt sich die Kolonne der Rothhosen, von den Wachtposten «skortirt, einer bunten Schlange gleich, über die braune Heide. Der Offizier, von der Landwehr wie di« andern, ist trotz feines wackeln den Bäuchleins vorangeeilt; jetzt hat »r den Posten am Lagereingang er- reicht: „Was ist denn los? Was be deutet dos Geknallt" „Metz ist gefallen, H«rr Lieutenant!" meldet der Posten, der mit Gewehr über stillsteht, und sein braves Gesicht grinst vor Freude unter dem Honneur. „Die ganze Armee Bazaines gefan- ah!" blt d Off' ' 112 „Metz ist unser!" in den Gliedern zucken, während der Mund noch die Frage stammelt: „Was ist's mit Metz?" Einem unheimlichen Zündfeuer gleich fliegt die Nachricht durch die Reihen. Nicht möglich! Undenkbar! Di« Kanonen lügen! Das stolz«, jungfräuliche Metz soll in Preußen „Berräther!" Es ist Boularödes rollende Stimme. „Verräther —" das richtige meri<o; braune Fäuste heben sich ver- Rufe. In der ersten Zeltgasse schwenkt entsetzliche Nachricht bätte Jaminet Zweites Kapitel. hörte man ihn dumpf tosen und grol len; dc>,nn stürzte er sich auf die offene Platte herab, kam heulend daherge>agt Zelten und Baracken und der ganzen leichten Franzosengesellschaft hinweg zufegen sich vorgesetzt hatte. Es brannte kein Licht in den Zelten, man kauert« im Dunkel, nur das Auf glühen der Stummelpfeifen verbreitete von Zeit zu Zeit ein fahlrothes Däm merlicht, das die Gesichter phantastisch beleuchtete. Es war den Gefangenen verboten, Licht anzuzünden; mit Be ginn der Dämmerung mußte alles sein Revier aufgesucht haben, und dann saß und lagerte man die immer langsamer schleichenden Herbstabende hindurch in gedrängter Runde, auf das Gespräch, auf die Pfeife, auf seine eigenen Ge danken, auf den frühzeitigen Schlaf angewiesen; hier in der Dunkelheit und der beschäftigungslosen Oed: fühlte man erst die Gefangenschaft. Hie und da belebte ein Witzbold oder r»>d:s die kümmerliche Unterhaltung, doch f«ii dem Fall von Metz ließ der Alp, der aus den Gemüthern lästere, kein Lachen mehr auskommen. Gegen Tritte einer Postenählösung und die scharfen Rufe, die den Gang des Ron denoffiziers begleiteten, unterbrachen die Stille. Heute jedoch hielt der Sturm das Lager wach; er prallte gegen die Zelt l-inw«nd, rüttelt« an d.-n Stangen und zerrte die Leinen ein besonders tätiger Stdß wurde mit lautem. Ho! und Hallo! begrüßt und die Fäuste fuhren unwillkürlich in die Höhe, ünt das Zelt vor dem Fortfliegen zu schü tzen. Ein paarmal erfolgten krächenoe solche Sturmangriffe noch nicht gehö rig schienen. „Bravo, bravo, bravo...." Freude widersinnia, denn die .Zerstö rung galt dem Obdach, das für d-n in wenige» Tagen zu erwartenden Zu wachs an Brüdern und Landsleuren hergestellt wurde. Die M«tz«r Kapitu lation bracht- dem Lager eine weitere Vermehrung von sechstausend Mann. Die Kommandantur schien rathlos, im Lager herrschte ein hastende» und wir res Durcheinander, Pioniere waren mii dem Ban von Strohhütten be schäftigt. während die Unternehmt! f:«- berbaft an den Baracken zimmerten. Mit verdutztem Kopffchüttrln sah«n die Vtfangenin, wi« man sogar die Doppelwände der Baracken zur Ab wehr gegen die drohende Winterkälte mit Häcksel dichtete. Was soll das bedeuten? Will man sie überwintern? Läßt das Vaterland seine Söhne im Stich? Will man sie, die dem Verrath zum Opfer gefallen, hier in der Schande verkommen lassen? Viktor Jaminet sah in sich geduckt, di- Ellbogen auf die spitz emporgezoge tete stumpf vor sich hin. Er nahm an der Unterhaltung nicht theil, auch die Pfeife wollt« -hm nicht fchm«ck«n seit dem Fall von Metz schlich er wie gebrochen umher. hörte war geschehen! das für un einnehmbar gehaltene 80110-rk war gefallen! d«r Löwe Bazain« hatte sich als ein seiger, verräiherisch«rHund Man saselte»von «iner Beendigung des Krieges. Unglaublich! Er hätte den. der von einer solchen Möglichkeit anfing, am liebsten zu Boden geschla gen. Seine Genossen zuckten die Achseln über den Phantasten, der sich derglei chen zu Herzen nahm. Da ist Boula r,>de doch ein anderer Kerl! Seht doch, wie sein Elan erst r<echt in die Höh« ge schnellt ist durch das Unglück! Hört nur, wie er mit der Kraft seiner Lun gen für die Wiederaufrichtung der ge sunkenen Hoffnung arbeitet! Dionys Boularöde gab in einem Nachbarzelte Gastvorstellung, da hier in dem eigenen der Nimbus des Pro pheten etwas im Verblassen war. Weit in die Lagergasse konnte man ihn de- Wettstreit zu r«izen, das Getöse durch „Unausstehlicher Maulheld!" knurr " Die Macht des Taumels gönnte ihnen kaum Zeit, «ine Flasche Cham pagner auf den famosen „Berliner „Aus nach 8er1in...." Auch sie wollten dabei sein! Es wird ein ungeheures Amüsement! Einige gelobten, sich so fort als Volontäre in die Armee ein zu dem Entschluß bestimmt haben: er war ein guter Patriot bis in's Herz hinein. Gesicht, als sein Aeltester ihm das niinet gegen sein «igen Fleisch, wenn es die Preußen bekämpfen hilft? Die naiv« Beigeisterung des angehenden Egoismus des Kaufmanns nieder. Nur ein gedrückter Scherz: ~WaZ wird aber Deine Braut sagen, Viktor?" „Viktors Brau!" die ihm immer wieder durch die Neckerei der Seinen angelobt wurde, hieß Gertruv Wahl. Die Intimität der beiden Firmen hatte sich naturgemäß auch auf die beiden Familien übertragen. Das Interesse des Geschäftes bedingte einen regel mäßigen persönlichen Verkehr der In haber. der sich im Laufe der Jahre zu einer Freundschaft gestaltete. Es fan den gegenseitig« Besuche statt, beson- und auch dort, während «iner Wies badener Badekur, ihr zartes Leben aushauchte. trennbarer zusammenkitten würde, einen geheimenHeirathsplan. der einst weilen, solange di« beiden Glieder des zukünftigen Pärchens noch auf der Schulbank saßen, nur mit allerlei hüb schen gelegentlichen Anspielungen ge nährt wurde. d L ' richtsanstalt schmuck genug stand, sich diese Neckereien mit einem gewissen wohlaekälligen Schmunzeln gefallen ließ. Dann ein« andre, wo er offen über das „deutsche Gretchen" spottete, insgeheim aber mit «iner gewissen Photographie auf einem der Kamin simle einen schwärmerischen s!ultus trieb. Die Photographie stellte ein frisches, rundliches Kindergesicht dar, mit großen, lachenden Augen und al- Wangen, das Haar etwas zu artig und glatt gescheitelt sonst erinnert« die liebliche Schelmerei des Ausdrucks ge wiß nicht an den Typus des deutschen Gretchens, wie er wegen seiner Senti mentalität den Spott eines Franzosen herausfordern konnte. Die beiden hatten vor Jahren ein paar Tag« miteinander gespielt, als di- Wahls zum Besuch in Paris waren, und bei der Erinnerung an Gertrud- Helles Lachen überkam Viktor noch heute eine Vorstellung, als wäre da mals der Sonnenschein zu Gast ge wesen in den düsteren, hallenartigen Räumen des altfränkischen Herr schaftshauses, das die Jaminets in der Rue de Cl6ry bewohnten. Die Umstände wollten es, daß sie sich seitdem nicht wiedergesehen. Als Viktor mit dem Vater ,um Besuch am Rhein weilte, bald nach dem Tode der Mutter, befand sich Gertrud bei den Ursulinerinnen zu Brüssel in Pension. Sie «ü'« sehr fleißig, erzählten die Eltern; und mit einem bedeutsamen Hinweis auf Viktor: sie zeigte ein würdiges Talent für's Französische. Auch hörte er, daß sie im Begriff stände, zu einerSchönheit aufzublühen. Kindereien! Dergleichen Naivitäten kümmerten ihn schon längst nicht mehr! Er begann damals schon als frühreifes Pariser Pslänzlein von den berauschenden Genüssen der Großstadt zu naschen, und das Märchen von dein deutschen Gretchen lag bem angehen den Boulevardier weit rückwärts in der Rumpelkammer unter dem andern Spielzeug seiner Kinderzeit. „Was wird aber Deine Braut sa gen, Viktor?" „Ich werde sie mir mit dem Opern glas betrachten, das ich mir in Berlin kaufen werde," höhnte Viktor. Acht Tage nur blieb der Volontär im Depot; dann ward er in ein Chasseurbataillon gesteckt, das zu nichts Besserem zu sein schien, als ein paar Wochen lang auf der Eisenbahn zusammengerüttelt und im unsinnig- Mahons, die Gefangennahme des Kai sers, die Kapitulation. Bei der Ueber gabe warf Viltor gleich den andern Waffenhaufen, die sich zu beiden Sei ten des Festungsthores aufthürmten. Wieder ward ein paar Tage auf Tode abgehetzt, die Sinne wie betäubt von der langen Fahrt, das Herz von W«h geschwellt. Am Morg«n beim Erwachen trafen sich die noch traumschweren Blicke Bou larödes und Jaminets voll Verblüf fung, schier «ntfetzt ob der ungeheuren Ironie di«ses Wiedersehens. Wie be geisterungsirunken hatten sie vor dem Cafs Neuf in den Ruf ü^rlin" „Boulardde!" „Jaminet Du hier?" grimmige Lächerlichkeit. Es war neun Uhr; von der Wacht baracke wHten die melancholischen Töne des Zapfenstreichs herüber; jetzt fuhr der Sturm dazwischen, die Töne zersprengend und gleichsam zerfetzend. Der lZt- iaur habende Offizier «ilte mit der Patrouille durch die Gassen, um Ruhe zu gebiei«n. Hie und da, wo nicht sofort parirt wurde, gab es «in rauhes Wort. Natürlich ließ sich das Mundwerk von einem Boularöde nicht sofort »er schließen, während er. nach seinem Zel te zurückgekehrt, es sich zum Schlaf be quem machte, gab er immer noch von seinen Versen zum besten, bis die der be Verwünschung eines der Zeitgenos sen dem patriotischen Unfug ein Ende machte. Bnor6 k>wu! Man ist froh, wenn man im Schlaf Alles vergessen kann! Jaminet lag auf seinem Platz am Zelteingang, die geballten Fäuste zur Brust erhoben, und diese Stellung kennzeichnete die letzten Gedanken des Entschlummerten. Ja, der Schlaf ist das Beste! Zauberte er ihm nicht die Vision von fröhlichen Biwakfeuern her bei? Wandelk er nicht das Sturmge töse in fern«n. von Siegesfanfaren be gleiteten Kanonendonner? Plötzlich strich ihm zu Häupten «in eisiger Luftzug herein und «ine Stim me rief gedämpft: „Jaminet he, Monsieur Jaminet!" Der Angeredete zuckte mit einem deutschen „Hi —rr!" empor, wie «S die preußische Zucht verlangte, wenn die Namen beim Appell aufgerufen wur den. E» war aber kein Preuß«; gegen den matten Schimmer einer im Sturm (Fortsetzung folgt.) Anr die Küche. Grüne Erbsensuppe. Sehr junge, eben nur erst ausgehülste Erbsen werden mit frischer Butter unter öf terem Schütteln weich gedünstet. So dann gießt man die zur Suppe nöthige Menge guter, kräftiger Fleischbrühe daran, würzt die Suppe mit etwas fem gehackter Petersilie und Salz vnd gibt kleine Klößchen darein. Semmel- Butter- oder Schwammklöße eignen sich vortrefflich zur Einlage. Gerollter Rindsbraten. Man nimmt ein saftiges Stück und reibt es mit einem feuchten Tuche ab. Nun schneidet man es so auf, daß «S an einer Seite zusammenhängend bleibt, und reibt es mit Salz und Pfeffer ei.i auf beiden Seiten. In zwischen wird eine Fülle gemacht, in- Fülle mit Salz, Pfeffer und Muskat men und bindet es gut. In eine Pfanne, in der Schmalz heiß gemacht wurde, gibt man das Fleisch hinein, bratet es gut durch, gießt hie unMda etwas Fleischbrühe nach und legt, eh« der Braten fertig ist. eine ge tauchte Brotrinde in die Pfanne. Vor dem Anrichten nimmt man noch etwas sauren Rahm zur Sauce. Saure Eier. Die frischen Eier werden in stark kochendem, mit Salz und etwas Essig vermischtem Wasser, dicht über demselben ausgeschlagen, Z bis 4 Minuten langsam weiter gekocht, mittelst eines Schaumlöffels behutsam in kaltes Wasser gelegt, etwas beputzt und angerichtet. Das Eigelb muß noch weich und vollständig von dem Weißen umschlossen sein. Von in kleine Würfel geschnittenem, magerem Speck, welcher ausgebraten wird, läßt man 1 Löffel Mehl braun rösten, schwitzt einige fein geschnittene Chalot ten darin und kocht mit der nöthigen leichten Bouillon oder auch Wasser. Essig. Salz, Pfeffer und etwas Zucker eine wohlschmeckende, süßsäuerliche Sauce und gießt sie über die Eier. Kirschenauflauf. Diese ein fache Art eines sehr guten Kirschenauf »aufs kann auch in einer Tortenform gebacken werden. Man braucht hiezu ein Pfund unausgesteinte, schöne schwarze Kirschen, welche man in fol gende Masse hineinmengt: Vier bis fünf Brötchen werden in warme Milch eingeweicht und ziemlich glatt verrührt mit einem Stückchen frischer Butter. Erkaltet gibt man ein Achtel Pfund gewiegte Mandeln, ein Viertel Pfund Zucker, etwas Citronenschale und Zim met dazu. Nun kommen die Kirschen und 4 bis 8 Eigelb. Zuletzt zieht man leicht den Schnee der Eiweiß durch und füllt die Masse in eine gut gebutterte Form. Flott gebacken, gestürzt und mit feinem Zucker bestreut noch warm zu Tisch gegeben, schmeckt er vorzüglich. Hecht zu kochen. Der.Hecht wird geschuppt, ausgenommen und in Stücke geschnitten. Unterdessen macht man Wasser mit Salz, Zwiebeln, Lor beerblättern. Nelken, Pfeffer und et was Essig kochend, thut den Fisch hin ein und läßt ihn darin, bis die Flossen sich herausziehen lassen. Pflückerbsen. Nachdem die Erbsen aus den Schoten herausgenom men sind, dämpft man sie in frischer Butter, fein gewiegter Petersilie und etwas Zwiebel gut weich. Dann gießt man etwas Fleischbrühe nach und gibt zuletzt einige Messerspitzen Mehl dazu. Nachdem man das Gemüse noch kurze Zeit hat dämpfen lassen, salzt man eS und fervirt es zu Kalbfleisch und ande ren Braten. Mit jungen gelben Rüb chen, welche man auf dieselbe Weise zu bereitet, kann man die Pflückerbsen vermischt ebenfalls aufgeben, was viel fach vorgezogen wird. Erdbeersulze. Ein Pfund frische Erdbeeren werden etwas zer drückt und mit einem Viertel Pfund geklärtem Zucker heiß übergössen, gut zugedeckt und über Nacht stehen gelas sen. Am nächsten Morgen filtrirt man den Saft, ein halbes Pfund Zucker, färbt ihn mit einigen Tropfen Coche nilletinctur, seiht ihn durch, vermischt ihn mit aufgelöster Hausenblase, dem Erdbeersaft und einem Glase Weiß wein. füllt die Mischung in eine hüb sche Gel, Reform und gräbt dieselbe ei nige Stunden in Eis ein. Vor dem Serviren stürzt man das Gel6e auf eine Glasschale. Englischer S o m m e r s a l at. Als Grundlage »mütze man Lattich. Radischen, Gurken und TomattN »der irgendwie anderes gutes Salatgemiise. Man wasche es und reinige es vom Sand, dann trockne man es in einer Schüssel. Für den Saucenaufguß nehme man folgende Ingredienzen: ein Eidotter, eine halbe Pint Olivenöl, vier Eßlöffelvoll Weinessig, zwei hart gekochte Eier, eine kleine Zwiebel, ein wenia Cayennepfeffer, einen Theelöf fel voll Salz. Die hartgesottenen v>i«r müssen kalt fein. Man entferne die Schalen und trenne die Dotter vom Weißen. Letzteres schneide man in Stücke, während das Gelbe durch ein» Sieb gegeben wird. Darauf thu« man die Dotter des rohen Eies in eine Schüssel und schlage sie tüchtig, dann gebe man das Olivenöl trops«nweif« hinzu, bis das Ganze steif wird, nach her schneller, bis ein Löffel drin stehe» kann. Nun thue man den Pfefftr, da» Salz und d«n Weinessig hinzu, zuletz» die Kartoffeln, die zu zerquetschen sinb, und die geschnittene Zwiebel. Zum Garniren benutze man das Weiße u»5 die Dotter der hartgesottenen Eier. Originalität »sucht ist »ft blos ein Deckmantel für Talent!«» ?«!eit. 3
Significant historical Pennsylvania newspapers