Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, June 11, 1896, Page 3, Image 3

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    M Mster»-Meiille.
<l2. Fortsetzung).
„Freut mich ausnehmend," sagte
Hopser. Dann wendete er sich wie zum
Gehen, blieb aber doch wieder unschlüs
sig stehen und sagte endlich zu Stichow:
Mr. Stichow, hätten Sie was
dagegen, mit mir Eins zu trinken?
Ich hätte g'rade so Lust auf ein Glas.
Mr. Lipps wird ja wohl inzwischen
nicht davonlaufen?"
"Xo, srr, das wird er bestimmt
nicht," versicherte dieser aus seinem
Bette heraus. „Ihr könnt übrigens
Euch auch gleich Eins für mich geneh
migen. Hab« ich schon selber nichts,
waS man anständigerweis« durch die
Kehle könnte rinnen lassen, so würde
es mir doch sicher zur Beruhigung die
nen, wenn «in Anderer ein Tröpfchen
„Soll geschehen, Max!" lachte Sti
hatte, dem Painter zu folgen. „Ich will
sogar ein Glas Rheinwein für Dich
opfern."
Damit verließ Stichow mit dem
Painter das Zimmer, und Beide wan
derten hinüber in Neichmanns Sa
loon, wo sie zur Zeit die einzigen Gäste
waren.
„Haben Sie mir etwas Besonderes
zu sagen," fragte Stichow, nachdem er
Reichmann, dem ewig Verschlafenen,
den Auftrag ertheilt hatte, zwei Glä
ser Rheinwein und „etwas Lunch" her
beizuschaffen.
„Besonderes ist es nun eigentlich
„Selbstverständlich!"
„Gott sei's geklagt!"
Räch Allem, was ich höre, ist mein
Nachbar Wurm bis an die Achseln im
Sumpf aufgefahren."
gang mit Hülsenfrüchten, Gemüsen
und Fettstoffen verdirbt den Charak
ter."
Stichow lachte.
„Es ist gar nichts Lächerliches da
bei/' fuhr der Painter fort, „ich ver
heil. Na, sei dem wie ihm wolle,
mich geht es ja schließlich nichts an.
Also: Die Familie hat sich in den
ist nicht vorhanden: der Betrag der
Versicherung reicht gerade hin, um die
Mortgage, die aus dem Hause lastete,
zu decken, und die Lot selber gehört
dem guten Mann gar nicht. Nun habe
ich mir sagen lassen, daß gerade jetzt
diese Lot zu einem vernünftigen Preis
ick daS Ding kaufen und darauf ein
ordentlickes Brickhaus hinbauen. In
Gottesnamen könnte sich dann der
„I, Gott Bewahre," rief aber der
thun?"
„Sie? Sehen Sie, die Sache ist
auf mich herabflehen, oder er vermu
thet, wie Sie, eine Wohlthat dahinter,
dann gibt es eine scheußliche Rührszene.
gern, und wenn ich mich ärgere, dann
schmeckt mir das Essen nicht. Also
nichts davon. Sie aber könnten sich
zichlen: beispielsweise, Sie hätten ge
hört, irgend Jemand der Betref
fende müßte aber recht weit von Chi-
Ding verpachten, oder auf Theilzah
lungen verkaufen. Das Kapital wäre
mit vier Prozent zu verzinsen. Kurz,
so etwas Aehnliches müßten Sie vor
dringen und zu erfahren trachten, ob
er denn auf deralxichen eingehen
würde.
„Wie wird er nicht!"
„Na, na," machte zweifelnd der
Painter, „so unprattische Leute, wie
dieser Wurm, sind in solchen Dingen
nicht zu berechnen. Das lebt immer in
überschwenglichen Ideen, und da ist es
gar nicht ausgeschlossen, daß der
Schwachtopf plötzlich den «dlen Un
glücklichen oder so etwas dergleichen
spielen will. Hören Sie mir auf es
ist ein lästerliches p^nplo."
„Endlich und schließlich," gab Sti
chow zu bedenken, „wird der Grocer
aber doch erfahren müssen, daß Sie
und Niemand Anderer der Mann sind."
„Ne, das wird er nicht," rief Hopser,
und mit einem überaus schlauen Lä
cheln sMe er hinzu: „Ich habe näm
lich m» der Sache gar nichts weiter zu
thun. Will der Wurm die Hütte haben,
so ist mir's recht. Ich lasse das Ding
dann bauen, aber nicht auf meinen
Namen, sondern auf den Namen mei
ner Tochter. Ihr schenke ich nämlich
v»n vornherein den ganzen Trödel.
Bei ihr mag sich dann meinetwegen der
Wurm bedanken, so viel er will, mich
aber geht die Geschichte natürlich gar
nichts weiter an, und kommt er etwa
mir auf die Bude gerückt, so weise ich
ihm einfach die Thüre."
Mr. Hopser."
„Nicht im Mindesten ich sorge
nur für die Zukunft meiner einzigen
Tochter, das ist alles."
„Nun, wie Sie wollen. Sicher ist,
daß ich Ihren Auftrag ausführen »ver
schieben."
„So ist eS recht: die ganze Sache soll
recht fischhäutig aussehen. UndPamPs
nutiusville wird dem Wurm auch paf
fen; es klingt wenigstens dumm ge
nug."
Die Beiden trennten sich bald dar
auf, denn Stichow behauptete, er müs
se trachten, ehestens nach Hause zu kom
men, weil, wenn man Lipps in seinem
jetzigen Zustande halber Rekonvales
zenz länger als nöthig allein lasse, im
mer dieGesahr obwalte, daß er Dumm-
Hopser blieb vor der Wirthschaft ei
nen Augenblick lang unschlüssig stehen.
Er wußte nicht recht, wie er seine Zeit
bis zum Mittagessen hinbringen sollte.
Nach Hause trieb ihn nichts, denn es
war noch nicht zehn Uhr, und das Es
sen wurde erst um zwölf Uhr gerichtet;
war auch Helene in letzterer Zeit
gegen den Fluß zu unternehmen.
Er wandte sich in einem Anfluge
guter Laune an feine Hunde:
Isis wie Osiris gaben ibre Zustim
mung durch Wedeln und tolles Umher
springen zu erkennen.
Endlich gelangte er aber doch an die
Brücke. Anstatt sie zu überschreiten,
ging er rechts den Fluß hinunter und
suchte sich eins Stelle, wo das Wasser
..Halloh Isis —da such'!" und
men nach den Holzstücke!,, daß es seine
Art hatte. Hopser hatte seine Freude
„Ob denn die Köter genug kriegen
könnten," lachte der Painter seelenver
gnügt. „Na wartet, ich will euch jetzt
euer Meisterstück machen lassen
dann aber wird unnachsichtlich nach
gende Ufer und erklärte seinen vierfü
ßigen Gesellschaftern:
„Ich will euch nun das Ding da in'S
Verstanden?"
Mitte deS FlusseS. Mit mächtigen Sä-
Westschwiinmer nicht aus den über sie
zusammenschlagenden Dogen aufge
taucht, da fühlte Hopser, daß der Bo
den unter ihm wich, und ehe er noch
daran denken konnte, einen Schritt zu
rückzutreten, stürzte er sammt der
Scholle, aus der er gestanden, und die
unter der Wucht seiner Bewegungen
zusammengebrochen war, in den gerade
an dieser Stelle ziemlich tiefen Fluß.
Der Painter war kein Schwimmer.
Als er dm Boden sich verloren
Stück Blei auf den Grund. Instinktiv
schloß er den Mund und ließ sich von
der Lust, die noch in seinem Körper
war, wieder aufwärts tragen. Er hoff
te zuversichtlich, daß es ihm, war er
nur erst wieder an der Oberfläche des
werde, sich am User festzuhalten. Allein
als er den Kopf über Wasser hatte, und
während er, mit den Händen um sich
sein werde, wenn ihm nicht von fremder
„Hilfe!" gellte sein Ruf über daZ
Wasser hin; aber wer hätte ihn verneh-
Wieder schlössen sich die Wasser über
ihm und Hopser gab sich verloren.
Da, in dieser höchsten Roth, fühlte er
sich plötzlich beim Kragen erfaßt und
len Athemzug.... Und da faßten seine
Hände irgend etwas Festes, den Ast ei
nes Baumes, den Zweig eines Strau
mals so wenig, als jemals später
genug es war etwas Festes, etwas, das
ihn davor beschützte, neuerdings und
müssen.
Die Kraft, sich hinaufzuschwingen
i-ils das ziemlich steile Ufer, besaß er
zwischen Leben und Tod schwebte, eine
Ewigkeit zu sein. In Wirklichkeit war
es aber kaum mehr als eine Minute,
denn sein Hilsegeschrei war von einem
Mann, der nicht weit von dem Platze
Heu zusammenrechte. gehört worden.
rücksinkm zu müssen in eben diesem
Augenblicke griffen die Zähne des Re
chens unter seinen Rock, ein ordentli-
Gras.'
ren, daß ihn trotz der Sonne, die mit
d.m besten Willen von der Welt nieder
brannte, fror.
„Mir ist kalt!" sagte er, mit den
Zähnen klappernd.
„Glaub's wohl!" lachte gutmüthig!
der Mann mit dem neben
„Nun natürlich. Wer sonst? Ich
Aushilfe", wie er sagte vorgelegt
hatte, anzuziehen. Als das geschehen
war, ersuchte er. ob man ihm nicht ein
der Mann, der dem Painter in dessen
höchster Noth beigestanden war. „Habe
ohnedies an Milwaukee - Avenue zu
Wagen, den eS zog, saßen Mr. Siebert
und Mr. Hopser. Daneben her spran
gen lustig und guter Dinge Isis und
hätte. Aber Hopser suhlte eine schreckli
che Mattigkeit in allen Gliedern, der
Kopf schmerzte ihn heftig, und bestän
z/den Zehen.
welche Leute feines Schlages kennzeich
net, zu beruhigen.
„Hat nichts zu sagen, Miß," rief e:
breit lachend, „fixen Sie ihm einen stei-
m.. ist
„Mir scheint, der Schrecken liegt Jh
ne:> noch in den V'inm, alter Herr,"
fuhr er fort, als er sah, daß Hopjer
nicht im Stande war, die Porch hin
aufzusteigen; „das wollen wir gleich
halben. Hier stützen Sie sich auf meinen
Arm, und Ihr sa, schwarzes Men
schenkind. Halter nicht Maulaffen feil,
sondern helft auf der andern Seite den
Mann up »Uni'» bringen."
Die letzten Worte galten natürlich
ncn über den seltsamen Anblick, d«n
sein in viel zu kurzen Hosen und einem
Viel zu engen Nocke steckender Herr bot,
mit offenem Munde dagestanden hatte,
der sich aber jetzt beeilte, den Fremden
in der gewünschten Weise zu unterstü
tzen. Helene lief voraus und machte das
Bett fertig, das den Vater aufnehmen
sollte.
Siebert lachte, als sich Helme bei
ihm an Stelle ihres Vaters bedankte.
„'s ist all recht," meinte er, indem er
sich wieder aus seinen Wagen schwang
das mit dem Grog vergessen Sie nicht
und recht steif muß er sein; das
treibt die Kälte heraus. Na, xoo<i dv!
ein Grog nur irgend sein konnte, that
es nicht. Hopser lag dm ganzen Nach
mitag in sehr unruhigem Halbschlum
mer, und als es Abend wurde, sagte er
plötzlich, hörbar mit den Zähnen klap
pernd:
„Helene, mir gefriert das Mark in
den Knochen."
Ein Schüttelfrost war eingetreten.
Das Mädch.Ti, über alle Beschrei
bung geängstigt, beauftragte Pompo
nius, den Dr. Wurm Helene kannte
lius nicht zu Hause, und es vereng
fast eine Stunde, ehe der Schwarze,
der ihm von einem Kranken zum An
dern folgte, seiner habhaft wurde. In
zwischen hatte sich der Zustand des
Painters allem Anscheine nach erheblich
verschlimmert. Er warf beständig den
Kopf hin und her und phantasirte von
den Dingen, die ihm im Laufe des Ta
ges begegnet waren. Bakd feue,te er
die Hunde an, dann sprach «r wieder
von Lipps und von Stichow und von
dem abgebrannten Hause. Ein paar
durcki den Kops schössen. Kam er zum
Bewußtsein, so klagte er über Kopf
schmerz, Athemnoth und ein unange-
Helene an die StirN des Leidenden
griff, fühlte sie, wie schrecklich die Haut
brannte.
Endlich kam JukiuS.
Hilm- erzählte ihm in fliegenden
Worten Alles, was sie wußte: Den
Zimmer.
Der Kranke sah ihn mit großen Au
gen an, ihn aber nicht. Nu-
Achselhöhle des Patienten. Mehrere
einen Wink, ihm in's Nebenzimmer zu
folgen. Dort faßte er das Mädchen dei
der Hand und sagte:
„Muth, mein Herz, Muth! Ich
„Es'ist niemals leicht zu nehmen,
wenn die Körpertemperatur auf 106
steigt," antwortete der Arzt. „Ich fürch
te, daß eine heftige Lungenentzündung
kann indessen nur eingehende Auskul
tation und Perkussion geben. Beides
will ich jetzt nicht vornehmen, weil es
Rub: ist jetzt das Wichtigste für ihn.
Vor Allem müssen wir das Fieber zu
verringern trachten. Wir geben ibm
jetzt kalte Kompressen auf den Kopf,
außerdem soll er das Medikament neh
men, das ich aufschreiben werde. Ich
Als die Nacht nieder gesunken war,
da saf: er wieder an des Painters Bett.
„Sie bleiben natürlich siegen, Mr.
Hopser. Das Fenster muß geöffnet
werden, denn Sie brauchen reine, gleich-
mäßig warme und riäßig feuchte Luft,
wi« sie um diese Jahreszeit zur Nacht
zeit weht. Vor dem Luftzug wird Sie
ein Schirm schützen, den wir vor Ihr
Bett rücken. Des Weiteren dürfen Sie
nur das Allernöthigste und das nur
leise sprechen. Wünschen Sie etwas, s»
klopfen Sie an die Bettstelle Helene
oder ich stehen Ihnen immer zu Dien
sten. Die Kompressen wenden fortge
setzt; endlich bekommm Sie Senfteig
auf die Brust, das wird Ihnen die
Athembeschwerden r» d das Stechen in
der Brust nehmen, oder doch mildern.
Weiter ist vorläufig nichts zu thun.
Suchen Sie zu schlafen."
Der Arzt hatte dies in einem ruhigen
und so bestimmten Tone gesprochen,
daß Hopser gar nicht anders konnte,
«ls sich drein fügen.
Als Julius mit Helene wieder in's
Nebenzimmer trat und er sich ihren
großen, bittmd auf sie gerichteten Au
gen gegenübersah, sagte er so leise, daß
der Kranke es unmöglich hören konnte:
„Beunruhige Dich nicht, mein Herz.
Dein Vater ist überaus kräftig, er witd
das, wie ich hoffe, ohne Schwierigkei
ten überstehen. Es ist. wie ich gleich
fürchtete, eine Lungenentzündung, als
die Folge des kalten Bades, das er bei
erhitztem Körper nehmen mußte.
XIV. Nautenst r a u ch s Un
g l ü ck s t a g.
Stichow hatte sich bei Wurm in
höchst diplomatischer Weise der Mis
sion entledigt, die ihm vonHopser über
tragen worden war. Da ihm der Name
seines angeblichen Freundes Fishstin
und der des Ortes Pampfnutiusville
in Texas inzwischen wieder entfallen
war, nannte er irgend einen anderen
Freund und irgend einen anderen Ort
und das machte auch gar nichts aus,
denn Wurm war begreiflicherweise gar
nicht auf James G. Fishskin erpicht,
sondern empfing sein Gluck ebenso
gerne aus anderer Hand. Nach seiner
Art erbaute er auf dem schwanken
Grunde der von Stichow erhaltenen
Mittheilung sofort ein prächtiges Luft
schloß niit Thürmen und Zinnen und
sah sich daher, ehe noch zwei Stunden
um warm, schon für den bedeutendsten
Grocer der Zukunft in Chicago an.
Dabei hatte er sich aber doch aus dem
Schutte der Vergangenheit soviel Ur
theilsfähigkeit gerettet, daß er sich sag
te: auf dem alten Wege kann es unmög
lich fortgehen.
Und einige Anzeichen waren denn
euch bereits dafür vorhanden, daß der
neue Abschnitt in seinem Leben, vor
welchem er sich stchen sah, freundlichere
und sonnigere Tage bringen würde, als
die hinter ihm liegende Zeit. Unter die
sen Anzeichen war das unbestreitbar
wichtigste, daß Frau Heinzelmann, un
mittelbar nachdem sie gehört, daß ihr
Schwiegersohn von fremder Hand Hil
fe und Unterstützung finden werde, die
Aeußerung hatt« fallm lassen, sie wolle
binnen Kurzen, zu ihrer zweiten Toch
ter, die irgendwo im Westen sich als
Gattin eines Farmers und Mutter von
sieben Kindern bethätigte, übersiedeln;
Ehiczge. wo man die gesährlichsten
Schwindler nach Belieben schalten und
waUen lasse, sei ihr für ewige Zeiten
verleidet. Als W'urm diese Nachricht
vernommen, ließ er das Kinn tief in
seine Halsbinde sinken, zog die Brauen
hoch hinauf und steckte die rechte Hand
zwischen den zweiten und dritten Knopf
vorne in den Nock und dann that er
etwas, was er schon lange nicht mehr
gethan: er pfiff wirklich und wahrhaf
tig den alten Dessauer! Von dem un
beschreiblich schönen Momente an, da
er wußte, daß Frau Heinzelmanns Ta
ge in seinem Hause gezählt seien, wurde
der Grocer ein Anderer; er begann sei
ne so lange unbenutzt und verstaubt in
der Ecke gelegenen Herrenrechte wieder
hervorzusuchen und von ihnen allmälig
wieder Gebrauch zu machen. Gusting
mußte dies zuerst erfahren. Denn als
der Junge eines Morgens mit der
Störriakeit eines Maulesels auf feinem
Willen beharrte, welch letzterer natür
lich das strikte Gegentheil zu den Wün
schen und Absichten der ganzen übrigen
Familie bildete, da holte ibn der Vater
„mit keckem Finger" zwischen Groß
mutter, Mutter und Geschwistern her
vor, und sofort begann aus des Bürsch
chens Kehrseite ein wahrer Gewitter
regen von gutgezielten Streichen nie
derzuplätschern. Frau Johanne suchte
freilich dem, was sie eine „barbarifche
Behandlung" nannte, unter vielen
..MeinHimmel!" und „GerechterGott!"
Einhalt zu thun, allein Wurm ließ sich
diesmal nicht stören, sondern erklärte
r.nter einem wahrhaft fürchterlichen
Blick, er, als Vater, wisse am besten,
was den Rangen noththue.
Auch Toby. das Grünhorn, mußte
in diesen Tagen, wo das Morgenrorh
einer neuen Zeit über die Western-
Avenue aufzuflammen begann, üble
Erfahrungen machen und erkennen,
daß schließlich und endlich Alles'ein
mal sich erschöpft, so auch die Geduld
der Geduldigen. Denn als er einem
Auftrage Wurms aus angeborener
Faulheit und anerzogener Wi!»ers-tz
lichkeit nachzukommen versäumte, über
dies «inen deshalb ihm ertheilten Ver
weis mit offener Mißachtung hinnahm,
da war es um seine Zukunft im Hause
Wurm geschehen. Der Herr dieses
Hauses hielt ihm nämlich eine Stand
rede ernstester Art, und wenn sich dabei
die Stimme des Redners auch wieder
holt in jene allzu hohen Regionen ver
irrte, welche man ohne Dissonanz nicht
mehr verlassen kann, so kam Wurm
doch endlich zu dem energischenSchlusse,
daß er nicht Lust habe, von einem
Grünhorn von Tobys Art fernerhin
irgend etwas Ungehöriges hinzuneh
men, und daß er es ihm daher freistelle,
sich um irgend eine andere Stelle zu
bewerben. In Toby erwachte sofort
der ritterliche Trotz, den er so oft an
dm Helden seiner Lieblinasromane be
wundert hatte, und er beschloß, den
hingeworfenen Fehdehandschuh aufzu
nehmen. Er that dies aus der Stelle,
indem er erklärte, er schüttle den Staub
blicklich sein Bündel schnüren. Dieses
„sein Bündel schnüren" war ein euphe
mistischer Ausdruck dafür, daß Toby
seine Mütze von der Wand nahm, denn
Alles, was sich von des Jungen Eigen
thum allenfalls hätte schnüren und
binden lassen, war zugleich mit dem
Hause Wurms in Rauch und Flammen
aufgegangen.
Toby nahm also seine Mütze,
schwenkte sie in der rechten Hand, als
wollte er zu d?m mit hocherhobener
Nase im Zimmer auf- und abschreiten
den Wurm sagen: „Umgürte Dich mit
dem ganzen Stolze Deines England,
ich verachte Dich, ein deutscher Jüng
ling" und zog dahin. Sein Weg
führte ihn indessen nicht weiter als bis
zu Rautenstrauch, welchem er seine
Knappendienste anbot. Rautenstrauch
nahm den Abtrünnigen auch wirklich
auf. Aber als Toby, nach vielen Ese
leien. die er schon am ersten Tage glück
lich zu Stande gebracht hatte, am Mor
gen des zweiten zwei Dutzend Eier fal
len ließ, daß die gelben Dotter an die
Wand spritzten, da konnte der grobe
Flegel, sein neuer Herr, dem Drange
nicht widerstehen, ihn empfindlich bei
den Ohren zu fassen. Und als nun gar
Toby gegen eine solche Behandlung zu
Protestiren sich herausnahm, da schrie
Rautenstrauch mit dem Brustton tiefer
Ueberzeugung:
„Sie sind doch richtig der dümmste
Schafkopf, den ich noch gefehe' hab'.
Schaue' Sie, daß Sie 'naus komme'!"
Toby wollte nicht gleich gehen; da
hatte es aber „geschellt", wie Rauten
strauch in allen ähnlichen Fällen sich
auszudrücken liebte. Im Nu sah man
dm Jungen, wie aus einer Kanone ge
schossen, aus der Thüre fliegen, und
hinter ihm her flog sein „Gepäck", d. i.
die Mütze.
Diesmal hatte Toby begreiflicher
weise gar nicht nöthig, den Staub von
seinen Schuhen zu schütteln, sondern
konnte ohne weiteren Aufenthalt hin
ausziehen „mit wogender Brust in's
weite, herrliche Leben."
Das that er denn auch.
Rautenstrauch war nicht allein der
zertrümmerten Eier wegen in so schlech
ter Laune. Es wirkten hiezu vielmehr
noch mehrere andere, nicht unbedeuten
de Gründe mit:
Vor Allem hatte er den ihm von
Hopser gegebenen Wink beherzigt und
den Versuch geinacht, seine Werbung
bei Helene anzubringen. Es war das
am Morgen nach der Erkrankung des
Painters geschehen. Diesen anscheinend
recht Übelgewählten Zeitpunkt hatte
Rautenstrauch indessen nicht ohne Vor
bedacht zu seinem Unternehmen auser
sehm. Er hatte sich nämlich, als er ge
hört, daß der Zustand Hopsers ein be
denklicher sei, sofort die Frage vorge
legt: „Wenn nu' der Alte abkratze'
that'?" Es wäre, seiner Meinung nach,
entschieden ein Schlag für ihn gewe
sen, deyn er glaubte, trotz der so klar
und zweifelsohne zum Ausdrucke ge
kommenen Grobheit des Painters noch
immer steif und fest an dessen Fürspra
che bei der Werbung um HelenensHand.
Es galt also, sich möglichst zu beeilen,
um diese Fürsprache zu gewinnen, so
lange Hopser noch athmete im rosigen
Licht. Und so zog denn Rautenstrauch
seine besten Beinkleider an und warf
sich in den Bratenrock, um zu demPain
ter hinüberzuwandern und die Hand
von dessen Töchterlein zu erringen.
Statt von Helenen, wie er gehofft
hatte, wurde er von Dr. Julius Wurm
empfangen, und es schien ihm sogar,
als spielte um die Lippen des jungen
Arztes ein geringschätziges Lächeln. daZ
ihn mii Mißvergnügen erfüllte. Selbst
verständlich verlangte er, in's Kranken
zimmer eingelassen zu werden, um
„Mr. Hopser" seine Theilnahme aus
zusprechen. Doch Dr. Wurm schüttelte
ablehnend den Kopf und sagte sehr be
stimmt:
„Das ist unmöglich. Mr. Hopser
muß absolute Ruhe haben."
Rautenstrauch sah ein, daß er mit
Gewalt nichts auszurichten vermochte;
so beschied er sich denn in diesem Punk
te. Dagegen verlangte er ernsthaft,
„Miß Helene" zu sprechen. Dr. Wurm
zuckte die Achseln, verließ aber, ohne
ein Wort weiter zu sprechen, das Zim
mer, offenbar um Helene herbeizuho
len.
Thatsächlich erschien alsbald Helene.
Sie richtete ihre schönen, heute aber,
in Folge des Nachtwachens mit dunk
len Rändern umgebenen Augen auf den
Besucher und fragte kurz:
„Was wünschen Sie, «ir?"
Rautenstrauch wurde in diesem wich
tigen Momente merkwürdigerweise von
der ihm sonst sehr eigenen Sicherheit
schnöde im Stiche gelassen. Er stam
melte etwas hervor, was eine Erkun
digung nach dem Befinden Hopsers be
deuten sollte.
„Dr. Wurni hätte Ihnen darüber
viel besser Auskunft geben können,"
sagte Helene, „übrigens wissen Sie
wohl auch von anderer Seite, daß der
arme Papa schwer leidet."
Rautenstrauch hatte inzwischen Zeit
gesunden, sich ein Herz zu fassen.
".NI lixlrt!" sagte er in seiner na
menlosen Dummheit, und fügte ohne
längere Pause hinzu:
„Eigentlich möcht' ich mit Ihne' noch
was Andres auch bespreche'", Miß He
lene "
„Mit mir?" unterbrach Helene, deren
Antlitz sich mit geringer Nöthe Über
zossen hatte. „Ich wüßte nicht, was Sie
mir weiteres noch zu sage-n hätten. In
jedem Falle habe ich weder Zeit noch
Lust, Sie anzuhören."
(Fortsetzung solgt.>
Kür die Küche.
Zwiebel 112 u p p e. Ein halbe»
Dutzend Zwiebeln werden geschält, in
Scheiben geschnitten und an schwachem
Feuer mit einein Eßlöffel voll Butter
und einer kleinen Priese Zucker gediin»
stet. Wenn sie sich färben, gießt man
Bouillon oder eine Auflösung von
Fleischextract daran und läßt die
Suppe ordentlich durchkochen. Beim
Anrichten bindet man die Suppe mit
drei Eigelb und gießt sie in die Sup
penschüssel auf geröstete Brotschnitte
die man vorher mit geriebenem Schwe
ize- oder Parmesankäse bestreuen
Feines Ragout von Tau
benundKalbszungen. Sechs
junge Tauben werden sauber vorberei
tet und gebraten; die Herzen, Lebern
und Magen werden fein gehackt, mit
feingestoßenemZwieback und Eiern ver
mischt und in bekannter Weise «ine
Farce gemacht, daraus man kleine
Klößchen und längliche Röllchen formt.
Zwei Kalbszungen hat man inzwischen
mit Suppenkraut, einer Zwiebel und
zwei Lorbeerblättern weich gekocht,
läßt dieselben fast erkalten, schält die
Haut davon ab und schneidet sie in
Scheiben, etwa einen halben Zoll dick.
Die Tauben werden mit scharfen Mes
ser halb durchschnitten, in eine runde
tiefe Schüssel oder Porzellanforrn
sternförmig gelegt, die Farceklößchen.
die zerschnittenen Zungen und frischge
lochte oder eingemachte, in fingerlange
Stücke geschnittene Spargel in Grup
pen von H bis 8 Stück dazwischen ar
rangirt. Die Schüssel muß heiß ge
stellt sein und die braune Champig
nonsauce, mit der man das ganze
reichlich überfüllt, muß kochend heih
sein. Man bräunt Mehl und Butter
zu derselben, füllt von der Brühe der
Kalbszungen und dem Champignon
wasser daran, giebt etwas Citronen
faft, ein wenig Zucker, die Champig
nons, einen Theelöffel Kapern, ohne
deren Essig und das nöthige Salz
dazu, schmeckt sorgsam ab und thut
zuletzt in die kochende Sauce ein Stück
Butter hinzu und füllt über. Man
kann dies Ragout in dieser Weise zrr
Tisch geben, nach Belieben aber auch
noch obenauf mit schrägen Vierecken
und kleinen Halbmonden von Blätter
teig belegen. In diesem Fall beson
ders zu beachten, daß die Sauce nicht
zu dünn sein darf.
Italienisches Geflügel
gert cht. Mehrere junge Masthüh
ner werden saftig gebraten, erkalten
gelassen und dann in hübsche Stücke
zerlegt. Dann bereitet man eine kräf
hielt, und vermengt dies Püree mit
einigen Eigelb. Aus einer rohen
Kalbfleischfarce werden längliche
Würstchen geformt, in leichter Bouil-
WUrstchen erstarren muß. Ist dies
geschehen, so werden sie in Semmel,
dann in Ei und zuletzt nochmals in
förmig in der Mitte der Sauce ange
richtet und mit den ausgebackenm
Fleischwürstchtn garirt.
Lyonneserßeignets. Acht
zehn Eigelb werden mit einem halben
Pfund feinem Zucker, ebensoviel frischer
Butter und dem Sanft einer Citrone
auf gelindem Feuer zu einem dicken
glatten Teig verrührt, den man nach
dem Erkalten mit abgeriebener Citro
nenschale vermengt und so lange
schlägt, bis er weiß und locker aus
sieht, worauf er mit dem Eiweißschnee
vermischt und in eine mit Butter aus
gestrichene breite Form etwa einen Zoll
hoch gefüllt wird. Man stellt die
Form in ein Wasserbad in einen hei
ßen Ofen, bäckt den Teig eine Stunde,
läßt ihn erkalten, stürzt ihn und sticht
nun runde Scheiben von etwa einen
Zoll Durchmesser von dem Backwerk
aus. Oben macht man einen runden
Einschnitt mit scharfem Messer, nimmt
das Deckelchen ab,, höhlt jedes dieser
Beignets etwas aus, füllt sie abwech
selnd mit Aprikofenmarmelade und
abgetropften, eingemachten Kirschen,
bestreicht die Deckel mit Eigelb und
fügt sie wieder ein. Man wendet die
Beignets in gestoßenen Makronen,
taucht sie in Ei und Semmel, bäckt sie
einige Augenblicke in nicht zu heißem
Backsett goldfarben, bepudert sie mit
Vanillezucker, glasitt sie mit glühender
Schaufel und richtet sie pyramidenför
mig auf zierlich gebrochener Serviette
an, worauf man sie mit einer Wein
sauce zur Tafel reicht.
Milrbteig zu Theegebäck.
10 Unzen feines Mehl und 7 Unzen
harte, kleingeschnittene Butter werden
durch einander gemengt. In der Mitts
der Masse macht man eine Vertiefung,
gibt in dieselbe ein ganzes Ei und ei
nen Eidotter, etwas Salz, einen Eß
löffel Zucker. Nun wird diese Masse
schnell glattgewirkt und umgerollt.
Läßt sich zu allen Sorten Theegebäck
verwenden und ist rasch zubereitet.
Ein guter Gast. Wirth:
„Von morgen ab darfst a Faßl mehr
bringen; dem Bürgermeister sein Stu
dent is kemma."
Verfehlter Erfolg. Le
bemann (seinem Freunde seinen Salon
zeigend): „Nun, was meinst Du zr»
meinem Salon?" „Man muß stau
nen, was man heutzutage AlleS ge
pumpt bekommt!" _ 3