Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, May 01, 1896, Page 6, Image 6

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    6 Aas moderne Berlin.
An seiner architektonischen Umgesta
ltung arbeitet Berlin seit drei Jahr
zehnten mit einem so ununterbrochenen
Eifer, daß die kurze Frist eines Men
schenalters dazu genügt hat, die deut
sche Reichshauptstadt nicht blos nach
allen Richtungen hin weit über die frü
heren Grenzen auszudehnen, sondern
auch im Innern der Stadt den einsti
gen Anblick der Straßen, Plätze und
Brücken fast durchweg und vonGrund
aus zu verändern. Eine Reihe vonNeu
bauten sehr verschiedener Art, die wir
dem Leser in Wort und Bild vorfüh
gendwie erschöpfendes Gesammtbild
bieten, läßt jedoch in anschaulicher
Weise erkennen, wie mannigfach sich
jreuzende Strömungen und Anschau-
Am Mühlendamm.
ungen für die baukünstlerische Gestal
tung des modernen Berlin mitsprechen.
Mitten im Centrum der Stadt ist
während der letzten Jahre ein völliger
Umbau des Miihlendamms durchge
führt worden, der die älteste Verbin
dung der durch die Spree getrennten
Städte Berlin und Cölln bildete.
Durch einen Knüppeldamm hatte man
hier einst den Fluß ausgestaut, um sein
Wasser für den Betrieb von Mühlen
nutzbar zu machen, die schon im 14.
Jahrhundert bestanden, nach einem
Brand um 1840 in der Form mittel
olterlicher Backsteinkastelle erbaut und
erst 1880 außer Betrieb gesetzt wurden.
Unter dem Großen Kurfürsten hatte
man die Brücken auf beiden Seiten mit
zu denen sich später bewohnbare Ober
geschosse gesellten, und ebenso war die
seitwärts einmündende, den Fluß
längs seines Laufes schräg überschnei
dende Fischerbriicke mit neuerrichteten
Wohnhäusern besetzt worden. Immer
hindernde Enge. Mit einer durch die
Interessen der Schifffahrt gebotenen
I. A. Henckels.
Flußregulirung und einer gleichzeitig
an dieser Stelle erforderlich werdenden
neuen Schleusenanlage verband man
Ausblick auf den Lauf des Wassers
Schloß und den künftigen Dom eröff
net zu sehen, blieb seitens der städti
schen Bauverwaltung unerfüllt. Ein.
von ihr ausgeführter Umbau faßte
vielmehr das von Perfius herstam
mende Mauerwerk der Mühlen zu ei
nem breithingedehnten dreigeschossigen
Rundbogenbau zusammen, der die aus
dem Rathhaus verbannten Arbeitsräu
me der städtischen Sparkasse u. der Ar
mendirection in sich aufgenommen hat.
bäude den es rings umsäumendenZin
nenkranz und die als Erker ausgekrag
ten Eckthürmchen beibehalten. Neu hin
zugetreten sind als ein den oberitalie
nischen Stadthäusern entnommenes
inmitten der Hauptfront und ein in
dreitheiliger Gliederung höher anstei-
Equitable - Gebäude,
gender schmalerer Thurm an der Au
ßenecke eines der beiden breiten Flügel,
die rückwärts ausspringen und zwi
schen sich einen schmalen Hof einfassen.
Ein durch monumentale Größe packen
der „Palazzo" ist auf diesem Wege
nicht entstanden; der Bau ist vielmehr
in seiner Formengebung wie in der
gelben Backsteinverblendung seiner
Fronten ein in hohem.Grade bezeich-
nendes Beispiel der seit Jahren daZ
ganze Hochbauwesm der Stadt Ber
lin beherrschenden Verbindung einer
einförmigen Nüchternheit der Auffas
sung mit tadelloser Solidität der tech
nischen Ausführung.
Kaum übersehbar ist allmälig die
Menge der glänzenden Geschäftshäuser
geworden, die sich zumal in den Haupt
straßen des Verkehrs aneinanderdrän
gen und für ihre architektonische Durc
hbildung seit einem Jahrzehnt beson
ders gern die Formen des Barockstils
wählen. Eines der besten Beispiele die
ser Gruppe ist das von I. Wendler in
der Leipzigerstraße errichtete Haus der
bekannten Stahlwaarenfabrik von I.
A. Henckels in Solingen, dessen weit
aus größten Theil jetzt das kunstge
werbliche Kaufhaus „Hohenzollern"
einnimmt. In fünf Geschossen aufstei
gend, entfaltet der Bau in der aus
Säulen bestehenden Facade den gan
zen dekorativen Reichthum desßarocks,
ohne doch in protzig prunkende Ueber
ladung zu verfallen.
An Pracht und Glanz wird dieses
Gebäudes noch übertrossen durch den
an der Ecke der Leipziger- und Fried
richstraße von Karl Schäfer errichteten
Riesenbau der amerikanischen Versiche
rungsgesellschaft Equitable, dessen Fa-
K
Tucherbräu.
caden durchweg in dem kostbaren Ma
terial grauen und farbigen Granits
prangen, während die Mansarden des
Daches und die schlanke, von einer ho
hen Laterne gekrönte Kuppel des Eck
baus in reicher Vergoldung auf bron
zener Unterlage schimmern und eben
falls bronzenes Laubornament die
Steinschilder des Erdgeschosses um
rahmt. Die Formen des Barockstils,
die vielfach an dessen französische Aus
bildung anklingen, haben sich hier in
eigenthümlicher Weife mit den derGo
thik zugewandten Neigungen des Ar
chitekten verschmolzen.
In das alte Nürnberg meint man
sich versetzt, wenn man dem von dem
dortigen Architekten Konradin Wal
ther in der Friedrichsstraße aufgeführ
ten stattlichen Gebäude des Tucher
bräus gegenübertritt. Der stattlicheGe
sammtbau besteht aus zwei selbststän
dig in sich durchgebildeten Häusern, de
nen nur der gleiche Stil der noch ganz
Villa Grisebach.
breit sich entfaltende viergeschossige Ec
khaus, dessen Sockel in grauem Sand
stein aufgemauert ist, während die obe
ren Stockwerke mit ihren geradlinig
abgeschlossenen Fenstern sich als ver
putzte, mit reicher Facadenmalerei ge
zierte glatte Wandslächen darstellen,
schließt sich in der Front der Tauben
straße ein in fünf niedrigeren Geschos
sen aufsteigendes Nebenhaus mit rund
bogigen Fensterreihen an, dessenFacade
aus rothem bairischem Sandstein be
steht und durch zwei zweigeschossige E
rker und eine breite Mitellogia des ober
sten Stockwerks belebt wird. Die reiche
Ausgestaltung des steilen Daches wirkt
hier kaum minder glücklich als bei dem
in malerischem Wechsel mit Giebeln
und Erkern, mit gethürmten Luken
Malereien von Friedrich Wanderer Her-
Einzug des Markgrafen AlbrechtAchil
les in Nürnberg, auf der anderen aber
lustige Scenen im Keller und imKneip
zimmer schildern.
Als der vielleicht ffenialste, jedenfalls
als der poetisch feinstfühlende Architekt
des heutigen Berlin darf Hans Grise
bach gerühmt werden. Mit dem impo
santen, in völlig frei und eigenartig
behandelten Kormen der deutschen Re
naissance gehaltenen Faber'schen Haus
trat er zuerst verheißungsvoll auf den
Plan. Besonders reizvoll hat sein rei
ches Talent sich in einigen wahrhast
wohnlich anmuthenden Wohnhäusern
von äußerlich sehr schlichtem Gepräge
und vor Allem in einer .Reihe vonVil-
Vllla Schwarz,
len vnyatigt, die zur den glücklichsten
neueren Schöpfungen auf diesem
Gebiet zu zählen sind. Die trauliche, in
der bei Grisebach besonders beliebten
Verbindung braunrothen Sandsteins
mit verputzten Wandflächen ausgeführ
te Villa Schwarz in der Lichtenstein-
Allee, die mit ihren Giebeln und hoch
ragenden Dächern, mit ihren Thürmen
und Hallen schloßartig sich entfaltende
Villaßaußendorff amKurfllrstendamm
und des Architekten eigenes, feineVor
liebe für die Uebergangszeit derGothik
in die Renaissance deutlich widerspie
gelndes Wohnhaus in der Fasanen
straße sind bezeichnende Proben einer
Kunst, die auch die Architektur zu ge
ben weiß. Die Formen, in denen das
Schaffen Grisebachs sich bewegt, bie
tet die deutsche Frührenaissance ihm
dar.
Auch Bernhard Sehring, der seit ei
ner Reihe von Jahren zu den meistge
nannten Berliner Architekten zählt, er
scheint vornehmlich durch die deutsche
Renaissance begeistert, die indeß bei
ihm in ganz anderer Weise widerklingt.
Nicht ihr stiller, traulicher Reiz ist es,
der ibn fesselt, sondern in erster Linie
die kühne, nicht selten an das Bizarre
streifende Phantastik ihrer malerischen
Effekte. Das von ihm in der Fasanen
straße erbauteKUnstlerheim, das seinen
Namen zuerst in weiteste Kreise trug,
ist ein Meisterstück decorativer Phanta-
Theater desWestens.
ihm in der Carmerstraße errichtete
Gruppe von Wohnhäusern gehalten,
die dem meist üblichen Einerlei des
Miethshausbaus in der denkbar wirk
samsten Weise gegenübertritt. Fast
unerbittlich ist in der Ausgestaltung
der Facaden jede gemeine und gewöhn
liche Form vermieden, der Schablone
der entschiedenste Widerspruch entge
gengesetzt und dieser Widerspruch noch
riesigem stilisirten Blatt- und Blü
thenwerk, aus Heiligenbildern und aus
bald humoristischen, bald unheimlichen
Thierfiguren bestehende malerische Or
ünd über die Fensterbetrönungen in
phantastischem Spiel hinbreitet. In
dem Theater des Westens, das nach
teressantesten neueren Theaterbauten
zu werden verspricht, stellt sich die der
Kavtstraße zugewandte Hauptfront
Das kleinste Land Europas.
Im vergangenen Jahrhundert bil
dete das Ländchen unter österreichischer
Herrschaft einen Bestandtheil derGraf
schast Dalhem (HerzogthumLimburg).
Im Jahre 179 S wurde Moresnet dem
französischen Eanton Aubel (Departe
ment de l'Ourthe) zugetheilt, welcher
Landestheil unter anderen im Jahre
1816 von Frankreich an die verbün
deten Mächte abgetreten wurde. Zwar
war schon in den Artikeln 25 und 66
der Wiener Eongreßacte die Grenze
zwischen Preußen und den vereinigten
Niederlanden durch Aufstellung einer
Grenzlinie im Allgemeinen festgesetzt
worden, allein die zur endgiltigcn Fest
legung der Grenzlinie ernannten preu
ßischen und niederländischen Commis
sare konnten sich nicht einigen. Die
serhalb wurde in Artikel 17 des am
26. Mai 1816 zu Aachen zwischen den
beiden Mächten geschlossenen Grenz
tung untergeordnet wird und von kei
ner beiden Mächte militärisch besetzt
werden darf. Der letztere Theil dieser
Bestimmung, betreffend das neutral«
Gebiet, besteht bis heute unverändert
fort und ist grundlegend für die Exi
stenz und Verwaltung desselben. Nur
sind mit der belgischen Revolution die
Rechte der Vereinigten Niederlande an
Alten b e r g.
das Königreich Belgien übergegangen.
Durch die gemäß obigen Artikel 17
vorgenommene Theilung fielen von
der Gemeinde Moresnet etwa 60 Häu
ser an Preußen, 80 Häuser an die ver
einigten Niederlande. Neutral - Mo
resnet, noch nicht 350 Hektar groß,
zählte bei seiner Entstehung noch un
gefähr 250 Einwohner und St) zer
streut liegende Häuser. Daß eine Ei
nigung über ein so geringfügiges, we
der commerciell noch strategisch wichti
ges Gebiet nicht zu Stande kam, liegt
in der Rechtsauffassung beider Staa
ten, welche dahin geht, daß nach rich
tiger Auslegung der Wien«r Eongreß
acte jedem der Alleinbesitz zukomme.
Veranlassung zu diesen entgegengesetz
ten Auffassungen bildete wohl nicht
das Gebiet als solches, sondern das
auf demselben gelegene sehr bedeutende
Galmeibergwerk des Altenbergs, dessen
Alleinbesitz den betheiligten Staaten
sehr werthvoll erschien.
Weder Preußen noch Belgien haben
in Moresnet bis heutigen Tages ein
selbstständiges Gesetzgebungsrecht, es
bestehen vielmehr die französischen Ge
setze und Einrichtungen von früher
weiter fort. Das Gebiet untersteht ei
nem preußischen und einem belgischen
meinschastlichen Verwaltung betraut
sind und ihre Sitze in Aachen respective
Verviers haben. Von ihnen werden auf
Grund des Artikel XX des Gesetzes
Grenzstraße.
vom 28. Pluviose des Jahres VIII
(17. Februar 1800) der Bürgermeister
und die Stadträthe ernannt. Der Ge
meinderath setzt sich zusammen aus
zehn Bürgern.
Eine eigene Gerichtsverwaltung be
sitzt Moresnet nicht, es steht den Be
wohnern frei, ihre Klagen und Streit
fragen bei den zuständigen preußischen
oder belgischen Gerichten vorzubrin
gen. Die Ortspolizei wird vom Bür
germeister ausgeübt, welchem preußi
sche und belgische Gendarmen, sowie
ein neutraler Gemeindediener in die
sem Amte zur Seite stehen.
Auch für die Steuerabgaben gelten
die alten Bestimmungen! es sind zu
entrichten-Grundsteuer, Personal- und
Mobiliarsteuer, Thür- und Fenster
steuer und Patentsteuer. Demnächst soll
auch eine Gewerbesteuer fü' Schanklo
kale eingeführt werden.
Emmaburg.
Was die militärischen Verhältnisse
des Gebietes betrifft, so sind die be
reits bei Entstehung desselben ansässi
gen Bürger und deren Nachkommen
von der Militärpflicht entbunden, wo
hingegen preußische oder belgische
Staatsbürger sich durch Auswande
rung auf neutralen Boden keineswegs
dieser Pflicht entziehen können.
Altenberg, der Gemeindehauptort,
liegt am Südende des Gebietes an der
Aachen - Lütticher Chaussee. Der übri
ge bewohnte Theil besteht aus zerstreut
liegenden Häusern und Gehöften. Die
se mit eingerechnet, zählt die Gemeinde
heute ungefähr 2900 Seelen, worunter
40V neutrale Bewohner sein dürften.
Das landschaftliche Bild, welches das
Städtchen seinen Besuchern darbietet,
ist ein sehr freundliches. Von der Soh
le des Altenbergs langsam ansteigend,
lacht es freundlich ins Thal mit seinem
spiegelhellenSee und seinem industriel
zu den waldigen Höhen, wo auf festem
Im Steinbruch.
Felsengrund über rauschenden Baum
kronen dit. Emmabura sich stolz. er-
hebt, bespült von dem lustig dähinfpru
delnden Gohlbach. Alte Sagen knüpft
der Volksmund an diese Feste aus dem
13. Jahrhundert. Hier soll Karls des
Großen Tochter Emma mit ihrem Ge
liebten Einhard in Zurückgezoaenheit
gelebt haben. Die anmuthige Geschichte
der Liebe dieses großen Geschichtsschre
ibers zu der Kaisertochter ist in Gedich
ten und Dramen unzähligemale behan
delt worden, so daß sie fast den Cha
rakter und die Geltung einer geschicht
lichen Thatsache erlangt hat. Dießurg
in ihrer reizenden, stillen Lage ist aber
auch zu einer Stätte der Minne gera-
An Unterrichtsanstalten besitzt Al
tenberg zwei Knaben- und zwei Mäd
chenschulen, ferner eine Näh- und
Strickschule, sowie eine Kleinkinderbe-
Wahranstalt. Postämter sind zwei vor
handen, ein belgisches und ein deut
sches, und wird das Gebiet von beiden
Postverwaltungen als Inland betrach
tet. Im Jahre 1886 bestand neben die
sen ein drittes, neutrales Postamt mit
besonderen Postwertzeichen, welches
Eröffnung (am 19. October 1886)
migung dazu nicht ertheilt hatten.
Da» «aifcr-Wtthtlm-Dtnkmal für
Frankfurt a. M.
In Gegenwart des deutschen Kai»
serpaares soll am 10. Mai in Frank
furt a. M. die Enthüllung des Kaiser-
Wilhelm - Denkmals stattfinden, ein
Werk des Bildhauers Clemens Buscher
in Düsseldorf.
Ein Blick auf das Denkmal läßt er
kennen, daß die Massenvertheilung ei
ne ganz andere ist, als man sie ge
wöhnlich zu sehen bekommt. Die con
ventionelle symmetrische Form ist sehr
vortheilhaft durch eine malerische An
ordnung ersetzt. Die Gestalt des Kai
sers Wilhelm ist historisch getreu wie
dergegeben, schlicht und einfach, ohne
jeden Pathos. - Diese Auffassung, der
der Künstler in seinem Entwurf den
entsprechenden monumentalen Aus
druck gab, unterscheidet Buscher'sDenk
mal von den meisten andern, die den
Kaiser mehr als den Siegreichen dar
zustellen versuchen. Die Ruhe in der
Auffassung der Hauptfigur wird noch
vervollständigt durch die ruhige Hal
tung des Pferdes.
KaiserWilhelm-Denkmal.
Die Figuren an der vordern Seit«
des Postaments bilden eine zusammen
gehörige Gruppe, die im Aufbau sehr
originell ist: der Genius des Friedens,
hochaufgerichtet einherfchreitend, reicht
dem siegreichen Kaiser das Lorbeerreis
empor. Die beiden weiblichen Gestalten
verkörpern die Kunst und den Gewer
befleiß, Kränze spendend. Die Seg
nungen des Friedens kommen in dieser
Gruppe zur Darstellung. An derßück
seite des Postaments thront die Fran
cofurtia, die alte Freie Reichs- und
Handelsstadt, die Reichsinsignien be
schützend. An den beiden Längsseiten
des Postaments sind Reliefs ange
bracht. Das ein stellt die Wahl und
Weihe Friedrich Barbarossa's zumKai
fer im Jahre 11S2 dar,- das andere
gibt den Moment wieder, wie Kaiser
Wilhelm, siegreich aus dem Felde heim
kehrend, am 16. März 1871 in Frank
wird. Den Guß hat die W. Rupp'sche
Erzgießerei (Hans Klement) inMlln
chen besorgt. Wölfel und Herold in
Baireuth lieferten dasGranitpostament
(polirter schwedischer Granit).
Sensationelle Erfindung, großartiger
als der Phonograph,
fertigt selbstthätig jeden Reisenden ab!
Eine Hoäizeit in Aiid-Indten.
„Es war an einem schönen milden
Abend im Februar, so erzählt derMif
sionar Richard Heimer in feinen Schi
lderungen indischen Lebens, als ich, in
Sprachstudien vertieft, du>rch ein Ge
knatter in der Luft gestört wurde. Als
ich durch das wegen der Schwüle immer
geöffnete Fenster schaute, sah ich feu
rige Raketengarben in kurzen Zwi
schenräumen zum Abendhimmel em
porsteigen. Bald «füllte auch Heller
Lichterglanz die Straße, und Musik
drang an mein Ohr. Ich trat in das
Freie und sah dichtgedrängte Men
schenschaaren, von Hunderten von
Pechfackeln beleuchtet, heranziehen. Es
war ein indischer Hochzeitszug. Diesen
Zug eröffnete eine aus weißem Tuch
hergestellte riesengroße Schlange, mit
welcher Kuli» durch die Menschenmenge
hindurcheilten Diesem heiligen Thier
der Inder folgte ein anderes, ein wei
ßer Elephant, doch leider auch pur in
Nachbildung. Mit Stricken wurde die
ser auf Rädern laufende Holzkoloß ge
zogen. Eine Musikkapelle schloß sich an
und blies auf Blechinstrumenten Hoch
zeitsweisen, für deutsche Ohren keines
weas liebliche Musik. In diese Musik
mischte sich der dumpfe Klang der
Holztromineln, das Geknatter derßa
keten und ein hundertstimmiges Sti
mmengewirr der Menschenmenge. Fackel
träger und Kulis mit bunten Wedeln
liefen zu beiden Seiten. Ein grauer
mächtig großer Elephant schritt gra
vitätisch mit seiner rothseidenen Decke
gelben Blumen im schwarzen Haar
folgten. Die Hauptperson des Zuges
war aber der Bräutigam. Die Leser
wenden mir wohl ein, das sei dießraut.
es war erst der Abend vor der Hoch
zeit. Nach indischer Sitte darf die
Braut erst am Tage der Hochzeit mit
dem Bräutigam zusammenkommen.
ge ihren künftigen Eheherrn kennen.
Für die selige Maienzeit des Braut
standes fehlt den Indern das Ver
in Indien auf bedeutend tieferer Stu
fe, als der Mann. Sie darf nicht in
Gesellschaft von Männern weilen, muß
nach dem Mann essen, ja sich erheben,
wenn ein männliches Wesen herantritt.
schern Schnitt kleidet ihn. Mit Gold-
und Silberstickereien ist das Kleid be
setzt. Ein Dreimaster schmückt sein
Haupt. Gar stolz schaut er auf die
fandt worden war, wollten wir auch
das Treiben im Hochzeitshause kennen
lernen.
ben dem Hause erbaut worden. Schon
aus der Ferne winkten die Fahnen und
die vergoldeten Wände. Mit Mühe
Götzenfiguren prangten als Gemälde
an den Seiten des Kiosk. Ueber dem
Eingange hingen Kokosnüsse, Plata
begrüßte seine europäischen Gäste am
Eingang der Halle und geleitete uns
auf unsere Plätze. Die Halle war dicht
gedrängt von braunen Hochzeitsgästen.
Aus dem Boden saßen mit unterge
schlagenen Beinen die Freunde und
Verwandten, während aus einem ver
gitterten Fenster die Frauen neugierig
in den Saal hineinschauten. Die Musik
spielte ununterbrochen ihre Weisen.
Nachdem wir uns niedergelassen hat
ten, schmückte uns der Bräutigam mit
duftenden Guirlanden und Sträu^ß
wurden uns Platanen, brauner Zucker
und die mit einer indischen Festfeier
unzertrennlich verbundenen Betelblät
beleuchtet wurde. Die Halle war aus
geschmückt mit Bildern, Teppichen,
buntem Glas und allerlei Flittertand.
Musik, die bunten Gestalten der Jn
reich geschmückte Bräutigam: Alles
dies war geeignet, uns in ein Märchen
von Tausend und eine Nacht zu ver-
d' B t?S bf d sich t
ihrem Glück. Wir besuchten sie dort
disches Mädchen etwas Bemerkenswer
tbes. Bald kehrten wir voll des interes
santen Erlebnisses mit unseremOchfen-
Gegen 10 llhr des Abends kündeten
uns emporzischende Raketen, Heller
Lichtschein und die Klänge der Musik,
begleiteten. Die braunen energischen
Polizisten verstanden jedoch die Men
ge gut in Zucht zu halten. Von dem
flachen Dach unseres Hauses aus konn
te man Alles prächtig genießen. Hin
ter dem feierlich einhertrabenden grau
en Elephanten fuhrenVraut undßräu
tigam. Sie saßen in einem aus Glas
und Gold- und Silberflitter gefertig
ten Kahn, der auf einem Gestell von
Ochsen gezogen wurde. Im Schein de»
Fackeln sah man ihr Goldgeschmeide
funkeln. Von dem schwarzen Haar de»
Braut konnte man vor lauter Ge
schmeide nichts sehen. Doch nicht froh
schaute sie in die Menge hinein. Wie
ein Marmorbild saß sie an der Seit«
ihres Bräutigams, unverwandt den
Blick zu Boden gerichtet, wie es die
indische Sitte verlangt. Nachdem sie am
Götzentempel einen längeren Besuch ge
macht hatten, entwickelte sich das
Schauspiel vor unserem Haus. Hun
derte von Raketen durchfuhren zischend
die Luft, bald laut knallend, bald ei
nen Regen Leuchtkugeln ausschüttend.
Funkfeuer, Feuerregen wechselten in
bunter Folge ab. Auch den Anblick ei
nes chinesischen Feuerwerks hatten wir,
indem aus einer Trommel feurige
Menschenfiguren Herausfuhren. Und
in die indische Musik und das Ge
knatter der Feuerwerkskörper mischte
sich das Brausen des nahen Meeres.
Gegen 1 Uhr Nachts war Alles ruhig,
nur aus der Ferne klangen die Hoch
mir, der müde von dem Gesehenen war,
vereint mit dem Brausen des indischen
Oceans das Schlummerlied.
?tto Roquette.
In Darmstadt ist der Dichter und
Literaturhistoriker Otto Roquette aus
dem Leben geschieden. In Krotschin
am 13. April 1824 geboren, widmete
sich Roquette in Heidelberg, Berlin
und Halle philosophischen, geschichtli
chen und literarischen Studien, worauf
er drei Jahre. 1853 bis 1866, als Leh
rer am Blochmann'schen Gymnasium
wirkte. Nach dem Tode seines VaterS
trat die Sorge für die mittellos zurück
gelassenen Seinen an ihn heran. Er
nahm feine Mutter und deren zwei
unverheirathete Töchter mit sich nach
Berlin. Journalistischer Erwerb, der
Roman „Heinrich Falk" und die Le
bensbeschreibung des unglücklichen
schltsischen Dichters Christian Günther
füllten seine Zeit aus, bald auch die
Beschäftigung mit seiner „Geschichte
der deutschen Dichtung" und mit sei
nen Vorlesungen am Berliner Poly
technikum, wo er sich als Privatdocent
Otto Roquette.
Berliner Kriegsakademie infolge poli
tischer Verdächtigung ein schnellesEnde
genommen hatte. Da endlich im
Jahre 1869 erging an ihn der Ruf, in
Darmstadt amPolytechnikum als Pro
fessor der Geschichte und Literatur
einzutreten. Er folgte und ist dort
bis zu seinem Tode geblieben, erst un
sammenhange mit seiner Schul- und
akademischen Stellung erschienen seine
literaturhistorischen Arbeiten, na
mentlich „Geschichte der deutschen Li
teratur". Seinen Ruf als Dichter be
gründete Roquette mit „Waldmeisters
Brautfahrt" (Stuttgart 18S1; 66.
Auflage 1893), einem anmuthigen
Märchen, in dem er den heiteren Le
bensgenuß am Rhein feiert. Diesem
seinem Erstlingswerke folgten Roma
ne, Novellen und dramatische Dichtun
hält das Buch „Siebzig Jahre".
Der ehemalige Bäckermeister und
nunmehrige Rentier Wanstl, ist so
dick, daß er hilflos zusehen mußte, als
ihm kürzlich ein Strolch die schwere
goldene Uhr sammt Kette raubte, da
Bedenklich. —Räthin: Wol
das Fleisch etwas zu zerkleinern.
Fleischersfrau (zu ihrem Manne): Du,
Gottfried, schlag' doch mal der Frau
Ganzegal. „... .Sie wer
ben um meine Tochter, Herr Lieute
nant ja können Sie sie auch ernäh
ren?" „Na, Herr Commerzienrath,
ich sie oder sie mich das ist unter
Ehekameradin doch ganz egal!"