6 Aas moderne Berlin. An seiner architektonischen Umgesta ltung arbeitet Berlin seit drei Jahr zehnten mit einem so ununterbrochenen Eifer, daß die kurze Frist eines Men schenalters dazu genügt hat, die deut sche Reichshauptstadt nicht blos nach allen Richtungen hin weit über die frü heren Grenzen auszudehnen, sondern auch im Innern der Stadt den einsti gen Anblick der Straßen, Plätze und Brücken fast durchweg und vonGrund aus zu verändern. Eine Reihe vonNeu bauten sehr verschiedener Art, die wir dem Leser in Wort und Bild vorfüh gendwie erschöpfendes Gesammtbild bieten, läßt jedoch in anschaulicher Weise erkennen, wie mannigfach sich jreuzende Strömungen und Anschau- Am Mühlendamm. ungen für die baukünstlerische Gestal tung des modernen Berlin mitsprechen. Mitten im Centrum der Stadt ist während der letzten Jahre ein völliger Umbau des Miihlendamms durchge führt worden, der die älteste Verbin dung der durch die Spree getrennten Städte Berlin und Cölln bildete. Durch einen Knüppeldamm hatte man hier einst den Fluß ausgestaut, um sein Wasser für den Betrieb von Mühlen nutzbar zu machen, die schon im 14. Jahrhundert bestanden, nach einem Brand um 1840 in der Form mittel olterlicher Backsteinkastelle erbaut und erst 1880 außer Betrieb gesetzt wurden. Unter dem Großen Kurfürsten hatte man die Brücken auf beiden Seiten mit zu denen sich später bewohnbare Ober geschosse gesellten, und ebenso war die seitwärts einmündende, den Fluß längs seines Laufes schräg überschnei dende Fischerbriicke mit neuerrichteten Wohnhäusern besetzt worden. Immer hindernde Enge. Mit einer durch die Interessen der Schifffahrt gebotenen I. A. Henckels. Flußregulirung und einer gleichzeitig an dieser Stelle erforderlich werdenden neuen Schleusenanlage verband man Ausblick auf den Lauf des Wassers Schloß und den künftigen Dom eröff net zu sehen, blieb seitens der städti schen Bauverwaltung unerfüllt. Ein. von ihr ausgeführter Umbau faßte vielmehr das von Perfius herstam mende Mauerwerk der Mühlen zu ei nem breithingedehnten dreigeschossigen Rundbogenbau zusammen, der die aus dem Rathhaus verbannten Arbeitsräu me der städtischen Sparkasse u. der Ar mendirection in sich aufgenommen hat. bäude den es rings umsäumendenZin nenkranz und die als Erker ausgekrag ten Eckthürmchen beibehalten. Neu hin zugetreten sind als ein den oberitalie nischen Stadthäusern entnommenes inmitten der Hauptfront und ein in dreitheiliger Gliederung höher anstei- Equitable - Gebäude, gender schmalerer Thurm an der Au ßenecke eines der beiden breiten Flügel, die rückwärts ausspringen und zwi schen sich einen schmalen Hof einfassen. Ein durch monumentale Größe packen der „Palazzo" ist auf diesem Wege nicht entstanden; der Bau ist vielmehr in seiner Formengebung wie in der gelben Backsteinverblendung seiner Fronten ein in hohem.Grade bezeich- nendes Beispiel der seit Jahren daZ ganze Hochbauwesm der Stadt Ber lin beherrschenden Verbindung einer einförmigen Nüchternheit der Auffas sung mit tadelloser Solidität der tech nischen Ausführung. Kaum übersehbar ist allmälig die Menge der glänzenden Geschäftshäuser geworden, die sich zumal in den Haupt straßen des Verkehrs aneinanderdrän gen und für ihre architektonische Durc hbildung seit einem Jahrzehnt beson ders gern die Formen des Barockstils wählen. Eines der besten Beispiele die ser Gruppe ist das von I. Wendler in der Leipzigerstraße errichtete Haus der bekannten Stahlwaarenfabrik von I. A. Henckels in Solingen, dessen weit aus größten Theil jetzt das kunstge werbliche Kaufhaus „Hohenzollern" einnimmt. In fünf Geschossen aufstei gend, entfaltet der Bau in der aus Säulen bestehenden Facade den gan zen dekorativen Reichthum desßarocks, ohne doch in protzig prunkende Ueber ladung zu verfallen. An Pracht und Glanz wird dieses Gebäudes noch übertrossen durch den an der Ecke der Leipziger- und Fried richstraße von Karl Schäfer errichteten Riesenbau der amerikanischen Versiche rungsgesellschaft Equitable, dessen Fa- K Tucherbräu. caden durchweg in dem kostbaren Ma terial grauen und farbigen Granits prangen, während die Mansarden des Daches und die schlanke, von einer ho hen Laterne gekrönte Kuppel des Eck baus in reicher Vergoldung auf bron zener Unterlage schimmern und eben falls bronzenes Laubornament die Steinschilder des Erdgeschosses um rahmt. Die Formen des Barockstils, die vielfach an dessen französische Aus bildung anklingen, haben sich hier in eigenthümlicher Weife mit den derGo thik zugewandten Neigungen des Ar chitekten verschmolzen. In das alte Nürnberg meint man sich versetzt, wenn man dem von dem dortigen Architekten Konradin Wal ther in der Friedrichsstraße aufgeführ ten stattlichen Gebäude des Tucher bräus gegenübertritt. Der stattlicheGe sammtbau besteht aus zwei selbststän dig in sich durchgebildeten Häusern, de nen nur der gleiche Stil der noch ganz Villa Grisebach. breit sich entfaltende viergeschossige Ec khaus, dessen Sockel in grauem Sand stein aufgemauert ist, während die obe ren Stockwerke mit ihren geradlinig abgeschlossenen Fenstern sich als ver putzte, mit reicher Facadenmalerei ge zierte glatte Wandslächen darstellen, schließt sich in der Front der Tauben straße ein in fünf niedrigeren Geschos sen aufsteigendes Nebenhaus mit rund bogigen Fensterreihen an, dessenFacade aus rothem bairischem Sandstein be steht und durch zwei zweigeschossige E rker und eine breite Mitellogia des ober sten Stockwerks belebt wird. Die reiche Ausgestaltung des steilen Daches wirkt hier kaum minder glücklich als bei dem in malerischem Wechsel mit Giebeln und Erkern, mit gethürmten Luken Malereien von Friedrich Wanderer Her- Einzug des Markgrafen AlbrechtAchil les in Nürnberg, auf der anderen aber lustige Scenen im Keller und imKneip zimmer schildern. Als der vielleicht ffenialste, jedenfalls als der poetisch feinstfühlende Architekt des heutigen Berlin darf Hans Grise bach gerühmt werden. Mit dem impo santen, in völlig frei und eigenartig behandelten Kormen der deutschen Re naissance gehaltenen Faber'schen Haus trat er zuerst verheißungsvoll auf den Plan. Besonders reizvoll hat sein rei ches Talent sich in einigen wahrhast wohnlich anmuthenden Wohnhäusern von äußerlich sehr schlichtem Gepräge und vor Allem in einer .Reihe vonVil- Vllla Schwarz, len vnyatigt, die zur den glücklichsten neueren Schöpfungen auf diesem Gebiet zu zählen sind. Die trauliche, in der bei Grisebach besonders beliebten Verbindung braunrothen Sandsteins mit verputzten Wandflächen ausgeführ te Villa Schwarz in der Lichtenstein- Allee, die mit ihren Giebeln und hoch ragenden Dächern, mit ihren Thürmen und Hallen schloßartig sich entfaltende Villaßaußendorff amKurfllrstendamm und des Architekten eigenes, feineVor liebe für die Uebergangszeit derGothik in die Renaissance deutlich widerspie gelndes Wohnhaus in der Fasanen straße sind bezeichnende Proben einer Kunst, die auch die Architektur zu ge ben weiß. Die Formen, in denen das Schaffen Grisebachs sich bewegt, bie tet die deutsche Frührenaissance ihm dar. Auch Bernhard Sehring, der seit ei ner Reihe von Jahren zu den meistge nannten Berliner Architekten zählt, er scheint vornehmlich durch die deutsche Renaissance begeistert, die indeß bei ihm in ganz anderer Weise widerklingt. Nicht ihr stiller, traulicher Reiz ist es, der ibn fesselt, sondern in erster Linie die kühne, nicht selten an das Bizarre streifende Phantastik ihrer malerischen Effekte. Das von ihm in der Fasanen straße erbauteKUnstlerheim, das seinen Namen zuerst in weiteste Kreise trug, ist ein Meisterstück decorativer Phanta- Theater desWestens. ihm in der Carmerstraße errichtete Gruppe von Wohnhäusern gehalten, die dem meist üblichen Einerlei des Miethshausbaus in der denkbar wirk samsten Weise gegenübertritt. Fast unerbittlich ist in der Ausgestaltung der Facaden jede gemeine und gewöhn liche Form vermieden, der Schablone der entschiedenste Widerspruch entge gengesetzt und dieser Widerspruch noch riesigem stilisirten Blatt- und Blü thenwerk, aus Heiligenbildern und aus bald humoristischen, bald unheimlichen Thierfiguren bestehende malerische Or ünd über die Fensterbetrönungen in phantastischem Spiel hinbreitet. In dem Theater des Westens, das nach teressantesten neueren Theaterbauten zu werden verspricht, stellt sich die der Kavtstraße zugewandte Hauptfront Das kleinste Land Europas. Im vergangenen Jahrhundert bil dete das Ländchen unter österreichischer Herrschaft einen Bestandtheil derGraf schast Dalhem (HerzogthumLimburg). Im Jahre 179 S wurde Moresnet dem französischen Eanton Aubel (Departe ment de l'Ourthe) zugetheilt, welcher Landestheil unter anderen im Jahre 1816 von Frankreich an die verbün deten Mächte abgetreten wurde. Zwar war schon in den Artikeln 25 und 66 der Wiener Eongreßacte die Grenze zwischen Preußen und den vereinigten Niederlanden durch Aufstellung einer Grenzlinie im Allgemeinen festgesetzt worden, allein die zur endgiltigcn Fest legung der Grenzlinie ernannten preu ßischen und niederländischen Commis sare konnten sich nicht einigen. Die serhalb wurde in Artikel 17 des am 26. Mai 1816 zu Aachen zwischen den beiden Mächten geschlossenen Grenz tung untergeordnet wird und von kei ner beiden Mächte militärisch besetzt werden darf. Der letztere Theil dieser Bestimmung, betreffend das neutral« Gebiet, besteht bis heute unverändert fort und ist grundlegend für die Exi stenz und Verwaltung desselben. Nur sind mit der belgischen Revolution die Rechte der Vereinigten Niederlande an Alten b e r g. das Königreich Belgien übergegangen. Durch die gemäß obigen Artikel 17 vorgenommene Theilung fielen von der Gemeinde Moresnet etwa 60 Häu ser an Preußen, 80 Häuser an die ver einigten Niederlande. Neutral - Mo resnet, noch nicht 350 Hektar groß, zählte bei seiner Entstehung noch un gefähr 250 Einwohner und St) zer streut liegende Häuser. Daß eine Ei nigung über ein so geringfügiges, we der commerciell noch strategisch wichti ges Gebiet nicht zu Stande kam, liegt in der Rechtsauffassung beider Staa ten, welche dahin geht, daß nach rich tiger Auslegung der Wien«r Eongreß acte jedem der Alleinbesitz zukomme. Veranlassung zu diesen entgegengesetz ten Auffassungen bildete wohl nicht das Gebiet als solches, sondern das auf demselben gelegene sehr bedeutende Galmeibergwerk des Altenbergs, dessen Alleinbesitz den betheiligten Staaten sehr werthvoll erschien. Weder Preußen noch Belgien haben in Moresnet bis heutigen Tages ein selbstständiges Gesetzgebungsrecht, es bestehen vielmehr die französischen Ge setze und Einrichtungen von früher weiter fort. Das Gebiet untersteht ei nem preußischen und einem belgischen meinschastlichen Verwaltung betraut sind und ihre Sitze in Aachen respective Verviers haben. Von ihnen werden auf Grund des Artikel XX des Gesetzes Grenzstraße. vom 28. Pluviose des Jahres VIII (17. Februar 1800) der Bürgermeister und die Stadträthe ernannt. Der Ge meinderath setzt sich zusammen aus zehn Bürgern. Eine eigene Gerichtsverwaltung be sitzt Moresnet nicht, es steht den Be wohnern frei, ihre Klagen und Streit fragen bei den zuständigen preußischen oder belgischen Gerichten vorzubrin gen. Die Ortspolizei wird vom Bür germeister ausgeübt, welchem preußi sche und belgische Gendarmen, sowie ein neutraler Gemeindediener in die sem Amte zur Seite stehen. Auch für die Steuerabgaben gelten die alten Bestimmungen! es sind zu entrichten-Grundsteuer, Personal- und Mobiliarsteuer, Thür- und Fenster steuer und Patentsteuer. Demnächst soll auch eine Gewerbesteuer fü' Schanklo kale eingeführt werden. Emmaburg. Was die militärischen Verhältnisse des Gebietes betrifft, so sind die be reits bei Entstehung desselben ansässi gen Bürger und deren Nachkommen von der Militärpflicht entbunden, wo hingegen preußische oder belgische Staatsbürger sich durch Auswande rung auf neutralen Boden keineswegs dieser Pflicht entziehen können. Altenberg, der Gemeindehauptort, liegt am Südende des Gebietes an der Aachen - Lütticher Chaussee. Der übri ge bewohnte Theil besteht aus zerstreut liegenden Häusern und Gehöften. Die se mit eingerechnet, zählt die Gemeinde heute ungefähr 2900 Seelen, worunter 40V neutrale Bewohner sein dürften. Das landschaftliche Bild, welches das Städtchen seinen Besuchern darbietet, ist ein sehr freundliches. Von der Soh le des Altenbergs langsam ansteigend, lacht es freundlich ins Thal mit seinem spiegelhellenSee und seinem industriel zu den waldigen Höhen, wo auf festem Im Steinbruch. Felsengrund über rauschenden Baum kronen dit. Emmabura sich stolz. er- hebt, bespült von dem lustig dähinfpru delnden Gohlbach. Alte Sagen knüpft der Volksmund an diese Feste aus dem 13. Jahrhundert. Hier soll Karls des Großen Tochter Emma mit ihrem Ge liebten Einhard in Zurückgezoaenheit gelebt haben. Die anmuthige Geschichte der Liebe dieses großen Geschichtsschre ibers zu der Kaisertochter ist in Gedich ten und Dramen unzähligemale behan delt worden, so daß sie fast den Cha rakter und die Geltung einer geschicht lichen Thatsache erlangt hat. Dießurg in ihrer reizenden, stillen Lage ist aber auch zu einer Stätte der Minne gera- An Unterrichtsanstalten besitzt Al tenberg zwei Knaben- und zwei Mäd chenschulen, ferner eine Näh- und Strickschule, sowie eine Kleinkinderbe- Wahranstalt. Postämter sind zwei vor handen, ein belgisches und ein deut sches, und wird das Gebiet von beiden Postverwaltungen als Inland betrach tet. Im Jahre 1886 bestand neben die sen ein drittes, neutrales Postamt mit besonderen Postwertzeichen, welches Eröffnung (am 19. October 1886) migung dazu nicht ertheilt hatten. Da» «aifcr-Wtthtlm-Dtnkmal für Frankfurt a. M. In Gegenwart des deutschen Kai» serpaares soll am 10. Mai in Frank furt a. M. die Enthüllung des Kaiser- Wilhelm - Denkmals stattfinden, ein Werk des Bildhauers Clemens Buscher in Düsseldorf. Ein Blick auf das Denkmal läßt er kennen, daß die Massenvertheilung ei ne ganz andere ist, als man sie ge wöhnlich zu sehen bekommt. Die con ventionelle symmetrische Form ist sehr vortheilhaft durch eine malerische An ordnung ersetzt. Die Gestalt des Kai sers Wilhelm ist historisch getreu wie dergegeben, schlicht und einfach, ohne jeden Pathos. - Diese Auffassung, der der Künstler in seinem Entwurf den entsprechenden monumentalen Aus druck gab, unterscheidet Buscher'sDenk mal von den meisten andern, die den Kaiser mehr als den Siegreichen dar zustellen versuchen. Die Ruhe in der Auffassung der Hauptfigur wird noch vervollständigt durch die ruhige Hal tung des Pferdes. KaiserWilhelm-Denkmal. Die Figuren an der vordern Seit« des Postaments bilden eine zusammen gehörige Gruppe, die im Aufbau sehr originell ist: der Genius des Friedens, hochaufgerichtet einherfchreitend, reicht dem siegreichen Kaiser das Lorbeerreis empor. Die beiden weiblichen Gestalten verkörpern die Kunst und den Gewer befleiß, Kränze spendend. Die Seg nungen des Friedens kommen in dieser Gruppe zur Darstellung. An derßück seite des Postaments thront die Fran cofurtia, die alte Freie Reichs- und Handelsstadt, die Reichsinsignien be schützend. An den beiden Längsseiten des Postaments sind Reliefs ange bracht. Das ein stellt die Wahl und Weihe Friedrich Barbarossa's zumKai fer im Jahre 11S2 dar,- das andere gibt den Moment wieder, wie Kaiser Wilhelm, siegreich aus dem Felde heim kehrend, am 16. März 1871 in Frank wird. Den Guß hat die W. Rupp'sche Erzgießerei (Hans Klement) inMlln chen besorgt. Wölfel und Herold in Baireuth lieferten dasGranitpostament (polirter schwedischer Granit). Sensationelle Erfindung, großartiger als der Phonograph, fertigt selbstthätig jeden Reisenden ab! Eine Hoäizeit in Aiid-Indten. „Es war an einem schönen milden Abend im Februar, so erzählt derMif sionar Richard Heimer in feinen Schi lderungen indischen Lebens, als ich, in Sprachstudien vertieft, du>rch ein Ge knatter in der Luft gestört wurde. Als ich durch das wegen der Schwüle immer geöffnete Fenster schaute, sah ich feu rige Raketengarben in kurzen Zwi schenräumen zum Abendhimmel em porsteigen. Bald «füllte auch Heller Lichterglanz die Straße, und Musik drang an mein Ohr. Ich trat in das Freie und sah dichtgedrängte Men schenschaaren, von Hunderten von Pechfackeln beleuchtet, heranziehen. Es war ein indischer Hochzeitszug. Diesen Zug eröffnete eine aus weißem Tuch hergestellte riesengroße Schlange, mit welcher Kuli» durch die Menschenmenge hindurcheilten Diesem heiligen Thier der Inder folgte ein anderes, ein wei ßer Elephant, doch leider auch pur in Nachbildung. Mit Stricken wurde die ser auf Rädern laufende Holzkoloß ge zogen. Eine Musikkapelle schloß sich an und blies auf Blechinstrumenten Hoch zeitsweisen, für deutsche Ohren keines weas liebliche Musik. In diese Musik mischte sich der dumpfe Klang der Holztromineln, das Geknatter derßa keten und ein hundertstimmiges Sti mmengewirr der Menschenmenge. Fackel träger und Kulis mit bunten Wedeln liefen zu beiden Seiten. Ein grauer mächtig großer Elephant schritt gra vitätisch mit seiner rothseidenen Decke gelben Blumen im schwarzen Haar folgten. Die Hauptperson des Zuges war aber der Bräutigam. Die Leser wenden mir wohl ein, das sei dießraut. es war erst der Abend vor der Hoch zeit. Nach indischer Sitte darf die Braut erst am Tage der Hochzeit mit dem Bräutigam zusammenkommen. ge ihren künftigen Eheherrn kennen. Für die selige Maienzeit des Braut standes fehlt den Indern das Ver in Indien auf bedeutend tieferer Stu fe, als der Mann. Sie darf nicht in Gesellschaft von Männern weilen, muß nach dem Mann essen, ja sich erheben, wenn ein männliches Wesen herantritt. schern Schnitt kleidet ihn. Mit Gold- und Silberstickereien ist das Kleid be setzt. Ein Dreimaster schmückt sein Haupt. Gar stolz schaut er auf die fandt worden war, wollten wir auch das Treiben im Hochzeitshause kennen lernen. ben dem Hause erbaut worden. Schon aus der Ferne winkten die Fahnen und die vergoldeten Wände. Mit Mühe Götzenfiguren prangten als Gemälde an den Seiten des Kiosk. Ueber dem Eingange hingen Kokosnüsse, Plata begrüßte seine europäischen Gäste am Eingang der Halle und geleitete uns auf unsere Plätze. Die Halle war dicht gedrängt von braunen Hochzeitsgästen. Aus dem Boden saßen mit unterge schlagenen Beinen die Freunde und Verwandten, während aus einem ver gitterten Fenster die Frauen neugierig in den Saal hineinschauten. Die Musik spielte ununterbrochen ihre Weisen. Nachdem wir uns niedergelassen hat ten, schmückte uns der Bräutigam mit duftenden Guirlanden und Sträu^ß wurden uns Platanen, brauner Zucker und die mit einer indischen Festfeier unzertrennlich verbundenen Betelblät beleuchtet wurde. Die Halle war aus geschmückt mit Bildern, Teppichen, buntem Glas und allerlei Flittertand. Musik, die bunten Gestalten der Jn reich geschmückte Bräutigam: Alles dies war geeignet, uns in ein Märchen von Tausend und eine Nacht zu ver- d' B t?S bf d sich t ihrem Glück. Wir besuchten sie dort disches Mädchen etwas Bemerkenswer tbes. Bald kehrten wir voll des interes santen Erlebnisses mit unseremOchfen- Gegen 10 llhr des Abends kündeten uns emporzischende Raketen, Heller Lichtschein und die Klänge der Musik, begleiteten. Die braunen energischen Polizisten verstanden jedoch die Men ge gut in Zucht zu halten. Von dem flachen Dach unseres Hauses aus konn te man Alles prächtig genießen. Hin ter dem feierlich einhertrabenden grau en Elephanten fuhrenVraut undßräu tigam. Sie saßen in einem aus Glas und Gold- und Silberflitter gefertig ten Kahn, der auf einem Gestell von Ochsen gezogen wurde. Im Schein de» Fackeln sah man ihr Goldgeschmeide funkeln. Von dem schwarzen Haar de» Braut konnte man vor lauter Ge schmeide nichts sehen. Doch nicht froh schaute sie in die Menge hinein. Wie ein Marmorbild saß sie an der Seit« ihres Bräutigams, unverwandt den Blick zu Boden gerichtet, wie es die indische Sitte verlangt. Nachdem sie am Götzentempel einen längeren Besuch ge macht hatten, entwickelte sich das Schauspiel vor unserem Haus. Hun derte von Raketen durchfuhren zischend die Luft, bald laut knallend, bald ei nen Regen Leuchtkugeln ausschüttend. Funkfeuer, Feuerregen wechselten in bunter Folge ab. Auch den Anblick ei nes chinesischen Feuerwerks hatten wir, indem aus einer Trommel feurige Menschenfiguren Herausfuhren. Und in die indische Musik und das Ge knatter der Feuerwerkskörper mischte sich das Brausen des nahen Meeres. Gegen 1 Uhr Nachts war Alles ruhig, nur aus der Ferne klangen die Hoch mir, der müde von dem Gesehenen war, vereint mit dem Brausen des indischen Oceans das Schlummerlied. ?tto Roquette. In Darmstadt ist der Dichter und Literaturhistoriker Otto Roquette aus dem Leben geschieden. In Krotschin am 13. April 1824 geboren, widmete sich Roquette in Heidelberg, Berlin und Halle philosophischen, geschichtli chen und literarischen Studien, worauf er drei Jahre. 1853 bis 1866, als Leh rer am Blochmann'schen Gymnasium wirkte. Nach dem Tode seines VaterS trat die Sorge für die mittellos zurück gelassenen Seinen an ihn heran. Er nahm feine Mutter und deren zwei unverheirathete Töchter mit sich nach Berlin. Journalistischer Erwerb, der Roman „Heinrich Falk" und die Le bensbeschreibung des unglücklichen schltsischen Dichters Christian Günther füllten seine Zeit aus, bald auch die Beschäftigung mit seiner „Geschichte der deutschen Dichtung" und mit sei nen Vorlesungen am Berliner Poly technikum, wo er sich als Privatdocent Otto Roquette. Berliner Kriegsakademie infolge poli tischer Verdächtigung ein schnellesEnde genommen hatte. Da endlich im Jahre 1869 erging an ihn der Ruf, in Darmstadt amPolytechnikum als Pro fessor der Geschichte und Literatur einzutreten. Er folgte und ist dort bis zu seinem Tode geblieben, erst un sammenhange mit seiner Schul- und akademischen Stellung erschienen seine literaturhistorischen Arbeiten, na mentlich „Geschichte der deutschen Li teratur". Seinen Ruf als Dichter be gründete Roquette mit „Waldmeisters Brautfahrt" (Stuttgart 18S1; 66. Auflage 1893), einem anmuthigen Märchen, in dem er den heiteren Le bensgenuß am Rhein feiert. Diesem seinem Erstlingswerke folgten Roma ne, Novellen und dramatische Dichtun hält das Buch „Siebzig Jahre". Der ehemalige Bäckermeister und nunmehrige Rentier Wanstl, ist so dick, daß er hilflos zusehen mußte, als ihm kürzlich ein Strolch die schwere goldene Uhr sammt Kette raubte, da Bedenklich. —Räthin: Wol das Fleisch etwas zu zerkleinern. Fleischersfrau (zu ihrem Manne): Du, Gottfried, schlag' doch mal der Frau Ganzegal. „... .Sie wer ben um meine Tochter, Herr Lieute nant ja können Sie sie auch ernäh ren?" „Na, Herr Commerzienrath, ich sie oder sie mich das ist unter Ehekameradin doch ganz egal!"