Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, April 03, 1896, Page 3, Image 3

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    M Wer»-Mme.
<2. Fortsetzung.)
„Das ist etwas Anderes," rief er.
„ich habe meine Börse allerdings ver
gessen, aber es macht nicht viel aus, es
ist sogar ein höchst bedeutungsloser
Umstand. Denn hätte ich sie auch bei
mir, es wäre mir doch nicht geholfen;
eS ist nämlich nichts in dem alten Ding,
was mit Geld irgendwie Aehnlichkeit
hätte!"
„Wenn das so ist," meinte Hopser
ernsthaft, „so will ich noch zwei Dol
lars bei >hnen anlegen, Lipps mehr
kann ich wahrhaftig nicht entbehren."
„Oh, bitte, genirt Euch meinethalben
nur ja nicht," beruhigte Lipps, schon
die Hand ausstreckend, in welche Hop
ser zwei Lilberstücke gleiten ließ.
Eben setzte der Wirth die Getränke
auf den Tisch und Lipps faßte sofort
nach seinem Glas. Zugleich hielt er
am Rock den Wirth sest, der sich wieder
hinter die Bar zurückziehen wollte.
„Halt, Mann!" rief er dabei, „weile,
weilc, denn Du bist so schön, wie der
Dichter zum Augenblick sagt. Wer
heißt Euch davonlaufen? Prosit.
Freund Lackpatzer, Gott erhalte Euch!"
Damit leerte ?i-ps in einem Zug sei»
Glas und gab cs dem Wirth zurück:
„Noch ein solches Fingerhütchen voll,
würdiger Bacchus-Knecht, wenn's ge
fällig ist. Und dann schleppt etwas
Lunch herbei: mein Magen fällt in sich
zusammen, wie ein Handschuh, in dem
just keine Hand steckt."
Hopser hatte dank seiner phänome
nalen Neugierde Eile, auf den Gegen
stand zu kommen, der ihn hierher ge
führt hatte. Er warf daher hin
„Sagen Sie 'mal, Lipps, was soll
denn die Tafel, die Wurms heute an
das Haus nagelten?"
„An welches Haus, Freund Pain
ter?"
„Donnerwetter an welches Haus!
An Wurms Haus natürlich; der Käse
händler wird doch wohl nicht an ande
rer Leute Häuser Tafeln schlagen las
sen!"
„Eine Tafel, Hopserchen?"
„Nennen Sie es meinethalben ein
Schild, oder wie immer kurz ein
Dina, auf dem etwas geschrieben steht."
„So, so, dergleichen hat man bei
uns angeschlagen? Ich weiß nichts da
von, so wahr ich durstig bin wie ein
Kameel in der Wüste."
Hopser ärgerte sich beträchtlich.
„Na. hören Sie, Lipps," sagte er in
seiner borstigsten Manier. „Ihnen soll
in Zukunft auch der Böse das Licht
halten. Hämmern die Leute an der
Mauer, daß man meint, die ganze ge
brechliche Bude stürze in sich zusammen,
und Sie sehen, hören und fühlen nicht
das Geringste davon!"
„Nicht die Probe," bestätigte Lipps
gemüthlich, sich zugleich über den Lunch
hermachend, den iym der Wirth vorge
setzt hatte; „nicht das Geringste, das
will ich beschwören. Zu meiner Ent
schuldigung möge dienen, daß ich bis
vor etwa einer halben Stunde in mei
nem Bette lag und den Schlaf Derer
schlief, welche durch ihren gerechte»,
untadelhaften Lebenswandel...."
„Hören Sie mir damit auf, Lipps,"
unterbrach der Painter grob, „Ihre
Flausen können mir gestohlen werden."
„Oho, Painter, meiner Seele, Euer
Zorn imponirt mir nicht; das muß ich
sagen! Aber halt! Da fällt mir
ein, was etwa auf dem Ding, das Ihr
als Tafel bezeichnet, geschrieben stehen
könnte."
„Und was?" fragte Hopser aufhor
chend.
wohl auf dem Schild so etwas zu le
sen sein wie: „Dr. Julius Wurm, Arzt"
oder „Dr. Julius Wurm, deutscher
Arzt, Geburtshelfer und Operateur"
schling der Mund offen stehen.
„Julius der junge Mann —?"
fragte er.
„denn es aibt bekanntlich junae, jüngere
und alleriünaste Würmer. Wurm, der
Jiinaere, also ist auf dem Wege hier
her und gedenkt auf väterlichem Grund
und Boden seine Helte aufzuschlagen:
Darum vermuthlich das Schild."
Hopser lachte zornig auf und schlug
mit der geballten Faust auf den Tisch.
„Balthasar Etsch!" sagte Lipps in
strafendem Ton, in dem er von seinem
Lunchteller aufsah, „ich möchte ganz er
gebenst um etwas Mäßigung gebeten
ehe er noch da ist? Habt Ihr
Weiler als Wasser sausen."
„Brrr!" machte Lipps, dem das
schauderhaft erschien.
sündhafte, echt Wurm'fche Eselei, sich
„Und wer wäre denn ich?" erkundig
te sich Lipps, auf seinen Fuß weisend,
„meint Ihr, meinem Zipperlein thäte
nicht ein tüchtiger Arzt noth?"
„Nein, Lipps, Sie brauchen >vahr
hastig keinen Arzt! Essen Sie anstatt
schwerer Fleischspeisen leichte Gemüse
und trinken Sie anstatt Rheinwein
srisches Wasser, und Sie werden, ge
sund wie ein Fisch, in Ihr achtzigstes
Lebensjahr hinüberwalzen."
„Oh, Painterchen!" seufze Lipps,
die Hände über dem Baucht faltend, da
er mit seinem Lunch zu Ende war, und
die verquollenen Aeuglein gegen Him
mel wendend, „wie dumm redet Ihr
doch daher! Ich und Gemüse! ich uno
Wasser! Das paßte ungefähr zusam
men wie Kinderspielzeug und Gatling
muß, daß man es sich aber auch in die
Kehle schütten soll nee, das halte ich
entschieden für überflüssig."
„Dann lassen Sie sich das Krank
sein gut schmecken und nehmen Sie sich
„Danke!" sagte Lipps.
Es öffnete sich die Eingangsthüre
und blaue, fröhlich und
lsorglos in die Welt lachende Augen.
Dieser junge Mann nannte sich Victor
von Stichow und wohnte seit etwa
zehn Monaten so lange er in Chica
go weilte in der Nachbarschaft,
welcher Umstand ihm den Vorzug der
Bekanntschaft mit Lipps, mit Hopser
und selbst mit Wurm verschafft hatte.
Er wollte für einen Literaten gelten,
zu lernen, und man erwies ihm die
Gefälligkeit, ihn dafür zu nehmen.
Eine Thatsache, welche ein Mann wie
Lipps besonders hoch zu schätzen wußte,
war, daß Stichow, dank höchst ausrei
chend bemessener Wechsel aus der Hei
math, stets bei Kasse und überdies
nichts weniger als ein Knauser war.
„Da sitzt das Beefsteak!" rief der
Eintretende statt jeden Grußes, als er
Lipps' ansichtig wurde. „Da sitzt
oder !iegt vielmehr der Fettklum
ven! Bei meinen Ahnen, Lipps, ich ha
be gute Lust, Dich aus Deinem Fell
herauszuprügeln."
„Oh Knabe," ächzte Lipps, als hätte
er Höllenschmerzen auszustehen, „siehst
Du nicht, daß das leidige Zipperlein
mein Gebein durchwühlt? Hast Du kein
Wort des Mitleides für einen Greis,
der sich kaum noch zu helfen weiß!"
„Du ein Greis? In allen recht
schaffenen Dingen ja; ein so hilflo
ser Meergreis, wie es nur je einen ge
chen aber, und vor Allem bei der Fla
sche, jung, frisch und kräftig wie ein
Raubritter ohne Furcht und Tadel."
„Daß in mir Manches ist, das an
einen Ritter ohne Furcht und Tadel
mahnt, darüber kann kein Zweifel herr
schen," gab Lipps, sich etwas aufrich
tend, zurück, „ich glaube auch nicht, daß
es mir zur Unehre gereichen kann, daß
diese Erinnerung gerade aus Deinem
Munde kommt. UebrigenS ist es, mei
ner Treu, das erste Mal seit Langem,
daß ich Dich die Wahrheit reden höre."
„Schweig still, heilloser Fettwulst,
oder ich vergesse mich und walke Dich,
wie Du es verdienst," rief Stichow er
bost.
„Du machst mich um Dein zeitliches,
wie um Dein ewiges Heil bangen, ruch
loser Knabe. Ist das der Respekt, den
Du dem ehrwürdigen Alter schuldest?"
Stichow ließ das unbeachtet und
wendete sich, während er an dem Tische
Platz nahm, an Hopser mit den Wor
ten:
„Sie trinken ja wohl ein GlaS mit
mir, Mr. Hopser? He, Reichmann:
zwei Glas Bier. Für Dich, schnöder
Wanst, besorge ich später ein Brause
pulver, was allein Dir zuträglich ist....
WaS meinen Sie wohl, Mr. Hopser:
Verpflichtet sich dieser Weinschlauch
Stadt zu fahren. Jetzt um Viertel
zu Hause vergeblich warten."
„Viktor! Viktor! Du verfällst wieder
in Dein altes Laster, das üble Lügen.
Das willst Du doch hoffentlich nicht
beschwören, daß Du zwei Stunden
ren, Meergreis? Denkst Du, ich sei,
wie Du, nur im Bett zu finden, wenn
ich nicht eben im Wirthshaus sitze?"
„Wie er mich verleumdet! Sie be
„Mit welchem Dr. Wurm?" fragte
„Mit Dr. Julius Wurm, dem Nach
gnädig!"
„Wie, Julius Wurm, der in Boston
war? Und das ist ein Sohn von un
serem Wurm da in derNachbarschast?"
„Ja, ja, Viktor, es ist wie Du
sagst," rief Lipps da er bemerk
lichen Gründen von Wichtigkeit.
„Julius Wurm in Chicago! Das
ist eine gute Nachricht, und ich bin ge-
Glos füllen zu lassen, Dicker. Ju
lius Wurm ist mir ein lieber Freund,
«nd ich darf wohl sagen, er ist einer
der nettesten, anständigsten Kerle, die
in diesem Lande überhaupt zu finden
sind," rief Stichow mit großer Leb
haftigkeit.
Hopser schnitt eine Grimasse, als
hätte er auf einen schmerzhaften Zahn
gebissen.
t>,v!" sagte er, sich zum Ge
hen wendend.
„Leben Sie wobl, Mr. Hopser,"
antwortete Stichow, dem Painter die
Hand reichend, welche dieser aber über
sah, da er sich schon der Thüre zuge
wandt hatte.
„Ich sage nichts als: Gott erhalte
Euer Liebden den Thiirstöcken und
Fensterrahmen in der engeren und
weiteren Nachbarschaft," rief Lipps
hinter dem Abgehenden her. Kaum
aber hatte sich die Thüre hinter Hopser
geschlossen da lachte Lipps laut auf
und sagte zu Stichow:
„Na, da hast Du was Schönes an
gerichtet, Viktor, das vergißt er Dir
im Leben nicht."
„Wer vergißt was nicht? Drücke
Dich gefälligst deutlicher aus, wenn
man Dich verstehen soll."
„Weißt Du denn nicht," lachte
Lipps, „daß Hopser sich ebenso gerne
eine Klapperschlange in die Rocktasche
stecken läßt, als daß er irgendeinen aus
der Ordnung der Würmer loben hört?"
"VVvII," sagte Stichow, „da kann
ich ihm wahrhastig nicht helfen: was
wahr ist, bleibt wahr. Julius Wurm
ist einer der verständigsten, ernstesten
und sympathischesten Männer, die ich
je hier zu Lande kennen gelernt habe.
Als Arzt ragt er geradezu thurmhoch
über die Mehrzahl seiner Kollegen
hinaus. Lipps, ich wünschte Dir,
der Mann näbme Deinen Leichnam in
Behandlung. Wenn sonst Keiner:
Der macht daraus wieder ein ordent
liches Stück Fleisch, so weit das über-
Haupt noch möglich ist."
jetzt wirklich geärgert, „wenn das al
berne Geschwätz und die öden Witze
von Dir und Deinesgleichen nicht wä
ren, ich fühlte mich wohl wie ein Fisch
in frischem Wasser."
111. EinßlickindenHimmel.
Wenige Tage später hielt Dr. Ju
lius Wurm seinen Einzug in das vä
terliche Haus an Western-Avenue.
Man hatte ihm daselbst drei leer
stehende Zimmer, anstoßend an die
Wohnung der Frau Heinzelmann zu
gewiesen, und Julius hatte unmittel
bar nach seiner Ankunft damit begon
nen, sich in diesen Räumen einfach und
geschmackvoll einzurichten.
Während der junge Arzt Abends
seine Bücher in den Bücherschrank ein
reihte, ging Vater Wurm diesmal
das .Haupt äußerst frei und hoch aus
der Halsbinde gehoben im Zimmer
auf und nieder, und ließ sich von d's
Sohnes Studien, seinen Erfolgen und
seinen Hoffnungen für die Zukunft er
zählen. Der alte Wurm war, da er
den Sohn so fest und männlich-ernst
vor sich sah, ganz glücklich, ja stolz, als
hätte er all' das, was sein Sohn die
Jahre her hatte lernen und geistig be
wältigen müssen, selber im Kopfe.
ihn für manche Bitterniß, die er in all'
den Jahren von Julius Abwesenheit
hatte hinunterwürgen müssen.
„So! und da hast Du nun alles
gehört, was mich angeht, Papa,"
schloß Julius seinen ausführlichen Be
richt, indem er sich von dem Stuhle,
aus welchem er vor dem Bücherkasten
gesessen hatte, erhob. „Und wie ist's
Dir die ganze Zeit über gegangen?
Gesund bist Du, gottlob, wie ich sehe.
Was macht das Geschäft?"
„Es macht sich, Julius, es macht
sich. Wenn es ein Bischen besser ginge,
schadete es freilich auch nichts. Aber
die Zeiten sind nicht gut und man muß
„So ist es, Papa. Und sonst bist
Des alten Wurm Kinn tauchte auf
diese Frage etwas Weniges in di:
Halsbinde nieder, kain aber doch bald
wieder zum Vorschein.
„An kleinen AergerlichMen fehlt
es nun nicht," gestand er zu, „das
„Ein Nachbar? Wer ist es?"
ser als seine beiden Hunde, die doch
so bissig und boshaft sind, wie man
sich einen Hund nur immer vorstellen
kann."
Nachbar nicht gefällt." Er hat kein Ge
müth, der Hopser. Ich bin doch wahr
haftig ein friedfertiger Mensch aber
mit dem da drüben könnte ich mich
an einander gerathen und das ist
schließlich die Hauptsache."
Die ersten Tage seines Aufenthal
lius, um sich in der Nachbarschaft um
zusehen, alte Bekanntschaften erneu-
ren. Dort traf nian gleich beim er
sten Besuche aus Viktor von Stichow,
der sich nicht wenig freute, den Dr.
kehrt hatte, wieder zu sehen, wie denn
auch Wurms ernste Züge sich freund
lich erhellten, als er des lustigen Kum
pans ansichtig wurde.
An dieses Wiederfehen knüpfte sich
eine fast einstündige Sitzung bei Reich
manns Wein, während welcher Lipps
fast beständig das große Wort führte.
Unter Anderem sprach er auch von
„Dies ist, wie Sie wissen" der nord
westlichste Thell dieser mehr großen
als großartigen Stadt," sagte er. „Vor
ein paar Jahren noch gab es in dieser
Gegend nichts weiter als verstaubtes
Prairiegras, Lehmboden, so zäh wie
Schuhleder, und unübersehbare Pfü
tzen, wenn es just geregnet hatte. Daß
das Viertel seither um Vieles reiner
Einwohner bekommen, als es fassen
konnte. Am Auffallendsten ist der
Zuwachs an Kindern. Aehnliches
existirt nicht im Umkreis eines gutge
messenen Tagmarsches, dafür garan
tire ich. Ein geschickter Geburtshelfer,
so sollte man darnach glauben, hätte
segensreiche Thätigkeit. Aber, Prosit!
Wehmuttcr!"
„Ich bitte Dich, Max, verschone uns
brach Stichow den Redefluß des Al
ten, „wann wird wirbelig davon."
„Du brauchst nichi zuzuhören, Vik-
Und da Dr. Wurm dem Schwätzer
aus Gründen der Höflichkeit beipflich
tete, fuhr Lipps im Texte fort:
„Das ist also die Ursache, warum
auf diesem Gebiete nichts zu machen
ist. Was nun die Erwachsenen hier
herum anbelangt, so brauchen die so
dianer einen braucht. Es sind fast
durchwegs Deutsche von unverwüstlich
stem Schlag. So etwas wird niemals
ernstlich lrank. Wundbehandlun
gen kommen fast noch weniger vor wie
wenn auch einmal Einem da herum ein
tüchtigen Ziegelstein, oder eine kegel
kugelgroße Männerfaust auf den Kopf
der Betroffene macht davon kein gro
ßes Aufhebens. Die Schädel hier sind
durchwegs aus unzerbrechlichem Ma
terials gefertigt, wofür der minde
stens halbzöllige Hirnkasten unseres
gemeinschaftlichen Freundes Hopser
als glänzendes Beispiel dienen kann.
Bleiben also die Krankheiten der
Kinder Masern, Scharlach u. s. w.,
und dergleichen ist hier wirtlich nicht
gleich Ihr ergebenster Diener ist, dann
schnüren Sie rasch Ihr Bündel und
flüchten in eine Gegend, wo es min
destens hysterische Weiber gibt und
Männer, die man dafür nehmen kann."
Lipps faßte nach dieser langen Rede
strengungen entschädigte.
Diese Gelegenheit beniitzle Stichow,
um zu sagen:
„Der Herr sei gepriesen die
Plappermühle schweigt! Trösten Sie
sich, Dr. Wurm: ein tüchtiger Mann
findet überall einen Platz, um ihn
waS Lipps sagt, niemals mehr als der
zehnte Theil wahr. Sie können über
zeugt sein, daß Sie schon alle Hände
allein Lipps völlig zum Schwamm ge
wordenes sterbliches Theil ein wenig
zurechtflicken."
Der Doktor liichelk.
„Es liegt gar nicht in meiner Ab
dium. Dazu ist hier schöne Gelegen
heit und diese will und werde ich be
nützen. Finde ich nebenbei noch Lei
dende, denen ich nützlich sein kann
umso besser. In erster Reihe aber st«ht
mir, wie gesagt, Vervollkommnung in
meiner Wissenschaft."
Erst mehrere Tage nach dem Ein
züge des Doktors in das väterliche
Haus langten die letzten Stücke seines
Gepäckes an, darunter eine Kiste mit
ärztlichen Instrumenten und Appa
raten für die ärztlichen Hilfswissen
schaften, als da sind: Luftpumpen,
Präzisionswaagen, Mikroskope und
Bestimmungen Vater Wurm
interessirte sich für diese ihm meist
ganz unverständlichen Werkzeuge au
zelne mit dem zurückhaltenden Ernste
eines Kenners und der Genauigkeit ei
nes Schätzmeisiers. Der Sohn gab in
gedrängter Form die nöthigen Auf
klärungen, denen der Vater wie einer
Offenbarung lauschte. Endlich richtete
der Doktor ein Mikroskop auf einen
Tropfen Wasser ein, den er aus einem,
sehen. Der Alte wußte sich vor Erstau
mus. Glücklicher Weise sind diese
„Ich danke für Obst!" rief der Gro
„Da vergeht Einem wahrhaftig die
Lust, Wasser zu trinken und man muß
dem dicken Lipps im Hinterhaus Recht
geben."
„Sag' einmal, Papa," erkundigte
sich der Dokdor, während er das Mi
kroskop reinigte und zur Seite stellte,
„interessirst Du Dich noch immer für
Astronomie?"
Wahrheit gemäß, der alte Wurm.
„Vor Jahr und Tag habe ich sogar
sekondhändig einen kleinen Tubus ge
kauft, der mir wahrhaftig an die elf
Dollars gekostet hat. Am Ende hat
ja Jeder sein Steckenpferd!" setzte er
wie entschuldigend hinzu.
„Ich habe mich des Deinen noch
rechtzeitig erinnert," lächelte Julius,
„und Dir das hier mitgebracht." Da
bei hob er vom Boden der Jnstrumen-
Lederkassette, die eröffnete. „Es ist
ein Gelegenheitskauf, den ich mir nicht
entgehen lassen wollte: ein Spiegel
fernrohr, mit dem man schon ganz
hübsche Beobachtungen anstellen kann."
Des alten Wurm Finger zitterten
vor Aufregung, als er nach dem glän-
Sohn vorlegte.
Etwas Anspruchsloseres als Armi
nius Wurm ist nicht leicht zu denken:
Schneider" und er hatte kein Ver
langen nach Theater oder Konzert.
Nur Eines zog ihn mächtig an, und
nen und die Sternkunde im Besonde
ren. Nichts fesselte ihn in den Zei
tungen mehr als jene Artikel, die ir-
oder doch Milliarden von Meilen ge
rechnet wurde. Hatte er derlei gelesen,
so schlich er sich, wenn eben ein Heller
er für ein höchst vollkommenes In
strument hielt, die fernen, räthselhaf
ten Welten am Sternenhimmel zu be-
Nachbar, dem Mann im Monde zu ko
quettiren. Das waren die seligsten
Stunden des Grocers. Seim Phan-
Leben der Stcrnenbewohner hineinzu
denken, oder sich selber im Geiste in
irgendein stilles Mondthal zu ver
setzen, das weder von bösen Schwie
erfiillte, als ihm sein Sohn das schöne
Instrument vorlegte, das den Tubus
um elf Dollars ungefähr so weit über
so arg," beruhigte Julius. „Und wenn
Dich das Rohr freut, so ist der Preis,
um den ich es erstand, reichlich ausge-
heute Abend will ich die Venus
damit betrachten. Denn, weißt Du",
das sagte er in einem ungemein
wichtigen Ton „die Venus ist jetzt
eben in der Erdnähe.... kaum 60 Mil
lionen Meilen von uns entfernt, wes
halb sie denn auch so wunderbar
glänzt!"
»Ja, Papa, beobacht« die Venus,
wenn es Dir Vergnügen macht, das
Rohr will ich Dir schon einrichten."
„Und ich will Dir jetzt meinen Tu
bus zeigen, den ich bisher für ein aus
gezeichnetes Instrument gehalten habe,
ich Narr, der aber in Wirklichkeit das
reine Kuhhornist gegen dieses.... die-
Fernrohr?"
„Spiegelteleskop."
„Ich, der Besitzer eines Spiegelte
leskops!" und der Alte rannte da
von, um seinen Tubus herbeizuholen.
in Deutschland gebaut worden war,
und den, wer weiß welch verschlunge
nen Schicksalswege in das modernste
Land der Erde verschlagen hatten, war
ein großmächtiges Ding von altväter
licher Form und nicht viel handlicher
als eine Schotterwalze. Es ließ sich
weit auseinanderziehen, und da das
Objektiv im Laufe der Jahre stark ge
litten hatte, sah man die Gegenstände
alle von einem Regenbogen umrahmt.
Als der alte Wurm seinem Sohne
das Instrument in die Hand legte, zog
es dieser vorsichtig, damit es nicht un
versehens zu Schaden komme, ausein
ander und richtete es gegen das gegen
überliegende Haus, das ist als« gegen
Mr. Hopsers Residenz. Dann lehnte er
das Rohr gegen die Thürfüllung und
sah nach einem der Fenster der feindli
chen Burg, dessen Vorhänge vorgezo
gen waren.
Wie doch der Zufall oft auf merk
würdige Art seine Finger in das
menschliche Getriebe steckt. Hätte Dr.
Julius Wurm in dieser ewig denkwür
digen Stunde den alten Tubus seines
Vaters an Hopsers Haus vorüber auf
irgend ein anderes daneben oder da
hinter liegendes Objekt gerichtet, so
wäre bei dieser Sache sicherlich nichts
besonders Merkwürdiges herausge
kommen. Der junge Gelehrte hätte
wahrscheinlich einfach festgestellt, daß
der Tubus seine Dienste längst gelei
stet habe und heute für die Wissenschaft
der Astronomie von nicht höherer Be
deutung sei, als etwa ein armer alter
Invalide für eine große Entschei
dungsschlacht. So aber wollte es der
Schelm Zufall, daß Dr. Wurm das
Rohr gerade nach Hopsers Haus rich
tete, und zwar nach jenem Fenster des
ersten Stockwerkes, hinter welchem He
lene Hopsers Stube lag. Da, wie be
reits erwähnt, die Vorhänge des Fen
sters zugezogen waren, hätte man mit
freiem Äuge nichts von dem gesehen,
was in dem dahinterliegenden Raume
vor sich ging? allein der Tubus, wie
altersschwach seine Gläser auch waren,
durchdrang das dünne, weitmaschige
Gewebe doch , und da erschien nun vor
dem überraschten Auge des Doktors
ein wundersames Bild: ein junges,
bildschönesMädchen mit großen blauen
Augen, das vermuthlich vor einem
Spiegel stehend diesen selbst konnte
der Doktor nicht sehen sich das Haar
bürstete. Und was für ein herrliches
Haar war das! Nicht von der Art,
wie es die meisten jungen Ladies hier
zulande zu tragen Pflegen, welche be
kanntlich den schönsten Schmuck des
WeibeS von einer grausamen Scheere
übel zustutzen und sonach brennen las
sen, so daß ihr jugendliches Haupt
nicht selten eine fatale Aehnlichkeit mit
dem eines Pudels erhält. Das asch
blonde Haar, dessen Anblick der Tubus
dem Doktor vermittelte, und das da
rum wie von einem regenbogenfarbigen
Heiligenschein umgeben aussah, war
dagegen von erstaunlicher Länge und
von einer reichen Fülle, die ihres Glei
chen suchte. Es erinnerte an das gol
dene Haar der Loreley, wenn auch seine
Besitzerin sonst nichts Gemeinsames
hatte mit der sphynxenhasten, und nn
Grunde sehr unheimlichen Rheinjuirg
frau.
Während Julius so durch den Tu
bus starrte und sich nicht trennen tonn
te von dem herrlichen Bilde, besichtigte
und betastete der alte Wurm sein neues
Eigenthum, das Spiegelteleskop. Als
Schluß einer längeren Gedankenlese,
die der Menschheit ewig ein Geheimniß
bleiben wird, weil Wurm sie selbst nicht
laut werden ließ, sagte er:
„Jammerschade, daß ich damit den
nächsten Venus-Durchgang nicht beob
achten kann aber der gell erst im
Jahre 2004 vor sich! —Ja, die Venus,
die VenuS!"
Während der Alte so sein Schicksal
beklagte, das ihn um ein volles Jahr
hundert zu früh hatte auf die Welt
kommen lassen, verschwand plötzlich
das reizende Bild aus dem Tubus. He
lene hatte das Haar aufgesteckt und
war in das Innere des Zimmers zu-
Der Doktor schob nachdenklich das
Rohr zusammen und sagte zerstreut:
„Was sprichst Du von Frau Venus?
Ich denke eher an die Loreley."
„Die Loreley?" fragte Vater Wurm
im Eifer des Forschers, „was fällt Dir
ein. Julius! Das ist ein ganz kleines
Sternchen und mit freiem Auge nicht
besser zu sehen, wie von hieraus ein
Grieskörnchen, das am Auditorium
thurm liegt. Ich glaube, die Loreley
wurde überhaupt erst im Jahre 1876
entdeckt."
„Es mag sein. Papa," sagte der
junge Arzt sich besinnend. ..Sag' ein
mal, hat Nachbar Hopser Kinder?"
Der alte Wurm sah bei dieser gänz
lich unerwarteten Frage erstaunt auf.
„Kinder?" fragte er. .Ja, eine
Tochter hat er. Du mußt Dich doch
des Kindes Helene heißt das Mcidl
noch erinnern: ein hübsches, blond
haariges Ding, freundlich und gut
artig, daß mansch nur wundern kann,
hier vorüberiomint," plauderte Wurm
fort; „man muß der Kleinen gut sein,
wie wenig man auch ihrem Vater zu
gethan sein kann."
(Fortsetzung folgt.)
Zltroit KUHje.
PSkelb raten. Ein gepökelter
Schweinebraten bereiten kann. Man
wäscht das gepökelte Fleisch gut ab,
schneidet die Schwarte mit der Spitze
Wasser, aber ohne Salz, nach Belieben
einige kleine Zwiebeln und etwas
Brotrinde, zum sämig machen der
Sauce, und laßt das Fleisch unter
fleißigem Begießen 2j bis 3 Stunden
braten, indem man bisweilen nach dem
halb weich gelochte Sellerieknolle,
schneidet sie in nudelartig feine Strei
fen, würzt sie mit Pfeffer und Salz,
vermischt sie mit ganz wenig Essig
dünstet sie etwa drei bis vier Minuten
lang mit einem halben Weinglas Ma
deira in einer verdeckten Kasserolle,
läßt sie auskühlen und schneidet sie
ebenso fein wie die Sellerie. Hierauf
mit einem Löffel feinem Senf, vier bis
fünf Löffeln Provenceröl und einem
reichlichen Löffel Weinessig, sowie et
was Salz und weißem Pfeffer. Dann
rührt man die Sellerie- und Trüffel-
Schetbchen mit dieser Salat - Sauc»
an, mischt eine Priese feingehackten
Estragon und Schnittlauch hinzu und
fervirt den Salat.
Gratin von Kartoffeln.
Man schneidet abgeschälte Kartoffeln
in dünne Scheiben, streicht eine Back
schüssel gut mit Butter aus, legt ein«
Lage Kartoffeln hinein und bestreicht
diese mit abgelochtem, gehacktem Pö
kelfleisch, mit ebenfalls gehackten Hä»
ringen, welche jedoch vorher gewässert
werden müssen, und legt dann Vutter
ftückchen darüber hin. Nun kommt
wieder eine Schicht Kartoffeln und sq
fort, bis die Form voll ist. Nun gießt
man so viel kräftige, schwach gesalzen«
Fleischbrühe darüber, so daß sie dem
Uebrigen gleich steht, stellt das nun in
dm Backofen und läßt es bei mäßigem
Feuer gar kochen. Obenauf müssen
Kartoffeln liegen, die man mit Buttel
belegt und die zuletzt ein schönes Gold
braun angenommen haben müssen.
Gefüllte Zwiebeln. Di«
spanischen Zwiebeln sind hierzu am
besten, doch kann man auch kleine ver
wenden, dann müssen es aber weiß«
sein. Das Innere wird entfernt unts
folgende Farce eingefüllt: Gehacktes
kalter Braten, Speck, Sardellen, Zwit>
beln, geschmolzene Butter, etwas ein»
geweichtes Weißbrot und 1 bis 2 Eitlj
Das Alles gut durcheinander gerührl
und eingefüllt. Nun bindet man den
(vor dem Aushöhlen abgeschnittenen)
Deckel wieder fest auf, schwitzt in eine,
Kasserolle etwas Mehl in Butter, füllt
Fleischbrühe und etwas Wein hinein,
gibt Kapern und eine Citronenscheib«
hinzu und läßt hierin die Zwiebeln ga>
schmoren, währenddem man öfters von
Hamburger Apfelkirch»
lein. Man rühre ein halbes Pfund
ungesalzener Butter zu Schaum, dann
nach und nach 4 Eker, 3 Eßlöffel ge
stoßenen Zucker, ein halbesPint Milch,
worin 300 Gran Hefe aufgelöst wer»
den, daran und hierauf so viel feine?
Weizenmehl, bis der Teig breit und
ganz langsam von dem gehobenen
Rührlöffel herabfällt. Man läßt ihn
nun gehen, wonach man noch ? Unzen
Korinthen und S Pfund geschälte, fein
würflig geschnittene, weinsäuerlich«
Aepsel hinzufügt. Jetzt läßt man in
jeder Vertiefimg einer Spiegeleier
pfanneSchmelzbutter heiß werden, gibt
einen Löffel voll von dem Teig hinein
und backt ihn, die Küchlein einmal
umwendend, auf beiden Seiten braun.
Kräuterbutter. Ntan nimmt
einen Eßlöffel feingehackte Petersilie,
Schalotten und Kerbel, mischt es mi!
5 Unzen frischer aufgeklärter und
weichgeriebener Butter, gibt den Saft
einer Citrone, etwas Salz, Pfeffe»
und Muskatnuß dazu. Hauptsächlich
zu Beefsteaks.
Berufswahl „Wer ist
denn der Herr, den ich immer als letz
ten Zuschauer aus dem Theater kom
men sehe.?" „DaS. ist der Musikkri»
tiker Lückerl, den mich man immer we?
cken. wenn daS Stück aus ist!"
Er weiß Abhilfe. Ch»fl
„Sie eignen sich ganz vortrefflich fiii
die Stellung, aber ich würde einen »er»
heiratheten Mairn vorziehen." Stel
kungssuchender: „Vielleicht können wii
das arrangirerr. Ich höre, Sir: haben
Töchter."
Uebortriebene HZflich
keit. Richter: „Angeklagter, Si«
sind freigesprochen, Sie könniz, gehenl'
Angeklagter:, Habe die Eh« mich zir
empfehlen entschuldige-? Sie, daß
ich Sie umsonst bemüht Hobe."
Beleidigt. Magd (beiii
Fleischer): ..Die Frau schickt da»
Fleisch zurück; sie hat't nachgewogen,
es fehlen 6 Unzen." Schlächter: „Gut
lassen Sie das Fleisch da. aber sage«
Si» Ihrer Frau, sie soll es künftighin
wo anders kaufen. Mit solchen miß»
trauischen Leuten, die mir mei«
Waare nachwiegen, mag ich nichts j»
thun haben." 3