M Wer»-Mme. <2. Fortsetzung.) „Das ist etwas Anderes," rief er. „ich habe meine Börse allerdings ver gessen, aber es macht nicht viel aus, es ist sogar ein höchst bedeutungsloser Umstand. Denn hätte ich sie auch bei mir, es wäre mir doch nicht geholfen; eS ist nämlich nichts in dem alten Ding, was mit Geld irgendwie Aehnlichkeit hätte!" „Wenn das so ist," meinte Hopser ernsthaft, „so will ich noch zwei Dol lars bei >hnen anlegen, Lipps mehr kann ich wahrhaftig nicht entbehren." „Oh, bitte, genirt Euch meinethalben nur ja nicht," beruhigte Lipps, schon die Hand ausstreckend, in welche Hop ser zwei Lilberstücke gleiten ließ. Eben setzte der Wirth die Getränke auf den Tisch und Lipps faßte sofort nach seinem Glas. Zugleich hielt er am Rock den Wirth sest, der sich wieder hinter die Bar zurückziehen wollte. „Halt, Mann!" rief er dabei, „weile, weilc, denn Du bist so schön, wie der Dichter zum Augenblick sagt. Wer heißt Euch davonlaufen? Prosit. Freund Lackpatzer, Gott erhalte Euch!" Damit leerte ?i-ps in einem Zug sei» Glas und gab cs dem Wirth zurück: „Noch ein solches Fingerhütchen voll, würdiger Bacchus-Knecht, wenn's ge fällig ist. Und dann schleppt etwas Lunch herbei: mein Magen fällt in sich zusammen, wie ein Handschuh, in dem just keine Hand steckt." Hopser hatte dank seiner phänome nalen Neugierde Eile, auf den Gegen stand zu kommen, der ihn hierher ge führt hatte. Er warf daher hin „Sagen Sie 'mal, Lipps, was soll denn die Tafel, die Wurms heute an das Haus nagelten?" „An welches Haus, Freund Pain ter?" „Donnerwetter an welches Haus! An Wurms Haus natürlich; der Käse händler wird doch wohl nicht an ande rer Leute Häuser Tafeln schlagen las sen!" „Eine Tafel, Hopserchen?" „Nennen Sie es meinethalben ein Schild, oder wie immer kurz ein Dina, auf dem etwas geschrieben steht." „So, so, dergleichen hat man bei uns angeschlagen? Ich weiß nichts da von, so wahr ich durstig bin wie ein Kameel in der Wüste." Hopser ärgerte sich beträchtlich. „Na. hören Sie, Lipps," sagte er in seiner borstigsten Manier. „Ihnen soll in Zukunft auch der Böse das Licht halten. Hämmern die Leute an der Mauer, daß man meint, die ganze ge brechliche Bude stürze in sich zusammen, und Sie sehen, hören und fühlen nicht das Geringste davon!" „Nicht die Probe," bestätigte Lipps gemüthlich, sich zugleich über den Lunch hermachend, den iym der Wirth vorge setzt hatte; „nicht das Geringste, das will ich beschwören. Zu meiner Ent schuldigung möge dienen, daß ich bis vor etwa einer halben Stunde in mei nem Bette lag und den Schlaf Derer schlief, welche durch ihren gerechte», untadelhaften Lebenswandel...." „Hören Sie mir damit auf, Lipps," unterbrach der Painter grob, „Ihre Flausen können mir gestohlen werden." „Oho, Painter, meiner Seele, Euer Zorn imponirt mir nicht; das muß ich sagen! Aber halt! Da fällt mir ein, was etwa auf dem Ding, das Ihr als Tafel bezeichnet, geschrieben stehen könnte." „Und was?" fragte Hopser aufhor chend. wohl auf dem Schild so etwas zu le sen sein wie: „Dr. Julius Wurm, Arzt" oder „Dr. Julius Wurm, deutscher Arzt, Geburtshelfer und Operateur" schling der Mund offen stehen. „Julius der junge Mann —?" fragte er. „denn es aibt bekanntlich junae, jüngere und alleriünaste Würmer. Wurm, der Jiinaere, also ist auf dem Wege hier her und gedenkt auf väterlichem Grund und Boden seine Helte aufzuschlagen: Darum vermuthlich das Schild." Hopser lachte zornig auf und schlug mit der geballten Faust auf den Tisch. „Balthasar Etsch!" sagte Lipps in strafendem Ton, in dem er von seinem Lunchteller aufsah, „ich möchte ganz er gebenst um etwas Mäßigung gebeten ehe er noch da ist? Habt Ihr Weiler als Wasser sausen." „Brrr!" machte Lipps, dem das schauderhaft erschien. sündhafte, echt Wurm'fche Eselei, sich „Und wer wäre denn ich?" erkundig te sich Lipps, auf seinen Fuß weisend, „meint Ihr, meinem Zipperlein thäte nicht ein tüchtiger Arzt noth?" „Nein, Lipps, Sie brauchen >vahr hastig keinen Arzt! Essen Sie anstatt schwerer Fleischspeisen leichte Gemüse und trinken Sie anstatt Rheinwein srisches Wasser, und Sie werden, ge sund wie ein Fisch, in Ihr achtzigstes Lebensjahr hinüberwalzen." „Oh, Painterchen!" seufze Lipps, die Hände über dem Baucht faltend, da er mit seinem Lunch zu Ende war, und die verquollenen Aeuglein gegen Him mel wendend, „wie dumm redet Ihr doch daher! Ich und Gemüse! ich uno Wasser! Das paßte ungefähr zusam men wie Kinderspielzeug und Gatling muß, daß man es sich aber auch in die Kehle schütten soll nee, das halte ich entschieden für überflüssig." „Dann lassen Sie sich das Krank sein gut schmecken und nehmen Sie sich „Danke!" sagte Lipps. Es öffnete sich die Eingangsthüre und blaue, fröhlich und lsorglos in die Welt lachende Augen. Dieser junge Mann nannte sich Victor von Stichow und wohnte seit etwa zehn Monaten so lange er in Chica go weilte in der Nachbarschaft, welcher Umstand ihm den Vorzug der Bekanntschaft mit Lipps, mit Hopser und selbst mit Wurm verschafft hatte. Er wollte für einen Literaten gelten, zu lernen, und man erwies ihm die Gefälligkeit, ihn dafür zu nehmen. Eine Thatsache, welche ein Mann wie Lipps besonders hoch zu schätzen wußte, war, daß Stichow, dank höchst ausrei chend bemessener Wechsel aus der Hei math, stets bei Kasse und überdies nichts weniger als ein Knauser war. „Da sitzt das Beefsteak!" rief der Eintretende statt jeden Grußes, als er Lipps' ansichtig wurde. „Da sitzt oder !iegt vielmehr der Fettklum ven! Bei meinen Ahnen, Lipps, ich ha be gute Lust, Dich aus Deinem Fell herauszuprügeln." „Oh Knabe," ächzte Lipps, als hätte er Höllenschmerzen auszustehen, „siehst Du nicht, daß das leidige Zipperlein mein Gebein durchwühlt? Hast Du kein Wort des Mitleides für einen Greis, der sich kaum noch zu helfen weiß!" „Du ein Greis? In allen recht schaffenen Dingen ja; ein so hilflo ser Meergreis, wie es nur je einen ge chen aber, und vor Allem bei der Fla sche, jung, frisch und kräftig wie ein Raubritter ohne Furcht und Tadel." „Daß in mir Manches ist, das an einen Ritter ohne Furcht und Tadel mahnt, darüber kann kein Zweifel herr schen," gab Lipps, sich etwas aufrich tend, zurück, „ich glaube auch nicht, daß es mir zur Unehre gereichen kann, daß diese Erinnerung gerade aus Deinem Munde kommt. UebrigenS ist es, mei ner Treu, das erste Mal seit Langem, daß ich Dich die Wahrheit reden höre." „Schweig still, heilloser Fettwulst, oder ich vergesse mich und walke Dich, wie Du es verdienst," rief Stichow er bost. „Du machst mich um Dein zeitliches, wie um Dein ewiges Heil bangen, ruch loser Knabe. Ist das der Respekt, den Du dem ehrwürdigen Alter schuldest?" Stichow ließ das unbeachtet und wendete sich, während er an dem Tische Platz nahm, an Hopser mit den Wor ten: „Sie trinken ja wohl ein GlaS mit mir, Mr. Hopser? He, Reichmann: zwei Glas Bier. Für Dich, schnöder Wanst, besorge ich später ein Brause pulver, was allein Dir zuträglich ist.... WaS meinen Sie wohl, Mr. Hopser: Verpflichtet sich dieser Weinschlauch Stadt zu fahren. Jetzt um Viertel zu Hause vergeblich warten." „Viktor! Viktor! Du verfällst wieder in Dein altes Laster, das üble Lügen. Das willst Du doch hoffentlich nicht beschwören, daß Du zwei Stunden ren, Meergreis? Denkst Du, ich sei, wie Du, nur im Bett zu finden, wenn ich nicht eben im Wirthshaus sitze?" „Wie er mich verleumdet! Sie be „Mit welchem Dr. Wurm?" fragte „Mit Dr. Julius Wurm, dem Nach gnädig!" „Wie, Julius Wurm, der in Boston war? Und das ist ein Sohn von un serem Wurm da in derNachbarschast?" „Ja, ja, Viktor, es ist wie Du sagst," rief Lipps da er bemerk lichen Gründen von Wichtigkeit. „Julius Wurm in Chicago! Das ist eine gute Nachricht, und ich bin ge- Glos füllen zu lassen, Dicker. Ju lius Wurm ist mir ein lieber Freund, «nd ich darf wohl sagen, er ist einer der nettesten, anständigsten Kerle, die in diesem Lande überhaupt zu finden sind," rief Stichow mit großer Leb haftigkeit. Hopser schnitt eine Grimasse, als hätte er auf einen schmerzhaften Zahn gebissen. t>,v!" sagte er, sich zum Ge hen wendend. „Leben Sie wobl, Mr. Hopser," antwortete Stichow, dem Painter die Hand reichend, welche dieser aber über sah, da er sich schon der Thüre zuge wandt hatte. „Ich sage nichts als: Gott erhalte Euer Liebden den Thiirstöcken und Fensterrahmen in der engeren und weiteren Nachbarschaft," rief Lipps hinter dem Abgehenden her. Kaum aber hatte sich die Thüre hinter Hopser geschlossen da lachte Lipps laut auf und sagte zu Stichow: „Na, da hast Du was Schönes an gerichtet, Viktor, das vergißt er Dir im Leben nicht." „Wer vergißt was nicht? Drücke Dich gefälligst deutlicher aus, wenn man Dich verstehen soll." „Weißt Du denn nicht," lachte Lipps, „daß Hopser sich ebenso gerne eine Klapperschlange in die Rocktasche stecken läßt, als daß er irgendeinen aus der Ordnung der Würmer loben hört?" "VVvII," sagte Stichow, „da kann ich ihm wahrhastig nicht helfen: was wahr ist, bleibt wahr. Julius Wurm ist einer der verständigsten, ernstesten und sympathischesten Männer, die ich je hier zu Lande kennen gelernt habe. Als Arzt ragt er geradezu thurmhoch über die Mehrzahl seiner Kollegen hinaus. Lipps, ich wünschte Dir, der Mann näbme Deinen Leichnam in Behandlung. Wenn sonst Keiner: Der macht daraus wieder ein ordent liches Stück Fleisch, so weit das über- Haupt noch möglich ist." jetzt wirklich geärgert, „wenn das al berne Geschwätz und die öden Witze von Dir und Deinesgleichen nicht wä ren, ich fühlte mich wohl wie ein Fisch in frischem Wasser." 111. EinßlickindenHimmel. Wenige Tage später hielt Dr. Ju lius Wurm seinen Einzug in das vä terliche Haus an Western-Avenue. Man hatte ihm daselbst drei leer stehende Zimmer, anstoßend an die Wohnung der Frau Heinzelmann zu gewiesen, und Julius hatte unmittel bar nach seiner Ankunft damit begon nen, sich in diesen Räumen einfach und geschmackvoll einzurichten. Während der junge Arzt Abends seine Bücher in den Bücherschrank ein reihte, ging Vater Wurm diesmal das .Haupt äußerst frei und hoch aus der Halsbinde gehoben im Zimmer auf und nieder, und ließ sich von d's Sohnes Studien, seinen Erfolgen und seinen Hoffnungen für die Zukunft er zählen. Der alte Wurm war, da er den Sohn so fest und männlich-ernst vor sich sah, ganz glücklich, ja stolz, als hätte er all' das, was sein Sohn die Jahre her hatte lernen und geistig be wältigen müssen, selber im Kopfe. ihn für manche Bitterniß, die er in all' den Jahren von Julius Abwesenheit hatte hinunterwürgen müssen. „So! und da hast Du nun alles gehört, was mich angeht, Papa," schloß Julius seinen ausführlichen Be richt, indem er sich von dem Stuhle, aus welchem er vor dem Bücherkasten gesessen hatte, erhob. „Und wie ist's Dir die ganze Zeit über gegangen? Gesund bist Du, gottlob, wie ich sehe. Was macht das Geschäft?" „Es macht sich, Julius, es macht sich. Wenn es ein Bischen besser ginge, schadete es freilich auch nichts. Aber die Zeiten sind nicht gut und man muß „So ist es, Papa. Und sonst bist Des alten Wurm Kinn tauchte auf diese Frage etwas Weniges in di: Halsbinde nieder, kain aber doch bald wieder zum Vorschein. „An kleinen AergerlichMen fehlt es nun nicht," gestand er zu, „das „Ein Nachbar? Wer ist es?" ser als seine beiden Hunde, die doch so bissig und boshaft sind, wie man sich einen Hund nur immer vorstellen kann." Nachbar nicht gefällt." Er hat kein Ge müth, der Hopser. Ich bin doch wahr haftig ein friedfertiger Mensch aber mit dem da drüben könnte ich mich an einander gerathen und das ist schließlich die Hauptsache." Die ersten Tage seines Aufenthal lius, um sich in der Nachbarschaft um zusehen, alte Bekanntschaften erneu- ren. Dort traf nian gleich beim er sten Besuche aus Viktor von Stichow, der sich nicht wenig freute, den Dr. kehrt hatte, wieder zu sehen, wie denn auch Wurms ernste Züge sich freund lich erhellten, als er des lustigen Kum pans ansichtig wurde. An dieses Wiederfehen knüpfte sich eine fast einstündige Sitzung bei Reich manns Wein, während welcher Lipps fast beständig das große Wort führte. Unter Anderem sprach er auch von „Dies ist, wie Sie wissen" der nord westlichste Thell dieser mehr großen als großartigen Stadt," sagte er. „Vor ein paar Jahren noch gab es in dieser Gegend nichts weiter als verstaubtes Prairiegras, Lehmboden, so zäh wie Schuhleder, und unübersehbare Pfü tzen, wenn es just geregnet hatte. Daß das Viertel seither um Vieles reiner Einwohner bekommen, als es fassen konnte. Am Auffallendsten ist der Zuwachs an Kindern. Aehnliches existirt nicht im Umkreis eines gutge messenen Tagmarsches, dafür garan tire ich. Ein geschickter Geburtshelfer, so sollte man darnach glauben, hätte segensreiche Thätigkeit. Aber, Prosit! Wehmuttcr!" „Ich bitte Dich, Max, verschone uns brach Stichow den Redefluß des Al ten, „wann wird wirbelig davon." „Du brauchst nichi zuzuhören, Vik- Und da Dr. Wurm dem Schwätzer aus Gründen der Höflichkeit beipflich tete, fuhr Lipps im Texte fort: „Das ist also die Ursache, warum auf diesem Gebiete nichts zu machen ist. Was nun die Erwachsenen hier herum anbelangt, so brauchen die so dianer einen braucht. Es sind fast durchwegs Deutsche von unverwüstlich stem Schlag. So etwas wird niemals ernstlich lrank. Wundbehandlun gen kommen fast noch weniger vor wie wenn auch einmal Einem da herum ein tüchtigen Ziegelstein, oder eine kegel kugelgroße Männerfaust auf den Kopf der Betroffene macht davon kein gro ßes Aufhebens. Die Schädel hier sind durchwegs aus unzerbrechlichem Ma terials gefertigt, wofür der minde stens halbzöllige Hirnkasten unseres gemeinschaftlichen Freundes Hopser als glänzendes Beispiel dienen kann. Bleiben also die Krankheiten der Kinder Masern, Scharlach u. s. w., und dergleichen ist hier wirtlich nicht gleich Ihr ergebenster Diener ist, dann schnüren Sie rasch Ihr Bündel und flüchten in eine Gegend, wo es min destens hysterische Weiber gibt und Männer, die man dafür nehmen kann." Lipps faßte nach dieser langen Rede strengungen entschädigte. Diese Gelegenheit beniitzle Stichow, um zu sagen: „Der Herr sei gepriesen die Plappermühle schweigt! Trösten Sie sich, Dr. Wurm: ein tüchtiger Mann findet überall einen Platz, um ihn waS Lipps sagt, niemals mehr als der zehnte Theil wahr. Sie können über zeugt sein, daß Sie schon alle Hände allein Lipps völlig zum Schwamm ge wordenes sterbliches Theil ein wenig zurechtflicken." Der Doktor liichelk. „Es liegt gar nicht in meiner Ab dium. Dazu ist hier schöne Gelegen heit und diese will und werde ich be nützen. Finde ich nebenbei noch Lei dende, denen ich nützlich sein kann umso besser. In erster Reihe aber st«ht mir, wie gesagt, Vervollkommnung in meiner Wissenschaft." Erst mehrere Tage nach dem Ein züge des Doktors in das väterliche Haus langten die letzten Stücke seines Gepäckes an, darunter eine Kiste mit ärztlichen Instrumenten und Appa raten für die ärztlichen Hilfswissen schaften, als da sind: Luftpumpen, Präzisionswaagen, Mikroskope und Bestimmungen Vater Wurm interessirte sich für diese ihm meist ganz unverständlichen Werkzeuge au zelne mit dem zurückhaltenden Ernste eines Kenners und der Genauigkeit ei nes Schätzmeisiers. Der Sohn gab in gedrängter Form die nöthigen Auf klärungen, denen der Vater wie einer Offenbarung lauschte. Endlich richtete der Doktor ein Mikroskop auf einen Tropfen Wasser ein, den er aus einem, sehen. Der Alte wußte sich vor Erstau mus. Glücklicher Weise sind diese „Ich danke für Obst!" rief der Gro „Da vergeht Einem wahrhaftig die Lust, Wasser zu trinken und man muß dem dicken Lipps im Hinterhaus Recht geben." „Sag' einmal, Papa," erkundigte sich der Dokdor, während er das Mi kroskop reinigte und zur Seite stellte, „interessirst Du Dich noch immer für Astronomie?" Wahrheit gemäß, der alte Wurm. „Vor Jahr und Tag habe ich sogar sekondhändig einen kleinen Tubus ge kauft, der mir wahrhaftig an die elf Dollars gekostet hat. Am Ende hat ja Jeder sein Steckenpferd!" setzte er wie entschuldigend hinzu. „Ich habe mich des Deinen noch rechtzeitig erinnert," lächelte Julius, „und Dir das hier mitgebracht." Da bei hob er vom Boden der Jnstrumen- Lederkassette, die eröffnete. „Es ist ein Gelegenheitskauf, den ich mir nicht entgehen lassen wollte: ein Spiegel fernrohr, mit dem man schon ganz hübsche Beobachtungen anstellen kann." Des alten Wurm Finger zitterten vor Aufregung, als er nach dem glän- Sohn vorlegte. Etwas Anspruchsloseres als Armi nius Wurm ist nicht leicht zu denken: Schneider" und er hatte kein Ver langen nach Theater oder Konzert. Nur Eines zog ihn mächtig an, und nen und die Sternkunde im Besonde ren. Nichts fesselte ihn in den Zei tungen mehr als jene Artikel, die ir- oder doch Milliarden von Meilen ge rechnet wurde. Hatte er derlei gelesen, so schlich er sich, wenn eben ein Heller er für ein höchst vollkommenes In strument hielt, die fernen, räthselhaf ten Welten am Sternenhimmel zu be- Nachbar, dem Mann im Monde zu ko quettiren. Das waren die seligsten Stunden des Grocers. Seim Phan- Leben der Stcrnenbewohner hineinzu denken, oder sich selber im Geiste in irgendein stilles Mondthal zu ver setzen, das weder von bösen Schwie erfiillte, als ihm sein Sohn das schöne Instrument vorlegte, das den Tubus um elf Dollars ungefähr so weit über so arg," beruhigte Julius. „Und wenn Dich das Rohr freut, so ist der Preis, um den ich es erstand, reichlich ausge- heute Abend will ich die Venus damit betrachten. Denn, weißt Du", das sagte er in einem ungemein wichtigen Ton „die Venus ist jetzt eben in der Erdnähe.... kaum 60 Mil lionen Meilen von uns entfernt, wes halb sie denn auch so wunderbar glänzt!" »Ja, Papa, beobacht« die Venus, wenn es Dir Vergnügen macht, das Rohr will ich Dir schon einrichten." „Und ich will Dir jetzt meinen Tu bus zeigen, den ich bisher für ein aus gezeichnetes Instrument gehalten habe, ich Narr, der aber in Wirklichkeit das reine Kuhhornist gegen dieses.... die- Fernrohr?" „Spiegelteleskop." „Ich, der Besitzer eines Spiegelte leskops!" und der Alte rannte da von, um seinen Tubus herbeizuholen. in Deutschland gebaut worden war, und den, wer weiß welch verschlunge nen Schicksalswege in das modernste Land der Erde verschlagen hatten, war ein großmächtiges Ding von altväter licher Form und nicht viel handlicher als eine Schotterwalze. Es ließ sich weit auseinanderziehen, und da das Objektiv im Laufe der Jahre stark ge litten hatte, sah man die Gegenstände alle von einem Regenbogen umrahmt. Als der alte Wurm seinem Sohne das Instrument in die Hand legte, zog es dieser vorsichtig, damit es nicht un versehens zu Schaden komme, ausein ander und richtete es gegen das gegen überliegende Haus, das ist als« gegen Mr. Hopsers Residenz. Dann lehnte er das Rohr gegen die Thürfüllung und sah nach einem der Fenster der feindli chen Burg, dessen Vorhänge vorgezo gen waren. Wie doch der Zufall oft auf merk würdige Art seine Finger in das menschliche Getriebe steckt. Hätte Dr. Julius Wurm in dieser ewig denkwür digen Stunde den alten Tubus seines Vaters an Hopsers Haus vorüber auf irgend ein anderes daneben oder da hinter liegendes Objekt gerichtet, so wäre bei dieser Sache sicherlich nichts besonders Merkwürdiges herausge kommen. Der junge Gelehrte hätte wahrscheinlich einfach festgestellt, daß der Tubus seine Dienste längst gelei stet habe und heute für die Wissenschaft der Astronomie von nicht höherer Be deutung sei, als etwa ein armer alter Invalide für eine große Entschei dungsschlacht. So aber wollte es der Schelm Zufall, daß Dr. Wurm das Rohr gerade nach Hopsers Haus rich tete, und zwar nach jenem Fenster des ersten Stockwerkes, hinter welchem He lene Hopsers Stube lag. Da, wie be reits erwähnt, die Vorhänge des Fen sters zugezogen waren, hätte man mit freiem Äuge nichts von dem gesehen, was in dem dahinterliegenden Raume vor sich ging? allein der Tubus, wie altersschwach seine Gläser auch waren, durchdrang das dünne, weitmaschige Gewebe doch , und da erschien nun vor dem überraschten Auge des Doktors ein wundersames Bild: ein junges, bildschönesMädchen mit großen blauen Augen, das vermuthlich vor einem Spiegel stehend diesen selbst konnte der Doktor nicht sehen sich das Haar bürstete. Und was für ein herrliches Haar war das! Nicht von der Art, wie es die meisten jungen Ladies hier zulande zu tragen Pflegen, welche be kanntlich den schönsten Schmuck des WeibeS von einer grausamen Scheere übel zustutzen und sonach brennen las sen, so daß ihr jugendliches Haupt nicht selten eine fatale Aehnlichkeit mit dem eines Pudels erhält. Das asch blonde Haar, dessen Anblick der Tubus dem Doktor vermittelte, und das da rum wie von einem regenbogenfarbigen Heiligenschein umgeben aussah, war dagegen von erstaunlicher Länge und von einer reichen Fülle, die ihres Glei chen suchte. Es erinnerte an das gol dene Haar der Loreley, wenn auch seine Besitzerin sonst nichts Gemeinsames hatte mit der sphynxenhasten, und nn Grunde sehr unheimlichen Rheinjuirg frau. Während Julius so durch den Tu bus starrte und sich nicht trennen tonn te von dem herrlichen Bilde, besichtigte und betastete der alte Wurm sein neues Eigenthum, das Spiegelteleskop. Als Schluß einer längeren Gedankenlese, die der Menschheit ewig ein Geheimniß bleiben wird, weil Wurm sie selbst nicht laut werden ließ, sagte er: „Jammerschade, daß ich damit den nächsten Venus-Durchgang nicht beob achten kann aber der gell erst im Jahre 2004 vor sich! —Ja, die Venus, die VenuS!" Während der Alte so sein Schicksal beklagte, das ihn um ein volles Jahr hundert zu früh hatte auf die Welt kommen lassen, verschwand plötzlich das reizende Bild aus dem Tubus. He lene hatte das Haar aufgesteckt und war in das Innere des Zimmers zu- Der Doktor schob nachdenklich das Rohr zusammen und sagte zerstreut: „Was sprichst Du von Frau Venus? Ich denke eher an die Loreley." „Die Loreley?" fragte Vater Wurm im Eifer des Forschers, „was fällt Dir ein. Julius! Das ist ein ganz kleines Sternchen und mit freiem Auge nicht besser zu sehen, wie von hieraus ein Grieskörnchen, das am Auditorium thurm liegt. Ich glaube, die Loreley wurde überhaupt erst im Jahre 1876 entdeckt." „Es mag sein. Papa," sagte der junge Arzt sich besinnend. ..Sag' ein mal, hat Nachbar Hopser Kinder?" Der alte Wurm sah bei dieser gänz lich unerwarteten Frage erstaunt auf. „Kinder?" fragte er. .Ja, eine Tochter hat er. Du mußt Dich doch des Kindes Helene heißt das Mcidl noch erinnern: ein hübsches, blond haariges Ding, freundlich und gut artig, daß mansch nur wundern kann, hier vorüberiomint," plauderte Wurm fort; „man muß der Kleinen gut sein, wie wenig man auch ihrem Vater zu gethan sein kann." (Fortsetzung folgt.) Zltroit KUHje. PSkelb raten. Ein gepökelter Schweinebraten bereiten kann. Man wäscht das gepökelte Fleisch gut ab, schneidet die Schwarte mit der Spitze Wasser, aber ohne Salz, nach Belieben einige kleine Zwiebeln und etwas Brotrinde, zum sämig machen der Sauce, und laßt das Fleisch unter fleißigem Begießen 2j bis 3 Stunden braten, indem man bisweilen nach dem halb weich gelochte Sellerieknolle, schneidet sie in nudelartig feine Strei fen, würzt sie mit Pfeffer und Salz, vermischt sie mit ganz wenig Essig dünstet sie etwa drei bis vier Minuten lang mit einem halben Weinglas Ma deira in einer verdeckten Kasserolle, läßt sie auskühlen und schneidet sie ebenso fein wie die Sellerie. Hierauf mit einem Löffel feinem Senf, vier bis fünf Löffeln Provenceröl und einem reichlichen Löffel Weinessig, sowie et was Salz und weißem Pfeffer. Dann rührt man die Sellerie- und Trüffel- Schetbchen mit dieser Salat - Sauc» an, mischt eine Priese feingehackten Estragon und Schnittlauch hinzu und fervirt den Salat. Gratin von Kartoffeln. Man schneidet abgeschälte Kartoffeln in dünne Scheiben, streicht eine Back schüssel gut mit Butter aus, legt ein« Lage Kartoffeln hinein und bestreicht diese mit abgelochtem, gehacktem Pö kelfleisch, mit ebenfalls gehackten Hä» ringen, welche jedoch vorher gewässert werden müssen, und legt dann Vutter ftückchen darüber hin. Nun kommt wieder eine Schicht Kartoffeln und sq fort, bis die Form voll ist. Nun gießt man so viel kräftige, schwach gesalzen« Fleischbrühe darüber, so daß sie dem Uebrigen gleich steht, stellt das nun in dm Backofen und läßt es bei mäßigem Feuer gar kochen. Obenauf müssen Kartoffeln liegen, die man mit Buttel belegt und die zuletzt ein schönes Gold braun angenommen haben müssen. Gefüllte Zwiebeln. Di« spanischen Zwiebeln sind hierzu am besten, doch kann man auch kleine ver wenden, dann müssen es aber weiß« sein. Das Innere wird entfernt unts folgende Farce eingefüllt: Gehacktes kalter Braten, Speck, Sardellen, Zwit> beln, geschmolzene Butter, etwas ein» geweichtes Weißbrot und 1 bis 2 Eitlj Das Alles gut durcheinander gerührl und eingefüllt. Nun bindet man den (vor dem Aushöhlen abgeschnittenen) Deckel wieder fest auf, schwitzt in eine, Kasserolle etwas Mehl in Butter, füllt Fleischbrühe und etwas Wein hinein, gibt Kapern und eine Citronenscheib« hinzu und läßt hierin die Zwiebeln ga> schmoren, währenddem man öfters von Hamburger Apfelkirch» lein. Man rühre ein halbes Pfund ungesalzener Butter zu Schaum, dann nach und nach 4 Eker, 3 Eßlöffel ge stoßenen Zucker, ein halbesPint Milch, worin 300 Gran Hefe aufgelöst wer» den, daran und hierauf so viel feine? Weizenmehl, bis der Teig breit und ganz langsam von dem gehobenen Rührlöffel herabfällt. Man läßt ihn nun gehen, wonach man noch ? Unzen Korinthen und S Pfund geschälte, fein würflig geschnittene, weinsäuerlich« Aepsel hinzufügt. Jetzt läßt man in jeder Vertiefimg einer Spiegeleier pfanneSchmelzbutter heiß werden, gibt einen Löffel voll von dem Teig hinein und backt ihn, die Küchlein einmal umwendend, auf beiden Seiten braun. Kräuterbutter. Ntan nimmt einen Eßlöffel feingehackte Petersilie, Schalotten und Kerbel, mischt es mi! 5 Unzen frischer aufgeklärter und weichgeriebener Butter, gibt den Saft einer Citrone, etwas Salz, Pfeffe» und Muskatnuß dazu. Hauptsächlich zu Beefsteaks. Berufswahl „Wer ist denn der Herr, den ich immer als letz ten Zuschauer aus dem Theater kom men sehe.?" „DaS. ist der Musikkri» tiker Lückerl, den mich man immer we? cken. wenn daS Stück aus ist!" Er weiß Abhilfe. Ch»fl „Sie eignen sich ganz vortrefflich fiii die Stellung, aber ich würde einen »er» heiratheten Mairn vorziehen." Stel kungssuchender: „Vielleicht können wii das arrangirerr. Ich höre, Sir: haben Töchter." Uebortriebene HZflich keit. Richter: „Angeklagter, Si« sind freigesprochen, Sie könniz, gehenl' Angeklagter:, Habe die Eh« mich zir empfehlen entschuldige-? Sie, daß ich Sie umsonst bemüht Hobe." Beleidigt. Magd (beiii Fleischer): ..Die Frau schickt da» Fleisch zurück; sie hat't nachgewogen, es fehlen 6 Unzen." Schlächter: „Gut lassen Sie das Fleisch da. aber sage« Si» Ihrer Frau, sie soll es künftighin wo anders kaufen. Mit solchen miß» trauischen Leuten, die mir mei« Waare nachwiegen, mag ich nichts j» thun haben." 3