Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, April 03, 1896, Page 2, Image 2

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    2 Merkwürdige Absetzung eines
Königs.
König Sancho 11. von Portugal,
der von 1223 bis 124 S regierte, war
«in schlechter Fürst und wurde deshalb
allgemein verachtet. Er vernachlässigte
alle Regierungsgeschäste und huldigte
lieber der Jagd und anderen Vergnü
gungen. Also beschlossen die Vornehmen
des Landes, ihn abzusetzen. Die Art.
wie dies geschah, ist höchst seltsam und
einzig in der ganzen Weltgeschichte.
Ein portugiesischer Chronist gibt eine
ausführlicheSchilderung des merkwür-
Während Bönig Sancho sich wieder
«inmal auf der Jagd befand, ereignete
sich in Lissabon Folgendes: Am 21.
September des Jahres 124 S in frü
her Morgenstunde wurde von vielen
Handwerkern und Arbeitern aus dem
größten Platze der Hauptstadt ein gro
ßes Schaugerüst erbaut und über das
selbe ein prächtiger Teppich gebreitet.
Darauf stellte man einen vergoldeten
Thron und setzte auf denselben die höl
zerne Porträtfigur des Königs San
cho, die, angethan mit dem Purpur
mantel, auf dem Haupte die Krone,
in der rechten Hand das Scepter und
an der Seite das symbolische „Schwert
der Gerechtigkeit" trug. Edelleute und
Ossiciere hielten dabei Wache. Rings
um lagerte das neugierige Volk.
Um elf Uhr Vormittags erschienen
die Häupter der Verschwörung, viele
Edelleute und Prälaten, die den Prin
zen Alsonso, Sancho's jüngeren Bru
der. in ihrer Mitte hatten. Angeführt
wurden sie von Don Manrico de Car
vajal und dem Erzbifchof von Evora.
Diese Beiden stellten sich rechts und
links vom Throne hin.
Darauf schmetterte ein Trompeter
eine Fanfare, um allgemeine Aufmerk
samkeit und Stille zu bewirken. Alle
Edelleute zogen zugleich ihre Schwer
ter und ließen sie im Sonnenlichte fun
keln.
Ein Herold trat vor und las mit tö
nender Stimme von einem beschriebe
nen Pergament Folgendes: „Portugie
sen, Edelleute,Prälaten, Ritter, Knap
pen, Bürger und Bauern, die ihr hier
versammelt seid: Hört! hört! hört! —
Da König Sancho sich der Krone un
würdig gezeigt hat, so wird er zur Ab
setzung verurtheilt. Es ist an der Zeit,
daß die Krone einem Würdigeren zu
Theil werd«. König Sancho verliere
also die Krone!"
Der Holzfigur wurde die Krone ab
genommen.
Der Herold fuhr fort: „Er ist auch
unwürdig, das Schwert der Gerechtig
keit zu tragen, wie Jedermann weiß,
der seine Ungerechtigkeit kennt. Nicht
länger durch ihn darf es entweiht wer
den. Also verliere König Sancho das
Schwert der Gerechtigkeit!"
, Der Holzfigur wurde das Schwert
abgenommen.
Dann sprach der Herold: „Er ist auch
unwürdig, das Scepter zu tragen,
denn er ist schwach, träge, einfältig
und so verschwenderisch, daß er die
Staatseinkünfte unsinnig und ruchlos
vergeudet. König Sancho verliere also
das Scepter!"
Der Holzfigur wurde das Scepter
Weiter sprach der Herold: .Unwür
dig ist er, auf dem Throne zu sitzen.
Vielmehr ist der Thron Portugals sei
nem Bruder, dem edlen und guten
Prinzen Alsonso, zuzuerkennen. Also
wird König Sancho vom Thron gesto
ßen!"
Don Diego de Salvaterra, ein
baumstarker Edelmann, trat herzu und
warf mit kräftigem Stoße die Holz
sigur vom Throne, welche kopfüber
vom Schaugerüst herunter und auf den
Erdboden fiel.
Darauf wurde Prinz Alfonfo auf
den Thron gesetzt. Sein Haupt wurde
mit der Krone geschmückt; man gab ihm
das Scepter in die und umgür
tete ihn mit dem Schwert der Gerech
tigkeit. Es wurde ihm gehuldigt, und
alles Volk schrie begeistert: „Hoch leb»
König Alfonfo!"
Dann begab man sich in großem
«ine kirchliche Feierlichkeit stattfand.
Das Volk war über die Veränderung
sehr vergnügt. Man tanzte in den
wurde er nicht Man schrie
ihm zu: „Du bist nicht mehr König
von Portugal! Es lebe König Alson
so!" Bestürzt ritt er fort und von ei
ner Stadt zur anderen. Aber überall
war man dem Beispiel der Hauptstadt
gefolgt; mit Hohn und Spott wurde
er abgewiesen. Da flüchtete er ver
zweiflungsvoll über die spanischeGren
ze und begab sich nach Toledo, wo ihm
der König von Kastilien ein Asyl ge
währte. Einige Jahre später starb er
dort, aus Gram über sein verlorenes
Königreich.
Aucheineßeferenz. A.:
„Sie haben mich als Referenz aufgege
als daß ich Ihnen einmal zwei Marl
in der Kneipe geliehen habe!" B.: „Da
kennen Sie mich doch als ehrlichen
Mann... habe ich sie Ihnen nicht
pünktlich zurückgegeben?"
Auch sie. Sie: „Wie kommt's,
daß es jedesmal, wenn der Frühling
deginnt, zwischen Himmel und Erde
so stürmisch zugeht?" Er: „Ganz ein
ein neues Kleid haben."
Vorgebeugt. Schwieger
mutter: Nicht wahr, Georg, mein Re
tourbillet hat zehn Tage Giltigkeit?
gilt natürlich nicht für nobel, die Bil
dete bis zu den letzten Tagen auszu
nützen.
Zwei Dcporljrle.
Von Wilhelm v. Beck.
Es ist in Botonay - Bay, der Abla
um die Gebäude des Gouvernements
besprengend. Trotz seines erbärmlichen
Looses aber hat er noch immer einen
gewissen Anstrich von Noblesse an sich,
an seinen Bewegungen und Manieren,
als einen seltsamen Kontrast zu seiner
traarigen Tracht und Beschäftigung.
Der Andere ist eine derbe, robuste
Gestalt, mit einem Gesicht, auf dem
die Stürme und Laster eines zügello
sen Lebens ihre tiefsten Furchen ge
graben haben. Er nennt sich Ralph
Skotleby und erfreute sich seiner Zeit
unter seinen Collegen, den Taschendie
ben der Millionenstadt an der Themse,
eines besonders guten Rufes . .
Er fetzt« das Gespräch fort:
„Ich sagte Dir schon, Freund Bank
director, daß ich in London einen
Sohn, das heißt", fügte er ein, „ei-
Biidung und Erziehung genossen, mir
zu verdanken hat. Er ist ein wirklich
talentirter Jüngling und wird bald
Ingenieur sein. Außerdem wird er sich
demnächst mit einer ebenso hübschen
als verniögenden Dame verheirathen
mit einer wahrhaften Dame aus ge
achtetem Hause, verstehst Du?! der
Tochter eines Richters, dessen Name
mir momentan aus dem Gedächtnisse
entschlüpft ist. Denke Dir nur, dies«
Ehre! Das Schönste an der Sache ist,
daß mein„Sohn" micht nicht kennt und
daß seineMutter mich nie gesehen hat."
„Du erzählst mir da einen ganzen
Roman", warf der Ex - Bankdirector
erstaunt ein.
„Mag sein; aber die Geschichte ist
wahr, und richtig genommen höchst ein
fach . . .. Das Geld zur Erziehung
des Knaben schickte ich seiner Mutter
jede drei Monate zu; nie jedoch erfuhr
sie, wer der Absender sei."
„Merkwürdig . . . ! Aber weshalb,
im Namen des Himmels, tratest Du in
dieser Weise als geheimnißvollerWohl
thäter auf? Welchen Zweck verfolgtest
Du damit?"
„Keinen! .... Du lächelst und
doch ist es so. Es war eine Laune
eine Laune meines gutmüthigen Her
zens. In der That, eine bloße Laune
Höre zu: Eines Morgens, an
zwanzig Jahre werden es her sein,
schlich ich mich in das fünfte Stockwerk
eines reichen Hauses in die Etage,
welche die Dienerschaft bewohnte. Man
hat da in unserem Berufe oft Gelegen
heit, etwas zu erspähen oder zu erhor
chen ... Ich klopfe an eine Thüre:
„Guten Tag, mein — wie
es meine Gewohnheit war, mich als
Fremden oder Reifenden auszugeben
und Auskunft zu erfragen. Auf mein
Klopfen erhielt ich keine Antwort. Ich
öffnete die Thüre: ein kleines Zimmer,
keine Seele darin ... Ich suche nach
mitnehmenswertherßeute, denn Diens
tboten sind in vielen Fällen wohlha
bende Leute. Die Stube sah nett und
anheimelnd aus; auf dem Tische lag
ein Brief und das Couvert dazu dicht
dabei."
„Ich las die hingekritzelten Zeilen.
Die Schreiberin war ein armes Mäd
chen und bereits Mutter. Und sie be
schwor die Amme ihres Kindes, ihr es
nicht zurückzuschicken. Ich kann Dir
nicht schildern, wie der Brief verfaßt
war so ergreifend und herzbewe
gend .... Das unglückliche Mädchen,
nicht im Stande, der Amme oder was
lige Rate von anderhalb Pfund zu
übersenden, schien der Verzweiflung
nahe zu sein. Offenbar hatte die Frau
gedroht, das Kind nicht mehr bei sich
behalten zu wollen, wenn die verlang
hättest diesen Brief voll flehender Bit
ten lesen sollen. Vier ganz« Seiten,
und welche Worte! Und ohne einen
Fehler!"
„Das heißt, bis auf die orthogra
phischen", spottete der ehemaligeßank
director.
„Meinetwegen. Auf solche Feinhei
ten verstehe ich mich schlecht .... und
diesem Tage an vergaß ich
nimmermehr jene Mutter und jenes
Kind, und begann mit meinen Geld
sendungen zuerst blos hier und da,
und dann regelmäßig. Und später be-
gleitete ich dies« Sendungen mit Brie
fen. die ich stets mit „Ein unbekannter
Freund" unterzeichnete, u. welchen ich
sie die Mutter nämlich bat, das
Kind ja fein und vornehm zu erziehen
oder erziehen zu lassen. Es sollte, so
lautete mein ausdrücklicher Wunsch, ei
ne gediegene Bildung erhalten, auf
daß ihm dadurch der Eintritt in die
gute Gesellschaft ermöglicht werde. Sie
antwortete mir stets „postlagernd"
ach, und sie überhäufte mich mit jenen
man beglückt..."
„Potz Wetter warum hat denn
Dnn Vertheidiger dies nicht vorge
bracht?! Der Effect wäre ungeheuer
gewesen."
das meine eigene Privatang
elegenheit war. Und dann hätte die
Mutter bereuen können, von einem
„Wohl wahr."
„Nun, zum Schlüsse will ich noch
hinzufügen, daß der Kleine zum Ma
nne herangewachsen ist. Und was für
ein Mann! Er war immer der erste
Schüler in der Klasse, wurve oft aus
gezeichnet und selbst die Zeitungen er
wähnten seiner bei Gelegenheit irgend
ter sie bildeten meine Familie . . .
Man muß doch Jemanden in dieser
Welt lieben."
„Auch wahr."
„Und jetzt, verstehst Du, nimmt er
sich eine Frau. Ich werde bei der
Hochzeitsseier nicht zugegen sein, allein
was verschlägt's? .. . Ost träume ich
von ihm, und dann sehe ich im Geiste
das kleine Stübchen in der fünften
Etage der Oxford - Street, -und den
Brief der unglücklichen Annie. Wie
sagtest Du eben, Freund Bankdirec
tor?"
Der Gefragte griff sich mit der Hand
an die Stirn und schaute den Stras
.... und Oxford - Street . . . Also
London W.< Z... .Die Nummer ?"
„Hm, alter Freund", erwiderte
Ralph Skotleby kopfschüttelnd, „Du
schneidest heut' schöne Gesichter....
Aber die Nummer? Wart' mal.. .Da
war eine groHe Firmatafel über dem
Eingang . . . Goldene Lettern ....Und
das Haus war ein Eckgebäude —-an
der Eharing Eroß Road vis a-vis
der Tottenham Court Road Num
mer....? Hm. es war keine
hohe "
„Aber", schrie der Andere auf, „das
war ja mein Haus! . . Und im fünf
ten Stockwerk, sagtest Du —?"
sagte der überraschte Ralph,
„dritte Thür links vom Eingang "
„Oh —jenes Mädchen war dieKam
merzose meiner Frau."
„Und das Kind?"
„Das Mädchen war schön . . ."
„Also Dein Sohn?! Und Du ver
ließest sie und ihn —, weißt Du. Ban
kier, daß Du ein Schurke bist!?"
„Nur nicht grob werden, alter
Freund."
„Du hättest Deine Pflicht thun
sollen!"
„Mein Gott, das Gesetz ließ mir ei
nen billigen Ausweg . .."
„Genug davon", fuhr der Taschen
dieb aufathmend fort. „Was geschehen,
ist geschehen. Der Knabe ist ein ehrli
cher und anständiger Mann geworden
trotz seines Vaters, und nun erwartet
ihn das Glück an der Seite eines schö
nen und liebenswürdigen Mädchens."
„Er heirathet also die Tochter eines
Richters?"
„Ja wohl, eines wirklichen Rich
ters . . . Ah, und jetzt fällt mir der
Name ein Clarkfield."
Der ehemalige Bankdirector sprang
in die Höhe.
„Clarkfield, sagtest Du . . . Rüben
Clarkfield, der früher im „Old Bai
ly" war."
„Ganz richtig, er hatt« eine Abthei
lung im Criminalgericht".
„Er! Er! Aber weißt Du denn nicht,
daß er es gewesen, der mich ruinirt hat
der die Ursache meines Unglücks
ist? Kein Mensch wäre auf mein ge
wagtes Spiel mit jenen verdammten
Actien gekommen nur noch einige
Tage und ich hätte gewonnen, inein
Vermögen sich verdreifacht, als er, Rü
ben Clarkfield, plötzlich Verdacht faß
te und sein« höllische Nase hinter mei
ne Manöver steckte. Und hätte nicht
gerade er die Untersuchung geführt,
wäre ich doch noch am Ende freigespro
chen worden .... O, mein Sohn wird
die Tochter jenes Mannes nimmermehr
Heirathen!"
„Den Teufel auch", lachte Ralph
Skotleby, „das geht Dich Alles nichts
an, Freund Bankdirector."
..Nein —nein ... ! Und doch, es ist
besser so ... Ich habe mir die Sache
überlegt. Er wird sich mit ihr ver
mählen ... Je früher, desto besser
Und nach der Hochzeit soll die Fami
lie der Braut, nein, überhaupt die
ganze Welt, erfahren, wer der Ehe
mann ist: der Sohn eines Sträflings,
eines Deponirten das Kind eines
Geächteten, das zwanzig Jahre lang
von einem gemeinen Taschendiebe er
nährt worden .... Ah, Rüben Clark
field! Endlich ist die Stunde de.^Ra
zermartert. aber kein Projekt gesun
den, das sich hätte realisiren lauen!
Und nun wie leicht ist dieses
„Hör' mal, mein Freund, Du bist
und bleibst ein Schurke."
„Pah, mein Lieber, warum warst
Du auch so geschwätzig? Ich werde
nach London schreiben; da man uns
„Und Du wärest im Stande, dies
Deinem . .. meinem Kinde anzuthun?
Schlage Dir diese Idee aus dem Kopfe,
Banlmensch ... Es könnte ein schlim
mes Ende nehmen."
„Oh," schrie der Ex - Bankier, vor
Rachgicr zitternd. „Rüben Elartsield,
das Geheimniß ist mein, Dein Schick
sal ist in meiner Hand! Und ich wer
de dieses er stieß ein durchdringen
des, höhnisches Gelächter aus dieses
„Familiengeheimniß" zu benützen wis
sen .. . Man wird mit Fingern auf
Dich und Deine verzärtelte Tochter zei
gen ... "
„Halt, Freund Bankdirector,
sprach Ralph Skotleby finster. „Kein
Wort weiter! Den Plan, das Glück
seite!"
Bierundzwanzig Stunden später
stand in den Tagesblättern Sydneys
folgende Neuigkeit:
„Es ist nichts als eine bloße Illu
sion, alle die Ausgestoßenen der
menschlichen Gesellschaft, die unser
Mutterland hierher erftedirt, bessern
und moralisch aufrichten zu können.
gung verursacht. Einer der auf der
Bahn des Verbrechens Ergrauten, ein
früherer, berüchtigter Taschendieb und
Einbrecher, der zur Zeit im Spital
nen, einen Mann, der ehemals den be
sten Kreisen Londons angehört hatte,
und der sich auch als Deportirter ei
nes vorzüglichen Betragens befleißigte
—überfiel ihn und erdrosselte ihn.Die
ses schmachvolle Verbrechen ist erst vor
ist Ralph Skotleby hieß er der
irdischen Gerechtigkeit zu überliefern,
da er sich gleich nach vollbrachtsrThat
an einem Baum vor dem Reconvales
centenhaufe aufgeknüpft hatte. Das
Motiv zu dem Verbrechen ist bislang
noch nicht aufgeklärt worden. Be
fache, die wir von kompetenter Seite
erfahren daß einflußreiche Ver
wandte des Ermordeten für diesen ein
Gnadengesuch an die Königin einge
reicht hatten und vom königlichen Ca
binette aus bereits beim Gouvernement
von Neu - Südwales Erkundigungen
über seine Führung eingezogen wor
den sind. Die Erfüllung des Gnaden
gesuches stand zu erwarten ..
Zwei Künstler.
Man schrieb das Jahr 1832. In
der damaligen Künstlerwelt von Paris
war der Hofschuhmacher Henri Dur
mont eine allbekannte Persönlichkeit.
Er verdankte seine Persönlichkeit zwei
Umständen, dem Unbeschränkten Cre
dit, den er Allem, was Künstler hieß,
unbedingt gewährte, und seinem gren
zenlosen Kunstenthusiasmus. Die
einträgliche Kundschaft Louis Phi
lipp's u«d des gesammten Hofstaates
ermöglichte ihm das Erstere, während
man von dem Letzteren munkelte, daß
er den Hofschuhmacher deshalb beseele,
weil sich dieser selbst in seinem Fach
als Künstler fühle und in seinen künst
lerischen Abnehmern Brüder in Apoll
erblicke.
Meister Durmont schickte nie einem
der Kunstjünger eine Rechnung und
hätte wahrscheinlich auch nie eine be
zahlt bekommen. Nur Eins verlangte
er: die Anerkennung seines Kunstver
ständnisses. So oft er mit einem
Künstler geschäftlich zu thun hatte, so
oft brachte er das Gespräch auf die
Kunst und so oft schmeichelte es ihm,
wenn sein Interesse und sein feinsin
niges Empfinden für dieselbe gebüh
rend gelobt wurde. Aber nicht genug
Er hatte bei diesem und jenem seiner
Kunden gehorcht und getastet, ob er
wohl mit einer Einladung an Liszt
herantreten dürfte, Alle hatten sie zwei
felnd den Kopf gewiegt und die Schul
tern gezuckt. Denn schon damals war
Liszt wegen seiner Unberechenbarkeit
und seines kaustischen Spottes bekannt.
Endlich aber, als der Virtuos wieder
einmal bei dem Fußbckleidungskünst
ler vorsprach, faßte dieser sich ein Herz.
Nachdem er überzeugungswarm seiner
Bewunderung vor dem Beherrscher des
Klaviers Ausdruck verliehen hatte.
stellte er ehrerbietigst die Anfrage, ob
einer Einladung zu einem Souper
Folge geleistet werden würde. Ohne
Verzug ertheilte Liszt eine bejahende
Antwort.
sehnlichster Wunsch sollte sich erfüllen:
Liszt wollte bei ihm zu Abend speisen!
Noch an demselben Tage, an dem er
das Jawort erhalten hatte, versandte
er an seinen künstlerischen Bekannten
kreis die Einladungen zu dem Souper,
auf denen er eigenhändig den Vermerk
anbrachte: Monsieur Üiszt wird uns
die Ehre geben, uns nach dem Essen
durch einen Vortrag auf dem Klavier
zu beglücken.
Denn das galt Durmont als eine
selbstverständliche Voraussetzung. So
wenig der Virtuos einen Klaviervor
trag zugesagt hatte, so fest hoffte der
Hofschuhmacher auf ihn. Malte er
sich doch schon in Gedanken aus, mit
welchem Entzücken er am Tage darauf
in den Tagesblättern die Nachricht le
sen würde, daß in der Abendgesell
schaft des Herrn Durmont der ge
feiert« Künstler eins seiner Bravour
stücke zum Besten gegeben habe. Das
Paris würde ihn be
neiden!
Der für das Souper festgesetzte
Ab«nd war genaht. Wie alle anderen
Künstler war auch Liszt der Einla
dung nachgekommen. Die Speisen
waren auserlesen, die Weine vorzüg
lich und auch die Stimmung der Gäste
war bald vortrefflich. Auf die ver
schiedenen Anfragen aus der Gesell
schaft heraus, ob Liszt wirklich einen
Bortrag versprochen habe, hatte der
5 ihn aber ersuchen werde, eine Probe
von seiner Meisterschaft auf dem Kla
vier zu liefern und daß er überzeugt
sei, auf die Erfüllung dieses Wunsches
sicher rechnen zu dürfen.
Die Eröffnung Durmont's hatte
die allgemeine Erwartung nur ver
mehrt. Man sah mit Spannung dem
Augenblick entgegen, wo der Meister
dem Virtuosen seine Bitte vorlegen
würde. Endlich wurde die Tafel auf
gehoben und es mußte nun zur Ent
scheidung kommen. Als sich die Gäste
plaudernd durch den Salon zerstreut
hatte», trat der Hosschuhmacher zu
dem Virtuosen heran. Wohl mit et
was beklommenem Herzen bat er ihn,
nach der körperlichen Erquickung der
Versammlung auch einen geistigen Ge
nuß zu gewähren und sich am Flügel
bewundern zu lassen.
Zur allgemeinen Ueberraschung er
klärte sich der Angeredete dazu sofort
bereit. Er spielte eine seiner ungari
schen Rhapsodien und ließ sogar, als
sich nach Beendigung derselben der
laut« Beifall seiner Zuhörer gelegt
hatte, eine zweite Composition dersel
ben Art folgen.
Meister Durmont war außer sich
vor Freude. In den wärmsten Wor
ten dankt« er dem Virtuosen und fügte
dann hinzu, daß er gerade unglücklich
sei. für die ihm «rwiesene Ehre nicht
entsprechend erkenntlich sein zu kön
nen.
Der glückliche Gastgeber hatte seine
Ansprache kaum beendet, als sich Liszt
mein lieber Durmont," sagte er mit
einem verbindlichen Lächeln, „Sie kön
nen mir vollauf erkenntlich sein, wenn
Sie nämlich die Güte haben, die Ein
ladung anzunehmen, durch die ich Sie
gleich jetzt zur Theilnahme an einem
Souper in meiner Wohnung für den
nächsten Mittwoch ersuche."
Durmont traute seinen Ohren nicht,
erst als er die Augen d«s Componisten
in vollem Ernst auf sich gerichtet sah,
fand er ein Wort der Erwiderung und
versprach, tief gerührt durch die erfah
rene Auszeichnung, sein Erscheinen bei
der geplanten Festlichkeit. Wie den
Hofschuhmocher, so lud alsbald Liszt
auch alsbald alle die anderen Anwe
senden zu dem Souper ein.
Als man sich nicht lange Zeit nach
her von einander trennte, war ein jeder
im Stillen mit der Frage beschäftigt,
was die Einladung Liszt's an Dur
mont bezwecke. Denn daß irgend eine
besondere Absicht dahinter versteckt sei,
darüber war man sich von vornherein
einig.
Zu dem von Liszt veranstalteten
Souper hatten sich die Eingeladenen
vollzählig eingestellt. Einer der zu
erst Erschienenen war der Hofschuh
macher gewesen, der sich sogar veran
laßt gesehen hatte, sein ihm von Louis
Philipp verliehenes Ordenszeichen an
zustecken. War die Küche Durmont's
ausgezeichnet gewesen, so waren es die
Speisen, die Liszt seinen Gästen vor
setzte, nicht minder und der Wein, der
in den Gläsern funkelte, übertraf wohl
gar noch die Marken, die Durmont sei
nem Keller entnommen hatte.
Die Unterhaltung war bald im be
sten Gange und Meister Durmont
amüsirte sich prächtig. Nur in einem
Punkt wurden seine Erwartungen ge
täuscht, in den künstlerischen Darbie
tungen, die in reichem Maße zu genie
ßen er sicher gerechnet hatte. Weder
fiel es irgend einem der unter den Gä
sten anwesenden Musiker noch auch
dem Gastgeber selbst ein, eine Taste
zu berühren, so daß das Abendessen
völlig klanglos verlaufen zu sollen
schien. Da, als schon der Nachtisch
servirt wurde, erhob sich endlich Liszt.
Durmont frohlockte, denn was war
wahrscheinlicher, als daß sich der Vir
tuos jetzt an das Instrument setzen
und ihm die bezauberndsten Weisen
entlocken würde? Allein der Hof
schuhmacher hatte sich in seiner Vor
aussetzung geirrt, denn Liszt schlug
mit dem Messer an das Glas, zum
Zeichen, daß er eine Rede zu halten
'ln demselben Moment trat der
Diener in das Zimmer und schob Liszt
auf den Tisch ein Tablett, auf dem ein
größerer, mit einem Tuch überdeckter
beglücken. Heute ist es umgekehrt.
Heute bin ich der Wirth und ist Herr
Durmont der Gast. Er wird es da
her nicht für verletzend halten, wenn
auch ich ihn jetzt mit einer Bitte behel
lige. Ich war damals genöthigt, in
meinem Fache meine Tüchtigkeit zu be
weisen, und deshalb fordere ich ihn
heute auf, sich jetzt in seiner Kunst zu
bethätigen."
Bei diesen Worten hob Liszt das
Tuch von dem Tablett und den er
zeigte sich ein paar wohlgewichster
aber arg zerrissener Stiefeln nebst dem
vollständigen Werkzeug eines Schu
sters.
Starr wie eine Bildsäule saß Mei
ster Durmont auf seinem Stuhle.
„Ist das Ihr Ernst?" brachte er
„Mein voller Ernst," erwiderte
Liszt, indem er sich dem Fassungslo
sen mit dem Tablett näherte. „Bitte,
geniren Sie sich nicht. Sie werden
mir, hoffe ich, die Erfüllung meines
Wunsches ebensowenig abschlagen, wie
ich es Ihnen gegenüber gethan habe."
Rathlos blickte noch immer Dur
werks. Aber plötzlich flog ein verklä
rendes Lächeln über sein Gesicht.
„Nein," sagte er freudig, „ich werde
Ihnen Ihren nicht erfüllen.
Meister paßt nur ein 'Meisterstück.
Und deshalb verspreche ich Ihnen, Ih
nen morgen ein Paar neuer Stiefel
einzusenden, das Ihrer und meiner
würdig ist."
Schallendes Gelächter belohnte den
Hofschuhmacher für seinen glücklichen
Einfall.
Auch Liszt lachte und streckte Dur
rotto.
In dem Staate Marokko, wo »die
Cultur nur die Strandwacht hält und
bei weiteren Abstechern in's Innere in
Zustände entspricht Noch heutigen
tags ist der hölzerne „Tschelabi" in
Gebrauch, eine Art von „eiserner
Jungfrau", aus einem Holzkasten be
stehend, der an den vier inneren Sei
ten mit scharfen Nägeln ausgestattet
und gerade groß genug ist, um eine
Person in sitzender Stellung aufzuneh
men. Durch die hervorstehenden Na
delspitzen wird jeder Versuch, sich an
zulehnen oder zu bewegen, verhindert,
und in diesem Marterkasten bleiben die
Bestraften mitunter tagelang. Die
Bastonnade wird in Marokko nicht mit
dem Stock, den die Türken „eine Gabe
des Himmels" nennen, ertheilt, son
dern mit einer drei Fuß langen, einen
halben Zoll dicken, geflochtenen Leder
peitsche, und zwar bei Männern aus
den Rücken und nur bei Frauen auf
die Fußsohlen. Eine sinnvolle Strafe
wird über den Verleumder eines Hö
hergestellten verhängt: ihm werden
die Lippen mit spanischem Pfeffer ein
gerieben.
Froher Sa««.
Ein lachender Morgen:
Sonne und Glück!
Nicht Sorge um Nahrung:
Gütig' Geschick!
Gesundheit des Leibes.
Himmlische Gunst!
Ein gutes Gewissen
Das And're ist Dunst!
Was Liebes in's Haus,
So preis' ich die Stunde
Und juble hinaus.
Wen das nicht beseligt,
Den nenne ich dumm
Wer mehr will vom Leben.
Betrügt sich darum!
Gedankensplitter. Noth
lehrt viel öfter lügen als beten.
Manchem fehlt zum Glücklichsein nur
die Dummheit. Es haben sich
ebensxoiel Reiche ihres Reichthums zu
schämen, als Arme ihrer Armuth.
Ein schrecklicher Ge
danke. A.: „Den Scheintod stell«
ich mir schrecklich vor!" B.: „Ich auch
... besonders, wenn der Scheintodte
Ernste Betrachtung.
Alte Jungfer: Wär' ich doch bei mei
ner ersten Liebe stehen geblieben, sc
würde ich nicht sitzen geblieben sein!"
E.nc Tchachmatadori«.
Dem scharfen und anhaltendenNach
denken abhold, Pflegt das schöne Ge
schlecht nur selten die Reize desSchach
zu begreifen und in dem edeln Spiel
eine Erholung zu suchen. Diese Er
fahrung ist seit langen Zeiten so all
gemein bekannt gewesen, daß ein feiner
Menschenkenner, die Lebensregel er
theilte, man brauche, um die Geduld
und Freundlichkeit einer Frau zu er
proben, nur mit ihrem Mann Schach
zu spielen. Behaupte sie dabei, ein sel
tener Fall, Sanfmuth und Liebens
würdigkeit, so dürfe man sie mit Si
cherheit als ein Muster solcher Tugen
den anerkennen. Dennoch sind, wie jede
Regel ja durch ihre Ausnahme bestä
tigt wird, auch hinsichtlich der Abnei
gung wider das Schach in allen Zeiten
rllbmenswerthe Ausnahmen bei dtm
schönen Geschlecht zu verzeichnen gewe
sen. Eine Art Zeugniß dafür haben
selbst unsere großen Dichter Lessing
und Goethe abgelegt, als sie in ihren
Mamen „Nathan der Weise" und
„Götz von Berlichingen" Schachpartien
mit weiblichen Partnern (Sittah und
Adelheid) in Scene führten.
FrauNellieMa r s h a l l-S h o-
Walter.
In unserer Zeit haben wir Beispiele
der gedachten Ausnahme selbst im wirk
lick>»n Leben sich häufen sehen, gegen
wärtig zeigen uns namentlich Englank
und Amerika vielfache Fälle, daß
schachkundige Frauen sogar an dieOes
sentlichkeit treten. So konnte man im
an das vorjährige große
Schachturnier in Hastings ein beson
deres Turnier unter nicht weniger als
zwanzig Freundinnen des edeln Spiels
veranstalten, aus dem Miß Fox mit
4, Lady Thomas, Miß Field und Miß
Finn mit je 3j Gewinnzahlen als
Siegerinnen hervorgingen.
Was noch höhere Anerkennung ver
dient, ist die erfreuliche Thatsache, daß
von den neuern Freundinnen desSchach
nicht wenig« das Spiel auch mit her
vorragender Fertigkeit ausüben und
häufig männliche Spielgegner, die sich
eines guten Rufes im Schachspiel er
freuen, besiegt haben. In solchem Sinn«
macht gegenwärtig Frau Nellie Sho
walter von sich reden,
Sie ist als Tochter des Oberrichters
Marshall, im Staate Kentucky im
Jahre 1872 geboren und wurde schon
imAlter von 16Jahren mit dem riihm-
Erfolg einführte.
Seltene Geistesgegenwart.
Groß-Bezier Ben Ali (in einem
Ausstattungsstück): Werft Euch aus
die Knie«, getreue Moslems! Der
Beherrscher aller Gläubigen naht auf
phanten! Stimme (aus der 2. Cou
lisse, zu dem Groß-Bezier): Sie, Herr
Meier, der Elephant ist eben von ein
paar Deputy-Sheriffs gepfändet wor
den.
Getreue Moslems,
Aufrichtig. Einst sagte
arzte: „Sage Er mir einmal aufrich
tig, wie viele Menschen hat er wohl in
Seinem Leben in's Grab gebracht?"—
„Sire," antwortete der Arzt ernst,
„nahe an SM.tXX) weniger als Ihre
Majestät."
AufderS«cundärbahn.
Reisender (im Coupe): „.. .Um alles
in der Welt, warum bleibt denn ver
Zug auf der Strecke stehen?" Con
ducteur: „'s Feuer ist dem Lokomotiv
führer ausgegangen da muß er in's
nächste Dorf gehen und Streichhölzer
holen!"
Bedingungsweise. Rich
ter: „Ihre Aussagen beruhen alle auf
voller Wahrheit?" Angeklagter (sich
in die Brust werfend): „Wort für
Wort, Euer Gnaden, so g'wiß und
wahr ich da steh'!" Richter: „So wer
den Sie sie auch beschwören?" Ange
klagter (verlegen): .Net gern!"