Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, March 06, 1896, Page 3, Image 3

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    Im
BHM»lljiltzWs
(17. Fortsetzung.)
Da plötzlich hörte man das rasche
Heranrollen eines Wagens, der auf
das Haus zulenkte und vor der Ein
gangsthüre hielt. Bernheimer sprang
auf das Trottoir. Er kam allein. Ma
dame de Saint-Maurice stürzte ihm
verzweifelnd entgegen, laufend, wie sie
seit zwanzig Jahren nicht gelaufen
war. Aber Bernheimer war so rasch
die Treppe heraufgesprungen, daß sie
sich im Vorzimmer trafen. Sie streckte
Frage wagte sie nicht.
„Beruhigen Sie sich, er lebt!" rief
er ihr zu.
Die Erschütterung der alten Dame
war so groß, daß sie zu Boden gesun
ken wäre, wenn Bernheimer sie nicht
gestützt hätte. Sobald die Anspannung
der Ungewißheit sie nicht mehr aufrecht
erhielt, verließen sie ihre Kräfte. In
derselben Sekunde war sie sich ihrer
neu hohen gothischen Lehnstuhl zurück
gelehnt, begann sie fassungslos zu
schluchzen.
„O, mein Gott, welches Glück! O,
mein Gott!"
Aber Bernheimers Züge blieben fin
fter.
„Verwundet? Wieso? Und wo?"
„In der Brust!"
men können; sie hat wahrscheinlich die
Rippen gestreift und sich im Rücken
eingebohrt.... ganz nahe, ach vielleicht
zu nahe der Wirbelsäule...."
bestürzt, „O, mein
„Dies allein ist das Besorgnißerre
gciidei der zerschmetterte Arm hat
nichts zu bedeuten."
„Nichts zu beveuten! Großer Gott,
nichts zu bedeuten!"
nein Ausdruck des Hasses in dem lei
chenblassen Gesicht, der bei der sonst so
harmlosen Frau in Erstaunen setzen
„O, der... der ist todt!"
Madame de Saint-Maurice faltete
die Hände: „Gott ist gerecht!" sagte
sie leise.
flogen ihre Gedanken in weite, unbe
stimmte Ferne» zu der, die so trostlose
Trummer hinter sich zurückgelassen
hatte.
„Jetzt aber, meine theure, liebe
Freundin, dürfen wir keinen Moment
mehr verlieren.... denken wir vor Allem
an unfern armen Verwundeten. Er
leidet furchtbar."
„O, Sie haben recht... verzeihen Sie
mir!"
Und sie erhob sich hastig von ihrem
Stuhle, und mit einer Lebhaftigkeit,
wie sie Niemand noch an ihr warzuneh
men Gelegenheit gehabt hatte, eilte
Madame4e Saint-Maurice, ihre Be
fehle zu ertheilen.
Eine Viertelstunde später wurde das
große Hofthor des Ploecne'schen Hau
ses weit ausgerissen, um einem häßli
chen Möbelwagen Einlaß zu geben.
Neben einem Kutscher, der mit einer
blauen Blouse und einer Hasenfell
mütze bekleidet war, saß der Admiral
Negnaud. In einer Sekunde war er
vom Bocke gesprungen, und als das
ganze Dienstpersonal des Hauses sich
angstvoll und neugierig in den Hof
drängte, runzelte der alte Seebär die
Stirne, blies die Backen auf, zog, was
seine Offiziere sein Sturmwettergesicht
nannten, und rief mit einer Stimme,
die keine Widerrede zuließ: „Her mit
dem Kammerdiener, einem Lackeien
und dem Portier zum Tragen der
Matratze! Alle andern linksumkehrt,
aber gleich!"
Die gaffende Dienerschaft stob aus
einander, während der Chirurg, ein
schöner, kraftvoller Mann mit schwar
zem Spitzbart, von dem Wagen her-
Bernheimer eilte ihm ent
gegen.
„Wie steht es mit dem Verwunde
ten?" forschte der Bankier besorgt.
„Er hat das Bewußtsein verloren,"
erwiderte Doktor Pelicier. „Die Er
mattung war größer als seine Ener
gie. Wir müssen ihn unverzüglich ins
Haus brinqen."
„Anzes.ißt!" befahl der Admiral.
Die Stricke, welche die Matratze
hielten, wurden losgebunden und Rai
mond auf der schief heruntergeschla
genen Rückseite des Wagens herabze
den Hüften. Ohne die beruhigende
Gegenversicherung des Arztes, hätt«
man Ploerne für todt halte« können.
112
Mit der größten Behutsamkeit trugen
die sechs Männer den Verwundeten die
Treppe hinauf, um ihm auch den leise
sten Stoß zu ersparen, und legten ihn
in dem für ihn bestimmten Zimmer
mit der Matratze aus de» Fußboden.
Madame de Saint-Maurice, die mit
Entsetzen diesen traurigen Vorgän
gen gefolgt war, hatte sich an's Kamin
geflüchtet und betrachtete mit schre
ckensstarren, weit aufgesperrten Augen
ihren Neffen, seine Träger, die rothen
Flecken des Verbandes, außer Stande
sich zu rühren, unfähig ein Wort zu
sprechen.
„Legt Ihn mir in die Mitte des
Zimmers." befahl der Chirurg. „Da
wird's am besten für ihn sein."
Dann kniete er neben dem Verwun
deten nieder, befeuchtete ihm die Schlä
fen mit kölnischem Wasser und lich
ihn Riechsalz einathmen. Eine leichte
Röthe zeigte sich aus Raimonds Wan
gen. Er öffnete die Augen, schaute
um sich, erkannte sein Zimmer, seine
Freunde und in ihrer Ecke Madame de
Saint-Maurice. Mit einer Kopsbe
wegung, der sie nicht zu widerstehen
vermochte, rief er die arme Frau an
sein Schmerzenslager. Sie stieß einen
Klagelaut aus und sank neben ihm zu
Boden, indem sie stammelnd flüsterte:
„Mein armes Kind, mein liebesKind!"
Er fand die Kraft, ihr zuzulächeln,
zog feine unverletzte Hand unter der
Decke hervor und reichte sie ihr hin.
Sie bedeckte sie mit Küssen. Da wurde
sie vom Boden aufgehoben, während sie
Sie nicht bleiben. Es wird eine
schwere Operation absetzen. Raimond
hat Sie gesehen: er weiß, daß Sie da
der alten Dame mit einem Blick auf
den berühmten Arzt; „da kommt die
Genesung in's Haus. Wenn unser ge
liebter Äranker noch zu retten ist. so
wird ihn sicher Professor Rameau
Als sie in Madame de Saint-Mau
rices Zimmer angelangt waren, bot
Bernheimer alles auf, um die geprüsic
Frau zu beruhigen und abzulenken.
erte, die durch die banae Stille, die
kaum von Zeit zu Zeit durch einen
leisen Schritt oder das Oessnen und
Schließen einer Thüre unterbrochen
wurde, endlos zu sein schien. Er sah,
wie Madame de Saint-Maurice am
ganzen Körper zitterte, wie sie ge
spannt hinlauschte, wie sie von ihren
gräßlichen Gedanken nicht abzulenken
war. Da wagte er es. ihr von ihrer
Tochter zu sprechen. Und in diesem
Punkte zeigte diese so unbedeutende
Frau, die nie einen eigenen Willen ge
habt hatte und deren einzige Sorge
die um ihre Gesundheit gewesen war.
eine Unabhängigkeit des Geistes «nd
des Gefühles, die den Bankier auf's
äußerste überraschte: „Sie sehen, wcis
diese Unglückselige durch ihre Thor
heit angerichtet hat....ihr Gatte liegt
im Sterben; ein anderer Mann, fast
ebenso schuldig, wie sie selbst, ist todt
....Und anstatt ihre Verirrungen zu
bereuen und den Versuch zu machen,
sie durch Demuth und Entsagung zu
sühnen, ist sie fort und fährt in der
Welt umher....dahin haben sie ihr
Leichtsinn, ihre Koketterie und ihr
Egoismus grführt. O, auch ich habe
meinen Theil der Verantwortung an
ihren Vergehen. Ich war zu schwach
und nachsichtig gegen sie, und meine
Liebe für sie hat mich blind gegen ihre
Fehler gemacht. Sie war so schön, so
sanft, und schien so gut....Aber ich
Platz ist hier bei diesem armen, un
glücklichen jungen Mann, dem ich von
Herzen zugethan bin. Zwischen ihm
und Lhdia schwanke ich keinen Augen
blick. Ich kenne die Undankbare nicht
mehr....lch werde vor den Augen der
Welt dem Gatten eine moralische
Stütze sein; das ist leider alles, was
ich thun kann, um ihn für die Leiden
zu entschädigen, deren meine Tochter
ihm mehr als zu viel bereitet hat!....
Wenn Raimond mich in seinem Hause
behalten will, wenn ihm meine Gegen
wart nicht zu peinlich ist, dann werde
ich an seiner Seite leben."
Sie unterbrach sich, machte eine ver
zweifelte Handbewegung und mit
halberstickter Stimme fügte sie hinzu:
„Ach, ich schmiede Pläne! Weiß ic^
Fuße folgte. Auf feinem Gesichte war
ein Ausdruck vonßeruhigung zu lesen.
„Die Aerzte haben die Kugel soeben
herausgezogen," sagte er voll Genug
thuung. „Damit ist sehr viel erreicht;
sie hatte sich gegen die Hüfte gesenkt
und war auf sehr gefährlichem Wege
eingedrunaen. Aber Rameau ver
„Welches Glück!"
trotz der starten Blutverluste...."
ihm?"
„Man legt ihm den Arm in einen
Verband, der ihn bis zur vollständigen
Zusammenheilung unbeweglich macht."
„Darf man zu ihm in's Zimmer?"
fragte Bernheimer.
„Ja wohl. Ploi?rne verlangte so
gar nach Jhneit."
„Lassen Sie mich hinein!" bat Ma
dame de Saint-Maurice.
„O, gnädige Frau, ich beschwöre
Sie, keine Aufregung für den Ver
wundeten; nur ruhige Menschen dür
fen um ihu sein....Sein Leben hängt
davon ab."
„Ich will nur durch die Thürspalte
hindurch sehen."
gestreckt, mit geschlossenen Augen, als
schliefe er. Gelöste und geröthete Bin
den lagen unordentlich umher, auf
dem Boden stand eine Schüssel voll
blutigen Wassers, und auf dem Tische
ein Kasten mit schreckenerregenden In
strumenten, während ein durchdrin
gender Geruch >»? n Karbol und Jodo
form die Luft erfüllte. Hinter dem
herabgelassenen Rouleau war das
Fenster halb geöffnet. Vor hem Ka
mine zog Rameau eben seine Man
schetten an, während er mit seinem
jungen Kollegen flüsterte. Bernheimer
näherte sich mit lautlosen Schritten
dem Bette. Da schlug der Verwun
dete die Augen auf und richtete seinen
trüben Blick auf den Bankier. Er
erkannte ihn und fragte mit kaum
hörbarer Stimme: „Bernheimer....das
Comptoir?"
Eine schwere Sorge prägte sich in
den Zügen des Kranken aus. Unter
all seinen Schmerzen und trotz seiner
Schwäche, verfolgte ihn der Gedanke
an seine finanzielle Verantwortlichkeit.
„Aengstigen Sie sich darüber nicht,"
erwiderte ihm Bernheimer; „ich stehe
für alles....Jhre Verbindlichkeiten wer
den glatt abgewickelt werden...Jch habe
dafür schon die nöthigen Schritte ge
than."
Ein Freudenstrahl flog über das
bleiche Gesicht Raimonds und er flü
sterte: ..Danke!"
„Denken Sie nur an Ihre Gene
sung....Sie haben gute Freunde und
eine zärtliche Mutter...."
Bei diesen Worten, die ihm Lydia
in's Gedächtniß zurückriefen, zog Rai
mond die Augenbrauen zusammen, er
wurde noch um einen Schatten blasser
und Schweißtropfen perlten ihm über
die Stirn.
„Sie regen mir meinen Kranken
auf", warf da Doktor Pelicier da
zwischen, indem er Bernheimer am
Arm faßte und ihn mit zu Rameau
hinüberzog, der eben nach seinem Hute
K"sf- . . -
„Herr de Ploerne darf nicht cmein
gelassen werden," sagte der große
Arzt. „Aber man darf ihn auch nicht
ermüden. Wer wird bei ihm wachen?
Seine Schwiegermutter?"
„O, keinesfalls !...Später, wenn er
außer Gefahr ist. Könnte ich nicht bei
ihm bleiben?"
„Wenn Sie wollen....Aber die
Börse?"
„O, die Börse wird auch einmal
ohne mich fertig werden können, eben
sogut wie Ihr Spital sich heute früh
ohne Sie behelfen mußte. Sie haben
Ihre Assistenten, ich meine Sekretäre."
Rameau drückte dem Bankier die
Hand, grüßte Madame de Saint-
Maurice und entfernt« sich mit den
Worten: „Um sechs Uhr werde ich wie
der nachsehen."
Der Tag verlief sehr schlecht, das
Fieber nahm zu und quälte den Kran
ken sehr. Er rührte sich nicht, denn er
war so schwach, daß er außer Stande
war. die leiseste Bewegung zu machen.
Aber sein Gesicht war pupurroth und
sein gepreßter Athem kam pfeifend aus
der Kehle hervor. Trotz des Verbots
der Aerzte hatte sich Madame de St.
Maurice in Raimonds Zimmer ein
quartirt. Sie faß zu Füßen feines
Bettes und schaute wortlos, voll zärt
lichen Mitleids auf den Kranken. Er
hatte sie wohl erkannt, und als sie
ihm einmal einen Löffel seiner Arznei
eingab, hatte er seine Lippen auf die
Hand der alten Frau gedrückt, die
hatte Madame de Saint-Maurice an's
Kamin verbannt und ihren Platz zu
Füßen des Bettes eingenommen. So
„Wollen Sie vielleicht einen Assi-
Ich habe, was wir brauchen; etwas
Besseres kann «S gar nicht geben."
„So bin ich es zufrieden. Auf Wie
derschen morgen früh."
zog Madame de Saint-Maurice bei
seite: „Die Aerzte halten eine Pflege
rin für unbedingt nöthig und haben
mich beauftragt, eine zu besorgen
Bleiben Sie, bis zu meiner Rückkehr,
bei dem Verwundeten."
Ohne irgend eine weitere Aufklä
rung zu geben, verließ Bernheimer das
Zimmer. Sein Wagen wartete seit dem
Morgen vor der Thüre. Er stieg ein,
nachdem er dem Kutscher befohlen, ihn
nach dem Kloster der Passionsdamen
zu fahren, denn er wollte sein Mündel
holen. Ganz plötzlich war ihm der Ge
danke gekommen, Raimonds Leben
Therese anzuvertrauen. „Niemand
wird ihn besser Pflegen können als sie,"
dachte er, während er in rasender Eile
ver RueSaintJacques zurollte. „Nach
dem ihn ein Teufel von Weib fast ge
mordet hat, soll ihn dieser Engel ret
ten. Wird sie mir aber folgen wollen?
Wenn sie sich weigerte, wäre sie nicht
das bcwunderswerthe Mädchen, das
sie ist. Und würde sie noch so entsetzlich
darunter leiden, ich bin trotzdem über
zeugt, daß sie die Aufgabe, die ich ihr
zugedacht habe, nicht zurückweist."
Der Wagen hielt vor dem großen
Thor. Er stieg aus und zog die Glocke.
Aber schon im Zimmer der Pförtnerin
stieß er auf eine Schwierigkeit: die fest
gesetzte Zeit zum Besuch der Pensionä
rinnen war vorbei. Er solle den näch
sten Tag von zwölf Uhr ab wiederkom
men. Bernheimer ließ sich indeß nicht
so rasch entmuthigen. Er verlangte
die Oberin zu sprechen. Zweites Hin
derniß: Die Oberin wohnte gerade der
Messe bei und durfte unter keinen Um
ständen gestört werden. In dreiviertel
Stunden erst verließ sie die Kapelle,
um sich jedoch sofort von da in den
Speisesaal zu begeben, wo sie das
Mahl der Nonnen überwachte.
Bernheimer, der sich in dem Netze
der strengen Vorschriften verwickelt
sah, versuchte es mit einem letzten Mit
tel. Er betonte, daß es sich »m Leben
oder Sterben eines Menschen handle;
es sei unbedingt nothwendig, daß er
Sekunde, beim Herauskommen aus der
Kapelle spreche. Er wolle, wenn es sein
müsse, in. Hose warten. Sein entfchlos
brach herein, und in dem so vertrauten
Raume, der setzt aber in Hast vollstän
dige Dunkelheit gehüllt war, überfiel
Samuel eine tiefe Traurigkeit. Leiser
Glockenton erschallte, bei dessen Klang
er zitternd bangte. Er dacht?, daß
gerte, der Verwundete sterben würde.
Da endlich ward die Thüre geöffnet,
die Oberin trat ein, von einer Schwe-
Stinime. „Die Zeit drängt; ich wäre
Ihnen dankbar, wenn Sie sich kurz
fassen wollten."
In wenig Worten erklärte Bernhei
mer. wer er war, und setzte ihr die
Dringlichkeit seines Auftrags ausein
ander, indem er hinzufügte, daß Fräu
lein Letourneur von ihrer Tante ver
langt werde. Die Oberin hörte ihn,
ohne eine Miene zu verziehen, an.
„Nachdem ich bereits gegen die Klo
sterregeln verstoßen habe, indem ich
Sie jetzt empfing, will ich Ihnen auch
nicht versagen, Fräulein Letourneur
zu sprechen. Was Sie wünschen, ist
sehr anerkennenswerth. Der Zweck un
serer Klostergemeinschaft ist, den Be
drängten zu helfen und den Kranken
beizustehen. Wenn Sie mich um eine
Schwester zur Pflege Ihres Kranken
gebeten hätten, könnte ich Ihnen sofort
jedoch ist ihre eigene Herrin; wir müs
sen sie daher befragen. Sie allein kann
über sich verfügen. Ich werde sie Ihnen
hierher schicken."
„Was gibt es denn, lieber Pathe?"
fragte
Erzählen der Einzelheiten verlieren,
und muß Dir das Wichtigste sofort
sagen. Du hast doch Muth, nicht wahr?
Man kann mit Dir ohne Schonung
„Er ist todt?"
ganz erschöpft. Man muß bei dem ar,
men Jungen die Nacht hindurch wa
chen; sein Leben hängt von der Sorg
falt ab. mit der er gepflegt wird. Die
Aufmerksamkeit und Verantwortlich
keit, die dies erfordert, kann man von
keinem Bediensteten verlangen; ich habe
daher sofort an Dich gedacht."
Therese hatte Bernheimer mit Er
staunen angehört. Mit ein paar Wor
ten drückte sie ihren ganzen Gedanken
gang aus: „Und seine Frau? Lydia?"
Samuel senkte den Blick zu Boden:
„Sie ist nicht da."
„Fort von ihm?"
.Ja."
„Die Unglückselige!'
Die Erregung schnürte ihr die Kehle
zusammen; sie holte schwer Athem,
sie ihre Augen ernst auf ihm ruhen
ließ: „Sie haben recht daran gethan,
mich zu holen. Machen wir uns sofort
auf den Weg."
„Du liebes, gutes Kind, ich war
Deiner sicher," und er drückte sie an
sein Herz, aber sie wand sich los: „Ver
lieren wir keinen Moment."
„Muß Du Einiges mitnehmen?"
„Nur meinen Mantel. Morgen wer
de ich holen lassen, was ich brauche.
Gehen Sie einstweilen in den Hof hin
unter und warten Sie da auf mich;
Sie entfernten sich, er durch das
Vorzimmer, sie durch die innere Thüre.
Er war kaum unten angelangt, als er
auch schon in der Dunkelheit Therese
auftauchen sah. Sie trug das Gewand
der Novizen und hatte die Flügelhaube
auf dem Kopfe; ein großer grauer
Mantel umhüllte ihre zarte Gestalt.
Sie zeigte der Pförtnerin ihren Er
laubnißschein und trat mit ihrem Pa
then auf die Straße. Im Wagen er
zählte ihr Samuel die traurigen Vor
gänge, welche die blutige Lösung her
beigeführt hatten. Er mußte Einzel
heiten weglassen, aus Schonung für
die Unschuld des reinen Mädchens.
Aber sie kannte Lydias Verderbtheit
zur Genüge, um sich selbst die Lücken
in ihres Pathen Erzählung auszu
füllen.
„Das Alles habe ich längst erwartet.
Ich sah voraus, daß sie Raimond un-
Jhn aufklären? Wie konnte ich das?
Da hätte ich sofort das Unglück her
beigeführt, das ich fürchtete, und es
die Wahrheit aufgedeckt hätte."
„Da hast Du lieber den Verdacht
auf Dich genommen, hast Dich beschul
hätte Samuel vieles zu erwidern ge
habt. Es schien ihm jedoch klüger, jetzt
noch zu schweigen.
Der Wagen hielt vor dem Hause
in der Rue de Rembrandt. Sie traten
hinein und stiegen die Treppe hinauf.
Hier kam ihnen schon Madame de
Saint-Maurice entgegen, die ihre
Nichte mit ausgebreiteten Armen em
pfing. Therese erwiderte die Küsse der
guten Frau mit inniger Herzlichkeit,
aber ihr erstes Wort galt dem Kran
ken. i
„Wie geht es ihm?"
„Nicht gut. Er hat furchtbares Fie
ber; ich glaube, er phanlasirt ein we
nig."
„Führt mich zu ihm!"
In dem durch eine Nachtlampe
schwach erleuchteten Zimmer lag Rai
mond noch immer regungslos auf dem
Bette. Die Stirnadern waren ihm
angeschwollen, und sein Gesicht war
von der Gluth des Fiebers verzerrt. Er
Aber es war ihre Art nicht, sich lan
ge gehen zu lassen. Sie raffte sich auf,
und entschlossenen Muthes besprach sie
wärtig zu sein.
Um Kraft für die Nacht zu sammeln,
ließ sich Therese bewegen, mit Frau
de Saint-Maurice und Bernheimer
schon halb neun Uhr, und sie blieben
nur >urz bei Tisch« sitzen.
Um zehn Uhr befand sich Therese
allein im Krankenzimmer, wo sie sich
zu Füßen des Bettes niederließ. Lange
hatte sie gebetet und hingebend Gott
ihr Leben für das von Raimond anoe
boten.
Die erste Hälfte der Nacht verlief
ohne Störung, und das Aussehen des
Verwundeten veränderte sich nicht.
Doch begann er laut zu phantasiren;
der Trank, den ihm Therese regelmä
ßig eingab, schien seine beruhigende
Wirkung auf ihn zu verfehlen. Von
der Erinnerung an den schrecklichen
Zweikampf verfolgt, wiederholte er in
turz abgerissenen Sätzen dessen tragi
schen Verlauf, und Therese schauderte
davor zurück, als sähe sie das entsetzli
che Drama sich in Wirtlichkeit vor ihr
abspielen.
Sie erfuhr auf diese Weise, daß Ro
quiere, seines Schlusses sicher, sofort
auf das gegebene Zeichen hin losge
drückt und seinen Gegner niedergestreckt
hatte. Sie sah dann im Geiste Ploer
ne, blutbefleckt, den rechten Arm schlaff
herabhängend, sich mit einer äußersten
Anstrengung seines Willens noch ein
mal vom Boden erheben, sah ihn die
Pistole in die linke Hand nehmen, bis
zur ausgesteckten Grenze vorschreiten,
und in der Ueberzeugung, daß er selbst
sterben mußte, mit einer fürchterlichen
Entschlossenheit Lydias Geliebten eine
Kugel durch den Kopf jagen. Sie hör
te den Schreckensschrei des Verwunde
ten, hörte sein Gestöhn und dann sein
Frohlocken über den Sieg.
Dann allmählich vergaß der Kranke
in seinen Phantasien das Duell, um
nur noch an die zu denken, welche die
Veranlassung dazu gewesen war. Und
der Name seiner Frau kam ihm immer
und immer wieder über die Lippen,
bald kosend, bald drohend. Er rief sie
mit sanfter Stimme und sprach ihr
von seiner Liebe; dann überschüttete er
sie mit flehentlichen Bitten, Vorwürfen
und Beschimpfungen. Therese fühlte
sich tief unglücklich bei diesen Ausbrü
chen seiner Leidenschaft, die allein noch
das Leben in dem Sterbenden zurückzu
halten schien, und die sich in ihrer
Schwäche wie in ihrer Heftigkeit als
unausrottbar zeigte. Nicht ein einzi
ges Mal kam ihr eigner Name über
feine Lippen. Er hatte sie vergessen;
sie existirte nicht mehr für ihn. Lydia,
immer nur Lydia, nichts außer Lydia
Und in der Stille der Nacht, sicher,
von Niemand gehört noch gesehen zu
werden, erleichterte Therese ihr gequäl
tes Herz und brach in fassungsloses
Schluchzen aus. Während sie ihre Ru
he wieder zu gewinnen versuchte, das
Gesicht in den Händen vergraben, hörte
sie Raimond leise fragen: „Wer weint
Mit starren Blicken strengte er sich
an, durch die Dunkelheit zu erkennen,
was um ihn vorging. Therese erhob
sich von ihrem Stuhle, trat auf den
Kranken zu und reichte ihm den Tranks
der ihm Beruhigung bringen sollte.
Er trank, faßte jedoch währenddem
»ach dem weiten Aermel des jungen
Mädchens und hielt sie so zurück, in
dem er wiederholte: „Warum weinen
Sie, Schwester?"
Sie antwortete nicht, aus Furcht,
er möchte sie an ihrer Stimme erkennen
und dadurch in noch größere Aufre
gung und in eine neue Krise verfallen.
Da richtete er sich mit einem schweren
Seufzer ein wenig in die Höhe und
murmelte so leise, daß sie es kaum ver
stehen konnte: „Wer anders sollte um
mich weinen, als Therese?"
Mit einer raschen Bewegung machte
sie sich von ihm los, kam aber dabei so
zu stehen, daß der volle Schein der
Nachtlampe auf ihr Gesicht fiel.
Raimond stieß einen Schrei aus und
sagte: „Du bist es also, Therese! Ge
wiß; jetzt kannst Du ja wiederkommen,
da sie nicht mehr da ist. Therese, arme
Therese! Ich habe Dich verdächtigt,
habe Dich gequält! O, verzeihe mir!"
Sie schwieg und er fuhr in wachsen
der Erregung fort: „Bist auch Du nur
ein Phantom wie die, welche ich noch
Du hast Mitleid mit mir. Wenn Du
weichen. Therese, habe Erbarmen mit
mir! Antworte mir doch! Bist Du es
wirklich? Oder habe ich nur, wie vor-
D ' Kl t^
Ich bin schuld, daß Du in's Kloster
gingst. Versprich mir, daß Du nicht
mehr dahin zurückkehren wirst... Siehst
„Ich werde Sie nicht verlassen, seien
Sie unbesorgt... und Sie werden ge
nesen."
„Genesen vielleicht, aber vergessen...
vergessen... O, Therese, wie bin ich un
glücklich!"
Die Thränen rollten ihm die fie
bernden Wangen herab. Das junge
Mädchen wischte ihm in mütterlich
zärtlicher Sorgfalt mit einem duften
den Tuche über'S Gesicht, schüttelte
ihm die Kopfkissen zurecht und sagte
sanft lächelnd zu ihm: „Sie müssen
aber jetzt schlafen, damit Ihre Aerzte
morgen mit mir zufrieden sein kön
nen."
„Aber Du bleibst?"
„Ja, wenn Sie recht folgsam sein
wollen."
(Fortsetzung und Schlich folgt.)
Mr du Vilche.
Bro t-S peise mit Aepfeln.
stoßenem Zimmet und Nelken. Dann
schneidet man geschälte Aepsel, auS
welchen man das Kerngehäuse gesto
nirt sie eine Stunde mit Zucker, ge
stoßenem Zimmet und Rum. Nun
streicht man eine tiefe Eierkuchen
pfanne recht fett mit Butter aus, be
legt sie fingerdick mit dem geriebenen
Brote und legt die Aepfelscheiben nebst
gereinigten Rosinen in guter Ordnung
Ganze etwa drei Viertel Stunden in
guter Ofenhitze, stürzt dann die Speise
geschickt auf eine Schüssel und bestreut
Schinkenpastete. Man macht
aus einem Pfund Mehl, zwei Unzen
Butter, einem Ei und einem Pint fau
fünf verklopfte Eier, ein halbes Pint
Sahne, Muskat und Pfeffer darunter
ken und so fort. Obenauf muß eine
Teigplatte sein. Man backe dies in
guter Hitze eine Stunde lang und
stürze es.
Ragout von Hammel
fleisch. Das in kleine, viereckige
Stücke geschnittene und gewaschene
Fleisch wird in kochendes Wasser und
Salz gelegt, abgeschäumt, mit Lor
beerblättern, ganzem Pfeffer, Nelken,
Zwiebeln und Dill (Fenchel) gewürzt.
Hiermit wird daS Fleisch reichlich halb
weich gekocht, dann das Fett von der
Brühe entfernt und diese durch ein
Sieb gegossen, mit in Butter geschwitz
tem Mehl aufgekocht, das Fleisch nebst
einigen Citronenscheiben, Perlzwie
beln, eingemachten Gurken hineinge
than und ferner gekocht.
Schweinsohren, gebacken.
Sauber geputzte Schweinsohren wer
den in Salzwasser weich gekocht, zwi
schen zwei Brettchen oder Deckeln eine
Stunde gepreßt, in geschlagenem Ei
und geriebener Semmel umgekehrt, in
heißem Schmalz gebacken und als Bei
lage zu verschiedenen Gemüsen, wie
Erbsen, Kohl, Spinat, Kraut, gege
ben. Paßt auch gut als Abendplatte
zu gemischtem Salat.
G'ibackeneKartoffeln. Ge
schälte, gewaschene, rohe Kartoffeln
werden inScheiben, Streifen oder Ach
teln'auf einem Tuche ausgebreitet und
mit einem reinen Tuche ganz trocken
getupft. Nun gibt man sie partien
weise in siedendes Backfett und backt sie
unter öfterem Umschütteln schön hoch
gelb. Mit feinem Salz bestreut, so
fort servirt, sind sie eine köstliche Bei
gabe zu jeder Art von Fleisch Mit
Sauce. Das Fett kann auf diese
Weise mehrmals benutzt werden.
Tr! senet (Weinschnitten). Eine
kalte, süße Speise sehr einfacher Art,
welche sich gut nach einem Thee, vor
der Fleifchplatte, eignet. Man nimmt
feine, runde Zwiebäcke, leat sie auf eine
flache, runde Schüssel ooer Compo-
bestreut sie ein wenig mit feinem
Zimmet und gießt versüßten, starken
Wein darunter, so daß die Brötchen
ganz vollgesogen sind. Man kann dem
Wein beliebig Citronen-, Erdbeer-
oder Himbeersaft beimischen, was ent
schieden schmackhafter ist. Vor dem
Auftragen schiftet man noch etwa»
von dem Wein daran, aber nicht zu
viel. Sie muß, so einfach die Speise
an und für sich ist, mit Aufmerksam
keit bereitet werden zu hart darf
das Trifenet ebenso wenig, wie brei
artig weich sein.
Kartoffelnudeln. Ein tie
fer Teller voll Kartoffeln, vier Eier»
vier Löffel Sahne oder Milch, vier
Löffel geschmolzene Butter und Salz.
Die geriebenen Kartoffeln legt man
auf ein Küchenbrett, gibt etwas Mehl
und das Uebrige dazu, knetet es und
formt lange Kartoffelbällchen, die man
in Salzwasser kocht, nach 8 bis 10
Minuten auf einen Durchschlag schüt
tet und schnell in steigender Butter
brät.
Gleichviel- oder Gleich
schwerkuchen. Man nimmt drei
Eier, ebenso viel schwer Zucker, Butter
und Mehl. Das Gelbe der Eier wird
mit dem Zucker schaumig gerührt.
Hierauf kommt die indessen flüssig ge
machte Butter in die Masse und nach
und nach das Mehl. Ein Beigeschmack'
von Vanille oder die abge-iebene
Schale einer halben Citrone schmeckt
sehr fein. Zuletzt kommt der Schaum
der drei Eiweiß dazu. Die> ziemlich
flüssige Masse wird in eine gut gebut
terte Form gegossen und flott gebacken.
Noch warm schneidet man den Kuchen
in zierliche, schräge Karo. Es ist ein
schnell und leicht zu bereitendes Nach
tischgebäck zum Wein.
Gebackene Kalbsfüße. Die
Kalbsfüße werden gereinigt, gewa
schen und in gesalzenem Wasser weich
gekocht, alsdann die Knochen ausge
löst.da? Fleisch in einen dicken Pfann
kuchenteig getaucht und in heißem
Schmalz goldgelb herausgebacken.
Gibt man mit grünem Salat.
Offenherzig. Patientin:
.Sie sind der einzige Arzt, der mir
rathet, hier zu bleiben! alle Ihre
College» sind dafür, daß ich in'S Bad
gehe!" Arzt: „Ja, die haben auch
jedenfalls mehr Patienten wie ich!"
Diskret. Fräulein: „Schrift
stellern Sie auch, Herr Lieutenant?"
Lieutenant: „Mache bloß Romans
schreib» sie aber nicht nieder!" 3