Im BHM»lljiltzWs (17. Fortsetzung.) Da plötzlich hörte man das rasche Heranrollen eines Wagens, der auf das Haus zulenkte und vor der Ein gangsthüre hielt. Bernheimer sprang auf das Trottoir. Er kam allein. Ma dame de Saint-Maurice stürzte ihm verzweifelnd entgegen, laufend, wie sie seit zwanzig Jahren nicht gelaufen war. Aber Bernheimer war so rasch die Treppe heraufgesprungen, daß sie sich im Vorzimmer trafen. Sie streckte Frage wagte sie nicht. „Beruhigen Sie sich, er lebt!" rief er ihr zu. Die Erschütterung der alten Dame war so groß, daß sie zu Boden gesun ken wäre, wenn Bernheimer sie nicht gestützt hätte. Sobald die Anspannung der Ungewißheit sie nicht mehr aufrecht erhielt, verließen sie ihre Kräfte. In derselben Sekunde war sie sich ihrer neu hohen gothischen Lehnstuhl zurück gelehnt, begann sie fassungslos zu schluchzen. „O, mein Gott, welches Glück! O, mein Gott!" Aber Bernheimers Züge blieben fin fter. „Verwundet? Wieso? Und wo?" „In der Brust!" men können; sie hat wahrscheinlich die Rippen gestreift und sich im Rücken eingebohrt.... ganz nahe, ach vielleicht zu nahe der Wirbelsäule...." bestürzt, „O, mein „Dies allein ist das Besorgnißerre gciidei der zerschmetterte Arm hat nichts zu bedeuten." „Nichts zu beveuten! Großer Gott, nichts zu bedeuten!" nein Ausdruck des Hasses in dem lei chenblassen Gesicht, der bei der sonst so harmlosen Frau in Erstaunen setzen „O, der... der ist todt!" Madame de Saint-Maurice faltete die Hände: „Gott ist gerecht!" sagte sie leise. flogen ihre Gedanken in weite, unbe stimmte Ferne» zu der, die so trostlose Trummer hinter sich zurückgelassen hatte. „Jetzt aber, meine theure, liebe Freundin, dürfen wir keinen Moment mehr verlieren.... denken wir vor Allem an unfern armen Verwundeten. Er leidet furchtbar." „O, Sie haben recht... verzeihen Sie mir!" Und sie erhob sich hastig von ihrem Stuhle, und mit einer Lebhaftigkeit, wie sie Niemand noch an ihr warzuneh men Gelegenheit gehabt hatte, eilte Madame4e Saint-Maurice, ihre Be fehle zu ertheilen. Eine Viertelstunde später wurde das große Hofthor des Ploecne'schen Hau ses weit ausgerissen, um einem häßli chen Möbelwagen Einlaß zu geben. Neben einem Kutscher, der mit einer blauen Blouse und einer Hasenfell mütze bekleidet war, saß der Admiral Negnaud. In einer Sekunde war er vom Bocke gesprungen, und als das ganze Dienstpersonal des Hauses sich angstvoll und neugierig in den Hof drängte, runzelte der alte Seebär die Stirne, blies die Backen auf, zog, was seine Offiziere sein Sturmwettergesicht nannten, und rief mit einer Stimme, die keine Widerrede zuließ: „Her mit dem Kammerdiener, einem Lackeien und dem Portier zum Tragen der Matratze! Alle andern linksumkehrt, aber gleich!" Die gaffende Dienerschaft stob aus einander, während der Chirurg, ein schöner, kraftvoller Mann mit schwar zem Spitzbart, von dem Wagen her- Bernheimer eilte ihm ent gegen. „Wie steht es mit dem Verwunde ten?" forschte der Bankier besorgt. „Er hat das Bewußtsein verloren," erwiderte Doktor Pelicier. „Die Er mattung war größer als seine Ener gie. Wir müssen ihn unverzüglich ins Haus brinqen." „Anzes.ißt!" befahl der Admiral. Die Stricke, welche die Matratze hielten, wurden losgebunden und Rai mond auf der schief heruntergeschla genen Rückseite des Wagens herabze den Hüften. Ohne die beruhigende Gegenversicherung des Arztes, hätt« man Ploerne für todt halte« können. 112 Mit der größten Behutsamkeit trugen die sechs Männer den Verwundeten die Treppe hinauf, um ihm auch den leise sten Stoß zu ersparen, und legten ihn in dem für ihn bestimmten Zimmer mit der Matratze aus de» Fußboden. Madame de Saint-Maurice, die mit Entsetzen diesen traurigen Vorgän gen gefolgt war, hatte sich an's Kamin geflüchtet und betrachtete mit schre ckensstarren, weit aufgesperrten Augen ihren Neffen, seine Träger, die rothen Flecken des Verbandes, außer Stande sich zu rühren, unfähig ein Wort zu sprechen. „Legt Ihn mir in die Mitte des Zimmers." befahl der Chirurg. „Da wird's am besten für ihn sein." Dann kniete er neben dem Verwun deten nieder, befeuchtete ihm die Schlä fen mit kölnischem Wasser und lich ihn Riechsalz einathmen. Eine leichte Röthe zeigte sich aus Raimonds Wan gen. Er öffnete die Augen, schaute um sich, erkannte sein Zimmer, seine Freunde und in ihrer Ecke Madame de Saint-Maurice. Mit einer Kopsbe wegung, der sie nicht zu widerstehen vermochte, rief er die arme Frau an sein Schmerzenslager. Sie stieß einen Klagelaut aus und sank neben ihm zu Boden, indem sie stammelnd flüsterte: „Mein armes Kind, mein liebesKind!" Er fand die Kraft, ihr zuzulächeln, zog feine unverletzte Hand unter der Decke hervor und reichte sie ihr hin. Sie bedeckte sie mit Küssen. Da wurde sie vom Boden aufgehoben, während sie Sie nicht bleiben. Es wird eine schwere Operation absetzen. Raimond hat Sie gesehen: er weiß, daß Sie da der alten Dame mit einem Blick auf den berühmten Arzt; „da kommt die Genesung in's Haus. Wenn unser ge liebter Äranker noch zu retten ist. so wird ihn sicher Professor Rameau Als sie in Madame de Saint-Mau rices Zimmer angelangt waren, bot Bernheimer alles auf, um die geprüsic Frau zu beruhigen und abzulenken. erte, die durch die banae Stille, die kaum von Zeit zu Zeit durch einen leisen Schritt oder das Oessnen und Schließen einer Thüre unterbrochen wurde, endlos zu sein schien. Er sah, wie Madame de Saint-Maurice am ganzen Körper zitterte, wie sie ge spannt hinlauschte, wie sie von ihren gräßlichen Gedanken nicht abzulenken war. Da wagte er es. ihr von ihrer Tochter zu sprechen. Und in diesem Punkte zeigte diese so unbedeutende Frau, die nie einen eigenen Willen ge habt hatte und deren einzige Sorge die um ihre Gesundheit gewesen war. eine Unabhängigkeit des Geistes «nd des Gefühles, die den Bankier auf's äußerste überraschte: „Sie sehen, wcis diese Unglückselige durch ihre Thor heit angerichtet hat....ihr Gatte liegt im Sterben; ein anderer Mann, fast ebenso schuldig, wie sie selbst, ist todt ....Und anstatt ihre Verirrungen zu bereuen und den Versuch zu machen, sie durch Demuth und Entsagung zu sühnen, ist sie fort und fährt in der Welt umher....dahin haben sie ihr Leichtsinn, ihre Koketterie und ihr Egoismus grführt. O, auch ich habe meinen Theil der Verantwortung an ihren Vergehen. Ich war zu schwach und nachsichtig gegen sie, und meine Liebe für sie hat mich blind gegen ihre Fehler gemacht. Sie war so schön, so sanft, und schien so gut....Aber ich Platz ist hier bei diesem armen, un glücklichen jungen Mann, dem ich von Herzen zugethan bin. Zwischen ihm und Lhdia schwanke ich keinen Augen blick. Ich kenne die Undankbare nicht mehr....lch werde vor den Augen der Welt dem Gatten eine moralische Stütze sein; das ist leider alles, was ich thun kann, um ihn für die Leiden zu entschädigen, deren meine Tochter ihm mehr als zu viel bereitet hat!.... Wenn Raimond mich in seinem Hause behalten will, wenn ihm meine Gegen wart nicht zu peinlich ist, dann werde ich an seiner Seite leben." Sie unterbrach sich, machte eine ver zweifelte Handbewegung und mit halberstickter Stimme fügte sie hinzu: „Ach, ich schmiede Pläne! Weiß ic^ Fuße folgte. Auf feinem Gesichte war ein Ausdruck vonßeruhigung zu lesen. „Die Aerzte haben die Kugel soeben herausgezogen," sagte er voll Genug thuung. „Damit ist sehr viel erreicht; sie hatte sich gegen die Hüfte gesenkt und war auf sehr gefährlichem Wege eingedrunaen. Aber Rameau ver „Welches Glück!" trotz der starten Blutverluste...." ihm?" „Man legt ihm den Arm in einen Verband, der ihn bis zur vollständigen Zusammenheilung unbeweglich macht." „Darf man zu ihm in's Zimmer?" fragte Bernheimer. „Ja wohl. Ploi?rne verlangte so gar nach Jhneit." „Lassen Sie mich hinein!" bat Ma dame de Saint-Maurice. „O, gnädige Frau, ich beschwöre Sie, keine Aufregung für den Ver wundeten; nur ruhige Menschen dür fen um ihu sein....Sein Leben hängt davon ab." „Ich will nur durch die Thürspalte hindurch sehen." gestreckt, mit geschlossenen Augen, als schliefe er. Gelöste und geröthete Bin den lagen unordentlich umher, auf dem Boden stand eine Schüssel voll blutigen Wassers, und auf dem Tische ein Kasten mit schreckenerregenden In strumenten, während ein durchdrin gender Geruch >»? n Karbol und Jodo form die Luft erfüllte. Hinter dem herabgelassenen Rouleau war das Fenster halb geöffnet. Vor hem Ka mine zog Rameau eben seine Man schetten an, während er mit seinem jungen Kollegen flüsterte. Bernheimer näherte sich mit lautlosen Schritten dem Bette. Da schlug der Verwun dete die Augen auf und richtete seinen trüben Blick auf den Bankier. Er erkannte ihn und fragte mit kaum hörbarer Stimme: „Bernheimer....das Comptoir?" Eine schwere Sorge prägte sich in den Zügen des Kranken aus. Unter all seinen Schmerzen und trotz seiner Schwäche, verfolgte ihn der Gedanke an seine finanzielle Verantwortlichkeit. „Aengstigen Sie sich darüber nicht," erwiderte ihm Bernheimer; „ich stehe für alles....Jhre Verbindlichkeiten wer den glatt abgewickelt werden...Jch habe dafür schon die nöthigen Schritte ge than." Ein Freudenstrahl flog über das bleiche Gesicht Raimonds und er flü sterte: ..Danke!" „Denken Sie nur an Ihre Gene sung....Sie haben gute Freunde und eine zärtliche Mutter...." Bei diesen Worten, die ihm Lydia in's Gedächtniß zurückriefen, zog Rai mond die Augenbrauen zusammen, er wurde noch um einen Schatten blasser und Schweißtropfen perlten ihm über die Stirn. „Sie regen mir meinen Kranken auf", warf da Doktor Pelicier da zwischen, indem er Bernheimer am Arm faßte und ihn mit zu Rameau hinüberzog, der eben nach seinem Hute K"sf- . . - „Herr de Ploerne darf nicht cmein gelassen werden," sagte der große Arzt. „Aber man darf ihn auch nicht ermüden. Wer wird bei ihm wachen? Seine Schwiegermutter?" „O, keinesfalls !...Später, wenn er außer Gefahr ist. Könnte ich nicht bei ihm bleiben?" „Wenn Sie wollen....Aber die Börse?" „O, die Börse wird auch einmal ohne mich fertig werden können, eben sogut wie Ihr Spital sich heute früh ohne Sie behelfen mußte. Sie haben Ihre Assistenten, ich meine Sekretäre." Rameau drückte dem Bankier die Hand, grüßte Madame de Saint- Maurice und entfernt« sich mit den Worten: „Um sechs Uhr werde ich wie der nachsehen." Der Tag verlief sehr schlecht, das Fieber nahm zu und quälte den Kran ken sehr. Er rührte sich nicht, denn er war so schwach, daß er außer Stande war. die leiseste Bewegung zu machen. Aber sein Gesicht war pupurroth und sein gepreßter Athem kam pfeifend aus der Kehle hervor. Trotz des Verbots der Aerzte hatte sich Madame de St. Maurice in Raimonds Zimmer ein quartirt. Sie faß zu Füßen feines Bettes und schaute wortlos, voll zärt lichen Mitleids auf den Kranken. Er hatte sie wohl erkannt, und als sie ihm einmal einen Löffel seiner Arznei eingab, hatte er seine Lippen auf die Hand der alten Frau gedrückt, die hatte Madame de Saint-Maurice an's Kamin verbannt und ihren Platz zu Füßen des Bettes eingenommen. So „Wollen Sie vielleicht einen Assi- Ich habe, was wir brauchen; etwas Besseres kann «S gar nicht geben." „So bin ich es zufrieden. Auf Wie derschen morgen früh." zog Madame de Saint-Maurice bei seite: „Die Aerzte halten eine Pflege rin für unbedingt nöthig und haben mich beauftragt, eine zu besorgen Bleiben Sie, bis zu meiner Rückkehr, bei dem Verwundeten." Ohne irgend eine weitere Aufklä rung zu geben, verließ Bernheimer das Zimmer. Sein Wagen wartete seit dem Morgen vor der Thüre. Er stieg ein, nachdem er dem Kutscher befohlen, ihn nach dem Kloster der Passionsdamen zu fahren, denn er wollte sein Mündel holen. Ganz plötzlich war ihm der Ge danke gekommen, Raimonds Leben Therese anzuvertrauen. „Niemand wird ihn besser Pflegen können als sie," dachte er, während er in rasender Eile ver RueSaintJacques zurollte. „Nach dem ihn ein Teufel von Weib fast ge mordet hat, soll ihn dieser Engel ret ten. Wird sie mir aber folgen wollen? Wenn sie sich weigerte, wäre sie nicht das bcwunderswerthe Mädchen, das sie ist. Und würde sie noch so entsetzlich darunter leiden, ich bin trotzdem über zeugt, daß sie die Aufgabe, die ich ihr zugedacht habe, nicht zurückweist." Der Wagen hielt vor dem großen Thor. Er stieg aus und zog die Glocke. Aber schon im Zimmer der Pförtnerin stieß er auf eine Schwierigkeit: die fest gesetzte Zeit zum Besuch der Pensionä rinnen war vorbei. Er solle den näch sten Tag von zwölf Uhr ab wiederkom men. Bernheimer ließ sich indeß nicht so rasch entmuthigen. Er verlangte die Oberin zu sprechen. Zweites Hin derniß: Die Oberin wohnte gerade der Messe bei und durfte unter keinen Um ständen gestört werden. In dreiviertel Stunden erst verließ sie die Kapelle, um sich jedoch sofort von da in den Speisesaal zu begeben, wo sie das Mahl der Nonnen überwachte. Bernheimer, der sich in dem Netze der strengen Vorschriften verwickelt sah, versuchte es mit einem letzten Mit tel. Er betonte, daß es sich »m Leben oder Sterben eines Menschen handle; es sei unbedingt nothwendig, daß er Sekunde, beim Herauskommen aus der Kapelle spreche. Er wolle, wenn es sein müsse, in. Hose warten. Sein entfchlos brach herein, und in dem so vertrauten Raume, der setzt aber in Hast vollstän dige Dunkelheit gehüllt war, überfiel Samuel eine tiefe Traurigkeit. Leiser Glockenton erschallte, bei dessen Klang er zitternd bangte. Er dacht?, daß gerte, der Verwundete sterben würde. Da endlich ward die Thüre geöffnet, die Oberin trat ein, von einer Schwe- Stinime. „Die Zeit drängt; ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich kurz fassen wollten." In wenig Worten erklärte Bernhei mer. wer er war, und setzte ihr die Dringlichkeit seines Auftrags ausein ander, indem er hinzufügte, daß Fräu lein Letourneur von ihrer Tante ver langt werde. Die Oberin hörte ihn, ohne eine Miene zu verziehen, an. „Nachdem ich bereits gegen die Klo sterregeln verstoßen habe, indem ich Sie jetzt empfing, will ich Ihnen auch nicht versagen, Fräulein Letourneur zu sprechen. Was Sie wünschen, ist sehr anerkennenswerth. Der Zweck un serer Klostergemeinschaft ist, den Be drängten zu helfen und den Kranken beizustehen. Wenn Sie mich um eine Schwester zur Pflege Ihres Kranken gebeten hätten, könnte ich Ihnen sofort jedoch ist ihre eigene Herrin; wir müs sen sie daher befragen. Sie allein kann über sich verfügen. Ich werde sie Ihnen hierher schicken." „Was gibt es denn, lieber Pathe?" fragte Erzählen der Einzelheiten verlieren, und muß Dir das Wichtigste sofort sagen. Du hast doch Muth, nicht wahr? Man kann mit Dir ohne Schonung „Er ist todt?" ganz erschöpft. Man muß bei dem ar, men Jungen die Nacht hindurch wa chen; sein Leben hängt von der Sorg falt ab. mit der er gepflegt wird. Die Aufmerksamkeit und Verantwortlich keit, die dies erfordert, kann man von keinem Bediensteten verlangen; ich habe daher sofort an Dich gedacht." Therese hatte Bernheimer mit Er staunen angehört. Mit ein paar Wor ten drückte sie ihren ganzen Gedanken gang aus: „Und seine Frau? Lydia?" Samuel senkte den Blick zu Boden: „Sie ist nicht da." „Fort von ihm?" .Ja." „Die Unglückselige!' Die Erregung schnürte ihr die Kehle zusammen; sie holte schwer Athem, sie ihre Augen ernst auf ihm ruhen ließ: „Sie haben recht daran gethan, mich zu holen. Machen wir uns sofort auf den Weg." „Du liebes, gutes Kind, ich war Deiner sicher," und er drückte sie an sein Herz, aber sie wand sich los: „Ver lieren wir keinen Moment." „Muß Du Einiges mitnehmen?" „Nur meinen Mantel. Morgen wer de ich holen lassen, was ich brauche. Gehen Sie einstweilen in den Hof hin unter und warten Sie da auf mich; Sie entfernten sich, er durch das Vorzimmer, sie durch die innere Thüre. Er war kaum unten angelangt, als er auch schon in der Dunkelheit Therese auftauchen sah. Sie trug das Gewand der Novizen und hatte die Flügelhaube auf dem Kopfe; ein großer grauer Mantel umhüllte ihre zarte Gestalt. Sie zeigte der Pförtnerin ihren Er laubnißschein und trat mit ihrem Pa then auf die Straße. Im Wagen er zählte ihr Samuel die traurigen Vor gänge, welche die blutige Lösung her beigeführt hatten. Er mußte Einzel heiten weglassen, aus Schonung für die Unschuld des reinen Mädchens. Aber sie kannte Lydias Verderbtheit zur Genüge, um sich selbst die Lücken in ihres Pathen Erzählung auszu füllen. „Das Alles habe ich längst erwartet. Ich sah voraus, daß sie Raimond un- Jhn aufklären? Wie konnte ich das? Da hätte ich sofort das Unglück her beigeführt, das ich fürchtete, und es die Wahrheit aufgedeckt hätte." „Da hast Du lieber den Verdacht auf Dich genommen, hast Dich beschul hätte Samuel vieles zu erwidern ge habt. Es schien ihm jedoch klüger, jetzt noch zu schweigen. Der Wagen hielt vor dem Hause in der Rue de Rembrandt. Sie traten hinein und stiegen die Treppe hinauf. Hier kam ihnen schon Madame de Saint-Maurice entgegen, die ihre Nichte mit ausgebreiteten Armen em pfing. Therese erwiderte die Küsse der guten Frau mit inniger Herzlichkeit, aber ihr erstes Wort galt dem Kran ken. i „Wie geht es ihm?" „Nicht gut. Er hat furchtbares Fie ber; ich glaube, er phanlasirt ein we nig." „Führt mich zu ihm!" In dem durch eine Nachtlampe schwach erleuchteten Zimmer lag Rai mond noch immer regungslos auf dem Bette. Die Stirnadern waren ihm angeschwollen, und sein Gesicht war von der Gluth des Fiebers verzerrt. Er Aber es war ihre Art nicht, sich lan ge gehen zu lassen. Sie raffte sich auf, und entschlossenen Muthes besprach sie wärtig zu sein. Um Kraft für die Nacht zu sammeln, ließ sich Therese bewegen, mit Frau de Saint-Maurice und Bernheimer schon halb neun Uhr, und sie blieben nur >urz bei Tisch« sitzen. Um zehn Uhr befand sich Therese allein im Krankenzimmer, wo sie sich zu Füßen des Bettes niederließ. Lange hatte sie gebetet und hingebend Gott ihr Leben für das von Raimond anoe boten. Die erste Hälfte der Nacht verlief ohne Störung, und das Aussehen des Verwundeten veränderte sich nicht. Doch begann er laut zu phantasiren; der Trank, den ihm Therese regelmä ßig eingab, schien seine beruhigende Wirkung auf ihn zu verfehlen. Von der Erinnerung an den schrecklichen Zweikampf verfolgt, wiederholte er in turz abgerissenen Sätzen dessen tragi schen Verlauf, und Therese schauderte davor zurück, als sähe sie das entsetzli che Drama sich in Wirtlichkeit vor ihr abspielen. Sie erfuhr auf diese Weise, daß Ro quiere, seines Schlusses sicher, sofort auf das gegebene Zeichen hin losge drückt und seinen Gegner niedergestreckt hatte. Sie sah dann im Geiste Ploer ne, blutbefleckt, den rechten Arm schlaff herabhängend, sich mit einer äußersten Anstrengung seines Willens noch ein mal vom Boden erheben, sah ihn die Pistole in die linke Hand nehmen, bis zur ausgesteckten Grenze vorschreiten, und in der Ueberzeugung, daß er selbst sterben mußte, mit einer fürchterlichen Entschlossenheit Lydias Geliebten eine Kugel durch den Kopf jagen. Sie hör te den Schreckensschrei des Verwunde ten, hörte sein Gestöhn und dann sein Frohlocken über den Sieg. Dann allmählich vergaß der Kranke in seinen Phantasien das Duell, um nur noch an die zu denken, welche die Veranlassung dazu gewesen war. Und der Name seiner Frau kam ihm immer und immer wieder über die Lippen, bald kosend, bald drohend. Er rief sie mit sanfter Stimme und sprach ihr von seiner Liebe; dann überschüttete er sie mit flehentlichen Bitten, Vorwürfen und Beschimpfungen. Therese fühlte sich tief unglücklich bei diesen Ausbrü chen seiner Leidenschaft, die allein noch das Leben in dem Sterbenden zurückzu halten schien, und die sich in ihrer Schwäche wie in ihrer Heftigkeit als unausrottbar zeigte. Nicht ein einzi ges Mal kam ihr eigner Name über feine Lippen. Er hatte sie vergessen; sie existirte nicht mehr für ihn. Lydia, immer nur Lydia, nichts außer Lydia Und in der Stille der Nacht, sicher, von Niemand gehört noch gesehen zu werden, erleichterte Therese ihr gequäl tes Herz und brach in fassungsloses Schluchzen aus. Während sie ihre Ru he wieder zu gewinnen versuchte, das Gesicht in den Händen vergraben, hörte sie Raimond leise fragen: „Wer weint Mit starren Blicken strengte er sich an, durch die Dunkelheit zu erkennen, was um ihn vorging. Therese erhob sich von ihrem Stuhle, trat auf den Kranken zu und reichte ihm den Tranks der ihm Beruhigung bringen sollte. Er trank, faßte jedoch währenddem »ach dem weiten Aermel des jungen Mädchens und hielt sie so zurück, in dem er wiederholte: „Warum weinen Sie, Schwester?" Sie antwortete nicht, aus Furcht, er möchte sie an ihrer Stimme erkennen und dadurch in noch größere Aufre gung und in eine neue Krise verfallen. Da richtete er sich mit einem schweren Seufzer ein wenig in die Höhe und murmelte so leise, daß sie es kaum ver stehen konnte: „Wer anders sollte um mich weinen, als Therese?" Mit einer raschen Bewegung machte sie sich von ihm los, kam aber dabei so zu stehen, daß der volle Schein der Nachtlampe auf ihr Gesicht fiel. Raimond stieß einen Schrei aus und sagte: „Du bist es also, Therese! Ge wiß; jetzt kannst Du ja wiederkommen, da sie nicht mehr da ist. Therese, arme Therese! Ich habe Dich verdächtigt, habe Dich gequält! O, verzeihe mir!" Sie schwieg und er fuhr in wachsen der Erregung fort: „Bist auch Du nur ein Phantom wie die, welche ich noch Du hast Mitleid mit mir. Wenn Du weichen. Therese, habe Erbarmen mit mir! Antworte mir doch! Bist Du es wirklich? Oder habe ich nur, wie vor- D ' Kl t^ Ich bin schuld, daß Du in's Kloster gingst. Versprich mir, daß Du nicht mehr dahin zurückkehren wirst... Siehst „Ich werde Sie nicht verlassen, seien Sie unbesorgt... und Sie werden ge nesen." „Genesen vielleicht, aber vergessen... vergessen... O, Therese, wie bin ich un glücklich!" Die Thränen rollten ihm die fie bernden Wangen herab. Das junge Mädchen wischte ihm in mütterlich zärtlicher Sorgfalt mit einem duften den Tuche über'S Gesicht, schüttelte ihm die Kopfkissen zurecht und sagte sanft lächelnd zu ihm: „Sie müssen aber jetzt schlafen, damit Ihre Aerzte morgen mit mir zufrieden sein kön nen." „Aber Du bleibst?" „Ja, wenn Sie recht folgsam sein wollen." (Fortsetzung und Schlich folgt.) Mr du Vilche. Bro t-S peise mit Aepfeln. stoßenem Zimmet und Nelken. Dann schneidet man geschälte Aepsel, auS welchen man das Kerngehäuse gesto nirt sie eine Stunde mit Zucker, ge stoßenem Zimmet und Rum. Nun streicht man eine tiefe Eierkuchen pfanne recht fett mit Butter aus, be legt sie fingerdick mit dem geriebenen Brote und legt die Aepfelscheiben nebst gereinigten Rosinen in guter Ordnung Ganze etwa drei Viertel Stunden in guter Ofenhitze, stürzt dann die Speise geschickt auf eine Schüssel und bestreut Schinkenpastete. Man macht aus einem Pfund Mehl, zwei Unzen Butter, einem Ei und einem Pint fau fünf verklopfte Eier, ein halbes Pint Sahne, Muskat und Pfeffer darunter ken und so fort. Obenauf muß eine Teigplatte sein. Man backe dies in guter Hitze eine Stunde lang und stürze es. Ragout von Hammel fleisch. Das in kleine, viereckige Stücke geschnittene und gewaschene Fleisch wird in kochendes Wasser und Salz gelegt, abgeschäumt, mit Lor beerblättern, ganzem Pfeffer, Nelken, Zwiebeln und Dill (Fenchel) gewürzt. Hiermit wird daS Fleisch reichlich halb weich gekocht, dann das Fett von der Brühe entfernt und diese durch ein Sieb gegossen, mit in Butter geschwitz tem Mehl aufgekocht, das Fleisch nebst einigen Citronenscheiben, Perlzwie beln, eingemachten Gurken hineinge than und ferner gekocht. Schweinsohren, gebacken. Sauber geputzte Schweinsohren wer den in Salzwasser weich gekocht, zwi schen zwei Brettchen oder Deckeln eine Stunde gepreßt, in geschlagenem Ei und geriebener Semmel umgekehrt, in heißem Schmalz gebacken und als Bei lage zu verschiedenen Gemüsen, wie Erbsen, Kohl, Spinat, Kraut, gege ben. Paßt auch gut als Abendplatte zu gemischtem Salat. G'ibackeneKartoffeln. Ge schälte, gewaschene, rohe Kartoffeln werden inScheiben, Streifen oder Ach teln'auf einem Tuche ausgebreitet und mit einem reinen Tuche ganz trocken getupft. Nun gibt man sie partien weise in siedendes Backfett und backt sie unter öfterem Umschütteln schön hoch gelb. Mit feinem Salz bestreut, so fort servirt, sind sie eine köstliche Bei gabe zu jeder Art von Fleisch Mit Sauce. Das Fett kann auf diese Weise mehrmals benutzt werden. Tr! senet (Weinschnitten). Eine kalte, süße Speise sehr einfacher Art, welche sich gut nach einem Thee, vor der Fleifchplatte, eignet. Man nimmt feine, runde Zwiebäcke, leat sie auf eine flache, runde Schüssel ooer Compo- bestreut sie ein wenig mit feinem Zimmet und gießt versüßten, starken Wein darunter, so daß die Brötchen ganz vollgesogen sind. Man kann dem Wein beliebig Citronen-, Erdbeer- oder Himbeersaft beimischen, was ent schieden schmackhafter ist. Vor dem Auftragen schiftet man noch etwa» von dem Wein daran, aber nicht zu viel. Sie muß, so einfach die Speise an und für sich ist, mit Aufmerksam keit bereitet werden zu hart darf das Trifenet ebenso wenig, wie brei artig weich sein. Kartoffelnudeln. Ein tie fer Teller voll Kartoffeln, vier Eier» vier Löffel Sahne oder Milch, vier Löffel geschmolzene Butter und Salz. Die geriebenen Kartoffeln legt man auf ein Küchenbrett, gibt etwas Mehl und das Uebrige dazu, knetet es und formt lange Kartoffelbällchen, die man in Salzwasser kocht, nach 8 bis 10 Minuten auf einen Durchschlag schüt tet und schnell in steigender Butter brät. Gleichviel- oder Gleich schwerkuchen. Man nimmt drei Eier, ebenso viel schwer Zucker, Butter und Mehl. Das Gelbe der Eier wird mit dem Zucker schaumig gerührt. Hierauf kommt die indessen flüssig ge machte Butter in die Masse und nach und nach das Mehl. Ein Beigeschmack' von Vanille oder die abge-iebene Schale einer halben Citrone schmeckt sehr fein. Zuletzt kommt der Schaum der drei Eiweiß dazu. Die> ziemlich flüssige Masse wird in eine gut gebut terte Form gegossen und flott gebacken. Noch warm schneidet man den Kuchen in zierliche, schräge Karo. Es ist ein schnell und leicht zu bereitendes Nach tischgebäck zum Wein. Gebackene Kalbsfüße. Die Kalbsfüße werden gereinigt, gewa schen und in gesalzenem Wasser weich gekocht, alsdann die Knochen ausge löst.da? Fleisch in einen dicken Pfann kuchenteig getaucht und in heißem Schmalz goldgelb herausgebacken. Gibt man mit grünem Salat. Offenherzig. Patientin: .Sie sind der einzige Arzt, der mir rathet, hier zu bleiben! alle Ihre College» sind dafür, daß ich in'S Bad gehe!" Arzt: „Ja, die haben auch jedenfalls mehr Patienten wie ich!" Diskret. Fräulein: „Schrift stellern Sie auch, Herr Lieutenant?" Lieutenant: „Mache bloß Romans schreib» sie aber nicht nieder!" 3