Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, February 14, 1896, Page 3, Image 3

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    Im
MWWkzWz
(14. Fortsetzung.)
' Es war keine Übertreibung, was
er da lagte. Die reizende Gräfin zeig
te sich in jenem Momente in ei-
Atin Lichte, das ihm zu denken gab.
Eber/ noch war sie kalt, spöttisch ge
wesqr und ihr Zynismus hatte ihn in
Bestürzung versetzt. Plötzlich verlor sie
die Herrschaft über sich selbst, und jetzt
hielt er sie der größten Schandthaten
für fähig. Er wollte sie so weit als
möglich treiben, wollte ihre Fassungs
daher erst recht auf dem wunden
Punkt: „Sie sind gegen Ploerne ge
wiß sehr ungerecht, denn er ist ein so
anständiger Charakter, daß nichts an
ihm Ihren Zorn rechtfertigen kann."
Er fiel aber mit seiner List herein.
Lydia hatte sich wieder beruhigt und
lächelte nur bitter auf seine Bemer
kung.
„Sagen Sie mal, liebes Kind," be
mir denn nicht ein wenig das Recht
zu, Ihnen Moral zu p-edigen?"
„Sind Sie vielleicht zu diesem
Zweck hierhergekommen?"
„Nur deshalb."
„Ich dachte, Sie hätten weniger
selbstlose Absichten dabei im Auge.
„Spion! Welch häßliches Wort.
an, daß ich es gut mit Ihnen meine?
Ich wollte Ihnen eine weise Lehre zu
theil werden lassen. Bedenken Sie ein-
Zähnen halblaut hervorstieß: „Nun,
dann hätte er sich eben mit Roquiere
auseinandergesetzt."
umbringen zu lassen. Bernheimer hat
te sich unter dem Panzer der Sinnlich
keit in einem Winkel seines Gewissens
ein Nestchen menschlichen Gefühls be
wahrt. Noch am Abend zuvor hatte
Perfönchcn herumgehen, und so lange
man sich schon für sie interessirt, ist es
angebrachter, die Vertheidigung des
„Heute werden Sie ihn jedenfalls
nicht" sehen. Es ist jetzt halb vier Uhr...
Sie müszten ihm erst sine lange Er
klärung über ihr Ausbleiben geben;
Wagen wartet am andern Ende der
Straße... ich setze.Sie ab, wo Sie
wollen."
„Ach, Sie gutes Väterchen, Sie!"
rück-ugewinnen. da sie ihn erschreckt
zu haben fürchtete. Sie schlua daher
wieder einen liebenswürdig neckischen
„Und was soll ans dem armen Kerl
da drüben werden?" fragte sie la
chend.
von außen zugeschlagenen Thüre und
eines langsam, wie mit Widerstreben
die Treppe hinabsteigenden Schrittes.
Lydia und Bernheimer traten ans
Fenster und sahen, hinter einer Gar
dine verborgen, Maurice mit finsterer
Miene und gesenktem Kopfe, den Stock
unter dem Arm, das Trottoir ent
lang schleichen. Lydia drehte sich nach
Samuel um und sagte in scherzendem
Tone: „Armer Junge, er wird nie
wissen, welche Enttäuschung er Ih
nen verdankt."
„Hol ihn der Knckuck!... Jetzt kön
nen wir uns auch auf den Weg ma
chen."
Er führte die reizende junge Frau
an seine Equipage, mußte sich aber
eines anderen besonnen haben, denn
er stieg nicht mit ein. Während er den
Wagenschlag schloß, fragte er: „Wo
hin befehlen Sie?"
„Nach Hause. Kommen Sie denn
aber nicht mit?"
„Nein. Es ist besser nicht."
Der Wagen rollte davon und
Bernheimer entfernte sich nach der
Richtung der Champs Elyfees. Un
ausgesetzt grübelte er über die Szene,
die er zwischen Lydia und sich herbei
geführt hatte, nach, und nicht die ge
ringste Einzelheit war seinem Ge
wuthentstellles und gefährliches Weib
über Therese aufgenommen hatte. Die
alten Zweifel über die Aufrichtigkeit
der Klosterncigungen seines Pathen
daß zwischen den beiden Frauen ein
Geheimniß bestand, in das zweifellos
Ploerne mitverwickelt war.
Daß Raimowd irgend eine unred
liche oder schlechte Handlung begangen
haben sollte, daran konnte Bernheimer
ebensowenig glauben, als er es bei
Therese für möglich gehalten hätte.
Dieser gerade, offene Mann und das
über jeden Verdacht erhaben. So
konnte also nur die andre die Misse
thäterin sein? Denn wenn Lydia ihren
Mann so über alle Maßen haßte, so
mußte er sich über sie oder sie sich
Gewissen habe.
In seine Grübeleien versunken,
war er bis zur Ecke der Rue Boissy
d'AnglaS und der Avenue Gabriel
gelangt; er, der sonst nie zu Fuß ging,
pe seines Klubs blieb er einen Au
genblick nachdenklich stehen, dann
murmelet er entschlossen vor sich hin:
Saint Jacques!" Als er sich vor dem
Thore des Klosters absetzen, ließ,
schlug es eben fünf Uhr. Therese, die
ins Sprechzimmer gerufen worden
Wangen mit einem rosigen Hauch
gefärbt. Sie sah reizend unter ihrer
weißen Flügelhaube aus und bewegte
dem groben Wollkleide.
„Ich komme, liebes Kind," begann
Bernheimer, „um mich nach Deinem
Befinde» zu erkundigen und um zu
Wunsch hast. Du bist ja noch nicht
ganz von der Welt abgeschieden; soll
test Du irgend etwas bedürfen "
„Besten Dank, lieber Pathe; ich
brauche nichts und bin mit allem zu
frieden."
„So willst Du also in der Thai für
immer hier bleiben?"
„Gewiß, lieber Pathe."
„Genau genommen, hast Du eiaent-
Gegentheil, jedesmal, wenn er sie be
sucht hatte, war er eifrig bestrebt ge
wesen, sie von dem Schritt, ins Kloster
zu gehen, abzubringe«. Und jetzt gab
er ihr plötzlich recht und behauptete so
gar. daß sie einen weisen Entschluß
gefaßt habe! Welcher Grund konnte
ihn zu diesem Umschlag veranlassen?
Auf was wollte er sie vorbereiten?
Bei einem so überlegten Manne, wie
Bernheimer es war, hatte jedes
Wort seine Bedeutung. Sie erwiderte
fast wehmüthig: „Muß ich heute von
den Vortheilen eines freien Lebens
sprechen? Muß ich Sie mit der Welt
auszusöhnen versuchen? Was konnte
bei Ihnen eine solche Mißstimmung
hervorrufen?"
Er warf ihr einen sorgenschweren
Blick zu, dann sagte er ausweichend:
„Ach was! Es war unrecht von mir,
mich so gehen zu lassen. Warum soll
ich Dich beunruhigen? Beschäftigen
' wir uns lieber mit Deiner Person."
„Nein, lieber Pathe; ich möchte so
gern au Ihren Sorgen Theil neh
men."
fem Falle nicht versage."
„Ja, das ist wahr. Nun denn, liebe
Kleine, bete für Raimond, der nicht
tern und Thränen traten ihr in die
Augen. Trotzdem hatte sie die Wil
lenskraft, sich aufrecht zu erhalten;
nicht einmal ein Seufzer entrang sich
Bernheimer, und nur ihre Lippen be
wegten sich: sie betete. Samuel betrach
tete sie voll Rührung. Er hätte sie so
„Ja, siehst Du, das ist eine Ehe, in
»nd trotzdem er sich alle Mühe gibt,
ihr zu gefallen, ist sie doch nie zufrie
den und benimmt sich nicht so gegen
sie zu ruiniren, nur, um die Lebens
weise, die sie anspricht, zu führen,
denn er selbst hat nicht die geringste
sie keine Grenzen kennen.... nichts wird
sie vom Aeußersten zurückschrecken,
denn ich glaube nicht, daß sie irgend
Mann liebt sie nicht. Was soll dar
aus werden?"
Therese hatte alles, v'as ihr Bern
heimer mittheilte, wie im Traum
Bild Lydias mit den falschen, egoisti
schen, sinnlichen Zügen, wie sie aufla
chend ihr Flehen um Schonung für
sich und Raimond zurückgewiesen hat
te. All das Unheil, das Lydia anzu
richten imstande war, hatte sie auch
die Befriedigung ihrer weltlichen Be
gierden hatte sie nicht milder gestimmt,
!>ind selbst in ihrem Triumphe war sie
HM sie ihn!"
troffen hatte und daß, wenn das jun
ge Mädchen sich nicht von der Erre
gung des Moments zum Geständniß
verleiten ließ, sie nie gestehen würde.
rakter. Sie rang verzweifelt die Hän
de und brach in herzbrechendes
Schluchzen aus. „M«n Gott, mein
Gott!" stöhnte sie, aber sie gab lein
Wort der Erklärung. Bernheimer
machte noch einen äußersten Versuch,
so Schreckliches?"
„Ich kann es ja nicht sagen, ich darf
es nicht!" klagte das junge Mädchen,
indem es die Hände faltete und ab
„Hast Du Raimond nicht lieb?
Weißt Du, daß ein Wort von Dir
'ch d 112 'cht!"
„Willst Du warten, bis sie Rai
auch! Sie thun mir sehr weh. Sie se
hen doch, daß ich schweigen will. Frei
lich!.... Nein, nein, ich darf es nicht....
Sie mich in Frieden, mein lieber Pa
the. Und wenn Sie mich ein wenig lieb
Zch ahne, daß er vor einer schrecklichen
Gefahr steht, und sie wird ohne' Er
barmen gegen ihn vorgehen. Sie ken«
Ich habe Ihnen genug verrathen, um
Ihnen ein Bild davon zu geben, wie
sehr Lydia zu fürchten ist. Wenn Sie
die ganze Wahrheit kennen wollen,
wenden Sie sich an Herrn von Ploer
ne selbst. Er allein hat das Recht, Ih
nen mitzutheilen, was Ihnen noch
unbekannt ist. Wenn Sie ihn aber
ausfragen, seien Sie ja recht vorsich-
Hand, zog sie an sich und bat mit ei»
nein letzten Ueberredungsversuch!
„Therese, es wäre so viel
wenn Du mir alles selbst erzählen
wolltest."
„Nein, es ist unmöglich!" wieder
holte das junge Mädchen in bestimm
tem Tone. „Rechnen Sie nicht darauf
dem das Opfer gebracht ist!"
„So war Dein Eintritt ins Kloster
die Folge dieses geheimnisvollen Er
drückte ihm in großer Erregung die
Hand und verließ das Empfangszim
mer.
schloß er die Augen und versuchte die
Lücken dessen, was er schon gewußt
hatte, mit Therefes Mittheilungen
anszusülleil. Die feststehende Thatsa
che, daß Lydia Ploerne vernichten
wollte, überragte alles andre. Und
warum wollte sie das? Um „den an
dern" LU rächen. Wer war der andre,
wo und wann war er aufgetaucht?
Lebte er? War er t»dt? Ja, todt muß
te er sein, da es sich darum handelte,
ihn zu rächen. „Von der Hand Rai
inondS getödtet," wagte sich Bernhei
te er. Unter welchen Umständen? Zu
welcher Zeit, an welchem Ort und
aus welchen Gründen?
sichtig gehaltene gerichtliche Untersu
chung gefolgt, daß nie etwas darüber
in die Oeffentlichkeit hatte dringen
froh, nachdem sie einen ernsten Ver
weis von ihrem Chef erhalten hatten,
nicht weiter mit der Sache behelligt zu
ihn durch ihre Grazie und ihr bezau-i
berndes Wesen so verblendet hatte,
dak es in ihrer Nähe gar schlecht um
seinen Scharfsinn und seine Beobach
so gute Dienste geleistet hatte. Er sag
te sich: „Wenn sie ihre Heuchelei noch
ein wenig weiter getrieben und mir
eine Komödie der Reue aufgespielt
hätte, anstatt sich kühn zu demaski
ren, wäre ich jetzt hübsch angeführt
und beugte mich weiter unter ihrem
ncn Augen, ihre reizenden Zähne und
ihre so begehrenswerthe Gestalt. Da
gegen laßt sich eben nichts einwenden:
eine entzückende Frau ist und bleibt
sie! Ab! Wenn man schlecht sein woll
te. wie man sie jetzt dank ihrer Unvor
sichtigkeit zu allem brächte. Ja, schon
um meine Neutralität, geschweige
denn um meine Mithilfe zu bezahlen,
würde die schöne Gräfin sich willfäh
rig zeigen!
Es überlief ihn siedendheiß. Seine
ungezügelte Phantasie gaukelte ihm
verfühererische Bilder vor die Seele
»nd flüsterte ihm schlimme Rath
schläge ins Ohr: „Was geht Dich die
Tugend an! Das gute Recht, was ist
es Dir? Erkennst Du ein andres Ge
setz an, als den Erfolg? Die, welche
Erfolg haben, behalten stets recht.
Willst Du denn die Menschheit resor
miren? Alle Männer sind Tölpel und
alle Weiber sind nichts werth. Nur
Deine Wünsche sind das Wahre; das
Vergnügen ist das einzig Lohnende.
Ei, ei, Bernheimer, seit wann willst
Du denn aus der Moral Kapital
schlagen? Das wird Dich gereuen, und
Lydia wird Dich weidlich auslachen.
Denke doch an das Glück ihres Besi
tzes. Welche Freude! Und welche Ge
nugthuung für Deine Eitelkeit! Was
schert Dich de>: Mann, der eS nicht
verstanden hat, das herrliche Geschöpf
für sich zu gewinnen. Willst Du Dich
jetzt auf die Seite der Ehemänner stel
len, nachdem Du stets die Sache der
Fraaen geführt hast? Das wäre ja
recht komisch und gäbe Stoff genug
zum Lachen. Dieser Raimond ist doch
genau besehen ein Einfaltspinsel, und
was Therese anbelangt...."
Die Erinnerung an sein Pathenkind
verscheuchte sofort die verführerischen
Bilder, die Samuels Phantasie auf
reizten. „Sie ist noch gefährlicher, als
ich dachte, diese Lydia," sagte er sich,
„wenn schon der Gedanke an ihre
Schönheit genügt, meine Entschlüsse
ins Wanken zu bringen. Aufgepaßt.
AlterKerl! Nimm Dich zusammen und
mache Deine Sache gut! Meine arme
kleine Therese hat es ja gesagt: Sie
ist ein Ungeheuer. Lassen wir daher
keine Minute unnütz verstreichen, und
damit ich vor allem einmal weiß, woi
ran ich bin. muß ich Ploerne auszu
holen versuchen."
Neuntes Kapitel.
Seit sich Bernheimer vom Comp
toir zurückgezogen hatte, waren die
Aktien mehr als je in die Höhe gegan
gen. Man hätte glauben können, daß
er allein der großartigen Hausse im
trachtete sich als frei, seitdem er durch
Herzog, einen luxemburgischen Finan
zier, ersetzt worden war, und folgte
neugierig den verschiedenen Phasen
des Kampfes zwischen der Haute-Fi
nance und den großen aristiokratischen
Taktgefühl nicht an dem Kampfe. Den
Krach setzte er übrigens als unaus
bleiblich voraus, und mit dem ihm
besonders eignen Spürsinn, der ihn
noch nie im Stiche gelassen hatte,
fühlte er das Herannahen der Baisse.
Die Regierung begann sich ernstlich
über den Niedergang der Rente und
der Eisenbahnobligationen zu ängsti
gen und in den Besitzern der siegrei
chen Werthpapiere Feinde zu sehen,
weshalb auch sie sich an dem Kampfe
betheiligte. Sie wollte mit einem
Schlag ihre Gegner vernichten, indem
sie die neue Gründung ruinirte. Die
Was jedoch Bernheimer beunruhig
te, flößte im Gegentheil den Aktionä
ren erst recht Vertrauen ein. Je län-
Woche wurden Vermögen gemacht und
verloren, je nachdem sich die Speku
lanten aus Hausse oder Baisse einge
zu wollen. Diejenigen, die ihr ganzes
Kapital in das Unternehmen gesteckt
hatten »nd von den glänzenden Re-
Die A»sreg»ng ging durch
alle Schichten der Gesellschaft, und
die so mächtige Haute-Finance kam
ins Wanken. Man erzählte sich von
den Verlusten des Syndikats, das ge
gen das Comptoir zusammengetreten
war und schon dreimal sein Kapital
hatte erneuern müssen, Verluste, die
sich auf Millionen beliefen. Endlich
brach an der Börse eine Panik aus.
Die Vernünftigsten und Erfahrensten,
geriethen, verloren den Kopf, verän
derten ihr Spiel und fpekulirten auf
Baisse, um sich für den Fall eines Un
glücks sicher zu stellen.
Nur Bernheimer, der täglich an der
unberührt. Seinen Freunden, die ihn
um Rath fragten, gab er stets dieselbe
Antwort: „Seid vorsichtig, macht «u
-ren Gewinn, wenn ihr einen habt, zu
Geld und rührt keine Hand mehr jin
der Sache." Lydias Aktien hatte er
verkauft und eine Million zweimal
hunderttanfend Franken dafür erlöst.
Er band die Banknoten in ein Paket
zusammen, kaufte eine hübsche Kasset
te. verschloß darin das enorme Bündel
Papiere und fuhr nach der Rue Rem
brandt.
Er hatte die Gräfin seit jenem ver
unglückten Rendezvous mit Roquiere.
und Ploerne seit einer Woche nicht
mehr gesehen, und wünschte daher
sehr, sie und vor allem Raimond zu
Hause anzutreffen. Lydia empfing
ihn, halb ausgestreckt auf der Chaise
longue liegend, in ihrem kleinen Sa-
IL». Während sie ihm die .Hand hin-
tisch an und fragte in kindlichem To
ne: „Ist es aus mit unserer Freund
schaft? Fühlt Ihr Herz nichts mehr
für mich?"
Ach, welche Macht sie noch über ihn
hatte! Wie er noch unter dem Wohl
laut ihrer Stimme und unter der
Zärtlichkeit ihres Blickes erbebte. Er
mußte sich innerlich einen Ruck ge
ben, um nicht wieder ihrem gefährli
chen Zauber zu unterliegen. Trotzdem
erwiderte er mit erkünstelter Gutmü
thigkeit: „Wieso kommen Sie auf ei
nen solchen Verdacht? Womit habe ich
ihn verdient?"
„Sie sind heute so kalt gegen mich.
Sam. O, versuchen Sie nicht erst zu
leugnen. Ich lasse mich nicht täuschen
und weiß ganz wohl, ob man mich
liebt ode; nicht."
Er that beleidigt.
„Es würde mir ja doch nichts nü
tzen. wenn ich Sie liebte!"
„Das kann man nicht wissen. Sie
haben nicht genug Geduld, lieber
Sam."
„Dazu hat man auch in meinem
Alter keine Zeit mehr."
~Jn Ihrem Alter? Was für ein
unglaublicher Heuchler Sie sind! Ich
bin aber doch wenigstens noch jung?"
Aus den letzten Worten fühlte er
eine gegen sich gerichtete Spitze durch,
die ihn in seinem wundesten Punkt:
traf, und mit gerunzelten Brauen ent
gegnete er: „Ja, noch sehr jung, in der
ThaU"
Kosten bin ich bei ihc nicht gekommen.
Spielen wir wenigstens den Tugend
samen!"
Schoßt
„Jetzt, wo ich Ihnen nicht einniul
mehr werde dienlich sein können," fag-
Das ist ja recht nett!"
Laut sagte er: „Seien Sie nicht zu
vertrauensselig. Nichts kommt einem
schönen Gewinn gleich, den man sicher
in seiner Kasse eingeschlossen hatt. Sie
-erfreuen sich eines solchen Gewinnes;
setzen Sie ihn nicht mehr auf's Spiel."
Er hatte sich erhoben, um sich zu
verabschieden. Da überkam sie die
Furcht, er möchte beleidigt fortgehen,
stand von ihrer Chaiselongue auf,
trat auf ihn zu und sagte mit ein
schmeichelnder Stimme: „Wir wollen
lieber nicht mehr von Geschäften spre
chen, nicht wahr? Diese abscheulichen
Zahlen werfen ihre Schatten über al
les. Seien Sie doch ein wenig liebens
würdig und zeigen Sie mir nicht nur
Ihr Börsengesicht, das ich nicht leiden
kann. Geben Sie sich ein wenig Mühe,
mir zu gefallen."
„Ich habe alles aufgeboten, was in
meinen Kräften steht, und verzweifle
vollständig am Erfolg."
„Sie haben Ihren muthlosen Tag
heute."
„Nein, meinen klugen Tag."
„Und was rief diese Klugheit in's
Leben?"
Lydia runzelte die Brauen, denn
sie war nicht an Widerstand gewöhnt,
wie ihn ihr Bernheimer zu bieten wag
te. Sie war innerlich empört über ihn
und wurde wieder so abweisend und
kalt, wie in dem Augenblick, wo sie
ihm als Dank für ihr Vermögen vor
geworfen hatte, daß sie durch fein-
Schuld eine Einbuße erleide. Er
fühlte sich gekränkt, während sie unge
halten über ihn war, und so schieden
sie mit fast feindseligen Gefühlen von
einander. Kaum aber hatte der Ban
kier die Thüre hinter sich geschlossen,
als Lydia sich keinen Zwana mehr an
that und in ein höhnisches Lachen aus
„Alter Dummkopf!" murmelte sie.
„Wenn ich nur wollte, mit einer einzi
gen Handbewegung hätte ich dich wie
der zu meinen Füßen. Aber ich hilbe
ja ans dir herausgeholt, was ich woll
te—für den Moment wenigstens...Hin
Vermögen...das ist es in der That,
und jetzt brauche ich für die Zukunft
keine Angst mehr zu haben."
Sie öffnete die Kassette, zählte die
Banknoten und verschloß alles in ih
rem Schreibtisch.
Als Bernheimer aus Lydias Sa
lon trat, fragte er. ob Ploerne zu
Hause sei, und auf die bejahende Ant
wort des Dieners begab er sich zu hem
Grafen, der schreibend an einem Tische
saß. Er erhob sich lebhaft, als er sei
nes Besuches ansichtig wurde, und be
grüßte ihn freudig.
(Fortsetzung folgt.)
Mr die Kiiche.
Kartoffelschmarn. Sech?
gekochte Kartoffeln werden gerleben
»nd durchgeseiht. Nun rührt man ei
nen gehäuften Kochlöffel voll Mehl
mit ein wenig Milch an, gibt drei
Eier, ein Stück abgerührte Butter und
ein wenig Salz daran, mengt es unter
einander, gibt es zu dem Kartoffel
mehl, mit welchem man es gut mischt
und backt die Masse wie die übrigen
»Schwärn. —.Gibt man zu verschiede
nen Braten.
Kalbsschnitzel. Aus dem
Kalbsschlegel schneidet man fingerdicke
und dreifingerbreite Schnitzel, klopft
dieselben, salzt und pfeffert sie auf
beiden Seiten, taucht sie in zerlassene
Butter oder verrührtes Ei und dann
in Semmelmehl ein »nd bratet sie in
einer Pfanne mit heißem Schmalz auf
beiden Seiten goldbraun. Man rich
tet sie mit dem gebratenen Fett an,
drückt nach Geschmack Citronensaft
darauf und streut nach Belieben sein
gewiegte Citronenschale auf dieselben.
Will man ein kurzes Saucechen dazu
haben, so gibt man ein wenig Fleisch
brühe mit Citronensaft daran, läßt es
aufkochen und richtet mit der Sauce
an. Werden mit Salat zu Tische
getragen.
Austern-Fritters. Drei
Unzen Mehl werden in eine Schüssel
gesiebt und dazu wird eine Prise Salz
gegebrn. Dann gibt man ein Eigelb
und einen halben Eßlöffel feines Oel
hinein, mischt dies so viel als thunlich
und fügt dann so viel lauwarmes
Wasser dazu, daß das Ganze eine
cri'-meartige Masse giebt, welche man
eine volle Stunde bis zum Gebrauch
stehen läßt, worauf das Weiße des
Eies zu steifem Schnee geschlagen und
dazu gemischt wird. Die Auster»
werden von den Bärten befreit, aus
einem Tuch trocken ablaufen lassen,
und auf einer Platte mit Pfeffer und
Salz bestreut. Dann träufelt man
etwas Citronensaft über sie hin. In
die obige Cröme-Mafse wird etwas
gehackte Petersilie gemischt, jede Auster
wird darin gewälzt und dann in
Schmalz goldbraun gebraten. Beim
Anrichten werden Citronenviertel und
gehackte Petersilie nebenher gereicht
Kraftbrühe (JuS.) Rinds-
und Kalbsknochen werden klein zu
sammengehackt, Leber und etwas saf
tiges Rindfleisch in kleine Stückchen
geschnitten und das ganze in einem
und läßt es wieder dünsten, um die
Kraft aus den Knochen völlig heraus
zuziehen. Wenn es braun geworden
Saure Suppe (Asp i k). Man
inan die Brühe unter öfterm Umrüh
ren gehörig abschäumt, so lange, bis
die Knochen aus einander fallen, schüt
läßt die Brühe über Nacht an einem
kühlen Orte stehen. Hierauf nimmt
man mit einem Löffel das Fett völlig
ab, setzt den Stand mit Petersilie- und
Selleriewurzel, Lauch (Porree), gelber
Rübe, einer kleineren Zwiebel mit zwei
Nelken besteckt, mit der Schalt und
nach Belieben auch ein halbes Pint
Wein auf das Feuer, kocht alles gut
durch, schüttet es durch ein Haarsieb
gut und rührt sie nebst den verkleiner
ten Eierschalen hinein, stellt daS
Ganze abermals auf das Feuer »nd
rührt es bis zum Kochen, stellt eS eine
Viertelstunde am Herd auf die Seite
nochmals hindurch, indem man eine
andere Schüssel unterstellt, und läßt
es nun völlig durchlaufen. Ist die
Sülze nicht ganz hell, so muß man
noch einmal mit Eiern klären und
dann siltriren. Man verwendet
saure Sülze nicht allein zu
gen bei Platten mit kaltem Ausschuß
italienischem Salat und so weiter, WW
dem man sie in Formen gießt, erkalten
läßt und stürzt, sondern sie bildet auch
die Grundlage zu verschiedenen gesulz
ten Fleischspeisen und Fischen. Sollte
die Sülze beim Stürzen sich nicht von
der Form lösen, fo taucht man diese
einen Augenblick in heißes Waller.
Ochsenschwanz. Der Ochsen
schwanz wird rein gewaschen und an
den einzelnen Gliedern durchgeschnit
ten. Die Stücke werden mit einer
Zwiebel, in welche zwei Nelken gesteckt
sind, einer gelben Rübe, Petersilie, ei
nem Lorbeerblatt, mehreren Pfeffer
körnern und Salz, nebst Wasser in
einem Tiegel zugesetzt, zugedeckt und
indem man noch Wasser, wenn nöthig,
zugießt, weich gedämpft. Nun macht
man ein braunes Einbrenn, füllt mit
der Brühe, in welcher der Ochsen
schwanz gekocht wurde, auf, gibt, etwa»
Essig daran, läßt es aufkochen und
rührt es in die Sauce, gibt noch ein
Gläschen Wein dazu, kocht alles zu
sammen noch eine Viertelstunde und
richtet mit Semmelklößen od« Kar»
toffeln «n. I. i 3