Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, February 07, 1896, Page 2, Image 2

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    2 Bange Sargen.
> Wer nicht weiß, was es heißt, in
Ibanger Sorge um dieses oder jenes
theure Wesen, die unserem Herzen
nahe stehen, zu zittern, ob nun die
Bande des Blutes oder jene der
Freundschaft uns mit denselben ver
binde», der allein ist arm in des Wor
tes vollster Deutung, denn er steht
allein, selbst wenn ihn vielleicht ein
großer Kreis Angehöriger umringt.
Wer wüßte nicht, daß es der Sorgen
gar vielerlei im Leben gibt, und es
läU sich nicht in Abrede stellen, daß
mit zunehmender Civilisation und mit
«rweiterten Lebensanschaüunaen sich
dieselben mehren! In sir guieii, cu
welche, wenn wir sie auch jetzt
im verklärenden Lichte des „Gewese
nen" betrachten, doch ihre Schattensei
ten gehabt hat, lebte man ruhiger unh
sorgenloser, weil der Kampf um das
tägliche Dasein lange nicht so ent
wickelt war, wie heute; speciell die
Frau wurde von diesem wenig oder
gar nicht berührt. In der stillenHäus
lichkeit spiekke sich ihr Leben ab, sie
Menschen selbst schassen, läßt sich mit
Thatkraft und ernstem Willen, bis zu
macht sich dasselbe von frühester Ju
gend an auch noch so unauffällig be
merkbar, so ist es doch die Aufgabe der
Mutter, dieses Talent an das Tages
licht zu ziehen, es nach besten Kräften
zu entwickeln und zu fördern, jedes
Opfer für dessen Ausbildung zu brin
gen. Ich spreche nicht nur von jenen
Kindern, welche nach aller menschlichen
Voraussicht von Jugend auf dazu ver
anlagt sind, sich ihren eigenen Weg zu
bahnen, sondern von dem Kinde im
Allgemeinen.
Ein wenig Klavier spielen, ein we
nig Sprache sprechen, ein wenig Hand
arbeiten anfertigen, das hat keinen
Sinn, man bleibt dabei halb gebildet,
ist zu nichts Tüchtigem zu brauchen
und kann sich im Falle der Noth auch
nicht sein Brot verdienen; wurde man
aber in irgend einem Berufszweig, zu
dem man Lust und Liebe hat, was im
mer es auch sei, tüchtig herangebildet,
dann braucht man der Zukunft nicht
mit Sorge entgegen zu blicken. Wie
sich auch die pekuniären Verhältnisse
der Familie gestalten mögen, man
wird sich seinen eigenen Weg bahnen
können, was man lernt, das soll man
gründlich lernen, man soll auch den
Ehrgeiz besitzen, die höchste Stufenlei
ter der Vollkommenheit in dem Fache
erreichen zu wollen, welches man sich
einmal vorgesteckt hat. Abgesehen da
von, daß das Bewußtsein der eigenen
Erwerbsfähigkeit dem Mädchen eine
gewisse Sicherheit und Befriedigung
gewähren muß, abgesehen davon, daß
dieses Bewußtsein im schlimmsten
Falle die nagende Sorge von ihrer
Schwelle bannt, hat dasselbe auch noch
eine andere Lichtseite, es reift und
stählt den Charakter, lenkt ihn ab von
jenen hirnlosen Tändeleien, welche das
Leben so mancher Frau ausfüllen, die
„Ichs". Ist das Mädchen zum Weibe
herangereift, gestalten sich die Verhält
nisse so günstig, daß es einem wohl
so ist es ein Glück für sie, und es fäll!
schnöden Lohn arbeite, wenn sie es
nicht muß, aber das Bewußtsein, es
zu können im Falle der Noth, ist eine
rerseits bedacht sein, auch die Kinder,
denen sie das Leben schenkt, zu wapp
nen und zu- stählen, tüchtig und lei
stungsfähig zu machen zum eigenen
Glücke und zum Wohle der Gesammt
heit.
Zu viel verlangt. Ach,
lieber Mann, laß doch den Doktor
setzen lassen! Das fehlte mir gerade
noch! Du hast Deinen Willen Dein
Leben lang gehabt und jetzt willst Du
Bankier Rosenbaum: „Was haben Sir
gesagt? Die Vase soll nicht sein echt?
Hat se doch mein Moritzche selbst mit
gebracht aus Majolika!"
Zweideutig. Assessor:
„Neulich war ich -in der Stadt, wo ich
als Student ein flottes Leben geführt
nüchtern geworden!"
Ein Kenner. Theatekdirec
tor (zu einer Schauspielerin): „Also
«ine Lösung des Contractes wünschen
Sie, weil Sie sich mit dem Herrn Z.
verheirathen wollen. Nun, ich rathe
Ihnen, vorläufig blos Urlaub zu neh
men."
Offenherzig. „Nun,
Männchen, wai hat Dir denn bei dem
l'eutigen Mittagessen, das ich Dir ge
mocht hab«, am besten geschmeckt?"
»Der Senf!" -
Selbstsucht.
Eine Roniailstudic von Jeronie K, Jcrome.
Sagte Brown eines Abends. „Es
gibt nur ein Laster, und das ist
Selbst?u cht."
Jephson stand vor dem Kamin und
steckte seine Pseise an. Er setzte den
Tabak in Brand, man das Gchwesel
holz in die Asche und sagte danit:
„Und auch der Same aller Tugend."
„Setz' dich hin und mach' dich an
jetzt über den Roman. Paradorien
sind der Geschäftsstunden un
tersagt."
JepbsSn dagegen, war in doktrinärer
Cmnmung.
„Selbstsucht," fuhr er fort, „ist nur
ein anderer Nam« für den Willen.
Jede That, die wir begehen gute
oder böse ist durch Selbstsucht ver
anlaßt. Wir sind barmherzig, um uns
einen guten Platz in der anderen Welt
zu sichern, und in dieser in gutem Rufe
zu stehen, um unsere eigene Mißstim
mung über Leiden, von denen wir
hören, zn stillen. Ter Eine ist frennd
lich, weil es ihm Bergnttgen macht,
freundlich zu sein, ebenso wie ein An
derer grausam ist, weil ihm Grausam
kett Spaß macht. Ein großer Mann
thut seine Pflicht, weil ihm das Be
wußtsein erfüllter Pflicht innigeres Be
hagen verursacht >ls das ä->les
»i<-n>« ohne Pflichterfüllung. Ter
religiöse Mensch ist religiös, weil ihm
die Religion Spaß, macht, der mora
lische Mensch moralisch, weil ihm bei
seiner ausgeprägten Selbstgefälligkeit
Ausschweisung Uebelbefinden bedeuten
wurde. Sogar die Selbstaufopferung
ist nichts als verschmitzter Egoismus'
wir ziehen die seelische Exaltation der
sinnlichen Befriedigung vor, die der
entgegengesetzte Lohn wäre. Ter
Mensch kann gar nicht anders als selbst,
süchtig sein. Tie Selbstsucht ist das
Gesetz allen Lebens Jedes Ding von
dem entferntesten Fixstern bis zum
kleinsten Insekt, das auf der Erde
kriecht und seinen Kräften entsprechend
den Kampf nms Tasein führt; und
über dem All brütend schasst der Ewige
Seinetwegen: so sieht das Uni
versum aus."
„Gieße dir ein Glas Whiskey ein,"
meinte MacShaughnaffv; „und sei
nicht so fürchterlich inetaphhstsch. Ich
kriege Kopfweh davon."
„Wenn jede böse oder gute Handlung
aus der Selbstsucht entspringt," er
widerte Brown, „dann muß es böse
und gute Selbstsucht geben: und ist deine
Selbstsucht eine böse Selbstsucht, so
Und so sind wir wieder da angelangt,
von wo wir ausgegangen. Ich sage,
Selbstsucht böse Selbstsucht ist die
Wurzel alles Uebels, und das mußl Du
mir zugeben."
„Nicht immer," behauptete Jephson
hartnäckig: „ich habe Selbstsucht kennen
gelernt—Selbstsucht in dem gewöhn
lichen Sinne deS Wortes —die gute
Handlungen hervorbrachte. Ich kann
euch ein Beispiel geben, wenn ihr
wollt."
„Hat es eine Mm-al?" fragte Mac-
Shaughnassy schläfrig.
Jephson überlegte einen Moment.
„Ja," sagte er schließlich; „eine höchst
praktische Moral—eine, die jungen
Leuten sehr nützlich sein kann."
„Solche Geschichte thut uns noth,"
sagte Mac-Shanghnassy und brachte sich
in eine sitzende Stellung. „Da mußt
Du zuhören. Brown."
Jephson setzte sich auf einen Stuhl in
seiner Lieblingsstellung, die Ellbogen
aus die Lehne gestützt, und rauchte
schweigend eine Weile vor sich hin.
„Drei Menschen," sagte er, „spielen
in dieser Geschichte mit; die Frau, der
Mann von der Frau und der andere
Mann. In den meisten Dramen die
ses Genres ist die Frau der Haupt
charakter. Hier aber ist der andere
Mann die interessante Figur.
„Die Frau ich bin ihr einmal de
ich je gesehen habe und zugleich hatte sie
den bösesten Blick. Das will in beiden
Beziehungen viel sagen. Ich erinnere
mich, daß ich einst, auf einer Wander
schaft, zu einem allerliebsten kleinen
Landhaus kam. Es war der denkbar
netteste Platz. Ich brauche es nicht zu
beschreiben. Es war ein Landhäuschen,
wie man eS auf Bildern sieht, wie man
sie aus sentimental»!! Gedichte» kennt.
Ich lehnte mich über die sorgsam ge
stutzte Hecke und genoß die Schönheit
des Anblicks, als ich aus einmal unter
dem niederen Dache ein Gesicht austau
chen sah, das nach mir ausschaute. Es
blieb nur einen Augenblick sichtbar,
aber in demselben Augenblick war die
Hütte häßlich geworden, und ich machte,
daß ich sortkam.
mich an den Borfall. ES war ein En
gelSantlitz so lange, bis die Fran selbst
daraus hervorsah: dann war man von
der seltsamen Mißstimmung zwischen
Behausung und Bewohner betroffen.
Taß sie irgendwann einmal ihren
Mann geliebt hatte, bezweifle ich nicht.
Lasterhafte Franen haben gewöhnlich
ihrer eigenen Schönheit nnd gesellschaft
lichen Vorzüge wurde ihr Haus der
Sain.nclplap der angelsächs!>chcn Gc
sellschast, die fortwährend in der SIM
wcchiclte. Die Franen konnten sie
nicht leiden und kopjrten sie deshalb.
inen waren, wie Narren. Sie lachte
ihnen ins Gesicht und persislirte sie
hinter ihrem Rücken. Ihre Freunde
nannte» das geistreich.
In einem Jahre erschien ein jpnger
Englischer Ingenieur ans her Bildfläche,
der' tr'genö welche Ka»ai-A»la»en zu
beaufsichtigen hatte. Er brachte be
achtenSwerthe Empfehlungsschreiben mit
und wurde von der europäischen Gesell-
Glied ausgenomnien. Er hatte kein be
sonders glückliches Aeußere, war nicht
sonderlich anziehend, besaß pher das
Eine, dem wenige Frauen widerstehen
können, Kraft. Die Frau sah nach
dem Mann, und der Mann sah nach
der Fran, und das Drama nahm seinen
Ansang.
Skandal durchfliegt wie ei» Lauf
feuer beschränkte Gesellschaftskreise.
Noch ehe ein Monat um war, bildeten
ihre Beziehungen den Hauptgesprächs
stoff in dem ganzen Stadtviertel. In
weniger als zwei Monaten kam di«
Sache dem Gatten der Frau zu Ohren.
Er war, je nachdem man es ansieht,
entweder ein außerordentlich gemeiner,
oder ein außerordentlich edler Charakter.
Er betete seine Frau an —wie Männer
mit großem Herzen und schwachem Kopf
öfters solche Frauen anbeten mit der
Ergebenheit eines Hundes. Seine ein
zige Furcht war die, daß der Skandal
so anwüchse, daß er gezwungen würde, '
davon Notiz zu nehmen, und so Schmach
unk Leiden über die Frau kämen, für
die er sein Leben gelassen hätt«. Daß
ein Mann, der sie sah, sie liebte, schien
ihm natürlich; daß sie seiner selbst über
drüssig geworden, erstaunte ihn nicht.
Er war ihr dankbar, daß sie ihn einst
eine kurze Zeit lang geliebt hatte.
Was den andern Mann anbelangt,
so war er dem Stadtgeilatsch ein Räth
sel. Er versuchte nicht, die Sache ge
heim zu halten; wenn er etwas ver
suchte, war es seine Niederlage oder
seine Eroberung zur Schap zu tragen ;
es war in der That schwer zu entschei
den, wie man es Er
ritt und suhr mit ihr aus, er besuchte
sie öffentlich und privatim (soweit man
von privatem Zusammensein in einem
erfüllt ist). Er überschüttete sie mit
im Schluchzen erzitterte. „Komm'
dicht zu >M und sag! es mir noch ein
mal !"
Wenn sie dann mit halbgeschlosse
nen Augen dalag, stieß er eine Fluth
leidenschaftlicher Worte hervor, die
selbst ihre durstigen Ohren zu befrie
brochen hatte.
Eines Tages richtete ein intimer
Freund frei heraus die Frage an ihn,
Frau hegt, di« sich nicht klar darüber
werden kann, ob si« ihn liebt oder nicht,
so nennen wir diese Complieation eine
Komödie: wenn aber die Frau es ernst
meint, ist der Ausgang gewöhnlich ein
tragischer.
Sie fuhren sort sich zu sehen und
In solchem Spiel der Einbildungs
krast verließ sich der Mann hauptsäch
lich aus seine literarischen Fähigkeiten,j
Danach sollte sich die Gcselljchaj! j"
einem Picknick an einem hübschen be
waldeten Plätzchen, das etwa dreiviertel
Steilen von der ersten Schleuse entfernt
war, versammeln.
Die Ceremonie deS Wasserhinein
lassens sollte von der Frau, die ihres
Gatten Stellung zu dieser Auszeichnung
berechtigte ausgeführt werden. Zwi
schen dem Fluß und dem Kanalansang
war eine große Sandbank gelassen, die
durch eine Röhrenleitung durchstochen
war und diese Röhrenleitung war
durch eine feste Stahlplatte geschlossen.
Die Frau zog an dem Hebel, der diese
Platte zurück zog, und das Wasser
stürzte durch und fing an, sich gegen
das Gitterwerk der Schleuse zu drän
gen. AIS es Vne gewisse Tiefe erreicht
uatte, wurden die ge
hoben, und das Awsser ergoß sich in
das tiefe Decken vor der Schleuse.
Es war eine besonders tiefe Schleuse.
Dii Gesellschaft sainnielte sich rings
herum und beobachtete das langsam
steigende Wasser. Die Frau sah hinun
ter und schauderte; der Mann stand
neben ihr.
„Wie tief das ist", sagte sie.
„Ja", antwortete er, „es saßt dreißig
Fuß Wasser, wenn es voll ist".
Das Wasser stieg zollweise höher.
„Warum öffnen Sie nicht die
Schleusenflügel und lassen es schnell
hinein?" fragte sie.
„Es würde nicht gut sein, wenn es
zu schnell hineinschösse", erklärte er;
„wir werden das Schleusenbassi» zur
thüren am anderen Ende öffnen und so
das Wasser durchfließen lassen."
Die Frau sah sich die blanken
Steinwände nnd die mit Eisen beschla
genen Schleusenthore an.
„Ich möchte wissen, was ein Mensch
thun würde," sagte sie, „der da hinein
siele, wenn Niemand in der Nähe wäre,
ihm zu helfen."
Der Mann lachte. „Ich glaube, er
würde da unten bleiben," sagte er.
„Komm, die Anderen warten auf
uns."
„Er zögerte noch einen Augenblick,
um den Arbeitern die letzten Anweisun
gen zu geben. „Ihr könnt nachkom
men, wenn Alles in Ordnung ist,"
sagte er, „und könnt Euch etwas zu es
sen holen. Mehr als Einer braucht
nicht hier zn bleiben." Tann holten
sie die übrige Gesellschaft ein nnd
„Nach dem Frühstück brach die Ge
üblich, auf; man wanderte gruppen
weise und zu Zweien. Ter Mann,
den seine Pflichten als Wirth bisher
ganz in Anspruch genommen hatten,
fort.
Ein Freund schlenderte vorbei, der
nämliche, der die Frage bezüglich Liebe
und Eitelkeit an ihn gerichtet hatte.
„Hast Du Dich mit ihr gezankt?"
sragte der Freund.
„Nein," erwiderte der Mann.
Ich dachte," sagte der Andere. „Ich
bin ihr eben begegnet; sie ging mit
ihrem Mann, von allen Männern aus
der Welt mit ihm ganz allein, und sie
that höchst liebenswürdig mit ihm."
Der Freund schlenderte langsam
weiter, und der Mann setzte sich aus
einen Baumstumpf und zündete sich
eine Cigarre an. Er ranchte uud sann
nach, und die Cigarre war zu Ende und
er saß noch immer da.
Nach einer Weile hörte er leises
Rascheln in den Zweigen hinter sich,
und als er durch die Blätter sah, sah er,
die geduckte Gestalt der Frau durch den
Wald kriechen.
Seine Lippen öffneten sich, ihren
Namen zu rufen, als sie den horchenden
Kops zu ihm hinwandte nnd sein Blick
ihr voll in's Gesicht fiel. Irgend et
was an ihr, er hätte nicht sagen können,
was, machte ihn verstummen, und die
Frau kroch weiter.
„Nach und nach nahmen die sein
Hirn durchkreuzenden nebelhaft unkla
ren Gedanken die Gestalt einer greif
baren Idee an, und der Mann schritt,
delll er ein paar Schritte gegangen
war, begann er plötzlich zu laufen,
denn die Idee hatte Klarheit gewonnen.
Sie wurde von Minute zu Minute ila
schneller, bis er zuletzt wie eiu Toller
aus die Schleuse zustürzte. Als er
dicht davor war, sah er sich nach dem
Arbeiter um. der dazusein hatte, aber
wäre in dein Rauschen des überstürzen
den Wasser» verklungen.
Er erreichte den Rand und sah hin
unter. Fünfzehn Fuß unter ihm
spielte sich in Wirklichkeit die furchtbare
Vision ab, die er eine Meile entfernt in
den Wälder» gehabt hatte; der Mann
der Frau schwamm rund herum wie
eine Ratte in einem Regenfaß.
Der Fluß strömte gleich stark in
das Schleufenbassin hinein nnd heraus,
so daß die Oberfläche des Wassers gleich
hoch blieb. Das Erste, was der Mann
that, war, die untere Schleuse zu schlie
ßen und dann die obere soweit eS ging,
zu öffnen. Das Wasser sing an zu
steigen.
„Können Sie sich noch halten?" rief
er hinunter.
Der ertrinkende Mann wandte ihm
ein Gesicht zn, das von dem Todes
kampf und der Erschöpfung verzerrt
war, nnd antwortete hauchend „Nein."
Er sah sich nach etwas um, was er
ihm zuwerfen könnte. Am Morgen
hatte ein Stück Holz dagelegen, er er
innerte sich, daß er darüber gestolpert
war und sich beschioert halte, daß eS
dort liegen geblieben wäre; jetzt
fluchte er seinen Ordnungssinn.
Etwa zweihundert Meter entfernt
stand eine Hütte zum Gebrauch der
Schiffsleute, die ihr Werkzeug dort
ausbewahrteu vielleicht war es dorthin!
vielleicht war da so
gar ein Strick zu finden.
„Nur einen Augenblick, alter Junge!"!
rief er hinunter, „ich bin gleich wieder
da."
Aber der Andere hörte ihn nicht
mehr. Sein schwaches Ringen hörte
auf. Das Gesicht fiel aus das Wasser
zurück, die Augen waren halb geschlos
sen in mlider Apathie. Es blieb Jenem
nichts übrig, als seine Reitstiefeln ab
zuwerfen, hineinzuspringen nnd den
htwußtlofen Körper im Sinken zu
fassen- ~ , h ,
mit dem Tode um das Leben, das zwi
ichen ihm IM» der Frau stand. Er war
kein besonders gewandter Schwimmer,
seine Kleider binderten ihn. er war von
dem langen Laufen bereits ermattet,
die Last i» seinen Armen zog ihn hin
unter, das Wasser stieg so langsam,
daß seine Qualen Dante's Hölle wür
dig erschienen.
Zunächst konnte er nicht verstehen,
wie es zuging, aber als er hinunter
blickte, sah er zu seinem Entsetzen, daß
er die unteren Schleusen nicht vollstän
dig geschlossen hatte. Jede einzelne
stand etwa acht oder zehn so
bereits sehr schwachen Athem nnd seine
Stimme tönte nur in hundertfältigem
Echo von seinen Gefängnißniauern
zurück.
Zoll für Zoll schlich der feuchte
Strich an der Mauer höher, aber mit
sMer Hkrast ging es schneller abwärts,
ES kam Ihm vor, als ob sein Inneres
zerrissen und langsam herausgezerrt
würde; sein ganzer Körper lehnte sich
gegen ihn auf und schrie: laßlknch sin
ken und still auf dem Grunde ruhen.
Schließlich tkat seine bewußtlose
Bürde die Augen aus und starrte ihn
verdutzt an und schloß sie dann wieder
mit einem Seufzer; eine Minnte spä
ter öffneten sie sich noch einmal und
blickten ihn lange und scharf an.
„Lasten Sie mich los,' sagte er, wir
gehen sonst Beide unter. Sorgen Sie
für sich selber."
Er machte einen schwache» Versuch,
sich loszumachen, aber der Andere hielt
ihn fest.
„Halten Sie sich ruhig, Sie Narr!"
zischte er ihm zu; „entweder werden
Sie mit mir gerettet, oder ich gehe mit
Ihnen unter."
So setzte sich der grimme Kampf
schweigend fort, bis der Mann, als er
aufblickte, den Stein ganz dicht über
seinem Kopf aufragen sah. Er machte
einen waghalsigen Sprung, berührte
ihn mit seinen Fingerspitzen, hielt sich
einen Augenblick in der Schwebe und
sank. Kam zum zweiten Mal hoch und
traft des hestigen Schuffes beim Auf
steigen faßte er den vorspringenden
Stein diesmal mit allen Fingern und
blieb hängen, bis seine Augen den Ra
sen erblicken tonnten, bis sie beide im
ser sie leise umspülte.
Nach einer Weile standen sie auf und
sahen sich an.
„Ein tüchtiges 'Stück Arbeit", sagte
gefallen war? Sie haben wohl meine
Frau getroffen?"
„Ja", sagte der andere Mann.
Ter Gatte saß da und starrte eine
Weile auf einen Punkt am Horizont.
„Wissen Sie, was mich morgen be
schäftigt?" sagte er.
„Nein," sagte der andere Mann.
„Ob ich Sie umbringen sollte oder
nicht?"
„Mir ist," fnhr er nach einer Weile
fort, „eine Menge albernes Geschwätz
zu Ohren gekommen, und ich war ein
fältig genüg, dem Glauben zu schenken.
Ich weiß nun, daß es nicht wahr war,
weil na, wenn es sich so verhielte,
hätten Sie nicht so gehandelt, wie Sie
gehandelt haben."
Er stand auf und trat auf ihn zu.
„Ich bitte Sie um Verzeihung," sagte
er und reichte ihm die Hand hin.
„Ich bitte Sie um Verzeihung,"
sagte der andere Mann, stand auf und
ergriff sie: „wollen Sie so gut sein,
mir bei den Schleusen behilflich zu
sein?"
Sie machten sich daran, die Schleuse
wieder zu regnliren.
„Wie kam es denn, daß Sie hinein
sielen?" sragte der andere Mann und
zog das untere Schleusengitter in die
Höhe, ohne auszusehen.
Ter Gatte zögerte, als ob ihm die
Ertlärung schwer würde. „Ach," sagte
obenhin, „meine Frau und ich
Lachen „sie versprach mir einen
„na, einen Knß, wenn ich eS fertig
brächte. ES war thöricht von mir."
Hand. „WaS kann ich mehr sagen,
als Ihnen danken?" sagte sie mit leiser
Stimme.
„Die Andern entfernten sich und sie
blieben allein. „Ich habe gehört, daß
Du Dein Lebenaus'« Spiel gesetzt hast,
um ihn z» retten?" sagte sie.
„Ja," war seine Antwort.
Sie sah zu ihm aus und schlug ihn
dann mit der bloße» Hand in's Gesicht.
„Wahnwitziger Narr, Sie!" zischelte
sie-
Er hielt ihrx weißen Arme sest und
zwang sie hinter die Orangenbäume zu-
Sie verlangten, daß ich Sie heirathcte
und weil in Anbetracht des Geschwätzes,
das über uns vmgcht, ich es schwer
hätte vermeiden können; weil ich sürch
tete, daß, wenn er nicht nzehr zwischen
uns stände, Sie mir lästig werden
könnten—vielleicht zwischen mich und
das Weib treten würde», das ich liebe,
sie, zu der ich jetzt zurückkehre. Ver
stehen Sie mich nun?"
~Ja," sagte die Frau, und er ging.
„Aber es gibt nur zwei Menschen auf
der Welt," so schloß Jephson, „die es
nicht für außerordentlich edel und
selbstlos halten, daß er dem Gatten das
Leben gerettet hat, u«d die sind er selbst
und die Frau."
Wörtlich geuommen.
Er war BäckerMjAer und zwar ei
ner von der allerbesten Art. Er ver
theuerte das Brod wahrhaftig nicht!
So große Schrippen, wie bei ihm, gab
es im gefammten Stadtviertel nicht
wieder und seine Brezeln waren wegen
ihrer Fettleibigkeit geradezu berühmt.
Das hatte aber alles seinen natürli
chen Grund. Er bezahlte nämlich we
der seine Butter, noch auch sein Mehl,
und wenn die Lieferanten dann zuletzt
wirklich einmal klagbar wurden, so
war er schon stets anderswohin verzo
gen, hatte seine Bäckerei günstig ver-
das Geld «ingesteckt und war
unkündbar geworben.
Äas Mehlodrama fand somzt im
mer einen guten Abschluß, für ihn
selbst wenigstens, und die Butterhiinv
ler waren eben einfach angeschmiert,
wie das der Aerus mit einem so fetti
gen Artikel ja eben mit sich bringt.
In großen Städten find derartige
Vorkommnisse bekanntlich nichts Un
gewöhnliches. Leider, sage» die ehr
lichen Leute, kaufen die großen Schri
ppen aber doch gerne.
Indessen, er hätte die Schrippen
am liebsten noch viel, viel größer ge
macht, denn auf desto mehr Absatz
konnte er ja rechnen, wenn nur das
Holz, das verflixte Holz nicht so theuer
gewesen wäre. Auf diesen Artikel gibt
es nämlich keinen Kredit. Lange
sann und grübelte er, wie diesem Uebel
wohl abzuhelfen sei und schließlich war
sein Entschluß gefaßt: Als er nämlich
hatte, da miethete er sich eine neue in
dem Hause eines Holzhändlers selbst,
der einen kolossalen Vorrath von die
sem unentbehrlichen Artikel auf seinem
Hofe aufgestapelt hatte.
von mir?" „Selbstverständlich, selbst
seinen Kunden damit die riesigen
Schrippen herzustellen, ein Wohlthäter
der Menschheit, bis na, bis er end
machen Sie denn da? Sie nehmen ja
von meinem Holz!" „Na gewiß,
das haben wir ja verabredet!"
„Hm! Allerdings! Aber ohne jede
Aphorismen»
Bon A. Stier.
A-« neuem Stoff für die neue Zeit
Wirket der Kunst ein neues Kleid,
Nach neuem Schnitt, auf neue Art!
Doch Echtheit ihm und Schönheit
wahrt;
Bedenkt, daß jedem Volk und Land
Das Kleid der Kunst ein Festgewand!
Ein Licht, das machNg strahlt
Es blendet schwache Augen schnell;
Weshalb auch großer Meister Sünden
Anbeter und Nachahmer finden.
Aha! Köchm: „Gnädige Fra,u,
ich mußte wiederkommen, um Ihnen zu
sagen, daß ich «die Stelle bei Ihnen, doch
nicht annehmen, kann —" —Gnädige:
„Ach, in der Stadt, wohin Sie versetzt
sind, toiirde ich mich zu Tode fürchten,
die ist ja nicht 'mal militärisch be
setzt!"
Ja kann! „Kläger,-Sie
sind von dem Angeklagten an der Ehr«
geträwkt sind Sie gewillt, einen
Vergleich einzugehen?" „Nicht -um
die Welt!" „Er ist aber erbötig, ein
Opfer zu bringen!" „No wenn
er an Schnwps zahlt —"
Passend. Der Nazi ist so
eben vom Hausknecht des „Erzengel
Michael" an die frische Lust befördert
worden. Als er auf der Straße im
Schnee liegt, hält er folgenden Mono
log: „Die Wirthschaft Hot an rechten
passenden Namen! Der Wirth und sei
Hausknecht sind a poar «cht erzgrobe
Michel und seine Gast' lehrt er'»
Fliag'n wia d' Eng'l!"
Alte Komödienjettel.
Einen interessanten Beitrag zur Ge
schichte des deutsche» Schauspiels im
achtzehnte» Jahrhundert bildet eine in
der Braunschweiger Stadtbiüliothek be
findliche Sammlung alter Komv
dienzettel, von denen viele wohj
als einzig noch erhaltene bezeichnet wer
den könne». Theils gehören sie der
Zeit des Steareisspiels an, wo der spä
ter durch Lefting im Verein mit der
Schauspielerprinzipalin Karoline Neu
ber vertriebene Hanswurst die Bühne
noch beherrschte. Ter älteste Zettel der
Sammlung stammt aus dem Jahre
1710. Er lautet:
„Heute Mittwoch de» 12. August
werde» mit hoher Genehmigung die
Chlirsürstlich Braunschweig - Lünedur
gischen Hof-Comödianten (Hannover)
denen hohen Liebhabern von Theater
aktionen mit einer admirabeln Haupt
comödie unterthänigst aufwarten, und
wird dieselbe von uns betietelt
„Tie vorsichtige Tollheit"
„Arlequin der übel informierte Brief
träger."
Nach geendigter Hauptaktion soll
jedesmal eine lustige Nachcomödie den
Beschluß machen, genannt: „Arlequin
fzas lächerliche und possirliche Frauen
zimmer".
„Der Schauplatz ist auf dem Neuen-
Stadt-Rathhause, und wird präcis um
3 Uhr angefangen."
Der Zweitälteste Zettel ist vom 18.
September 1722. Er kündigt die
„Stama", oder die in einen Marmor
verliebte Prinzessin „Adamira", nebst
einen» Prolog, wurde in einer Komödie
den Hoch- und Wohledeln, Besten,
Hochwohlwerthen Herren Bürgerin«!-
stern und Rath der berühmten Kauf,
und Handelsstadt Braunfchweig, Znsem
hochgebietende», Großgünstigen
vor alle empfangene Gunst- und Gna
denbezeuguilg von den alihier anwesin
den Hochfürstlich Sächsisch Hilddurjt
hausensche» Hof-Comödtanten zu schal?
digster Danksagung in Unterthänigteit
devicirt und präsentirt und wird heut»
zum letzten Male wiederholt."
Am 26. August 1739 kündigten die
Königlich Pohlnischen und Chursürst
lich Sächsischen Hoscomödianten die
Hauptcomödie „Die durch Scapin ak»
«inen listigen Heirathsstister betrogene
Alte", nebst einer lustigen Nachkomodie
an. Der Schauplatz war das im Weg
nerschen Kaffeehause befindliche Theater.
Ter Eintrittspreis betrug sür Parterr?
4 Ggr. Einen bedeutenden Fortschritt
in der Entwicklung des regelmäßigen
Dramas zeigen die Zettel des Schau
spieldirektors Schlich, der mit seiner
Gesellschaft 17ti9 nach Braunschwelg
Zettel kündigt die Aufführung „eines
von dem berühmten Herrn Weiße in
Leipzig verfertigten und in allen Orten
mit dem größten Beifall aufgenomme
nen Trauerspiels „CriSpus" in Versen
und fünf Auszügen" an.
Den Beschluß macht die Operette
„Fräulein Ueberklug und Herr Gleich
zu", Musik von Herr» Frisch." Am 4.
Februar folgt die Aufführung von
Holbergs „Politischem Kannengießer",
aus dein Dänischen übersetzt von Tel
lx>rdi>. Interessant ist der Zettel vom
20. März 17L9, an welchem Tage Les
sings „Minna von Barnhelm" von der
Ackermann'schen Gesellschaft zum ersten
Male in Braunfchweig aufgeführt
wurde. Eckhof spielte den Tellheim,
Charlotte Ackermann die Minna, Acker
mann den Wachtmeister, Borchers den
Wirth und der große Schröder, Acker
mann 's Stiefsohn, den Just.
Aus den Jahren 177t)—73, wo Karl
Theophilus Többelin in Braunschweig
spielte und bekanntlich am 13. März
1772 Lessings „Emilia Galotti" zum
ersten Male in Szene ging, liegt auch
ein Zettel vor, der die Aufführung von
Weißes „Romeo und Julia" mit sol
gender Bemerkung ankündigt: „Tiefes
Trauerspiel ist ohne Zweifel eines der
rührendsten, die auf der Bühne erschie
nen sind, und übertrifft an Regelmä
ßigkeit alle einzelnen Theile des ähnli
che» Trauerspiels des englischen Dich
ters Shakespeare bei weitem." Man
sieht, wie wenig Shakespeare den Deut
sche» damals noch bekannt war, daß
nian sein Drama mit dem des 1804 in
Leipzig als Ober-Steuersekretär gestor
denen sruchtbaren Verfassers der ersten
deutschen Oper „Die Jagd" und des
~Kinderfreundes" vergleichen konnte.
„Mißt Du, was ich neulich gelesen
habe, liebe Frau? Die Kraft, die ein
gewöhnlicher Mensch in einem Jahre
nach mir schleuderst?"
Gipfel der Trägheit.
„Weißt Du, Florian," sagt der Tisch
ja die Trägheit selbst." „Äch, Mei
ster," meint Florian, „nichts kann ich
Ihnen recht machen, ich wollte, ich
wäre todt." „Ja, das glaub' ich
Dir," versetzt der Meister, „das könnte
Dir so passen! In dem bequemen
Sarge liegen und nichts thun!"
D e r Och se n w i r t h. Meine
Herren, Sie nennen mich immer Herr
Hauptwann, weil ich Hauptmann der
hiesigen Schützengilde bin. Mein«
Herren, wenn ich vor meiner Compag
nie stehe, bin ich der Herr Hauptmann,
aber wenn ich Sie bediene, bin ich nur
der Ochsenwirth.
Ein verlässiges Mäd
chen. Hausfrau: „Sie müssen aber
auch die Kinder lieben." Dienstmäd
chen: „O, in der kann nmn sich
auf mich verlassen!"