Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, January 10, 1896, Page 2, Image 2

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    2 Nacht».
Von Friedrich twrl Kretz mann.
Wolkendunkel, ohne Sterne
Liegt der Himmel ausgespannt,
Träufelt noch von B!üth' und Blatt,
Sieh' nach ihrem Haus gewandt,
Umd vom hohen Fenster seh' ich
Auf das neu erfrischte Land.
Nach dem jähen, thränenfeuchten
In der tiefsten Brust zurück.
Wie die Tropfen, rollt noch leise
Manchmal eine Thräne hin,
Und mir sagt's geheime Weise,
Zur Geschichte des Spiegels.
Der Spiegel ist ein universelles
Geräth. Er ist heutzutage das erst«
und unbedingt« Erforderniß für einen
Beschädigung der unbarmherzigen
Zeit auszubessern. Desto nützlicher
und werthvoller ist der Gebrauch des
che» Eitelkeit, fondern nimmt auch un
ter den Instrumenten, des Naturfor
schers, des Astronomen, des Arztes
einen höchst bedeutungsvollen, Rang
ein.
Bevor es Glasspiegel gab, diente po
lirter Stahl zur Rückstrahlung des
Antlitzes, und nach de» Schilderungen
Homer's hatte Penelope sogar einen
goldenen Spiegel. Wir erfahren fer
ner, daß sich Aphrodite, die Göttin der
Schönheit und Liebe, bei ihrer Toilette
dadurch von der „ehrbareren" Here
und Kriegsgöttin, Pallas Athene, wel
che sich nicht den Schein der Eitelkeit
geben wollten, unterschieden hat. Ms
mitzunehmen.
Plinius erwähnt auch silberner
Spiegel, und es wird bemerkt, daß
Praxiteles dergleichen unter der Re
gierung des Pomponius verfertigt
habe. Nero foll einen Spiegel von
Smaragd besessen haben? es ist aber
anzunehmen, daß der Edelstem kein
Spiegel, fondern vielmehr ein durch«
sichtiges Glas, und vielleicht auf ähn
liche Weise, wie unsere Brillengläser,
geschlissen war, denn Nero bediente sich
desselben, mn in der Arena den Gla-
Toilettentischen der vornehmen Röme
rinnen waren stets die gewandtesten
Sklavinnen damit betraut, der Gebie
terin den Spiegel zu halten und jeder
Bewegung und Wendung ihres Kopfes
geschickt zu
Spiegel nicht unbekannt geblieben, ist
wohl sehr natürlich. Nach der Ent
deckung Amerikas fand man denn auch
len.
Später, als die Spiegel allgemeiner
wurden und die venetianischen Kry
auch bei religiösen Feierlichkeiten. Bei
Ken Jsisfesten hielten die Frauen Spie
gel in der linken Hand und weihten
schmückt.
Jean Paul behauptet, daß die Frau,
auch in der tiefsten Verhüllung, au
einem Spiegel vorubergeführt, es.
nicht unterlassen könne, hineinzusehen.!
-und daran als weibliches Wesen zu
erkennen sei. Mag es so sein oder
nicht. Jedenfalls ist eine Gleichgiltig
keit gegen das eigene Aeußere ein gro
ßer Mangel an Aufmerksamkeit für
6ie ganze Umgebung, und der Spiegel
«richt nur als ein, Schmeichler, sondern'
auch als ein Warner und Erzieher zu
achten.
Nach der Natur. A: „Wa
»Er macht Studien nach dem Nackten."
Zur besseren Bewältigung.
Grster Lieutenant: „Was, Kamerad,
Schreibmaschine angeschafft?"—Zwei
<er Lieutenant: »Na, LiebeHlol«-
ispondenz weg««!" , 5 > ,
Der Weg zur Bühne.
1.
ten Spruch:
Wenn sich Herz und Seele laben,
Will der Magen auch was haben,
auch eine Erfrischung zu sich zu neh-
Preife, die die italienische Oper mit
vier „Stars" erster Größe je zur Noth
wendigkeit machte, es auch verlanaten.
Dennoch befand sich unter der Mengt,
die jetzt in das schimmernde, von einer
Fluth elektrischen Lichts erfüllte Fcyer
des Auditoriums in Chicago strömte,
auch der Theil der Bevölkerung der
junge» Millionenstadt vertreten, der
nicht gewöhnt war, im Golde zu wüh
len. dem das Entree selbst dort oben
in der heißen Gallerie ein finanzielles
Opfer bedeutete. Es waren dies Mu
sikbeflissene, arme aber enthusiastisch«
Verehrer der Oper mit ihrem Reich
thum an ergreifender Handlung und
Summen und Brummen ging durch
die weite Halle, es war als ob die zu
rückgedrängten Gefühle sich nur erst
Hörle lakonische Ausrufe:
„Ein Prachtweib!" l
„Welche Stimme!"
„Das war 'mal wieder ein Genuß!"
Ganz abseits von Allen, in einer
Ecke der Halle, saß ein Mädchen, das,
augenscheinlich ein Musiker, oandte
sich überrascht um. Da brach sie ab
und sah ihn erschreckt und verschüchtert
an.
„Warum denn nicht weiter, Fräu
lein?" frug er. „Es ist ja ein Ge
nuß zuzuhören."
Ihre grauen Augen schimmerten in
einem seltsamen Glänze in Wehmuth
und Freude.
„Ja, ich soll keine schlechte Stimme
haben," sagte sie dann.
„Warum gehen Sie da nicht zur
Bühne?"
kostet viel Geld und Zeit, und ich habe
beides nicht."
„Nun, das würde sich wohl machen
lassen," erwiderte der junge Mann.
„Da muß man sich eben an andere
Leute wenden. Wer sind Sie »nd wo
wohnen Sie?"
Sie gab ihre Adresse an ganz auf
der Westseite, da wo nur hartarbeiten
des Volk dicht zusammenwohnt.
„Nun, wissen Sie was, gehen Sie
doch 'mal morgen Mittag zur Signora
Meisselini, der bekannten Gesangsleh
rerin, und lassen Sie Ihre Stimme
prüfen. Ich will Ihnen dort den Weg
bahnen. Vergessen Sie's nicht es
wäre wirklich jammerschade um Ihre
Stimme. Wissen Sie, ich verstehe
mich ein bischen darauf. Mein Name
ist Rumpf, Prof. Max Rumpf, haben
ihn vielleicht schon gehört. Also auf
Wiedersehen!"
Und der junge Mann sprang schnell
die Stufen hinauf, denn der dritte Act
sollte eben anfangen.
N.
Da stand sie nun am nächsten Tag
vor der Gesangmeisterin, die zu ihr
ruhig, kühl sagte: .Singen Sie mir
etwas vor."
Signora Meisselini war eigentlich
eine Deutsche von Geburt, und so setzte
sie sich an's Klavier, präludirte und
spielte dann etwas aus dem „Liebes
frühling" von Schumann-Heine.
Und schon setzte das Mädchen ein.
Wunderbor zart und innig sang fie's:
„Im wunderschönen Monat Mai, da
alle Knospen sprangen". Ueber das
bepuderte Gesicht der Lehrerin flog ein
verwunderter Ausdruck. Am. Ende
rief sie: „Bravo! Das war ja gera
dezu reizend."
Und weiter ging es: „Aus meinen
Thränen, sprießen viel duftige Blumen
empor", und dann weiter und immer
weiter, bis Signora Meisselini schließ
lich aufsprang, das Mädchen umarmte,
und voll Jubel und Staunen rief:
„Eine Diva eine zweite Patti
Sie haben ja eine GÄdgrube in Ihrer
Stimme."
Dann, etwas ruhiger: „Seit IIZ
Jahren bin ich jetzt Lehrerin, aber ein«
solche Stimm«, ein solch feiner musika
lischer Instinkt ist mir noch nicht vor
gekommen solcher Schmelz bei sol
cher Kraft wo haben Sie das nur
her, Mädchen?"
Martha Mengs so hieß das ju
gendliche Phänomen at-er stand da
wie mit Purp» überg-ffen, keines
Wortes mächtig. Und nu« trat auch,
unangemeldet, Prof. Rumpf herein,
schritt auf Martha zu un» schüttelte
ihr die Hand.
„Na, habe ich zuviel gesagt, werthe
Freundin?" sagte er.
Genug der Beweis war, da, daß
Martha'? Stimme und ihr Bühncnta
lent allerersten Ranges seien und nur
mit dies geschehen, und ein solches Ta
lent nicht ungenützt verwelke, zu die
sem Ende steckten nun die Beiden, der
junHe Musiker und die SefanzSlehre- >
NN. die Köpft zusammen. Schließlich
halten sie ihren Plan ausgeheckt.
Nur wenige Wochen später waren
die Mittel beschafft, um Martha eine
gründliche musitalische Erziehung zu
geben. Ein großes Gala-Concert,
das Professor Rumpf in der Central
Music Hall gegeben und bei dem ein
Stadt mitgewirkt, zu dem auch die
„Stars" der in der Stadt anwesenden
Oper ihre Mithilfe und Anwesenheit
nicht versagt hatten, halte die Mittel
erübrigt worden, und wer war glück
licher als Martha! Der Traum ihres
Lebens sollte in Erfüllung gehen. Sie
sollte eine berühmte, gefeierte, reiche
Sängerin werden, von der die Welt
Stimme den Tausenden und Abertau
senden der gebildeten Welt zur Freude
und zum Genuß ertönen sollte.
Zwei Jahre lang studirte sie in Chi
cago und New Dork. Schon begann
die kunstverständige Welt von ihr zu
reden, und schon manches empfindliche
Ohr war durch den Wohllaut ihres
herrlichen Organs entzückt worden.
Die Eltern, arme, mit der Noth des
Lebens kämpfende Leute, die nur mit
Mühe und Entbehrungen die große
Familie zu ernähren vermochten
NI.
Seit einem Jahr war Martha in
Deutschland um ihrer Stimme dm
letzten Schliff und sich selbst die Büh
sorderlich war vor ihrem Debüt aus
der Bühne der großen Oper.
Ab und zu schrieb sie ihren Eltern,
wie sie in Frankfurt lebe und was sie
Dann aber schon die letzten 4
Monate trat Stillschweigen ein.
Die Eltern erfuhren nichts mehr von
von Martha. Es war eine rechte
Künstlerphotographie Stellung des
Körpers, Pose des Kopfes, sogar der
Faltenwurf des Kleides und der Auf
schlag der Augen waren genau vorher
berechnet und bestellt.
Lange saß die Mutter vor dem Bilde
und studirte Zug um Zug, acbtete ge
nau auf jede Einzelheit "des Costüms.
Dann schüttelte sie traurig den Kopf.
„Das ist mein Kind nicht mehr," sagte
sie mit einer Stimme, in der der
Schmerz zitterte.
» «
Und in der That—hätte sie '.Nartha
eben, nachlässig im Fond der Equipage
lehnend, die breite Allee, die nach dem
Palmengarten führt, herabkommt.
Das also war jetzt Martha! Deß
halb hatte sie sich mit dem ganzen En
thusiasmus der Jugend auf die dor
nenvolle, von glänzender Verführung
da sie nahezu am Ziele, der Korruption
Europas zu unterliegen? Traurig,
aber so war's.
rika jedes Jahr über das Salzwasser
schickt, um in ihrem Berufe Meisterin
zu werden und die anstatt dessen strau-
Doch halt das Ende! Der
ihr Debüt machen sollte. ES war aus
der Hofbühne einer gwßen Stadt.
Und nach dem ersten Art wurde sie
Der Intendant, Graf Tiefenihal,
ftand an ihrer Seite, als Martha die
Augen müde und traurig aufschlug.
sagende Geberde, die sich auf die üppige
Figur des Mädchen; bezog
Martha schlug ihm in's Gesicht «nd
brach in einen Weintrampf aus. Sie
wurde nie mehr auf der Bühne er
blickt.
Tiefer und tiefer sa»k sie innerhalb
weniger Jabre. Wie tief -7- das wer
den ihre Eltern höffe»t!:ch nie erfah
ren.
Und als sie neulich, nach einem
ChaMpagnergelage, bewußtlos nach
ihrem Zimmer gebracht Und am
Merzen der Arzt mit bekumn-itein
An ihrer Bahre standen nicht die
Herren der Kunst, und die Presse wid
mete ihr leinen schwungvollen Nachruf.
Es war ja nur eine arme Verkommene,
die dort in fremder Erde eingescharrt
wurde.
Cdelfrau und Jude.
Von W, Bogler.
Zu dem eisernen Bestände des deut
arme, aber tugendhafte Putzmacherin
der Mutter erglüht.
Tas ist ohne Zweifel Alles sehr ko-
Sieg des Mutterherzens über den Ahne
» Wir wollen nun hier nicht un
tersuchen, ob das Fazit derartiger Ehen
im Leben stets das gleiche lustspiel
mäßige Gepräge trägt, wie aus der
Bühne an sich ist jedenfalls die Be
obachtung ganz interessant, daß ein sol
cher Bund heutzutage der dramatischen
Literatur keine tragischen, sondern aus
schließlich humoristische Motive liefert:
Tas ist eine Errungenschaft der moder
nen Zeit wie iange ist es her, daß
eine solche Verbindung überhaupt mög
vielleicht, einmal zurückzublättern in
den Büchern der Geschichte und das
Schicksal zu verfolgen, wie es etwa
die Vorfahren des Herrn Bankier X.
und seiner hochgeborene» Gattin Thek-
Jahrhunderte vor dem Zeitalter der
Eisenbahnen und Elektrizität zu schlie
ßen gewagt hätten. Tief tragische Effekte
erzielt da der Stoff, der uns Modernen
vertieft und erweitert sich zugleich zu ei
nem grellen Schlaglicht auf die socia
len, kulturellen und religiösen Zustände
jener Zeit. ES ist kein sogenanntes
..berühmtes Liebespaar", um das es
sich hier handelt es sind Dutzend
menschen. durchaus in dem Eedanken-
und Gefühlsireise ihrer Familie i aus
gewachsen; um so seltsamer, daß sie sich
gefunden, um so eigenartiger das Ge
schick, dem sie erlagen.
Mitten in die gewaltigen Gährungen
der Reformationszeit führt uns unser
Stoff—in jene Zeit, da zwei Welten in
hartem Kampfe auf einander platzten,
von denen die eine, die ausgelebte schei
dende, noch die Gestaltung des äußeren
Lebens fast ausschließlich beherrscht,
während die andere, die kommende,
mächtig die Geister aufrüttelt und lang
sam, aber unwiderstehlich auch die
Formen der Vergangenheit zu sprengen
und zu lockern beginnt, damit den Bo
den vorbereitet, auf dem der Samen
der modernen Cultur wurzeln und
sprießen konnte. Noch ist freilich wenig
von der letzteren zn spüren und gerade
den Juden kommen ihre Segnungen
noch recht wenig zu Gute. Zwar ist
die Zeit der blutigen Verfolgungen
vorüber und die Bedeutung der Juden
in der Vermittlung des Geldverkehrs
im Großen wie im Kleinem ist nament
lich durch die ewige «Geldnoth in Für
stensitzen,.Ritterburgen und Bauernhüt
ten erheblich gestiegen— von einer
sozialen oder gesellschaftlichen Annähe
rung zwischen»'hristen und Juden ist
aber noch nicht die Rede.
Solcher Art ist der Kulturboden, auf
dem sich unser Roman abspielt. Die
Heldin desselben entstammt dem ange
sehenen Rittergeschlechte der von Cron
berg, jene» unruhigen Nachbarn der
freien Reichsstadt Frankfurt, welche ihr
jahrhundertelang nach ländlich-sittlicher
Ritterart so viel zu schaffen gemacht
hatten, und, wie ein Frankfurter <!hro
nist ingrimmig bemerkt, an ihr erstarkt
Wende deS 15. Jahrhunderts hatten
die Ritter van Cronberg indeß nicht
nur ihren dauernden Frieden mit
Frankfurt geschloffen mehrfach sind
Herren von Cronberg Stadthauptleute
sondern sie hatten auch, als eiu »er
hältnißmäßig wohlsituirteS Geschlecht,
das es „nicht nöthig hatte", dem alte»
Raubritterlebcn Valet gesagt; sie be
theiligten sich nur noch an Unterneh
mungen größere» Stils, im Dienste be
nachbarter Dynasten, wie des Pfalz
grafen, ab.r als freiwilliger Heiser bei
den Spahne», Fehden und Kriegszügen
geiipvtcr freunde. Auch so fehlte es
d>A Cronberger» nicht an Abwechslung
und ritterliaer Waffenübung, denn die
Zahl der verwandten Geschlechter war
groß sie erstreik iich aus fast olle an
geseheneren F. Milien Nassaus, der
Wetterau, der iruheren Grasschast
Katzenellenbogen. der Psalz etc. Auch
Franz von Sicking?» war den Yron
einc Fürstenkrone, seine»! Stande aber,
dem hart um seine Existenz kämpfende»,
mehr und mehr verarmenden Riiter
thume eine neue Blüthe erobern sollte,
da finden wir unter seinen treuesten
Helfern auch die Ritter von Cronberg.
der nicht nur die politilchen Hielt seines
Freundes und Verwandten theilte, fon-,
der» auch den lebhaftesten und thatkräs-.
tigsten Antheil an den kirchlichen Re
sorinbestrebungen nahm, die von Si
ckingens Ebernburg, der „Herberge der
Gerechtigkeit" aus so mächtig sür die
Sache Luthers gewirkt haben. Durch
diese Bestrebungen kam Hartmuth von
Cronberg auch in engere persönliche Be
ziehungen selbst, die auch dann noch
fortdauerten, als der ritterliche Vor
kämpfer der Reformation, in Sickin
gens jähen Sturz verwickelt, ein hei
mathloser Flüchtling dem Erbe seiner
Väter den Rücken wenden und in die
Ferne ziehen mußte, um erst nach 19-
jähriger Jrrsahrt durch die Gnade des
Landgrase» Philipp v»n Hesse» wieder
in seine Stammburg einzuziehen.
Von Hartmuths Geschwistern halten
die beiden jüngsten, sein einziger Bru
der und eine Schwester den geistlichen
Stand erwählt, die beiden anderen
Schwester» waren vermählt, die älteste,
Clara mit einem Herrn von Riedesel,
die jüngere, Lorch oder Lorche (Leo
norej mit Wols Cemmerervoü Worms,
genannt von Dalberg. Lorch ist
um das Jahr 1500 geboren ihr
mann zu Oppenheim, Erbtruchseß von
Mainz und Vicedom zu Aschaffenburg,
starb 1506 und war im Jahre
1527 bereits Wittwe, nachdem sie
Sohn geboren hatte. Acht Jahre lang
lebte sie als Wittwe still vor sich hin
so schien es nur der Erziehung ihrer
Kinder sich widmend, bis zum Jahre
krankte sie und beschließt mit Vor
wisjcn eines Verwandten. Wolf von
Dalberg, der sie besucht, sich zu dem
den sie von Heidelberg aus kennt. Mitte
März bricht sie aus und fährt in Be
gleitung eines kleinen Mädchens und
eines Bauern, eines Hintersassen
Wolss zu Herrnsheim, zu Wagen nach
Bingen. Hier aber ändert sie mit
einem Male ihre Route: sie läßt den
Wagen zurückgrhen und reist mit ihren
und von dort nach Frankfurt, von wo
sie sich zu Wagen nach Erfurt begibt.
Acht Tage nach ihrer Abreise treffen
Friedrich und Wolf von Dalberg, die
noch ohne Nachricht von Lorche sind.
das Geringste weiß.
In der Woche Ouasimodogeniti (4.
April) bringt der von Lorche zurückge
kehrte Bauer einen Brief, der zugleich
an Friedrich von Dalberg und LorchenS
Schwester Katharina von Cronberg ge
richtet ist. Aus diesem Briefe ergibt
sich, daß Lorche sich in Erfurt befindet;
sie gesteht „mit kläglicher Schrift", daß
sie sich heimlich verheirathet habe, guter
Hossnung sei und um Jakobi (25. Juli)
niederkommen werde. Obwohl ihre
Ehe nicht standesgemäß sei, wolle sie
diese doch nicht verschweigen, da ja die
Ehe frei sei und von Niemandem ver
boten werden könne. Sie erbietet sich,
alle Kleider und Kleinodien gegen einen
„ziemlichen Pfennig" auszuliefern, da
sie diese: so wie so sich entledigen müsse,
und empfiehlt ihre Kinder, die sie vor
her zu ihrer verwittweten Schwester ge
geben, dem Wohlwollen der Ver
wandten.
Auf diesen Brief antworteten Wolf
und Friedrich von Dalberg im Verein
mit dem inzwischen herbeigeeilten Hart
muth von Cronberg, indem sie den
Nachweis verlangen, mit wem Lorche
sich verheirathet; sie erbieten sich, stan
desgemäße Versorgung gewähren zu
wollen, salls Lorche das Verhältniß
löse und zu ihre» Kindern zurückkehre.
Lorche antwortet aber, sie habe sich mit
einem Juden, genannt Jacob, verhei
rathet, dessen Vater Alexander heiße;
beide wohnten zu Groß-Gerau unter
dein Landgrafen von Hessen. Der
Jude habe schon eine Frau und vier
Kinder, doch sei es ihm nach jüdischer
Art nicht verboten, die eine zu verlas
sen und eine andere zu nehmen. Sie
habe Niemanden lieber, als diesen Ju
den, mit dem sie schon drei Jahre im
Verhältniß stehe, und den sie nicht ver
lassen könne, was man ihren Kindern
nicht entgelten lassen möge.
Inzwischen war Lorche in Erfurt mit
ihrem Geliebten zusammengetroffen und
von ihm nach Wittenberg geleitet wor
den. Hier weite sie einige Monate
und gab einem Kinde das Leben. Sie
hatte Luther ausgesucht, ohne sich ihm
zu erkennen zu geben, und obgleich die
ser, sehr mißtrauisch „psr tiutos nvu
den, lii» mit großer Vorsicht ih/entge
genkani, wurde er doch durch ihre Per
sönlichkeit sehr für sie eingenommen.
Er nahm sich ihrer mit Rath und That
an, suchte sie in ihrem Jammer und
ihren Thränen zu tröste» und wurde
seine Schutzbefohlene aus edlem Ge
schlecht war, erkannte Luther bald;
und auch vor ihrem Charakter muß er
Hochachtung empfunden haben, denn
er spricht wiederholt von ihr in seinen
Briefen nn Justus Menius in Eisenach
als von einem „vortrefflichen Weibe" ;
und als sie Anfang August von Wit
tenberg schied, empfiehlt er sie seinem
Freunde aus's angelegentlichste als eine
Unglückliche, die vielleicht gefehlt habe,
an der er aber Samariterdienst üben
solle.
Und in der That Luthers Men
schenlenniniß hatte ihn nicht getäuscht;
das bestätigte ihm wenige Tage, nach
dem die Fremde Wittenberg verlassen
hatte, ihr Bruder Hartmuth, der ihrer
Spur gefolgt war. Von ihm erfuhr
Luther den Zusammenhang der Dinge,
und nun wandte er seine ganze Beredt
samkeit aus. Uni sür die Unglückliche die
Hülse der Verwandten zu erbitten; es
gelang ihm auch, Hartniuth milde zu
stimmen und ihm das Bersprecheu abzu
nehmen, für seine Schwester zu sorgen.
Hartmuth konnte diese« Bersprechen ja
auch um so leichtergeben, als inzwischen
der Hauptstein des Anstoßes aus dem
i Oege geräumt ward. Nach dem letzten
krief LorchenS an ihre Verwandten
hatte diese beschlossen, die Stand und
Ehre so weit vergessen hatte, einem Ju
den zu folgen, zwar nicht an Leib und
Lebe» zu strafen, aber unter allen Um
ständen aus dem Verhältniß zu
löse» und das gelang ihnen denn
zuch auf eine Weise, die ebenso radikal
originell genannt werden muß.
Hann Friedrich von Sachsen um Bei
hülse, und „der Zufall will", daß die
Abgesandten dem Huden, der ihnen zu
— und zwar, wie eS scheint, noch aus
sächsischem Gebiet. In seinem Aeuße
re» erschien der Jude als ein Edelmann
zu Pferde, angethan mit einem ver
brämte» Rock, einem Hut mit Zindel
überzogen, und mit Federbusch. Die
Unterredung mit ihm ergibt, daß er
Lorchen vor sechs Tagen in Wittenberg
Verlasjen habe. Da sich nun die Abge
sandten vergewissert haben, daß sie vor
LorchenS Mann stehen, zu dessen Ver
gewaltigung sie leinen Befehl haben,
so entschließen sie sich kurzerhand, weil
sie ihn doch nicht lebendig ausliefern
können, ihn zu erstechen. Das wird
auch sofort ausgeführt. Die Mörder
binden nach der That das Pferd an
einen Baum, lassen des Erschlagenen
Wehr dabei liegen, und nachdem sie die
Leiche des Geschmeides und eines in der
Tasche steckenden silbernen Dolches be
raubt haben, verschwinden sie vom Orte
der That.
Soweit der einfache Bericht aus der
Feder Wolfs von Dalberg, eines der
Verwandten Lorchs; der Bericht, im
Weimaraner Archiv befindlich, war
wohl dazu bestimmt, den Kurfürsten
Johann Friedrich über das Resultat
der Jagd auf den Juden aufzullären.
der es gewagt, eine Edelfrau zu Min
nen. Weitere Folgen hat die That, die
verzweifelte Ähnlichkeit mit einem ganz
gewöhnlichen Raubmorde besitzt, nicht
gehabt. Selbst das Mitleid, das Luther
der unglücklichen Frau entgegengebracht,
verstummt dem Manne gegenüber:
Luther erwähnt den Tod des Juden in
zwei Briefen, am 24. August 1535 an
Justus Menius, und ani t>. Septeniber
an Spalatin. Das erste Mal schreibt
er: „Der Verfuhrer von Hartmuth's
Schwester, jener Jude, hat einen sehr
schlechten Ruf, ebenso wie seine Eltern;
bei uns herrscht auch die Meinung, daß
er mit Recht gelobtet worden ist." Das
zweite Mal sagt er nur kurz chroni
stisch, daß der Jude „aus der Reise von
Lorchens Verwandten gelödtet wurde."
Die Frau sei von ihren Verwandten
in Frieden berufen worden, und aus
Schlesien wohin sie offenbar ge
flüchtet war gewichen. Ueber ihre
weiteres Loos schweigen die Dokumente
ihr Loos aber war zweifellos kein
freundliches mehr, so lange sie noch aus
Erden weilte.
Dreieinhalb Jahrhunderte deckt die
kühle Erde, was irdisch war an dem
eigenartigen Liebespaar. Aber die
Gedankenwelt, aus der heraus jener
Bund geschlossen wurde, hat inzwischen
ihre siegreiche Lausbahn über die Erde
vollendet und was damals mit Blut
gebüßt wurde, das ist heute ei» Lust
spieistoff ein Thema höchstens sür
sellschast. LiebeSdrame» der Ge
genwart spiele» sich auf anderem Boden
ab.
Berliner Blut.
Der kleine Alexander Kruppke war
ein ganz überaus gesunder Junge.
Trotzdem hatten ihn kürzlich mal die
Masern befallen und dies schien auf
sein Sextaner-Gemüth einen tiefen
Eindruck gemacht zu haben. Als er
nämlich bereits wieder in der Siube
umherspielen durfte und zum Früh
stück drei belegte Butterbrode gegessen
hatte, da meinte sein guter Vater ei
nes Tages: „Nun Alex (so nannte er
ihn, um ihn von Alexander dem Gro
ßen zu unterscheiden) jetzt kannst Du
denn also wohl auch bald wieder in
die Schule gehen, nicht wahr, mein
Junge?"
„N«e, weeßie Vater, entgegnete der
Kleine in unverfälschtem Dialekt, det
woll'n mer doch vorlaifig man noch
lassen. Sowat machen wer »ich. Ick
fühle mir noch sehr- schwach!" Und
die Sache unterblieb noch einige
Tage.
Hitrauf erneute Anfrage des Herrn
Papa: „Na, liebet Alexchen, wie wäre
es denn jetzt mit der Schule? Du hast
gestern zum Abendbrod doch fchon ein
fettes Eisbein mit Sauerkraut ver
zehrt, mein Junge!"
„Det schtilnmt, Vaterken! Aber mir
is ooch in de Nacht janz schlimm da
druf jeworden! Wir woll'n doch man
lieber keene Unvorsichtigkeiten bejeh'n!
De Schule könnte mir doch noch zu sehr
anstrengen!"
Und abermals verging eine halbe
Woche reichlich.
„Na höre mal, mein Sohn, sprach
aber jetzt Vater Kruppke mit großer
Energie, „jetzt meine ich denn doch be
stimmt, daß Du in die Schule mußt.
Du warst doch in den letzten Tagen
von früh bis spät aus der Straße und
hast Dich unchergetrieben, wenn Du
jetzt noch länger die Schule versäumst,
0 kommst Du ja bei der Versetzung
nicht nach Quinta!"
„Ach, wat mir da,dran liegt! So'n
Quintaner is schließlich ooch blos 'n
Mensch un »ich' mehr, als unser eener!
De Hauptsache ii de Jesundheit! Wat
nutzt mir die janze Bildung, wenn ick
nachher als elendijer Krippe! durch de
Welt loofen soll! Ich bleibe noch aus
de Schule fort!"
Sein Trubel. Arzt: „Ha
ken Sie je mit Ihren Lungen Trubel
gehabt?" Patient: „Nein, immer
«w «ltmetster der «unst.
Altmeister und Großmeister zugleich
im Reiche der deutschen Kunst Hai d«r
berühmte Maler Adolf Menzel jüngst
seinen, 80. Geburtstag gefeiert uud die
gebildete Welt hat ihm dazu alle er
denklichen Ehrungen bereitet. Zu den
falls -die Idee d«r „Verlagsanstalt für
Kunst und Wissenschaft", «ine volls
thümliche Ausgabe ihrer Publikation:
„Dos Werk Adolf Menzels" zu ver
ren bescheidene» Preis auch weiteren
Kreisen zugänglich ist, und doch einen
Ueberblick über das Schaffen des Mei
sters in feiner ganzen Vielseitigkeit
Persönlichkeit Avals Mmzel's: den
Habung der Wasserfarbentechnil kein
Zweiter gleichkommt. Aber so sehr
Adolf Menzel trotz seiner achtzig Jahre
Decennien schon war, 'durch sich, aus
sich allein. Damals schon hat er die
selben Weg« gefunden, die ei» gutes
Adolf Menzel.
Menschenalter später von den Anderen-'
als neue Entdeckung bejubelt wurden.
Sehn wir heute Menzel's frühe Arbei
ten an, halten wir ihnen das entgegen,
was in ihrer Zeit sonst auf verwand
ten Kunstgebieten geschaffen wurde, so
wird uns erst die ganze Größ« dieses
starken, selbstherrlichen Genius klar,
der allem Recht hatte und Recht be
hielt g«gen «in« Welt und diesen Sieg
gewann, weil eben er allein in dieser
Welt von Unnatur und falschen Ichön
heitsbegriffen mit stillem, gläubigem
Herzen auf sein« große Lehrmeister!»
vertraute: die Natur. Das genannte
Werk bringt nicht weniger als 31
Vollbilder uird über hundert Textillu
strationen. Die erstere» stellen durch
Hauptbilder die einzelnen Phasen d«r
Entwicklung Menzel's von seinen
Jugendwerken an 1836 ist das äl
teste Datum, das vertreten ist dar
und zwar in rühmenswerthev Vollstän
digkeit. Unter den letzteren finden
wir namentlich interessante Lithogra
phien, Studien, Skizze», Holzschnitte
aus den Illustrationen zu Friedrich'S
des Großen Werken deren geist-
und anmuthreiche Schönheit leider viel
zu ivenigen Menschen zugänglich ist —,
Illustrationen sür andere Werke,
Adressen, Porträts u. s. w.
Tie Wallfahrtskirche ,u Rankweil»
An der Mündung des Laternfer
Thales in Vorarlberg liegt der Markt
flecken Rankweil, überragt einer
weltberühmten schöne» Wallfahrts
kirche, welche unsere Abbildung dar
stellt. Der Flecken ist uralt, er wirv
schen Namen „Vinomna". Hier be
stand im 7. Jahrhundert eine Reichs
mal- oder Gerichlsstätt«, später ein kai- '
serlich freies Landgericht, das sich biH
Hohenräüen «rstreckte. Jahrhunderte
lang wurde auf dem nahen Hügel Mü
sinen, jenseits des Frutzbaches, Recht
gesprochen, eine Einrichtung, die erst
180« die Bayern aufhoben. Auf der
Stätte der einstmaligen Burg Hörn
lingen, den Montsortischen Dienst
mannen gehörig, erhebt sich die jetzige
Wallfahrtskirche, deren Erbauung al-
Ansicht der Kirche,
lerhand fromme Sagen umschweben.
Ursprünglich ein Burgbau, wurde das
Werk so oft gestört, bis man sich ent
schloß, die Beste in eine Kirche umzu
wandeln. Bei der Einäscherung der
Montsortischeu Burg Hörnlingen irur
de aus dere» Schloßkapclle ein a'.tes
Marienbild gerettet und in diese Kirche
versetzt. Ebenso befindet sich in der
Kirche ein vielleicht ein Jahriausend
altes hölzernes Kreuz. Es ist ganz
bedeckt von Silberplatten und andere»
kostbare» Geschenken frommer Pilger.
Die Kirche ist herrlich gelegen in einem
von riesigen Bergen eingeschlagenen
Waldthale, im Hintergrunde den in
die Wolken ragenden, bis über MZO
Fuß emporsteigenden Hohe» Krischen.
Eim vorsorglicher Ba
ter. A.: „I» etlichen Woche» will sich
Ihre Tochter veriherratheii? Haben Sie
dorm schon an die -nöthig! Ausstattung
gedacht?" Componist: „O, den Hoch-
Mitsmarsch habe ich schon, fertig!"