Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, December 13, 1895, Page 9, Image 9

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    9 Mein Haus ist meine Burg.
Jedermann, in welcher Stellung der
Gesellschaft, oder in welch» Lage des
Lebens er sich befindet, sollte sein Haus
zu semer Burg machen. Es liegt in
diesem Begriff der Unnahbarkeit s»
viel Selbstvertrauen und behaglich«
Kühe ausgedrückt, die wohthuend auf
pden wirken muß, der nach rastlosem
Streben auf der Jagd noch dem Glück,
.nach dem Erwerb oder sonst anstren
»gender Thätigkeit mii,de und abgemat
tet sein eigenes Heim aufsucht und fin
!det, wo auf ihn Ruhe und Erholung
warten. Deshalb soll auch jede Haus
frau da rem 112 bedacht sein, die eigene
Häuslichkeit Mm angenehmsten Auf
enthalte Kr ihren Mann zu machen,
«nd hierzu gehört gewiß nicht viel,denn
mit dem guten Willen, sich die Räume,
dem Stande
eigenen Ansprüchen ab. Doch
im Großen und Ganzen die
eines behaglichen
immer dieselben. Bor allem
DWDne man Rücksicht auf Bequemlich
«rt, zu derselben gehört eigentlich sehr
»venig, und doch ist nur in ein«r ver
lhältnißmäßig kleinen Zahl von Fami-
Äogera-de für diese erste Bedingung
gesorgt. Die
dafür sorgen, daß oll«
welche zum täglichen Ge
nothwendig sind,
an leicht
PlaH finden, das Haus
heimkommt, er diese ihm oft unentbehr
lichen Sachen leicht und bequem zur
Hand hat. Ebenso herrsche in den
die peinlichste Ord
nung. Frühmorg-n? schon nach einem
Arogenknopf, einer Kleiderbürste oder
sonstigen an sich ganz nichtssagenden
>G«gelMirden suchen zu müssen, kann
> Hein Manne die Laune für langeStun-
Hen des Tages von vornherein,verder-,
Ben: hierbei zeigt sich die Ordmings-
Nebe der Hausfrau am allermeisten,
überhaupt ist Ordnung die erste Grun
d aller geregelten Haushaltungen,
ohne solch« ist ein Bestehen derselben
laum denkbar. Durch Ordnung in
Süßeren Dingen wird auch das ganze
Sein, Denken und Handeln d«s Men
schen geordnet. Jede Hausfrau, in
welcher Lag« sie auch sei, sollte sich ei
nen fest«n Pian der Hausordnung als
Regkl feststellen, von welcher, so weit es
eben möglich fft, nicht abgewichen wer
den darf. Zeitiges Aufstehen, regel
«rechtes Zurruhegehen sind Hauptmo
inente in einem geregelten Hauswesen;
wie oft wird gerade hierin gefehlt und
dadurch die gange Hausordnung um
gestoßen. Man gebe jedem Gegen-
Pande, wie schon bemerkt, seinen be
stimmt«« Platz, gebrauchte Stücke sind
sofort wieder an den rechten Platz zu
räumen, so daß ein eigentliches Auf
räumen nicht nothwendig wird. Auch
an ihrem eigenen Körper und in ihrem
Anzüge zeige die Hausfrau das Ge
präge der Ordnung, sie sei zu jeder
Zeit, ob zu -Hause oder in Gesellschaft,
wenn auch noch so einfach, doch auf das
sorgsamste und zwar ihren Verhält
nissen gemäß gekleidet. Wie oft und
wie leicht läßt sich gerade die Hausfrau
in ihrer Haustoilette gehen, und doch
D dieses durchaus verwerflich. Der
gute Eindruck, welchen die Frau am
Morgen in sauberem Morgenrock und
geordnetem Haar auf ihren Gatten
ma<»t, bleibt fiir ihn das Bild des gan-
kages, aber wie kann der Anblick
eine? in Anzug und Wesen unordent
lichen Hausfrau den Mann fesseln;
daher soll die Frau auf sich und ihre
Umgebung den größten Werth in Be
zug auf Orknung legen und als leuch
tendes Vorbild dem ganzen Hauswesen
sich zeigen, nur so wird sie sich und den
Ihrigen ein gemüthliches. TrautesHeim
zu schaffen im Stande sein.
WaS ist Schönheit?
In Europa bewundert man die
weißen Zähne, in Japan müssen die
Zähne gelb und in Indien roth sein.
Eine blühende Gesichtsfarbe ist gewiß
beneidenswerth, aber die Frauen in
Grönland streichen sich das Gesicht
blau oder grün an, und die Russinnen
würden sich für häßlich halten, wenn
sie sich nicht kalkweiß schminkten. In
Persien ist die gebogene Nase die schön
ste, in Haiti die eingedrückte Nase und
die Mamas Pflegen dort ihren Neuge
borenen die Nasen zu zerquetschen.
In Rußland bewundert man die
Stiilpnasen. Die Deutschen lieben die
schlanken Gestalten, die Türken ziehen
das Volle vor; wir schätzen das zarte
Oval des Gesichtes, in der Türkei
liebt man die runden Gesichter, i Bei
uns gilt eine hohe gewölbte Stirn als
ein Zeichen von Geist, m Griechenland
nen Mund ober schätzen Alle.
Der „Gezeichnete". Kassi
er (zum Chef): »Ach, Herr Chef, ich
Chef: „Nun? eS doch
sicher nicht schlecht, Sie bekommen ja
jetzt sogar eine rothe Nase!" Kassi
rer: „Eben deshalb möchte ich Sie um
Gehaltserhöhung bitten, da ich jetzt cm
b«sonder«s Kennzeichen habe!"
Sie Uhr des Ermordeten.
i.
Eines Morgens eS war am 2.
Juni 1889 wurde ich mit einem
Fcill betraut, der viel Geheimnißvolles
bot und für mich, als Professionellem,
auch selbst interessant war. Der alt«
Wrayroft, «in stadtbekannt«! Wuche
heit ein wahres Kunstwerk zu nennen.
Auf ihren gelben Zifferblatt waren die
Zahlen mit kleinen kostbaren S,,i.nchen
eingelegt, um welche sich wiederum eine
kunstvolle Malerei in Email zog. Die
Innenseite war gleichfalls mit allerlei
die er mit in's Grab genommen hatte.
Die Uhr selbst aber war von vielen
Personen in den Händen des Ermor
hatte ich auch den Thäter. Alle Ge-
Uhr zu entdecken, aber vergeblich.
Auf diese Weise waren drei Wochen
verstrichen. Unser damaliger Polizet
deren Schuldlosigkeit heraus und sie
mußten wieder in Freiheit gesetzt wer
den.
Da gelang es mir, ein« klein« Reiht
von Thatsachen zu entdecken, die un
trüglich auf Max Wundt, einen vor
Kurzem durch die abscheulichen Wuche
der hinwiesen. Ich entdeckte, daß
Wundt und der alte Wrayroft in der
Woch« vor dem Morde mehrmals zu-
Jch entdeckte ferner, daß Wundt am
Abend vor dem Morde selbst unter
verdächtigen Umständen nahe dem
er während jener Nacht nicht in seinem
Zimmer geschlafen hatte.
Soweit lagen schwerwiegende Ber
te, und daß er zweitens in keiner Weise
ungewöhnlich viel Geld gezeigt oder
sich sonstwie verdächtig benommen
hatt«. Außerdem auch kannte ich
Wundt seit Jahren als einen ruhigen,
arbeitsfamen Mann, dessen ehrliches
Gesicht und gelassenes Wesen in keiner
Weise auf ihn als den Schuldigen
deuteten. Gleichwohl war er indessen
der am schwersten Belastete, und so
nahm ich denn seine Verhaftung un
verzüglich vor. Wundt benahm sich so
unverfänglich und phlegmatisch b«i sei
ner Verhaftung, daß meine anfängli
chen Zweifel an seiner Schuld nur nech
verstärkt wurden. Indessen stellten sich
innerhalb der nächsten Tage doch noch
einige Umstände heraus, die mein Be
weismaterial gegen ihn wesentlich ver
stärkten. Der arme Kerl that mir
leid, denn der ermordete Wucherer
hatte soviel Elend und Unfrieden ange
stiftet im Leben, daß mir wie der Ein
wohnerschaft der Stadt überhaupt
sein Tod unmöglich als eine Calamität
in Criminalprocessen erlangte Erfah
rung. daß eine Jury Wundt trotzdem
d«s ihm zur Last gelegten Verbrechens
überführen und zum Galgen v«rur
11.
Mein Mitleid für Wundt wurde
ihn loszukriegen, und schlug ihm sogar
Col. „Rope" Mattocks vor, der seinen
Fall auf meine persönliche Verwen-
Wundt hörte ruhig zu und sagte
dann, da er unschuldig sei, so würde
auch ein minder erfahrener Criminal
«dvokat genügen, um sein« Freispre-
Na, ich bedauerte den armen Teu
fel, den ich jetzt schon für verurtheilt
ansah, und der Tag des Processes
rückte so heran. Wer beschreibt mein
Erstaunen, als ich bemerkte, daß Herr
Laflin. Wundt's Vertheidiger, mit ei
ner Geschicklichkeit und einer Routine
im Gericht austrat, als ob er schon
langjährige Erfahrung im Fache hin
ter sich habe. Ich merkte bald aus sei
ner ganzen Art und Weise, daß er fest
von der Unschuld seines Clienten über»
zeugt sei und das ihm dies sein« Be
redsamkeit und seine moralische
Stärke d«r Jury gegenüber gebe. Und
in der That als ich die ehrlichen
Züge des Angeklagten hier im Ge
richtssaal nochmals leidenschaftslos
prüfte, sagte ich mir auch, daß dieser
Mann kein Verbrecher sei und daß eine
unglückselig« Verwechselung vorliegen
müsse bei den Judicien, die durch un
bescholten« Zeugen «rhärtet wurden.
Und als ich diese Zeuginaussagen an
hörte, da mußte ich mir abermals sa
gen, daß sie zusammen ein« fast un
zerreißbare und lückenlose Kette von
Umstand-b«weisen gegen Wundt er
gaben, und sein Schicksal that mir
leid.
Da aber begann Herr Laslin sein«
Schlußansprache an die Jury. Nie
hört, was mich so erschüttert hat
einige der Geschworenen vergossenThrä
nen und selbst der Richter blieb nicht
unbewegt. Mit meisterhaftem Scharf
sinn wies er alle die schwachen Punkte
nach, die UnWahrscheinlichkeiten, welche
m der Beweiskette gegen seinen Clien-
Stärke nur in der brillanten Phanta
sie des Advokaten hatten, die aber
trotzdem ihren Effect auf die Geschwo
renen nicht verfehlten. Er wies auch
ger direkter Beweis gegen ihn exiftire.
Nun, das Ende war einstimmig«
Freisprechung durch die Jury. Herr
Laslin war der Erste,der seinem Clien
ten glückwllnschend die Hand schüttelte,
und das Gleiche thaten darauf die Ge
schworenen, der Richter, selbst der
Staatsanwalt und ich. Wundt nahm
unser« Gratulionen mit großer See
lenruhe entgegen, und verließ dann
den Saal, draußen in der Straße von
dem Beifall einer vielköpfigen Menge
von Neugierigen begrüßt. Er begab
sich, als fei nichts vorgefallen, wieder
in fein« alte Stellung als Barkeeper
im Nevera Houfe zurück.
111.
keit als Detectiv, die mir täglich neue
Criminalfälle zu unmittelbarster An
schauung bringt, hatte ich den Fall
Wundt schon beinahe völlig vergessen.
Da saß ich eines Nachmittags mit
Schreibereien beschäftigt in meinem
kleinen Bureau in der City Hall, als
aufgeregt.
„Kennen Sie diese Uhr?„ schrie er,
mir «in« solche in die Hand drückend.
Aufmerksam betrachtete ich dieselbe
kein Zweifel, «S war die langge
fuchte Uhr, die von der Ermordung des
alten Wraycroft herstammte.
„Woher haben sie diese Uhr?" frug
ich. Und Herr Laflin erzählte.
Als er «ine Stunde zuvor müssig in
seinem Bur«au gesessen, war plötzlich
Max Wundt hereingetreten, hatte die
Uhr auf das Pult gelegt und mit ton
loser Stimme gesagt: „Da, nehmen
Sie das Ding, oder ich werde noch
wahnsinnig. Mein Gewissen verbietet
mir, sie länger zu behalten."
grauenhaftem Staunen, seinen ehema
ligen Clienten befragt. „Ja, ich bin
der Mörder," hatte Wundt erwidert
und ein« genaue Beichte abgelegt. Di«
Uhr und das G«ld hatte er noch in der
Mordnacht nach einem sicheren Versteck
gebracht, wo selbst die Spürnase der
Detectivs nicht hingedrungen war.
Aber wie sehr er sich auch beherrscht
hatte und wie sehr er sich auch von sei
nem eigenen Gewissen damit zu ent
schuldigen suchte, daß der Ermordet«
ihn mit grausamer List in den Ruin
getrieben, dadurch den frühzeitigen
Tod seiner jungen Frau und ihres
Säuglings verschuldet hatte, so hatte
er doch keine ruhige Stunde mehr seit
dem. Und seit seiner Freisprechung
war dieser Zustand schier unleidlich ge
worden, so daß es ihm keine Ruhe ließ,
vordem er nicht wenigstens einem Men
schen gegenüber sich schuldig bekannt
hatte. Und nach diesem Geständniß,
das Wundt in abgerissenen Sätzen,
mit dumpftr Stimme abgelegt, wir er
hastig die Treppe hinabgesprungen und
verschwunden.
Sofort machte ich mich mit Herrn
Laflin auf die Suche noch dem Un
glücklichen, der dem Wahnsinn nahe zu
fein schien. Umsonst. Seine Stellung
hatte er ausgegeben, und nirgendswo
war von ihm etwas zu finden. Am
nächsten Morgen indeß erhielt ich ein
Packet es enthielt die Werthpapiere
und das Baargeld völlig unser
sehrt das bei jenem Mord aus den
Habseligkeiten des alten Wucherers
verschwunden war. Und dabei lag ein
Zettel:
„Wenn Sie dies erhalten, bin ich
nicht mehr unter den Lebenden. Das
Blut des alten Wucherers triebt mich
in den Tod."
Wenige Tage später wurde eine
Leiche im See aufgefischt es war
die von Max Wundt.
So hatte der Mord doch seine Süd'
n« gefund«n, wenn auch nicht durchs
Gericht. Der Fall aber hat nur ge
zeigt, wie äußerst schwierig es ist, selbst
für gewagte Praktiker, ein richtiges
Urtheil über Criminalfälle sich zu bil
den.
Zolin und Joan MadllZ.
«US dem Leben des 2», Jahrhunderts, von
Robart Barr.
John Madax saß in ganz verzweifel
ter Stimmung vor seinem Pulte; d«n
Kopf auf eine Hand gestützt, mit der
anderen sein Haar zerzausend. Die
Geschäfte gingen schlecht! Mr. Madax
war allein in seinem Contor in d«r
Bärenstraß«. Er brauchte Zeit zum
Nachdenken und hatte Befehl gegeben,
daß Niemand ihn störe. Trotz der nun
«herrschenden Stille kam er zu keiner
Klarheit in seinen Verlegenheiten,
olles Nachdenken war vergeblich. Er
sprang auf und ging ruhelos im Zim
mer hin und her. „Das Beste wird
sein, meine Frau l?m Rath zu fragen,"
murmelte er, endlich seine Promenade
unterbrechend.
Er schreibt ein Telegramm: „Mrs.
John Madax, Königsstraße 20, Lon
don. Kannst Du für einige Minuten
in mein Contor kommen? Möchte Ge
dax."
Nachdem er dem Laufburschen die
Depesche zur Besorgung übergeben.
ein Telegramm, welches er in fieberhaf
ter Hast öffnet« und las: „Bedauere,
kann diesen Vormittag nicht fort. Hol«
meinen Club frühstücken und reden über
Deine Angelegenheiten. Joan Ma
dax."
Der sorgenvolle Mann sah nach dem
Chronometer. Es war noch nicht elf
Uhr. Erst in zwei Stunden konnte er
seine Frau sehen. Er setzte sich wieder
an's Pult und erledigte einige Ge
schäftsbriefe, um die Zeit todt zu schla
gen. Dann bracht« er seinen Anzug
Stock und fuhr per Droschke zum Con
tor seiner Frau. Nachdem er sich hatte
melden lassen, führt« ihn ein nettes,
kleines Mädchen in ein Zimmer und
sagte ihm, daß Mrs. Madax sogleich
erscheinen würde. Sie bedauere, ihn
warten lassen zu müssen, und sende
ihm unterdessen die „Skizze" zum An
sehen. Die „Skizze" war ein im 19.
Jahrhundert! aufgekommenes Journal,
Empfangszimmer warten bereits drei
Männer. Endlich kam das Mädchen
zurück und verkündete Allen, außer
Verabredung habe, ade? von vier Uhr
Nachmittags ab stände sie zur Verfü
gung. Mr. Madax blieb nun wieder
mehrere Minuten allein, dann trat
seine Gattin ein. Sie war eine große
Frau, mit feinen, klar geschnittenen
Gesichtszügen. Ihre Kleidung war
der eines Herrn sehr ähnlich Sie trug
ein kl«ines, frackartiges Jäckchen, helle
Weste, Chemisette, sehr grelle Cravatte.
Ihr braunes Haar war kurz geschnit
ten und auf der Seite gescheitelt. Der
glatte Rock hatte an beiden Seilen,
hoch oben, schräge Taschen. Ihre
rechte Hand steckte in einer derselben
und klirrt« mit Geld und Schlüsseln,
als sie das Zimmer betrat, wo ihr
Gatte ihrer harrte.
„Guten Tag, John," rief sie aus,
„verzeih, daß ich warten ließ, aber wir
haben einen sehr geschäftigen Morgen
gehabt! Jetzt bin ich bereit. Wir
wollen im Club frühstücken!"
Sie näherte sich ihrem Manne, wäh
rend sie sprach und klopfte ihm freund
schaftlich die Schulter. Er sah zu ihr
auf und lächelte. Ihr Einfluß hatte
stets etwas Beruhigendes für ihn und
gab ihm das Gefühl, als ob er beschützt
wäre und den Kampf mit der Welt
nicht allein ausfechten brauchte. Eine
der zahlreichen weiblichen Commis
trug einen langen Ueberrock herbei, wel
chen Mrs. Madax anzog. Als sie den
selben zugeknöpft und einen runden,
harten Hut aufgesetzt hatte, sah sie
mehr denn je wie ein Mann aus, und
ihr Gatte hatte fast etwas Weibliches
im Vergleich zu ihr.
„Ist mein Wagen vorgefahren?"
fragte sie das Mädchen.
„Ja, Madame." ,
„Komm, John, wir haben keine Zeit
zu verlieren," sagte Mrs. Madax sehr
entschieden .ging voran, öffnete die
und der Wagen fuhr nach dem West-
Park. In kurzer Zeit hielt er vor ei
nem großartigen Gebäude. Dies ist,
wie Jxdtrinann weiß, der „Victoria
„Holen Sie mich um halb vier Uhr
ab!" befahl die Dame dem Kutscher.
Die Thüren des stattlichen Hauses
geöffnet. Mrs. Madax schrieb den
Club-Frühstück," sagte Mrs. Madax zu
Flasche Sect!"
ken," bracht« Mr. Madax zögernd her
aus, „er bekommt mir nicht."
„Unsinn," rief seine Frau, „ein
oder zwei Glas werden Dir gut thun,
Du siehst so sorgenvoll aus."
„Ich habe Sorgen, deshalb wollte
ich Dich sprechen."
„Nun, ich muß aber sehr bitten, beim
den" sagte Mrs. Madax, „Knaben
sind eine solche Sorge für die Eltern,
ivenn man daran denkt, daß sie sich «in-
Kinder vielleicht besuchen."
„Ich wünschte, Du kämest öfter nach
Hause," erwiderte Madax, „die Klei
nen vermissen Dich sehr."
„Später wird es mir wohl möglich
sein. Aber jetzt, habe ich, wie Du,
Sorgen im Geschäft, habe wichtig« Ar
ten."
„Morgen Abend also," schlug er vor.
„Morgen erst recht nicht, da hab« ich
„Alle diese FOten müssen Dir doch
enormes Geld kosten?"
„Thun sie auch! Aber Erfahrung
hat mich weise gemocht! Wenn man
ein gutes Geschäft mit einem Manne
machen will, muß man ihn erst ordent
lich füttern. Ich sehe stets darauf, daß
die Weine tadellos sind! Das muß ich
den Männern nachsagen, sie verstehen
Sie redet« ihm zu, Champagner zu
trinken. Er lehnte dies ab. „Ein
Mann muß heutzutage den Kopf klar
für's Geschäft halten."
Nach dem Frühstück führte ihn Joan
„Was willst Du trinken?"
dann aber hinzu, „oder doch, «in Glas
Milch mit Sodawass«r."
„Du rauchst natürlich?"
Als der Kellner erschien, bestellte
Mrs. Madax Milch und Sodawasser,
die besten ägyptischen Cigaretten, zwei
Havanna-Cigarren und ein Glas Kog
nak. Sobald der Kellner die Sachen
gebracht und das Zimmer verlassen,
schloß Joan die Thür zu. Ihr Mann
«ntzUndet« seine Cigarette an dem
Streichholz, welches sie ihm bot; sie biß
ein Stück von ihrer Cigarre und be
gann gleichfalls zu rauchen. Dann
steckte sie beide Hände in die Taschen
und ging im Zimmer auf und ab.
„Nun, John, was giebt es denn?"
„Vor einigen Monaten," erzählte
Madax, „ließ ich mich auf ein Weizen
gefchäst ein, und jetzt weiß ich nicht,
wie ich mich aus der Affaire ziehen
soll."
M?s. Madax blieb vor ihrem Gatten
stehen und sah ihn überrascht an.
„Weizen?" rief sie aus. „Wie, in
des Himmels Namen, kamst Du auf die
Jd«e?"
„Nun, siehst Du," erwiderte John
sehr gedrückt, „die amerikanische Wei
zenernt« war doch sehr schlecht ausge
fallen und da glaubte ich bestimmt, daß
die Preise steigen würden."
„Weshalb sprachst Du nie mit mir
„Ich wollte das Geschäft auf eigen«
Faust unternehmen. Natürlich hatte
ich kein« Ahnung, daß «s einen solchen
Haken haben würde."
„Einen Haken," sagte sie verächtlich,
„das mußte sicherlich einen haben!"
Weißt Du nicht einmal, daß man sich
in den Vereinigten Staaten niemals
über den Weizenmarkt informiren
darf? Indien ist —"
„Ja ich weiß, das heißt, ich weiß es
jetzt, aber das nutzt Alles nichts! Ich
stecke bis an den Hals im Weizen und
die Preise gehen herunter! Was
räthst Du mir zu thun, Joan?"
„Oho, Dir rathen? Welchen Zweck
hat es, mich um Rath zu fragen, wenn
es zu spät ist? Ich kann Dir nur
rathen. Dich so billig ivie möglich auS
der Schlinge zu ziehen.»
Ihr Gatte stöhnte.
„Ich sürchte, dann bin ich so gut wie
ruinirt."
Preise noch mehr fallen."
Mr. Madax sah ganz geknickt auS.
Seine Frau überlegte. „John,"
begznn sie dann, „weshalb giebst Du
Deine Geschäfte in der Stadt nicht auf
und gehst nach Hause, um die Kinder
zu versorgen?"
Er fühlte sich verletzt und starrte sie
eine Weile sprachlos an, endlich mur
„Jch mag nicht ganz abhängig von
Dir sein!"
viel extra für Deinen Gebrauch, als Du
haben willst! Du quälst Dich halb
todt mit den Geschäften und solltest
Der Mann seufzte.
„Das ist Alles gut. aber kannst Du
denn nicht begreifen, daß ich mir gern
selbst etwas Geld erwerben möchte?"
„Du erwirbst aber nichts, sondern
verlierst nur. Mit wie viel Geld steckst
Du drin?"
„Fünfundzwanzigtausend Pfund!"
stöhnte «r.
„O weh, ist das Alles, WaS Dir
" „Alles!"
„Du hättest Dich aussprechen sollen,
«he es zu spät war. Siehst Du das
mcht ein?"
„Ja, aber ich wollte einen Vor
schlag machen! Du erzähltest mir, daß
Du Sir Cäsar heut zum, Diner ge
laden. Nun, ich weiß nicht, was Du
von ihm willst, ich glaube jedoch, daß,
wenn ich ihn auf meine Seite im Wei-
Andere hereinziehen würde und wir
dann vielleicht die Preise zu hebe« ver
möchten!"
Mrs. Madax' Augen glänzten, als
sie auf ihren Gatten niederblickte.
„Hältst Du das für möglich?" fragte
sie fast athemlos.
„Ja, ich glaube, daß wir mit verein
ten Kräften die Preise derart in die
Höhe bringen werden, daß man sich
noch mal so aus de? Falle ziehen kann."
„Gar keine schlechte Idee! Wie viel
Geld würdest Du wohl zusammen be
kommen?"
„Ungefähr eine Million," antwortet«
John, hoch erfreut, nun auch etwas
Aufmerksamkeit und nicht nur Tadel
von s«in«r Frau zu erhalten.
„Eine Million? Glaubst Du be
stimmt. daß Eure Seite des Marktes
diese Summ« beschaffen wird?"
„Ganz gewiß!"
Mrs. Madax ging wieder im Zim-
Kopfe aus, stellte sich ihrem Gatten
dann gegenüber und fragte:
„Gegen wen geht Ihr eigentlich?
Wer ist auf der anderen Seite maßge
bend?"
„Oh, das weiß Keiner von uns.
Das Geschäft wurde durch die Tokio-
Bank gemacht und wir ahnen nicht, wer
dahinter steckt."
„Nun, siehst Du denn nicht, daß Du
zu allererst herausfinden mußt, gegen
wen Du stößt, wer Dir das Geschäft
verdirbt? Ist es ein Steinwall, je «her
Du es weißt, desto besser, da kannst
Du noch einhalten, ehe Du Dir den
Kopf einrennst; ist es nur eine Hecke,
kannst Du vielleicht durchschlüpfen!
Meine erße Arbeit wär« es gewesen,
diesen Opponenten ausfindig zu ma
chen "
„Ich hatte keine Ahnung," warf er
ein, <daß Jemand g«gen uns arbei
tete!"
„Zu dumm!" rief Mrs. Madax, nun
unzedulidzg werdend. „Du konntest
Dir doch denken, daß sich Jemand auf
die andere Seite stellen würde! Ihr
könnt also nicht erfahren, wer es ist?
„Nein!"
„Gut, höre zu! Du steckst mit fünf
„Meinst Du wirklich?" fragte Ma
theilen?"
aufathmend.
„Jetzt aber verrathe nichts," er
mahnte ihn „Wendet Al
fahren."
Madax, der da wußte, daß die Aus
sagen seiner Frau in Börsenangelegen
heiten sich gewöhnlich bewahrheiteten,
telegraphirte an Sir Cäsar und An
dere und ersuchte sie, schleunigst in sein
Contor zu kommen. Die Herren er
schienen. Er theilt« ihnen seinen Plan
mit und bat um ihren Beistand, wel
wurde.
Am nächsten Tage, als die Betheili
gung einiger Kapitalisten in dem Wei
zengeschäft bekannt wurde, stiegen die
Preis« zwar, doch nicht so, wie man es
erwartet. Madax >hätt« wohl ohne
Berlust verkaufen können, jedoch ohne
sein Geld zu verdoppeln, da sich die
Opponenten als sehr widerstandsfähig
erwiesen. In kurzer Zeit wurden doch
die Preise von Neuem heruntergedrückt.
Der Markt schien allen Halt verloren
zu haben. Die fünfundzwanzigtau
fend Pfund, ebenso die Million waren
verloren! Alles Vertrauen, welches
John in seine Frau gesetzt, war ver
schwunden! Er telegraphirte nur noch
an sie, daß er ein ruinirter Mann sei,
unv begab sich dann verstört nach
Hause.
Gegen acht Uhr Abends desselben
Tages hielt ein Wagen vor seiner Woh
nung. Mrs. Madax sprang heraus.
Als sie das Zimmer betrat, sah ihr
Gatte gar nicht auf sie, sie ging zu ihm
und klopft« ihm recht vergnügt auf den
Rücken.
„Komm, komm, m«in armes Kind!
Freu« Dich!"
Johns einzige Antwort war ein
langes Stöhnen.
„Du hast also Deine fünfundzwan
zigtausend Pfund verloren?" fragte
sie.
„Du sagtest mir, ich würde mein
Geld verdoppeln und ich glaubte
Dir."
„Natürlich glaubtest Du mir und
hier ist «in Check für fünfzigtausend
Pfund. Du hast Dein Geld verdop
pelt!"
„WaS meinst Du denn eigentlich?"
stotterte Madax, zu ihr aufseyend.
„Was ich meine, Kleiner? Ich
Jetzt könnt Ihr es ja wissen! Deshalb
hatte ich auch Sir Cäsar zum Diner ge
laden. Ich hatte keine Ahnung, daß
Du auf der anderen Seite warst, und
Nun, älter Knabe, nimm den Ch«ck und
geh' nach Nonte Carlo! Ich gehe viel
leicht später auch dahin, wenn ich Zeit
habe! Ich bin Dir sehr verbunden für
die Million, welche Du mir in den
Weg geworfen, und gebe Dir gerne
fllnfzigtauftnd Pfund davon! Du
kannst auch Deine Ausgaben in Monte
Carlo a>»f meine Rechnung fetzen! Ich
glaube, Du wirft die Spielbänke nicht
so kostbar finden, wie den Londoner
Weizenmarkt! Leider kann ich jetzt
nicht länger bleiben, da die Leute,
welche auf meiner Seite speculirten,
um neun Uhr mir zu Ehren ein Diner
geben. Grüß« die Kinder und sag', ich
würde sie bald mal besuchen das
heißt, wenn Du sie nicht mit nach
Monte Carlo nimmst! Adieu, adieu!
Hab' Acht auf Dich und Deinen Check!
Vielleicht sehen wir uns in Monte
Corlo wieder."
Hiermit verließ Joan das Zimmer
und winkte nochmals aus dem Wagen
fenster, während John ganz verwirrt
in der Thür stand, ihr nachstarrte und
kaum dei Sachlage begreifen konnte.
Dt« deutsche strau vor Jahre«»
Im Jahre 1787 erschien in
Leipzig ein Buch mit dem Titel „Ueber
die Weiber", dessen Verfasser, der han
noversche Kabinetsrath E. Brandes,
die Klugheit hatte, sich als solchen nicht
zu nennen. Sonst wär« es ihm wohl
schlecht ergangen, denn es ist zu allen
Zeiten für die Männer ein gefähr
liches Unternehmen gewesen, dem schö
nen Geschlecht einen solchen Spiegel
feiner Fehler und Thorheiten vor da»
Gesicht zu halten. Aber ungefähr er
scheint es uns, hier einige Proben auS,
diesem längst verschollenen Buche wie
derzugeben, weil sie klar erkennen las
sen. wie vortheilhaft sich die
Frauen des letzten Viertels unseres
Jahrhunderts von ihren Urgroßmüt
tern im letzten Viertel des vorigen
Jahrhunderts unterscheiden. Klingt
«s nicht wie «ine Mär aus weit hintey
uns liegender Zeit, wenn BrandeS
schreibt: .Die Neigung zum Putze und
die Begierde, durch Aufwand zu glän
zen, stehen gegenwärtig in gar weni
gem Zusammenhange mit der Gefall
sucht der Damen. Es geschieht mehr,
um andere Frauen auszustechen, als
um uns Männern zu gefallen. Al
lein der jetzige ausschweifende Grad
dieser Neigungen ist doch eine Folge
der Eitelkeitserziehung und der aus
Idee der übergroßen weiblichem Vor
»trefflichkeit. Die Vtcrnach'üssigung
aller übrigen Pflichten und das täg
liche Auslaufen in fade weibl'che Ge
sellschaften macht den Putz zur einzigen
Beschäftigung. Die Männer, die da
glauben, daß ihre Frauen nur deswil
len bessere Hausfrauen sind, weil sie
wenig oder nie die glänzenden gemach
ten Zirkel besuchen, sondern nur ihre
Nachmittage in Gesellschaft von sechs I
bis acht anderen Damen zubringen,
ger Umgang mit Männern fast immer
der größte Gewinn für das andere
Geschlecht. Alle kluge Frauen wurden
durch Männer gebildet. In bloß
Berste Langeweile. Alle Modethorhel
täglichen Besuche, ohne irgend einige
Vortheile für den Geist, gänzlich ver
nachlässigt und der von der Arbeii er
müdete Mann findet in scine: Heim-
Haltung. Alle auf Nanz
Ausgaben über ihre Eintiinfte steigen
lassen, entspinnen sich dort. Die hat
«in neues Kleid, eine neue Zimmer
einrichtung, und nun strengt die An
dere allen ihren Einfluß an, um ebenso
etwas zu haben. Für Möbel haben
die Damen überhaupt eine Zärtlichkeit,
ten verbreitet, die nur den Kopf der
Weiblein und di« Ruhe des Manncs
Zerstört."
„Wie kommt es denn, daß man das
Ehepaar Huber jetzt nie mehr zusam
men spazieren gehen sieht?!"
„Daran ist nur ihr verschiede
ner Geschmack fchulv. Während er
sich ärgert, daß sie immer auf
Mvdcwaarengefchäfte zu
steuert, giftet sie sich wieder,
wenn er von keinem Delikates
sengeschäft weiterzubringen ist!"
Lehrling und Meister.
Forstgehilfe (der bei'm Erzählen ei
ner sehr unwahrscheinlichen, selbst
erlebten Jagdgeschichte stecken
bleibt, und deßhalb tüchtig ausgelacht
wird): „Aber, Herr Oberförster, hel
fen S' mir doch heraus! Sie müs
sen'? ja' am Besten wissen, was ich
damals noch erlebt habe!" , ,