Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, December 13, 1895, Page 3, Image 3

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    WlNüiWzWz
(5. Fortsetzung.)
Dritte! Kapitel
Am Tage nach jen«m schrecklich«»
Ereigniß in der Villa des Doktor Hou
chard, wo er einen Todten zuviickgelas
bem er alle seine Angelegenheiten er
ledigt hatte und Herr feiner Zeit war,
Toulon mit dem Sch»«llzug, der um
zwöf Uhr achtundvietzig abgeht und
gegen fünf Uhr in Nizza ist. Er ivvllte
nicht direkt mit der Bahn nach Beali
lieu fahren, da er fürchtete, seine An
kunft möchte bekannt weisen und er
dadurch feinen Vortheil Wer d'xjenigen
«inÄiißtn, deren Gtheunniß er durch
überraschendes Erscheinen zu enthüllen
haM 5 5 , hg,,
nach Theben, suchte er die Sphinx, um
ihr deS Räthsels Lösung zu entreißen.
Aber wie und wo sollte er sie finden?
Immer wieder kam ihm die Erzäh
da wird sie mich morgen erwarte»...."
Raimond wußte nur zu wohl, von
welcher Terrasse die Rede war. In
den letzten Jahren ihres Lebens halte
sich Madame Letourneur, wenn sie den
Winter jn Beaulieu verbrachte, dorthin
da gesessen, hatte den Wogen des blauen
Meeres zugeschaut, hatte sich an der
frounidlichen Sonn« emoärmt und den
die mit ihren goldenen Früchten in ver
schwenderischer Fülle den Garten zier
ten. Raimond sah im Geiste das Plätz
chen vor sich: eine niedrige Mauer mit
Einsamkeit: Olivenhain«, Felder und
das Meer. Der Ort war Ilug gewählt!
Mit schäumender Wuth dachte er sich
Anflog/ Ein Mädchen! Welches Mad
räu-sch ihrer Küsse. Aber das Gesicht
blieb in Dunkel gehüllt und die Ge
stalt verschwamm ihm in Umrissen.
War's die Blonde oder die Braune?
Therese oder Lydia? Die Fr«undin
oder die Braut?
Verschwiegenheit halber verachtete, als
um seiner verbrecherischen Liebe willen.
Nie je zuvor hatte Raimond so ge
litten. Weder die Pein der Trennung
von der, die er über alles liebte, noch
werden, die er bei feiner Rückkehr, von
der er sich so viel Freude versprochen
hatte, erduldete. Alles, was er von der
Zukunft erhofft hatte, konnte vernichtet
sein, und bei dieser Ungewißheit
bäumte sich sein Herz empört auf. Die
Stunden schlichen ihm so bleiern da
hin und der Zug ging so unerträglich
langsam! Mit einem Satze hälte er
gern bei ihnen sein, sich aus sie stürzen
und ihnen daS Geständniß der Schuld
entreißen mögen. Und dann....? Wenn
es Lydia gewesen war, die in den Ar
min eines andern vergessen hatte, was
sie ihm veijsprochen, so wollte er in
blinder Wuth zuschlagen, wollte ihr
an'S Leben gehen, wie er schon den Ge
liebten g«tödt«t hatte! Würd« er die
wilde Energie zu solch einer Rache
haben? Der Zorn mußte sie ihm geben
l und ihm helfen, vor nichts zurückzu
schrecken. Dann wieder ward er muth
los und lebensmüde. War es nicht am
Ende -besser, wieder in jene Länder zu
ziehen, ivoher er eben erst gekommen
inmitten von zahllosen Gefahren fand
er schnell daS Allheilmittel sür sein
L«id und im ewigen Schlaf konnte er
v«rgessen.
Ein bleiches, von diamantnen Augen
durchleuchtetes Gesicht mit lachenden
I rothen Lippen tauchte vor ihm auf, und
schrie es in ihm: „Nein, ich
Ikömite nicht vergessen! Wenn der Ted
Idie für uns daS Erkennen der Dinge
Wius dieser Erde erhält, unsern Leib
»berlebt, dann würde sich in meiner
in unausgesetzter Reue. O, immer
«vüiwe'lkich dieses entzückend verfiihre
/«sche Bild mit feinem süßen Lächeln
! und seinen strahlenden Blicken verfol
' g«n, Blicke, d>ie einem andern gehörten,
nicht mir! Es gibt keine Wahl fiir
mich. Entweder muß ich sie unschuldig
warfen« Hoffnung an, daß Lydia nicht
di« Schuldig« sei. Dann tauchte vor
> seinem inneren Auae das Mädchen mit
den verschleierten Zügen in den Armen
eines andern auf, und „welche?" tönte
es immer und imm«r wieder.
War es nicht schließlich besser, wenn
er die Antwort darauf nie erhielt?
War die Ungewißheit nicht eine Frist
für ihn? Wenn es keine Zweifel mehr
gab, wenn ihm alles klar sein würde,
war er nicht dann erst zu beklagen?
Trotzdem wünschte er die Stunde her
bei, wo dieser furchtbare Zwiespalt
aufhören mußte.
Die fünf Stunden Fahrt schienen
ihm endlos. Er kam, oh>»e sie auch nur
eines Blickes zu würdigen, an den herr
lichen Orten Saint-Naphael, Antibes
und Cannes vorüber, deren Schönheit
ihn einst mit Entzücken erfüllt hatte,
und mit einem Seufzer der Erleichte
rung sprang er in Nizza auf den Per
ron. Er ließ sein Gepäck am Bahnhof,
nahm einen geschlossenen Wagen und
gab dem Kutscher den Befehl, nach
Villafranca zu fahren.
Sein Plan war sehr einfach. Er be
absichtigte, den Wagen noch vor Beau
lieu zu verlassen und sich bis zum Ein
bruch der Dunkelheit in einem Gast
haus aufzuhalten. Dann wollte er den
Weg nach Sqint-Hospice zu Fuß durch
die Villinstraße zurücklegen, bis er an
die Mauer gelangte, hinter der di
kleine Terrasse versteckt lag. Dort war
der Ort, wo jene sich zu treffen pfleg
ten, wohin das Mädchen kommen wur
de; und anstatt des erwarteten Gelieb
ten sollte sie ihn vorfinden! So ent
hüllte sich ihm in einer Minute das
schmachvolle Geheimniß; keine Ausre
de, kein Leugnen war mehr möglich,
denn schon die Anwesenheit allein war
der Beweis der Schuld und zeugte
von dem Falle des unglückselige» Mäd
chens.
Die Falle schien ihm geschickt gelegt,
und der Gedanke daran bereitete ihm
ein fast teuflisches Vergnügen. Als der
Wagen die Anhöhe vor Villafranca er
reicht hatte, ließ er halten, mild nachdem
er den Kutscher bezahlt hatte, sandte er
ihn zurück. Die Landstraße war einsam
und verlassen. Der Zug, der die Spie
ler von Monte Carlo zum Diner nach
Nizza zurückführte, pfiff eben am Ein
gang eines Tunnels, in den er 'dam
pfend einfuhr. Dann trat wieder laut
los« Stille ein, und Raimond hörte nur
noch das Geräusch der eigenen Schritte
auf dem hohlen Boden des staubigen
Weges.
Er wurde eines Wirthshauses an
sichtig, in dessen Gärtchen sich eine klei
ne Laube befand. Dort setzte er sich, vor
den Blicken der Borübergehenden ge
schützt, auf «ine Bank und zündete sich,
um die Zeit zu kürzen, eine Zigarre an.
Die letzte Zusammenkunft Lydias
mit Girant hatte am Abend vor dem
Tage stattgefunden, an dem er der Ein
ladung des Doktor Houchard gefolgt
war und mit diesem und den Marine
offizieren das Frühstück eingenommen
hatte. Schon seit Wochen hatten sich die
Liebenden nicht mehr an den wenigen
Minuten des Geplauders im Garten
genügen lassen. Das Welter begann
schlecht zu werden und ost würde ein
kalter Wind den Aufenthalt im Freien
unangenehm gemacht haben. Ein klei
ner Pavillon, d«n ehemals Madame
Letourneur benutzt hatte, und der seit
her verlassen stand, bot den besten
Schutz gegen die Ungunst der Jahres
zeit und gegen unerwünschte Ewdring
linge. Wenn für Girani kein Abha"l
tungsgrund vorlag, erwartete ihn Ly
dia in diesem Pavillon, und die Mulat
tin, die ihrer Herrin zuliebe alles thar,
was diese von ihr forderte, holte dann
den Italiener herein und stand, wäh
rend die beiden Liebenden zusammen
lvaren, draußen Wache.
Aber aus dem stillen Hause drohte
ihn«n kaum ein« Gefahr. Wer sollte
eine Ahnung von dem allem haben?
Madame de Saint-Maurice, die im
mer so matt und so mit sich selbst be
schäftigt war, daß ihr für andre kein
Gedanke übrig blieb? Oder Therese,
deren reine Seele sich von solcher
ließen, straflos ausgehen. Der unglück
liche Zufall jedoch blieb nicht aus und
führte die Entdeckung herbei.
blickte, mehr neugierig als erstaunt,
hinaus. Etwa hundert Schritte von der
Villa entfernt und mit ihr durch einen
zum Gewächshaus hergerichteten Glas
gang verbunden, stand der Pavillon,
in dem ihre Mutter einen Theil ihrer
Tage zu verbringen pflegte. Durch die
herabgelassenen Jalousieen eines von
Bäumen umschatteten Fensters dieses
kleinen Baues leuchtete ein schwacher
Schein zu Theres« herüber.
Sie legte dem Umstand indessen kei
ne besondere Bedeutung bei. Weder
dachte sie an Diebe, noch an heimlich
Liebende. Sie sah einfach ein Licht,
das den sonst unbewohnten Raum er
hellte, ein« auffallende Thatsache, deren
Ursache sie ergründen wollte. Wahr
scheinlich, meinte sie, hatte irgend ein
Dienstbote dort etwas zu thun. Da
aber Madam« de Saint-Maurice ein«
gang besondere Angst vor Feuersgesiihr
hatte, hielt es das junge Mädchen für
gerathen, sich vorsichtshalber in eigener
Person Uni die Sache zu lümmern.
Sie durchschritt den Salon, betrat
de» Glasgang und eilte zwischen den
Reihen seltener Pflanze», die zu beiden
Seiten aufgestellt waren, »ach dem
Pavillon, als sie plötzlich das Geräusch
einer sich öffnenden Thüre vernahm.
Sie blickte durch die Scheiben und
sah einen Mann von dem kleinen Bal
kon, der den Pavillon umgab, die Stu
fen in den einsamste» Theil des Gar
tens hinaibsteigen. Erkennen konnte sie
ihn nicht; doch sah sie, daß er von ho
her Gestalt war und seinen Mantel
über den Arm gehängt trug. Am Fuß
genden Baumzweig«n eingefaßten Allee.
Therese verharrte erstaunt und ver
wirrt auf derselben Stelle. Ei» Man»
entfernte sich heimlich aus dem Pavil
lon und winkte jemand ab, der ihm
mochte dieser jemand sein? Ohn«
Zweifel ein weibliches Wesen, wahr
scheinlich eine Dienerin des Hauses.
»Leila, bist Du «s?"
Therese starrte wie vom Blitz ge
troffen vor sich hin; der kalte Schweiß
Herzens, das sie fast betäubte. Im »äch
sten Augenblick trat Lydia in den Glas
der Welt sagt« sie: „Ach, Du bist es!
Hast Du Leila nicht gesehen? Ich hat
te si« gebeten, mich hier zu erwarten."
und mit einer trostlosen Bewegung
schüttelte sie den Kopf zu eine», „Nein."
„Nein?" fragte Lydia mit bebender
sicher, trotz ihrer Angst, da hätte man
die Unschuldige für die Schuldige hal
ten können.
dem Pavillon kam?"
„Ein Mann?" rief Fräulein de
Saint-Manrice mit «inem nervösen
Lachen aus. „Was Du Dir einbildest!
Augen gesehen.... hörst Du, ich habe
ihn selbst gesehen!"
„Wenn ich Dich aber vevsichre...."
unter meinem Dach; vergiß das nicht?
Was hier vorging, betrifft die Ehre
meines Hauses. Wenn Du mich »och
Die Kreolin machte eine Bewegung,
als wolle sie Therese zurückhalten, dann
setzte sie sich mit gesenktem
laubt haben wurde, etwas andres an-
Abscheu fürchtete. Aber Lydia schien
sich, seit ihr die Lüge verboten worden,
frage», während sie vor Ausregung am
ganze» Körper zitterte: „Wie ist jener
Man» hier hereingekommen... es ist
doch hoffentlich zum erstenmal gewe
sen?"
Lydia rief erregt aus: „Ja, zum er
stenmal.... und gegen meinen Willen."
„Gegen Deinen Willen? Warum hast
Du mir das nicht gleich gesagt.... o,
Lydia, gib mir die Gewißheit, daß Du
Dir nichts weiter als eine Unbesonnen
heit vorzuwerfen hast.... sie ist schon
schlimm und strafbar genug.... Bitte
damit ich Dich, wenn <s sein muß, ver
iheidigen kann."
„Ja, Du -hast recht und hast es mit
ihn auf unsrem Ausflug nach Monte
Carlo gesehen: vielleicht erinnerst Du
Dich seiner nock?"
„?lch, jener ftremde?"
„Ja. Er hatte uns ziemlich lange
tet. Aber der Zufall wollte eS, daß ich
„Leila! Welche Nolle spielt sie bei
ben, Du mich vorhin so ungerechter
Weise beschuldigtest. Aber meine Zu
rückhaltung reizte ihn nur noch mehr,
nicht hart beurtheilst, hatte solche
Qual. Während sie dem Liebessben
teuer Lydias auf den Grund zu kom
men sucht«, war ihr zu Muthe, als
Sumpf wat«n. Ihre Ueberzeugung
stand soft: Lydia verschwieg rh» die
Wahrheit. Sie wollte sie auch nicht
wissen. Welchen Werth konnte es haben,
lichen Kindes noch weiter ans Licht zu
ziehen? Sie hatte sich in eine Sache
verwickeln lassen, die mehr frivol schien,
als schlecht; wie verabscheuungswürdig
jedoch schon in dies« Frivolität! Sie
während ihr Verlobter um der Pflicht
willen Tausenden von Gefahren aus
gesetzt war, denen er vielleicht unterlie
gen mußte.
„Hast Du jenem Manne Gehör ge
schenkt, ohne an Raimond zu den
ken?" sragte Therese endlich.
„Ich bitte Dich, quäle mich nicht
mit Vorwürfen. Du siehst, wie unglück
lich ich ohnehin schon fühle. Habe ich in
der Aufregung, in die mich die Sache
versetzte, überhaupt einen Gedanken
für irgend etwas gehabt?"
Lydia vergrub ihr Gesicht in den
Händen, wodurch sie sich die Anstren
gung, ein paar Thränen hervorpressen
zu müssen, ersparte. Theres« sagte sich:
„Am Ende bin ich doch ungerecht ge
gen sie mit dem Verdachte, daß sie mich
anlügt. Die Dinge können sich viel
leicht trotz alledem so zugetragen haben,
wie sie es hinstellt. Die exaltirte und
gekünstelte Art, in dir sie erzählte, kann
ihrer Angst entsprungen fein und
sein. Wenn ich Raimond weniger lieb
te, wäre ich gewiß nicht so voreinge
nommen gegen sie." In dem Wünscht,
Lydia rein zu finden, beschuldigte sich
das großherzige junge Mädchen selbst.
„Wie hast Du es angefangen, den Men
schen los zu werde»?" sragte sie dann
weiter.
„Ich sagte ihm. daß er mich kompro-
Niittire, wenn er «ine Minute länger
treffen und für mein« Sicherheit zu
sorgen."
„Ja, aber was hast Du ihm erwi-
-sst d ß sich 112 i d
mich hinterS Licht zu führen. Wir wer
den ja sehen, ob «S ihr gelingt!"
Dann schüttelt« sie bedenklich den
Kopf und erwiderte laut: „Dieser
Mensch scheint mir sehr zudringlich und
zu irgend einer Tollheit fähig. Mir
müssen übermorgen das Haus gut ver
schlossen halten, und wenn sich Deine
Mutter zur gewohnten Stunde zurück
! gezogen hat, «loerden wir zusammen in
Zimmer wachen; zu zweien
werden wir mehr Muth haben."
„Gewiß," antwortete Fräulein de
Saint-Maurice, indem si« fast unmerk
lich die Stirn« runzelte. „Ich bin gern
bereit, alles zu thun, was Du von
mir verlangst."
Im stillen dachte sie: „Uebermorgen
Zkbtn'd werde ich ihm Leila entgegen
schicken. So kommt «r gar nicht herein,
und jede Gefahr ist beseitigt." Und im
selben Moment dachte Therese: „Ich
werde beständig um sie sein und sie ge
nau beobachten. Jetzt, wo ich gewarnt
bin, wird sie mich so leicht nicht mehr
täuschen können." Indem die beiden
ihr Innerstes einander verbargen, be
reitete jede ihre List vor, je nach der
Anlage ihres Charakters und ihrer
Neigungen. Therese zum Wohle Lh
dias; Lydia zu ihrem eigenen Verder
ben.
Sie traten zusammen aus dem Ge
wächshaus m die Villa. Als sie aus denr
Korridor angelangt waren, auf den ih
re Zimmer mündeten, schlang Lydia
plötzlich ihre Arme zärtlich um den
Hals ihrer Kousine, und- während sie
ihr einen Kuß auf die Lippen drückte,
flüstert« sie ihr ein inniges: „Ich dan
ke!" zu. Therese erwiderte die Umar
mung der schönen Kreolin und zog sich
mit einem letzten schmerzlichen Blick auf
sie in ihre Räume zurück. Hinter der
Thür horchte sie lange, ob Lydia nicht
etwa noch einmal hinunterging. End
lich beruhigte sie sich für diese Nacht,
stieß einen tiefen Seufzer aus und
kniete dann in heißem Gebete nieder.
Am Morgen darauf begrüßten sich
die beiden jungen Mädchen am Früh
ftückstifch, Theres« nach einer van Sor
gen gestörten, durchwachten Nacht mit
hohlen Wangen und schwarzen Rän
dern um die Augen; Lydia frisch und
ausgeruht, nachdem sie trotz des Ern
stes ihrer Lage wie ein Kind geschlafen
hatte. Sie verbrachten den Tag wie
imm«r, und mit keiner Silbe wurde der
Ereignisse des verflossenen Abends Er
wähnung gethan. Wenn Therese nicht
so ausnahmsweise schlecht ausgesehen
hätte,, wükde Lydia geglaubt haben,
daß alles, was zwischen ihnen vorge
fallen war, ein böser Traum geivesen
sei. Aber sie bemerkte bald, daß wenn
sie sich in den Garten begab, ihre Kou
sine sich jedesmal erhob, um sie zu be
gleiten.
Es unterlag also keinem Zweifel,
daß Therese sie überwachte, wenn auch
still und ohne ein Wort dabei zu ver
lieren. Therese hegte demnach Miß
trauen, nnd trotzdem ihr Lydias Er
klärungen in dem Moment,, wo sie ge
geben worden waren, nicht unwahr
scheinlich geschienen hatten, mußten ihr
doch bei weiteren« Nachdenken Ver
dachtsgründe aufgestiegen sein. Lydia
wollte deshalb vor dieser sanften Blon
dine mit den Taubenaugen, die in ei
ner Stunde der Exaltation allem
fähig war, auf ihrer Hut fein. Sie
fürchtet« sich indeß nicht vor ihr und
fühlte sich ihr gewochsen.
Wenn die Kreolin gesagt hatte, die
nächste Zusammenkunft sei erst aus den
zweitfolgenden Tag festgesetzt worden,
so hatte sie, abgesehen von: der Be
hauptung. sie sei ihr aufgezwungen
worden, nicht gelogen. Theres« übte da
her ihr Wächteramt vergebens aus. ES
siel nichts Ungewöhnliches von Der
entscheidend« Moment nahte. Therese
saß ruhig, aber mit scharf beobachten
den Blicken über ihre Arbeit gebeugt
und schien sich auf keine Einmischung
de Samt-Maurice „Gute Nacht", als
mer zurückzog, und als Lydia ihre
Mutter begleiten -wollte, befahl sie ihr
mit. fester Stimme, die keinen Wider
rufe Leila!"
dreist fragte sie: „Was hat Leila hier
„Nichts. Aber sie soll auch draußen
nichts zu suchen haben. Rufe sie!''
Nicht gehorchen in diesem Falle, hieß
ihre Kriegslist eingestehen. Die Nöthe
stieg Lydia ins Gesicht und ihre Hän
sie klingelte.
„Was willst Du ihr sagen?" fragte
darauf kommt es gar nicht an
„Sei aufrichtig; Du hegst irgend ei
nen Verdacht."
„Du hast eS errathen."
entfesseln und den Stnrm heraufbe
schwören. Die Mulattin erschien.
„Gib ihr Deine Befehle!" sagte Ly
„S«tzen Sie sich ins kleine Boudoir!"
sagte Therese zu Leila. „Lassen Sie
die Thüre offen, damit ich Sie hören
ich Sie brauchen sollte."
Die Mulattin wechselte einen Blick
mit ihrer Herrin und befolgte dann,
mit dem Kopfe nickend, Thereses Auf
trag. Die beiden jungen Mcidch«» nah-
. msn ein- Arbeit Zur Hand, mit der sie
sich die sonderbar« Wache zu kürzen
suchten, während im Nebenzimmer Lei
la ein Lied ihrer Heimath vor sich hin
suinmte. Draußen im Dunkel der Nacht
herrschte Schweigen. Therese trat nach
einer Weile ans Fenster und blickte in
den Garten hinaus, über dessen vom
Vollmond weiß beleuchtete Rasenplätze
die Vamngruppen ihre gespenstischen
Schatten warfen. Plötzlich glaubte sie
hinter eimm Gebüsch eine imnschliche
Gestalt zu entdecken, die sich vorsichtig
vorwärts t>nvegte und nie a»s dem
Schatten hervortrat, als fürchte sie sich,
gesehen zu werden. Es war ohne: Zwei
fel der Italiener.
Das junge Mädchen rührte sich »icht,
gab keinen Laut von sich, um Lhdia
nichi aufmerksam zu machen. Sie Hoff
te, daß der nachtliche Eindringling
näher kommen würde; «r schien sich
aber nicht dazu entschließen zu könrm
und blieb stehen, als warte er aus ein
Zeichen. Therese überlegt«: „Wenn sie
miteinander im Einoernehmen sind;,
wird er sich, ohne gerufen zu
nicht vorwagen, und mir geht dadurch
die Gelegenheit, dieser- Intrigue ein
Ende zu setze», verloren. Ich muß je
nen Menscher« zum Fernbleiben veran
lassen, und um dies erreichen zu kön
nen, muß ich ihn persönlich sprechen.
Ich kann nicht täglich Wache hallen,
und Lydia würde später schon Mittel
und Wege finden, mich von neuem zu
wollte!"
Die Gestalt »erharrte jedoch unbe
weglich auf ihrem Platze; nur-als die
wandernden Mondstrahlen jene Stelle
zu erhellen begannen, zog sie sich zurück
und verschwand im Dunkeln. MS f,ln
ge Mädchen fürchtete, der Fremde kön
ne den Garten ganz verlassen, ohne daß
sie ihn zuvor gesprochen hätt«. Si«
konnte ihre Ungeduld nicht mehr brmei
stern und wandte sich an Lydia, die n>-
hig, als kümmerten sie die Vorgänge
sitzen geblieben« war.
„Erwarte mich hi«r!" sagt« Theres«
zu ihr.
Dann eilte sie-durch die Glasthllrv in
Garten. J«tzt war si« es, die sich
tät der Familie?
Sie sah den Gesuchten nicht mchk.
Sollte er geflohen sein? Sie gelangte
Da zwang ein leises Geräusch sie, sich,
umzudrehen. Der Mann, den sie zu
sprechen wünschte, trat aus einem Ge
büsch, hinter dem er sich versteckt ge
halten hatte, hervor, und näherte sich
ihr. Auch sie schritt fest entschlossen auf
ihn zu. Zu gleicher Zeit erschienen siii
in der Helle des Mondlichts und zu.
gleicher Zeit erscholl es: „Therese! Rai
mond!"
Zitternd schauten sie sich in die Au
gen; sie, von' Schreck erfüllt; er, mi-t
dem Gefühle einer furchtbaren
Langsam wiederholte er: „Therese," als.
wolle er sich nochmals davon überzeu
gen, daß es nicht die andre sei, die:
schuldbeladen, und treulos vor ihm
stand. Dann sagte er in einem Tone
schmerzlichen Vorwurfs: „Therese! Uu»
glückliches Kindl Du also bist es!"
In einer, Sekunde ward dem jungen
Mädchen in vollem Umfange klar, was
dicse Worte: „Du alfo bist es?" bedeu»
Irrthum, -in dem sich Raimond be
fand; sie errieth, daß er sich eingeschli
chen hatte, um eine Frau bei ihrem
Rendezvous'zu überraschen, so wie sie
einen Mann hatte überraschen wollen.
Sie fragte sich nicht, woher er gekom
men war, wieso er das Geheimniß ent
deckt hatt«;-es genügte ihr, daß er-da
war und daß er alles wußte. Sie stieß,
«inen Schrei verletzten Stolzes aus,
und roth vor Scham blickte sie ihn» ins
Gesicht.
„Wie, mich... mich klagen Sie an?"-
„Was hast Du mitten in der Nacht
hier zu suchen," rief er aus, „wenn
nicht jenen, der Dich hier treffe»
soMe?"b , h -h
mich zu leugnen: „Ich weiß nicht, waS
Sie mein«n." sagte sie.
„Soll ick «S Dir vielleicht ausein
andersetzen?"
„Weil ich hier bin, muß- ich deshalb
inolhgidrungen schuldig sein?"
> „Nachdem ich weiß, was ich weiß,
!kann ich daran nicht zweifeln."-
„Was wissen Sie den«?"
Bis dahin halte Therese alles über
sich ergehen lassen, ohn« Lydia zu ver
rathen. Aber sie wollt« wenigstens er
fahren, wessen man sie beschuldigte.
Verdächtigt zu werd«n und von Nai
mond! War das nicht doppelt entsetz
lich? Sie mußte zum mindesten wissen,
befonnenheit, eine Frivolität oder um
«ine verbrecherische Schuld? Sie be
wahrte trotz aller Erregung ihre Kalt
blütigkeit. und ohne sich selber preiszu
geben, schonte sie doch auch die andre.
Sie war tapser.
„Weshalb kommen Sie hierher, und
gen, ivenn Sie sich doch mit der sichern
Aussicht amHaupteingang zeigen konn
ten. aufs freudigste und herzlichste von
unS alle» dort begrüßt zu werden?
Ed« Sie anUagen. rechtfertigen S» sich
selbst!"
(Fortsetzung .. .
von Ferdinand v. Daar. ~ .
Wie muß der Tag .sich neigen
Im Mittler, ach, so bald!
Ein tiefes, mildes Schweigen
Liegt Über Flur und Wald. .
Am Himmel noch ein Schimmern, '
Ein letztes, doch kein Sinn;
Aus Hütten still und fern,
llnd trüber, immer trüber
Der Landschaft weiter Kreis; ;
ES zieht der Bach vorüber
V>!>
Horch! Welch' ein seltftM Beben
Urplötzlich in 'der Luft
Geheimnisvolles Weben
Gehrimnißvoller Duft!
Wie ferne ferne Lieder
Erklingt'S so wohl —sa weh' —
Da sälli m Flocken nieder,
In dichten, still der Schnei
Mr die Küche.
Eiwei'Hz raupe«. Muie kne
iet feines Mehl mit Eiweiß zu einem
festen Teig/ reibt 'diesen 'dann ans ei
>«m Reibers«! und trocknet die s >'.«nt->
dev Lust. Zur Milch- oder Fleisch
peil gut, doch -müssen sie, da sie ausg«->
trocknet find, ziemlich lange kochen.
Gäns« keil ls.» mach Lyontr
Art. Ma-n> ritzt' Sie Keulen auf bei
den Seiten und -reibt Salz und Pfeffer
in das Fleisch ein. Nmv werden sie
von allen Seiten iw Butter schön ge
drillten, dann schüttet man «ine Tasse
kräftige Bouilloir'dwzu, fügt etwas
Petersilie und emv-Schalotte hinzu und
dämpf! sie halb gar. Daum 'nttmmt
man si« aus der Brich« und- läßt sie
abtropfen. Nachdem' sie etwas abge
kühlt, 'wendet mawsle M Ei und Weck
mehl um, übergießt-sie in der Pfanne
mit geschmolzener B-udwr und brät sie
vollends fertig. Asf dem Rost gebra
ten, wenden sie bessernls m 'der Pfan-nr.
Rosenkohl! und roh gebraten« Kartof
feln schmecken am btsten 'dazu.
Eitromen'brötcheM. Zu'die
sem wohlschmeckend 'Gebäck wird der
Teig auf der Tischplatte sofort zusam
mengewirkt; derselbe besteht aus 14
Unzen Mehl, 12 Unzen Zucker, 4 Un
zen feingefchuitdensm Citronat, 3 Un
zen gewiegten Mandek, 3 Unzen Ko
rinthen, 6 Eiern» «M Drittel Unze
Backpulver und abgeriebener Citronen
schale. Man formt aus dem Teig
kleine Brötchen, die nmar mit verquirl
tem Eigelb bestreicht, langsam gar
bäckt und noch heiß miteiner Citronen-
AepfelmitMe???e-d t i ch. Mai»
schält schöne Aepfel, sie in
Merretbich und «in wewg gutem Wein
essig zu einem steifen Mus. Diese Mi
schung ist vorzüglich z?. kaltem Fl-is-h.
Wild und Wildgeflüge^
Man nimmt 4
Pfund zartes Rindfleisch, 3 Pfund
Nierenfett, 8 Pfund gelackte saure
Aepfel, 3 Pfund Korurthon, die vorher
gewaschen, getrocknet unv belesen wur
den, 3 Pfund entkernte Rosinen, K
Pfund Zucker, 2 Pfmid dünngeschnit
dsnes Citrvnat, die Mieden« Schale,
den Saft und das Innere von zwei
großen Orangen, den-Saft und die ge
riebene Schale von 4- Citronen, ein«
Unze Zimmt, je «ine Viertel Unze Nel
ken, Muskatblüthe umv »Allspic«", 4 ,
gerieben« Muskatnüsse, 4 Tassen Ma
deira, 2 Tassen Brandy. Main koche
das Fleisch in so Wasser, wie nur
möglich, und hacke aS fein. Nachdem
man das Rindsfedt! arm der Haut be
freit hat, rollt maw es in Mehl und
hackt es ebenfalls sehr fein, dann ver
mischt man es mit Salz, damit es den
Fettgeschmack verlilÄ. und mischt eS
unter das Fleisch.
Aepfel Man koche
7 Unzen guten Reis mvt Wasser, erwaS
Salz und einem Löffel Zucker halb gar.
Dann gebe man 3 Vis 10 Aepfel, die in
Achtel geschürt!«» > sind, mit hinein, be
streue sie mit Zuckvr (man kann auch
ein Glas Weißwein darauf gieße») und
lasse nun den Reis und die Aepfel zu
sammen gar ibchen. Ab und z» rühre
man die Masse ganz vorsichtig'durch,
so daß der Reis zcrnz bleibt, httxh Ge
schmack kann man beim Htrrichten
braune Butter darüber gkßjdn, oder
Zucker und? Zimmt darüber streuen.
Man gel« dies Gericht als" Zuspeise
zum Fleisch, z. B.
Braten, Roll fleisch, Ragoutu. s. w.
Gutvr Punsch P»nsch nach
Stolberg: Ein Quart Wasser und ein
PfundZUcker »erden gekocht, dazu kom
men drei Flaschen Moselwein, beinah«
eine Flusche guter Arraks und der Saft
von 3—B Citronen, js nach Bedarf.
Da? Ganze darf ga-r «Mt kochen, muß
nur- «cht heiß stehen. Warmer meck
lenburgischer Punsch Zwei Quart
guter Rheinwein, zwei- Quart kochende»
Wasser, dreWiertek Quart seiner Rum,
Aj Pfund Zucke? und der Saft von
zwei Citronen wert«! gemengt. Nur
das Wasser muß kochend alle an
deren Zuthaten kommen kalt hinzu.
Abwarten. „Ist der
Herr, der Ihnen die Cigarre gegebn,
hat, em Freund von Ahnen?" B:
„Das weih ich noch nicht. Ich hab»
sie noch niÄt ana-ziindeU' > ~ 3