Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, December 13, 1895, Page 2, Image 2

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    2 PUNütttchllttt.
' „Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der
chem Wohlwollen diktirte Aussvruch
eines gekrönten Hauptes. Darnach
handelte auch unser Heimgegangener
alter Kaiser. Mit dem Glockenschlag
erschien er zur festgesetzten Stunde bei
allen öffentlichen Gelegenheiten und
ließ nie auf sich warten recht im
Gegensatz zu Ludwig XIV., der ein
mal, als bei seiner verfrühten Ankunft
noch in größter Eile die letzten Anord
nungen getroffen wurden, mit höchster
Entrüstung ausrief: „,7'ai kiulli
attenärv" ich hätte beinahe war
ten müssen, während es ihm gar
nicht darauf ankam, den Kreis seiner
Höflinge, die im Vorzimmer harrenden
Bittsteller oder die zur Parade auf
marschirten Truppen, eine Stunde
und länger auf fein Erscheinen war
ten zu lassen.
Diese Höflichkeit der Könige könnten
und sollten sich aber auch weniger hoch
gestellte Personen zur Pflicht machen.
UnPünktlichkeit ist zwar kein morali
scher, aber ein höchst störender Fehler.
Wer hätte sich nicht schon geärgert,
wenn in die weihevollen Klänge der
saal das Klappen der Logenthllren,
das Rücken der Stühle für die zu spät
Kommenden störend eindringt; un
um, und die eigene Stimmung geht
verloren. Kine Tischgesellschaft ist
auf eine bestimmte Stunde eingeladen;
die Hausfrau, beziehungsweise die
Köchin, muß doch ungefähr die Zeit
wissen, wann sie Fisch und Braten etc.
fertig haben soll, aber höchstens der
eine und andere etwa militärisch ge
schulte Gast wird pünktlich erscheinen;
die meisten kommen eine Viertel-, eine
halbe Stunde oder noch mehr zu spät,
so daß man wohl daran thut, für die
Köchin gleich eine spätere Zeit festzu
setzen, „weil sie doch nicht pünktlich
Noch peinlicher ist es, wenn die Ge
sellschaft versammelt ist und daS Zei
chen zum Betreten des Eßzimmers
noch nicht gegeben wird. „Worauf
warten wir denn eigentlich noch?" flü
stert der Hausherr mit gerunzelter
Stirn feiner Frau zu irgend ein
Lieferant oder dienstbarer Geist Hai
seine Obliegenheiten nicht pünktlich be
sorgt, und durch daS Warten entsteht
eine unbehagliche Stimmung statt der
frohen Tischlaune, die man so gern bei
seinen Gästen hervorruft.
Einige Familien haben einen ge
meinsamen Ausflug verabredet:
.pünktlich" um so und so viel Uhr soll
es fortgehen; aber man kann froh
sein, wenn sämmtliche Theilnehmer
«ine halbe Stunde später beisammen
sind. „Die N. N.'s lassen doch im
mer auf sich warten," heißt es dann
wohl und wer felbst an Pünktlich
keit gewöhnt ist, muß sich schon recht
zusammen nehmen, um feine Unge
duld und Verstimmung nicht zu sehr
zu verrathen.
Eigentlich ist es zu verwundern, daß
in unserm reiselustigen Zeitalter nicht
mehr Werth auf die Gewöhnung zur
Pünktlichkeit gelegt wird. Eisenbahnzü
ge. Dampfschiffe unkPostwagen warten
doch nicht, man muß also pünktlich am
Platze sein, wenn man sich nicht gro
ßen Unannehmlichkeiten aussetzen will.
Während einer Reise tritt denn auch
wohl eine bessere Gewöhnung ein;
man lernt, zur Zeit fertig zu fein und
fühlt sich selbst wohl bei der strafferen
Zucht; aber ist man Wieoer zu Hause,
so verfällt man nur zu leicht wieder in
den alten Schlendrian.
Auch das häusliche Leben sollte
streng geregelt sein. Ohne Noth sollte
z. B. die Zeit für die regelmäßigen
Mahlzeiten nicht verschoben, werden.
Mag man bei Festsetzung derselben
möglichste Rücksicht auf die Beschäfti
gungen der Einzelnen nehmen, «dann
aber daraus halten, -daß sich dieselben
Hu rechter Zeit einfinden. Wie stö-
ist es für die Hausfrau, wenn der
Frühstiickstisch nicht abgeräumt Wer
der Hausgenossen zu spät aufgestanden
ist; wenn beim Mittagessen die auf
getragenen Speisen erkalten, weil der
Hausherr etwa noch «in Geschäft vol
lenden will, oder die Kinder, die bis
zum letzten Augenblick noch gespielt
und gearbeitet haben, sich erst reinigen
und umkleiden müssen, oder weil die
erwachsenen Damen ihre Toilette noch
nicht beendet haben. „Wer nicht
kommt zu rechter Zeit, der bekommt,
was übrig bleibt" und „gewartet wird
schiebt. '
In den HundStagen.
Blüthenzweig ist bei seinem Freund
dieser alle Fliegen aus der
falle in eine Schachtel bringt. „Du,
Hanfkorn." meint Blüthenzweig, „was
machst De mit der Schachtel voll Flie
— Frech. Richter? Sie haben
uinhergetriebeik! Strolch: Na, Sie
kommen doch auch gerade aus Zcn Fe
rien zurück.
Gretna Green.
Der kleine Flecken Gretna Green in
der schottischen Grafschaf! Dumfries
bil'dele einst den Zufluchtsort unzähli
ger unglücklich Liebender. Unglück
lich, weil Familie oder Verhältnisse
sich ihrer Vereinigung widersetzten und
ihnen, um dennoch vereinigt zu wer
den, kein anderer Ausweg blieb, als
sich in jenes Dörfchen zu flüchten, wo
sie binnen einer halben Stunde nach
der Legende durch den Schmied von
Gretna Green für immer legitim ge
traut waren. Wir sagen nach der
Legende; denn die Berichte von vie
len, an jenem Orte im Geheimen ge
schlossenen Licbesbedürfnissen beruhen
auf Wahrheit, und auch heute noch
kommen solche Eheschließungen« dort
vereinzelt vor, Äe Figur des Huf
schmiedes selbst hingegen hat niemals
existirt, das Copuliren wurde vielmehr
durch verschiedene industrielle Bewoh
ner eines Oertchens besorgt, die hier-
Wo aber auch konnte man auch ein
schöneres Fleckchen in ganz England
finden, um fern von den Augen und
dem Wissen im Geheimen Liebesbünd
nisse zu schließen, als es Gretna Green
das grüne Gretna war! Fünf
oder sechs kleine, hinter dichtem Grün
versteckte Landhäuser, eine ebenso
kleine Kapelle und daneben ein alter-
Alles. Heute ist das Idyll durch ei
zialruse einer Heirathsstätte gelangt?
Gretna Green's Eopulirungs-Jndu
strie denn solche war es schließlich
geworden ist ein Ergebniß der gro
ßen englischen Gesetzreform auf dem
welche auf den Antrag des Lord Hard
wicke um 1763 in England eingeführt
wurde. Hier war nämlich seit der
Zeit der Abschaffung des Katholicis-
Recht geworden, zu dem einfach die
Einwilligung beider Theile gehörte.
Denn die alten, durch das Gesetz der
Religion gegebenen Garantieen waren
mit jener Neuerung geschwunden, und
das Bürgergesetz existirte noch nicht.
Ein sechzehnjähriger Knabe und ein
vierzehnjähriges Mädchen brauchten
vor Zeugen einfach zu erklären, daß
sie Mann und Frau sein wollten, und
sie waren gesetzlich verehelicht.
Daß aber durch diese leichten, heim
lichen Trauungen moralisch und ge
sellschaftlich unzulässige Ehebündnisse
begünstigt wurden, ist nur begreiflich.
Um diesen Mißbräuchen nun zu steu
ern, wurde um die obige Zeit ein von
dem erwähnten Lord Hardwicke dem
Parlament vorgelegter Gesetzentwurf
angenommen, der fast alle die in den
meisten europäischen Staaten einge
führten Formalitäten für einen Ehe
schluß vorschrieb, wie: Veröffentli
chung eines Aufgebotes, Zustimmung
der Eltern und Trauung durch einen
Geistlichen in einer Kirche oder Kapelle,
deren Thüren während der Ceremonie
osfen bleiben mußten. Die Reform
Halle indessen das Parlament nur für
England getroffen, ohne hierbeiSchoit
land einzuschließen, und so kam es
bald, daß zahlreiche junge Engländer,
deren HeirathswUnschen sich private
Hindernisse in den Weg stellten, ein
fach nach Schottland gingen, um von
dort als Eheleute zurückzukehren. An
fangs gab diese Thatsache zu zahlrei
chen gerichtlichen Klagen in England
Anlaß; die Angehörigen deS Paares
bestritten die Giltigkeit der Ehe und
wollten dies behördlich bethätigt sehen.
Der oberste Gerichtshof von England
entschied jedoch in allen diesen Fällen,
daß der Grundsatz: „Jede in der
Fremde geknüpfte Heirath ist stets gil
tig sobald die in dem betreffenden
Lande geltenden Gesetzesvorschriften
erfüllt worden sind," durch nichts an
zutasten sei. So wurde das Gesetz
selbst zur Stütze der heirathslustigen
Liebespaare. Die Beschaffung der
unbedingt nöthige« zwei Zeugen war
die einzige Schwierigkeit, die sich den
Verlobten bot. Denn im Allgemeinen
zeigten sich die Schotten, welche die el
terliche Autorität hoch in Ehren zu
Gretna Green etäblirt"e. Josef Pais
ley dies der Name jenes Mannes—
hat das Gewerbe des Hufschmiedes
«iir in den Operetten die
In Wirklichkeit aber war Josef Pais
strie seinen übrigen Erwerbszweigen
hinzufügte, als Schmuggler, Tabaks
händler und Schankwirth thätig. In
feiner Schau knirthschast aber war er
selbst sein bester Kunde; denn Josef
Paisley hat nach der Ueberlieferung
nie weniger, als täglich zwei Flaschen!
Branntwein geleert. Trotzdem er-
reichte der Wackere ein sehr hohe! Al
ter.
Er starb im Jahre 1818 und setzte
als Nachfolger einen gewissenElliot, den
Mann seiner Enkelin, ein. Doch hatte
Paisley in seinem Gewerbe, das so we
nig Lehrzeit erforderte, bedeutende
Conkurrenz. Da war zuerst ein ge
wisser John Murray, der in seiner Ge
fälligkeit so weit ging, die flüchtigen
Liebespaare bereiis an der Grenze in
Empfang zu nehmen, sie alsdann in
eine zu diesem Zwecke erbaute, ganz
nahe gelegene Herberge zu führen, sie
hier „stehenden Fußes" zu verheirathen
und ihnen alsdann auf Wunsch noch
einige Zeit Gastfreundschaft zu gewäh
ren.
Alles dies geschah natürlich gegen
ein Entgelt, das zu den bescheidenen
Lebensverhältnissen und Ansprüchen
der schottischen Dorfbewohner in son
derbarem Gegensatze stand. Als spe
zieller Beistand der Aristokratie —dcnn
na Greens die klangvollsten Namen
verzeichnet hatte sich ein gewisser
Linton seinen Ruf verschafft. Linton
den Bedienten der hohen Herrschaften.
Nachdem er mit geschickt nachgeahmter
Würde die bürgerlichen und kirchlichen
den „Honigmonat" zu verbringen.
Der gefürchtetste und geradezu un
heimliche Conkurrent der oben genann
ten Agenten war David Long. Ab
wechselnd Weber, Colporteur und
zwangsweise der Marine als Mairose
in die Hände gefallen, nach langer,
strenger Gefangenschaft aber entkom
men. Nunmehr hatte er sich inSpring
field, nahe Gretna Green, niedergelas
sen und hier nicht nur eine HeirathS-
Agentur, sondern gleich eine ganze Dy
nastie gegründet, deren letzter Nachfol
ger, der Enkel Longs, noch heute das
stark herabgesunkene Geschäft betreibt.
Ueber die Honorare, welche man einst
all' diesen braven, „Schnell-Trauern"
zahlte, seien folgende Angaben ge
macht: Ein junger anglikanischer Pa-
Brau! entführ! hatte, mußte 40 Pfund
Sterling (P 200) für die nicht inehr,
als fünf Minuten erfordernde Cere
monie entrichten, bei welcher Gelegen
konnte, mit einiger Bitterkeit zu be
merken, daß er selbst für «inen zehn
Mal geringeren Preis bereitwilligst in
seiner Gemeinde eine Trauung nach
allen vorgeschriebenen Regeln überneh
men würd«.
Bescheidener schon war die Taxe für
die aus den Grafschaften Nord-Eng
lands zu Fuß kommenden Bauern,
von denen jedes heirathslustige Paar
zehn Mark zu entrichten brauchte. Für
diesen bescheidenen Preis mußten na
türlich Alle, die in feinen Post-Chaisen
ankamen und denen sonst noch der
Ueberfluß an Mammon anzusehen
war, doppelt entschädigen. Zu den
Paisley, der sich bis zu 100 Pfund
Sterling (§600) zahlen ließ, so daß
ler zu besitzen, ihre „Flitterwochen"
begannen. In solchen Fällen blieb den
Durchgängern, wie dies des Oefteren
paisirt ist, nichts Anderes übrig, als
sich an den presbyterianischen Pfarrer
von Gretna Green zu wenden, der bei
vorläufige materielle Hilf- für die
Flüchtigen zu erwirken fuchte. Zu den
interessanten in Gretna Green geschlos
senen Verbindungen gehört die des
englischen Kanzlers Erskine, der sich,
um die Grenze unerkannt zu Passiren,
als alte Frau verkleidete, sich zu David
Long begab und sich hier mit Miß Sa
rah Buck trauen ließ, ohne dabei das
Maskenkostüm abzulegen. Zum Schluß
sei hier noch der Heiraths-Register Er
wähnung gethan, die die Ehestifter von
Gretna Green in aller Ordnung führ
ten und die der Meister Long jun., bis
heute noch führt. Historisch interes
sante Namen begegnen uns in diesen
Verzeichnissen. Vor Allem natürlich
sind es solche englisch« Familien, wie
die der Hastings, der Pagets, Villiers,
der Fane, der Coventry und Cochrane;
und noch heute nimm! der oberste Ge
richtshof des Oefteren in Abstam
mungs- und Erbfchafts'Angelegenhei
ten zu jenen Registern Zuflucht. Im
Uebrigen ist auch unier der hohen
französischen Aristokratie das vonMit
gliedern der englischen vornehmen Wel!
gegebene Beispiel nachgeahmt worden.
Selbst unter den Bourbonen hat ma.i
diesen Ausweg aus dem Dilemma der
Convention nicht gescheut. Auch der
Prinz von Capua, Bruder Ferdinand
der Zweüe, König von Neapel, oei.
mahlte sich um 1836 in Gretna
und zwar mit einer Nichte Lord Pal>
merstons. Miß Caroline Smith.
Ungewohnt. Erster Arzt:
„Ich hatte gestern einen interessanten
Fall. Die Diagnose war ganz rich
tig, aber der Verlauf der Krankheit
Arzt: „Welcken Verlauf nahm sie
denn?" Erster Arzt: „Der Pa
— Aus Erfahrung. „So
so, der Herr Förster koppelt seine zwei
Dackeln, den „Waldmann" und die
„Diana", nimmer zusammen!"
„Jetzt nicht mehr! Seit er verheirz
ihet ist, sagt er, es sei eine Tier
quälerei!"
Pob's erste Liebe.
Meine erste Liebe sagt Bob
ist ziemlich komisch verlaufen. DaS
heißt,, erste Liebe natürlich war es
nicht die erste. Ich meine das erste
Liebesabenteuer, das ich als Student
hatte.
Bill und ich, seit Jahren eng be
freundet, hatten die Universität bezo
gen. Originelle Käuze, wie wir wa
ren, hielten wir uns von allem CorpS-
und Verbindungswesen fern, befriedig
ten vielmehr die Vorliebe für lebhafte
Farben, wie sie der akademischen Ju
gend eigen ist, durch ausnehmend
prächtige Schlipse und elegante Hand
schuhe, die wir fleißig spazieren führ
ten.
Eines Tages, Arm in Arm unter
den alten Kastanienbämnen der Mu
senstadt wandelnd, entdeckten wir Miß
Sterling, das reizendste Geschöpf, des
sen wir uns zu entsinnen vermochten,
bei mit Augen voll tropischen Feuers
und Wangen von dunklerer Rötqe, als
man sie sonst bei Blondinen findet.
Miß Sterling stammte, wie wir später
erfuhren, aus Britifch-Jndien, ich
glaube aus Kalkutta.
ich. Aber weit entfernt, uns gegensei
tig das Lebenslicht auszublasen, ver
banden wir uns nur noch fester aus
guten Gründen freilich.
Die Sache war die. Miß Sterling
hatte eine Gouvernante oder Gesell
schafterin, ein wahrer Drache, der sie
aus die unerhörteste Art vor jeder
junge Jndierin allerdings nichts we
niger als gefährlich. Was thun?
Es gab nur eine Möglichkeit, der hüb
schen Miß unsere Verehrung zu bezeu
gen, sie bestand darin, daß wir ihr
nachliefen, wo wir ihrer ansichtig wur
den. Das macht sich aber besser zu
zweit als allein.
Uebrigens benutzten wir die eine
Möglichkeit wirklich nach Möglichkeit.
Wir waren den ganzen Tag auf den
Entfernung, wohin sie nur gehen moch
te. Miß Sterling hatte einen Heiden
spaß, wurde feuerroth vor Vergnügen,
so ermunternd zu, daß wir immer ver
rückter wurden. Die Gesellschafterin
dagegen ärgerte sich nach Noten. An
fangs suchte sie uns mit einer Miene
zu schrecken, als ob sie uns verspeisen
wollte. Da ihr dies nicht gelang,
machte sie allerlei Manöver, unerwar
tete Schwenkungen und dergleichen,
um uns von ihr«n, das heißt ihres
Schützlings Spuren abzubringen. Auch
das half nicht viel, denn wir waren
äußerst hartnäckig und genirten uns
nicht im mindesten. So folgten wir
te, von der Verkäuferin aber groß an
geguckt wurde und von Bill einen
Rippenstoß bekam. Darauf verlangte
Bill eine Busennadel, worauf er eben
falls groß angeguckt wurde und von
mir einen Rippenstoß bekam. Denn
ich hatte mittlerweile bemerkt, daß
wir in ein Stickereigeschäft gerathen
waren.
Da kaum vierzehn Tage, seit wir
das reizende Kind entdeckt hatten
ereignete sich etwas Außerordentliches,
Nochnichtdagewesenes. Man wariete
nämlich auf uns. Miß Sterling stand
zum Ausgehen bereit auf dem Bal
lon. Als sie uns kommen sah, ver
schloand sie, um bald darauf mit ihrem
Drachen unten aufzutauchen. Der
Drache merkwürdig verändert, eine
sauersüße ich will nicht gerade sa
gen Freundlichkeit, aber doch Gleich
gültigkeit zur Schau tragend; Miß
Sterling hübscher und ermunternder
mer als sonst, auffallend langsam so
gar, wobei sich von Zeit
zu Zeit umsah, ob wir auch folgten.
Natürlich folgten wir, beide angenehm
erregt und wie Romanleserinnen auf
das Weitere sehr gespannt. Die Da
men lenkten ihre Schritte in die städti
schen Anlagen, gingen dahin, wo es
immer am stillsten ist, und ließen sich
dort auf einer Bank nieder. Wir auf
der nächsten, keine zwanzig Schritte
davon.
Die Gesellschafterin hatte die Lie-
Wir sahen uns an.
„Du, sagte ich das ha! was
zu bereuten!"
„Ja, ja, das ist eine Ermunte
rung!"
„Wir sollen ihr vielleicht schrei
ben?"
„Natürlich, Bob, wir wollen ihr
gleich schreiben."
Die süße Gewohnheit verhinderte
auch in diesem Falle, daß wir getrennt
operirten. Wir wollten ihr gemein
sam schreiben. Indessen das war leich»
ter gesagt als gethan. Wir versuch
ten'S in Prosa, wir versuchten'» in
Versen, ohne auf die eine oder andere
Art etwas Befriedigendes zu Stande
zu bringen. Schließlich begaben wir
unS, im Vertrauen auf die bekannte
gute Wirkung von Bier und Tabak,
in's Wirthshaus. Allein, als alle an
deren Gäste verschwanden waren und
der Kellner sich standhaft weigerte, uns
weiter mit Stoff zu versorgen, war
der Brief noch nicht angefangen, ge
schweige denn vollendet. Wir vertrö
steten unS also auf den nächsten Tag.
Am anderen Morgen stürmte Bill
auf mein Zimmer und weckte mich aus
dem besten Schlaf.
„Bob steh auf steh auf!"
Ich starrte ihn an.
„Steh auf, die Lucy geht fort!"
„Was?" sagte ich und war im
Nu aus dem Bett.
„Vorwärts, zieh Dich an, es ist keine
Zeit zu verlieren."
Er drängte und drängte, und erst
als ich nachgab, fing er zu erzählen
an. Der Gedanke an den Brief hatte
ihn in aller Frühe hinausgetrieben,
wie er sagte, um einmal das berühmte
Rezept zu Probiren, das einem in der
Schule immer so anempfohlen wird.
Dabei war er in die Straße gerathen,
wo Miß Sterling wohnte, hatte sich
mit der Magd, die gerade das Trottoir
fegte, in ein Gespräch eingelassen und
erfahren, Miß Sterling reise Punkt
neun Uhr ab für immer.
Ich steckte bestürzt den Kopf in's
Waschbecken. Darum also das Außer
ordentliche, Nochnichtdagewesene ge
stern Nachmittag!
Bald war ich fertig und mit Bill
auf dem Wege zum Bahnhof. Bill
war doch ein famoser Kerl, ein rechter
Freund, er hätte mir ganz gut daS
Nachsehen lassen können. Während
derlei Gedanken mich beschäftigten, be
merkte Bill: „Sag mal, Bob, bist Du
noch bei Kasse?"
Ich zog mein Portemonnaie hervor,
das äußerst schmächtig aussah, denn
der Monat ging langsam zu Ende.
„Ich hab gerad noch eine Mark."
„Hm, das ist wenig. Na, süns
Groschen hab ich auch noch. Legen wir
zusammen. Wir müssen ihr doch ein
Bouquet kaufen."
Gut. wir legten zusammen und
kauften ein Bouquet.
Eben fuhr der Zug «in, da wir auf
den Perron traten. Miß Sterling
und die Gesellschafterin stürzten mit
Schachteln beladen auf ein Damen
coupS zu. Wir in großer Aufregung
hinterher, um sogleich, nachdem sie
Platz genommen hatten, unter aller
hand Kratzfüßen unser Bouquet zu
überreichen. Miß Sterling war über
rascht, verwirrt, sichtlich bezaubert,
stammelte einige Worte des Dankes,
worauf sie beschämt ihr Näschen in die
Blumen vergrub und wir, abermals
unter allerhand Kratzfüßen, uns auf
dem Perron zurückzogen.
Als sich dann die Locomotive in Be
wegung setzte, winkte und winkte das
hübsche Kind; so lange wir den
Zug sehen konnten,sah«n wir ihr Tüch
lein wehen.
Wir befanden uns im dritten Him
mel, gelangten aber bald wieder auf
diese schnöd« Erd« und zwar in einer
so elegischen Verfassung, daß wir meh
rere Tag« wie berufsmäßige Leichen
bitter dreinschauten. Schließlich mein
ten wir jedoch. Miß Sterling sei in
ihrer Art gewiß nicht das «inzige Ge
schöpf, es müsse außer ihr noch andere
nette und verehrungSwürdige Mädchen
geben, was sich in der That als durch
aus zutreffend erwies. Kaum «inige
Wochen später,und jeder von uns hatte
seine drei, vier Flammen und fühlte
sich wie ein Pascha.
In dieser glücklichen Lage kam uns
das Abenteuer mit Miß Sterling et
was drollig vor, keiner wollte jetzt d«r
Verliebte gewesen sein, jeder behaup
tete, er habe nur den Elephanten oder
wie man sonst den treuen Gefährten ei
nes Liebhabers nennen mag, gemacht.
Darüber wurden wir mitunter ganz
„Bierjungen" auf.
Einmal, wieder ging der Monat zu
Ende, saßen wir nachdenklich im Cas6.
Plötzlich sagte Bill: „Bob, ich kriege
noch fünf Groschen von Dir."
„Wieso?"
„Weißt Du für das Bouquet für
Deinen Exfchatz die Lucy."
„Hoho, rief ich im Gegentheil,
ich kriege von Dir noch eine Mark."
Na, nun ging der Krakehl von
Neuem los. Um ihm ein für alle Mal
ein Ende zu machen, beschlossen wir
den Klavierlehrer Schneider in's Ver
trauen zu ziehen. Wir halten das
struppige Männchen unlängst kennen
und als gemüthlichen Patron schätzen
gelernt. Schneider hatte Miß Ster
ling Klavierunterricht gegeben, jeden
falls war bei Gelegenheit auf uns die
wette, Du —" sagte Bill.
„Ich wette, Du —" sagte ich, hoffte
Was Bill betrifft, so zweifle ich nicht,
daß er sich heimlich derselben großmü
thigen Hoffnung hingab.
Wir fanden Schneider, struppiger
als je, in einem groß gebliimtenSchlaf
rock am Klavicr. Bill setzte ihm sofort
den Fall auseinander.
Das Antlitz des kleinen Mannes
zeigte in verhältnißmäßig kurzer Zeit
die auffallendsten Veränderungen.
ien je nachdem meine Antwort lau.
tet, hab ich zu gewärtigen, daß der
Eine oder Andere mich auf Pistolen
fordert. Offengestanden, daß würde
mir augenblicklich nicht recht passen, so
wenig ich mir sonst aus dergleichen As
fairen mache. Wenn Sie mir aber
Sogleich ging er an einen Wand
schrank und kam mit einer Flasche
Cognac und einigen Gläschen zurück,
die er vor uns auf den Tisch stellte.
Darauf wickelte er sich in feinen
Schlafrock und begann: „Eines Ta-
Sie daS?
dann sind sie immer so froh. Warten
Sie damit hüpfte sie an's Fenster,
hielt sich aber, wie mir ausfiel, etwas
im Hintergrunde. Ja, da sind sie
schon die lieben Hundchen, sehen Sie,
da Tipp und Fox.
Wo? sagte ich, denn ich konnte
nicht einmal ein, viel weniger zwei ent
decken.
Da drüben, der ist Tipp und der ist
Fox.
Was ich sah, war etwas ganz Ande
res als zwei Hundchen. Ich sah —"
Schneider hielt inne, entkorkte die
Flasche und schenkte ein. „Bitte,
meine Herren, ein Schluck zur Stär
kung."
Wir hatten äußerst erwartungsvoll
gelauscht, nicht ohne zunehmende in
nere Unruhe, denn eine leise Ahnung,
die sich eingestellt hatte, war mehr und
mehr Gewißheit geworden. Rasch
stürzten wir den Cognac hinunter und
sagten wie aus einem Munde:
„Tipp damit meinte sie mich!"
Und Fox mich."
Schneider nickte.
„Das heißt erklärte er in aller
Seelenruhe so genau weiß ich das
nicht mehr. Vielleicht war's auch um
gekehrt."
Donnerwetter, das war unange
nehm! Dabei hatte uns der Fuchs das
Versprechen abgenommen, ihm kein
Haar zu krümmen.
Wir waren in Verlegenheit, wußten
schlechterdings nicht, was wir sagen
sollten. Doch Schneider kam uns zu
Hilfe. Ein Album aufschlagend, be
merkte er: „Da ist sie."
Wahrhaftig, da war sie, in Cabinet
form sogar!
Ich weiß nicht, wie lange wir auf
das Bild starrten. Plötzlich weckte
uns Schneider's Stimme. Sie klang
seltsam melancholisch. „Ja, sie war
schön, sehr schon, aber oberflächlich.
Keine vier Wochen, seitdem sie mir daS
verehrt, hat sie sich verlobt."
„Verlobt?" fragten wir er
staunt.
„Jawohl, gestern bekam ich die An
zeige." Das Männchen machte eine
so weltschmerzliche Miene, daß unsere
eigene peinliche Gemüthstimmung auf
einmal wie weggeblasen war. Eh ich
mir's versah, hatte Bill die Flasche
in der Hand und sllllte das dritte
Gläschen.
„Herr Schneider sagte er ich
bin so frei, Ihnen auch einen Schluck
zur Stärkung zu bringen.
Schneider sah ihn groß an, mußte
aber gleich herzlich lachen. „O Sie
sind sehr freundlich, aber ich glaube,
Sie Haben's doch nöthiger. Kommen
Sie —" damit nahm er Bill die Fla
sche ab und schenkte unS wieder ein
„Kommen Sie, trinken wir zusammen,
eZ wird uns Allen gut thun."
Sehen Sie sagte Bob, indem er
sich behaglich zurücklehnte das war
meine erste Studentenliebe.
Zu spät.
Sie haben in Zank und Streit sich oft
Einander überboten,
Da kam eine Krankheit unverhofft,
Nun ruht sie bei den Todten.
Jetzt sitzt er im Zimmer, «in «infamer
Mann,
DaS Haupt gelehnt in die Händ«,
Mit leerem Schwei gen starren ihn an
Die kahlen, nackten vier WLnd«.
Wie oft sie still gelitten
Manch' hartes Wort abbitten.
Auf Händen tragen immer
Mit leifen Schritten kommt die Nacht,
Und dunkel wird's im Zimmer.
Mnemotechnik. Pro
fessor: „... Der Sieger heißt auf
lateinisch victvr!" - Fräulein Em
? Max!"" freudig).
Ein edler Neffe. Onkel
(der auf Besuch bei seinem Neffen ist,
im Restaurant): „Kellner, zahlen!"
Studio: „Aber, liebster Onkel,
Du wirst doch nicht für mich und Dich
zahlen wollen?! Das dulde ich nicht,
denn heute bist Du mein Gast! Ich
werde zahlen... Sei so freunhjich
und pump' mir 'mal zehn Mark!"
Amphitheatvalisch auf dem lmkn
Ufer des Ganges belegen ist Benares,
die heiligste Stadt der Jndier. Der
IVOS! Tempel, welch« der Bcrehrung
des Schiiva geweiht sind.
Im englischen Viertel der Stadt
Kirche. Die Tempel sind oft unan
sehnlich, häufig nach der Straße zu
ohne architektonische Wirkung, dazwi
schen stehen zahlreiche ärmliche Häuser,
die Straßen sind meist eng. Nur von
dem hier ca. 2600 breiten, majestätisch
dahinfluthenden Ganges, von dessen
hohem Steilufer Treppen überall zum
Flusse hinabführen, bietet die Stadt
einen höchst imposanten und eigenarti
gen Anblick. Diese Usertreppen (Ghats>
werden meist von schönen Gebäuden
überragt, und zu den Stunden der
vorgeschriebenen Reinigungen wim
meln sie täglich von Hindus jeder Kaste,
jeden Alters und Geschlechts, die he
gen, in ihren weißen Gewändern ein
Schauspiel gewährend, wie man es
nirgends auf der Erde wieder sieht.
Besonders interessant ist das Dafameth
Ghat, wo jeder Hindupilger aussteigen
muß, um der Gottheit seine Verehrung
zu bezeugen, und weiter flußabwärts»
die hochragend« Moschee Kaiser Au
rengzib's mit ihren wunderbar schlan
ken Minarets. Ca. 3 englisch« Meilen
von der Stadt liegt der Ort, wo der
Buddha Gotama zuerst fein« Lehre
verkündet«! ein riesig«r Stupa (Reli»
Buddhisten heilige Stätte. Binares
ist noch heute der Hauptsitz brahmani
scher Gelehrsamkeit, und dort zu ster
ben der sehnlichste Wunsch jedes from»
Bescheidene Bitte. Va»
ter der Braut: „Es thut mir leid
nicht!" Bewerber: „Gestatten Sie
da im wenigstens, daß ich das HauS