Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, November 29, 1895, Page 2, Image 2

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    2 Wie Kill Brown cxplodirte.
»Oh, Ihr könnt lachen, so viel Ihr
wollt," sagte Dick Ferguson, der we-
H«n seiner sonderbarer« Erlebnisse und
«och merkwürdigeren Geschichten im
ganzen Camp als Dick"
bekannt war, „deshalb ist es doch
wahr!"
„Dick, Dick, Deine Einbildungskraft
spielt Dir wieder einmal 'nen Streich,"
wagte Aleck White schüchtern zu be
merken.
„Dummes Zeug ich habe es ein
mal an einem lebenden Menschen, noch
dazu einem alten Freunde von mir,
selbst beobachtet der Mann «xplo
dirte innerlich und Niemand hat je
wieder ein Stück von ihm zu sehen ge
kriegt."
Wir wußten jetzt, daß „Wonderful
Dick" uns eine feiner eigenthümlichen
der Pfeife. Dick sah sich erst prüfend
los.
jetzt das Städtchen Loire Jack st«ht, in
Calaveras County, und wo damals
noch das gelbe Metall in recht «rkl«ckli
chen Massen gefunden wurde, sowohl
über wie unter der Oberfläche. Mein
Partner war Bill Brown, ein Mann,
d«r sonst «in ganz tüchtiger Mimr war,
ober in einem Punkte mir viel Mühe
auf M«dizin«n. Ob ihm eigentlich ur
sprünglich was gefehlt hat, das wußte
er wohl selber nicht. Aber damals,
bei ihm caput vielleicht die Leber,
oder die Lunge, oder der Magen, was
weiß ich, etwas war's aber jedenfalls,
denn er sah schon so gelb im Gesicht«
aus wie Deacon Mac's kleiner Kläfftr
auf dem Rücken, und mit dem Appetit
beim Essen war's auch so 'ne böse
keiner schien genau zu wissen, was ihm
fehlt«. Der eine behandelte ihn auf
Gallenstein, der andere auf Bright'sche
Nierenkrankheit, und ein dritter gar
auf Magenkrebs. Die Medizinen, die
Bill auf solche Weise Flasche um Fla
sche herunterschluckte, und die Pillen
zusammen hätten eine ganze Apotheke
neu ausftaffirt. Dabei hatte Bill auch
Monte oder Poker. Es muß einmal
ein guter Fonds in Bill gesteckt haben.
Schließlich aber, als es gar nicht
besser mit ihm werden wollte, verfiel
Bill Brown eines Tages auf das Sy
stem der Doppelbehandlung, d. h. er
lung, mir immer das eine Symptom
und die eine Krankheit bekämpften, an
statt sich auf die Allgemeinheit zu wer
fen, wie er's nannte,
x Kurz nachdem Bill Brown dieses
System praktisch durchzuführen
begonnen hatte, stattete er dem Doctor
Antonio, der erst vor KurZem aus
Besuch ab und erzählte ihm genau die
ganz« Reihe von Krankheitserscheinun
gen, die er an sich bemerkt hatte. Der
Doctor hörte Alles geduldig an, dann
sagte er:
„Die Leber ist nicht in Ordnung, ich
werde Ihnen etwas dafür verschrei
ben."
Das Recept nahm Bill zur Apotheke,
wo er seine ganzen Einkäufe schon seit
Jahren gemacht hatte und dessen Eigen
thümer stets einer Meinung mit ihm
war, wenn es galt, etwas Neues zu
angefang«!. Und nun machte er's je
desmal so: Ein. Löffel voll von des
Doctors Medizin und dann gleich da
rauf einen Löffel voll Glycerin. In
eimr Woche spürte er, wie er mir sagte,
den Effect. Er fühlte sich viel wohler.
kam, als ob er in der Luft schwebe.
Er tanzte förmlich, wenn er ging. Es
fah sich ordentlich komisch an. Indes
sen war dies ein so angenehmes Gefühl
und Bill glaubte es ausschließlich auf
die wohlthätige Wirkung seiner Dop
pelmedizin zurückführen zu müssen, daß
er gar nicht das Bedürfniß fühlte, wie«
der zum Arzt zu gehen und dieses erst
auf mein wiederholtes Drängen that,
nachdem schon mehrere Wochen ver
flossen waren. Dem Doctor sagte er,
wie wohl und kräftig er sich vorkomme.
Der Doctor fühlte sich geschmeichelt.
„Ja. ja," meinte er, „ich treffe ja ge
wöhnlich das Richtige!"
Das ärgerte Bill, daß der Doctor
sich allein den ganzen Credit der Cur
zuschreiben wollk, und so platzte er
heraus, daß er. Bill, auch sein Theil
dazu beigetragen habe, indem er in Be
folgung des von ihm erfundenen Dop
pelsystems stets einen Löffel Glycerin
auf einen Löffel der Medizin geschüttet
habe. Wie der Doctor das hört«, wurde
„Um Gottes Willen," schrie er, „Sie
sind ein Kmd des Todes!"
„Wieso?" meinte Bill ganz gleich
müthig.
„Gehen Sie erst einmal «in paar
Schritt« weg von mir nach dem Fen
ster zu," sagte der Doctor, während er
selbst di« Thür aufmachte und sich auf
die Schwelle retirirte. „Was ich Ihnen
verschrieben habe, das ist Scheidewaf
ser vitlio gcic! natürlich in
starker Verdünnung, eines der kräftig
sten Herlmittel, wenn die Leber den
Dienst zu versagen beginnt. Darauf
haben Si« nun immer Ihr Glycerin
geschüttet. Nun ist Glycerin ja an und
für sich ein ungefährliches Mittel, das
sogar unter Umständen gute Dienste
mit Scheidewasser genommen wird, so
bildet sich was glauben Sie wohl?
Nitroglycerin im Magen, einer der
gefährlichsten und am leichtesten explo
direirden Sprengstoffe, wie Sie als
Miner ja wissen. Ne müssen jetzt
eine große Quantität dieses Zeugs im
Magen haben -und «s erscheint mir
eigentlich wunderbar, daß Sie noch
nicht in die Luft geflogen sind, denn
die geringste Erschütterung muß und
wird Sie zum Explodiren bringen."
„Nette Suppe, die sich Bill Brown
da eingebrockt hatte," meinte Aleck
White, während die Anderen sich mit
den Augen zublinzelten.
„Ja, allerdings," fuhr „Wonderful
Dick" gleichmüthig fort. „Ihr könnt
Euch denken, wie Bill bei diesen Er
klärungen des Arztes zu Muthe war."
„Was soll ich denn da aber thun?"
frug er.
„Es ist wenig zu thun im Gegen
theil, recht still sitzen und still «halten
sollen Sie, denn die geringste Bewe
gung, «die leiseste Erschütterung kann
das Nitroglycerin in Ihrem Magen,
von dem Sie ja schon eine Masse zu
sich genommen haben, zur Explosion
dringen, und dann wäre von Ihnen
wohl nicht mehr viel übrig, nicht genug,
um ein Begräbniß zu halten. Also
vor Allem empfehle ich Ihnen Vorsicht
äußerste Vorsicht. Vielleicht ent
gehen Sie dann noch dem gräßlichen
Tode, der Ihnen droht. Was ich thun
kann, will ich thun, um Sie zu retten.
Ich gebe Ihnen «hier «in Recept mit,
das Sie sich verfertigen, lassen wögen.
Es ist für Jnfusionserde. Wenn Sie
ab," sagte Bill.
Mann."
Ordnung machte, indem ich die Stühle
und Tische herumwarf. Er hieß mich
sofort damit aufhören und erzählte mir
des Eountys einen äußerst interessan
ten Vortrag über den Fall, d«r später
auch gedruckt erschienen ist."
„Was aber wurde aus Bill?" frug
Lame Pete.
„Ach, ich vergaß. Er currrte ruhig
weiter, indem er jede heftige Bewegung,
jede Erschütterung auf's Vorsichtigste
»ermied. Indessen hatte er Pech.
Denn eines Nachmittags es mochte
sich schon etwas von dem Nitroglycerin
in Dynamit verwandelt haben als
er trübsinnig in der Umgebung des
Camp umherschlich, passirte er eine
Mine, von deren Existenz «r noch nichts
wußte, denn sie war erst einige Wochen
zuvor eröffnet worden. Da gab es ei
nen Krach eine schwach« Ladung
Dynamit war nur 59 Fuß unter der
Erde zum Explodiren gebrach! worden.
Der Knall war nicht sehr stark, aber
er mußte genügt haben, um Bill in eine
andere Welt zu befördern, denn that
sächlich ist nie wieder etwas von ihm
zum Vorschein gekommen, mit Aus
nahme einiger Hosenknöpfe und eines
geflickten Stückes seines blauen Woll
hemdes, woran ich ihn aber idmtificirte,
! dtnn es näht« im ganzen Camp Nie-
wand so schlecht wie Bill Brown und
das war feine Arbeit, kein Znxif«l.
Di« Leute in der Mine versicherten
hohl klingenden auf der Oberfläche ge
hört. Das muß Bill gewesen sein.
Wahrscheinlich ist er gerade über dem
Theil des Hügels gegangen, wo die
Explosion stattfand. Na, er war weg,
und nicht einmal, wie der Doctor ihm
übrig geblieben. Armer Bill! Reich'
mir 'mal den, Demijohn her, Aleck!
Mir ist die Kehle ganz trocken gewor
den bei der Geschichte."
Und „Wonderful Dick" nahm einen
Die Tragödie der ZZaronin de
Zkerolles.
To» Prof. Dr. Heinrich Bloch.
Auf seiner fluchtartigen Wanderung
durch die Normandie der Gras
d' Ach«, einer der kühnsten Chouans
führer, in dem Dörfchen Trevieres bei
Herrn vo nMontfiquet Zuflucht. Hier
lernte er die Marquise Hely de Com
bray, eine ältere Wittwe, kennen. Nicht
weit von Trevieres, auf ihrem Schlosse
zu Donnai wohnte deren Tochter Ro
sal>, die an dm Baron Aquet de Fe
rolles verheirathct war, jedoch ge
gtwinnendem Aeußeren. In Zurück
gezogenheit lebte sie mit ihren zwei
kleinen Töchtern auf dem Gut« der
Mutter, das Ende des Processes ab
wartend, den sie gegen ihren Mann
wegen Herausgabe ihrer Mitgift an
gestrengt hatte. Bald jedoch verbrei
tete sich das nicht unbegründete Ge
rücht, die Zurückgezogenheit, in der
sich Frau von Aquet de Ferolles gefal
le, sei bei Weitem nicht so beschaulicher
Art, als man glaube, «in junger, schö
ner Chouan erheitere vielmehr die Ein
samkeit der unglücklichen Frau. Schon
nannte man offen seinen Namen. Es
war Armand de Chevallier, der Eibe
eines sehr bedeutenden Vermögens, ei
ner der erbitterst«» Feinde des Empire.
Im Jahr« 1891 wäre er beinahe zum
Tode verurtheilt worden. Er ward
beschuldigt, an der Ausraubung eines
Postwagens, der Staatsgelder fübrte,
Theil genommen zu haben. Nur der
Intervention eines Senators hatte er
sein Leben zu danken. Die Polizei
ließ ihn jedoch seither nicht aus den
Augen.
Frau Aquet de Ferolles ließ sich von
dem schmucken, redegewandten Manne,
!der, ob er auch bereits Wittwer war,
!erst 22 Jahre zählte, verführen. Im
Haufe ihrer Mutter begegnete d'Ache
dem kühnen, wageinuthigen Le Cheval
«lier; es war jenem sofort klar, daß
dieser wie kein Anderer geeignet fei,
die Sache d«r Chouans zu fördern.
Und «r sollte sich nicht täuschen. L«
Chevallier erklärt« sich bereit, fein Ver
mögen und sein« ganze Thatkraft in
den Di«nst der Sache zu stellen, für
di« d'Ache leitend wirkte. Er über
nahm es, während d'Ache's Abwesen
heit in England alle Vorbereitungen
zu einer Erhebung gegen Napoleon zu
treffen, und die Mittel dazu auf dem
nicht mehr ungewöhnlichen Weg« des
Raubes öffentlicher Gelder herbeizu-
Mit Begeisterung erklärte
sich Frau Aquet de Ferolles bereit, den
Sireifzug an der Seite ihres Gelieb
ten mitzumachen. Man war überein
gekommen, den Wagen, in weichem
Steuergelder von Alencon nach Caen
geführt wurden, auszurauben; die
kühne Abenteuerin bestimmte, da sie
jeden Schlupfwinkel in der Normandie
genau kannte, die Stelle, wo das Ver
brechen vollführt werden sollte.
Le Chevallier hatte seine Leute aus
gewählt und an ihre Spitze einen ver
läßlichen Führer gestellt. Im Juni
>des Jahres 1897 ward das Altentat
dem besten Erfolge ausgeführt.
Die geraubte Summe 69,099 Tha
ler wurde nach getroffener Verein
barung den Brüdern Buquet zur Auf
bewahrung übergeben. Am nächsten
Tag« fch?n erschien Frau Aquet de
Ferolles bei ihnen und forderte sür ih
ren Geliebien 3499 Franken von dem
Raube. Man wagte es nicht, sie ab
zuweisen. Das Geld verwendete sie
zur Tilgung von Schulden, die Le
Chevallier zu Parteizwecken contrahirt
hatte; dieser war noch vor dem Hand
streich nach Paris geeilt. Mit Recht
vermuthete der Polizeiminister F"uch«,
als ihm die Nachricht von dem Verbre
chen berichtet wurde und er erfahren
hatte, der kühne Chouan weile in der
Hauptstadt, daß L: Chevallier absicht
lich nach Paris gekommen sei, um je
den Verdacht, als ob auch er die Hand
mit im Spiele gehabt hätte, l-urch sein
Alibi von sich zu lenken. Darum be
schloß er, ihn nicht verhaften zu lassen.
Allein die Polizeiagenten fanden ihn
nicht mehr in Paris; er war in die
Normandie, nach Cum zurückzetebrt;
offen that er es; er versuchte cs nicht,
sich zu verleugnen; so konnte man ihn
denn leicht fassen, als der Verhaiisbe
fehl ihm nachgeschickt ward. Sofort
wurde er nach Paris überführt; ent
schieden leugnete er es, an dem Raube
theilgenommen zu haben; man glaub
te ihm jedoch nicht und iniernirt« ihn
im Temple. Bald lenkte sich auch ge
gen die Frau de Ferolles der Verdacht.
Wohl war diese von ihrer Mutter, die
der Angelegenheit ganz ferne gestanden
und erst von dem erfolgten Raube er
fahren hatte, gewarnt worden, wohl
hatte die alte Frau in ihrer mütterli
chen Angst alle Beweise der Schuld zu
entfernen gesucht, allein Frau d« Fe
rolles hörte nicht auf den wohl
gemeintenßath, denn sie war der festen
Ueberzeugung, d-ß chre Unschuld von
Niemand bezweifelt würde, überdies
hielt sie sich durch das Wohlwollen der
Lokalbehörden vollständig gesichert.
Der Gendarm«rie-Commandant Elmu
v«l soll ihr, wie sie sagte, versprachen
haben, daß er sie beschützen werde.
Um welchen Preis er es that? Dem
Zauber, den ihre Erscheinung, ihr
ganzes Wesen auf alle Welt ausübte,
konnte sich auch Chauvel zu feinem
tigenen Verderben nicht entziehen, er
ward psl chlvergissen und handelte ge
gen seinen Diensteid. So war denn
Es währte nicht lange und die Ba
ronin von Ferolles ward einem Ver
lage dienten, allein ihre auffallende
Verlegenheit und sichtlich« Erschrocken
heit b«siätigten dem Untersuchungs
r chter die gegen sie vorgebrachten Be
schuldigungen.
„Sie haben mir nicht die Wahrheit
gesagt," bemerkte er am Ende des er
sten Verhörs; „Sie thäten besser da
ran, Alles zu bekennen. Ich gebe
Ihnen bis morgen Bedenkzeit. Röthi
gen Sie mich nicht, gegen Sie mit aller
Strenge vorzugehen."
Die leichtsinnige Frau fühlt« sich
dadurch ganz niedergeschmettert. Sie
hielt sich für verloren und noch
wußte sie nichts von Le Chevallier's
Verhaftung. In ihrer Noth soll sie
men haben, den Chauvel jedoch angeb
lich vereitelt hat. Aus dem zweiten
Verhör empfing der inquirirende Rich
ter die entschiedene Ueberzeugung von
ihrer Schuld; wenn er sie gleichwohl
ziehen ließ, so that er es aus Schwäche
auf die Bitten einer ihrer Freundin
nen. Allein kaum war der Bericht
darüber höheren Ortes erstattet wor
den, so ward sofort der strengste Be
fehl zu ihrer abermaligen Festnihme
ertheilt. Chauvel wurde mit dem
Vollzuge betraut. Anstatt ihm sofort
nachzukommen, gab er der geliebten
Frau «inen Wink und sie entschlüpfte
den Nachstellungen; ja «r bot ihr in
einem «igens von ihm gemietheten
Haufe ein Asyl an. Es währte jedoch
nicht lange und Frau Aquet de Ferol
les fühlte sich hier nicht mehr sicher.
Ein unstetes, trauriges Leben begann
nunmehr für sie. Des Tages durch
streifte sie die Wälder, des Nachts
suchte sie ein Obdach bei gutherzigen
Bauern der Umgebung. Aber noch
stand sie unter dem Schutze Chauvel's;
er führte die Häscher, die nach ihr fahn
deten, absichtlich auf falsche Fährten.
Jede freie Stund« widmete er «r
scheute den anstrengendsten, mühsam
sten Weg nicht, um einige Minute« in
ihrer Nähe weilen zu können. So
führte sie längere Zeit ein überaus
abenteuerliches L«b«n, wiederholt Pro
ben ihrer Unerschrockenheit ablegend.
Die Polizei fahndete indeß unaus
gesetzt nach ihr. Da sie ihre Spur
verloren hatte, wendete sie sich an ihre
feit dem 29. August verhaftete, zuerst
in Euen internirte, sodann nach Rouen
in d«n Kerker überführte Mutter, an
die Marquise von Combray. Allein
diese war in ihren Antworten übirauS
vorsichtig, fodaß die Polizei weiterhin
im Unklaren blieb. Da trat ein
Mann in den Vordergrund, der in der
traurigen Lebensgeschchte der Frau
Aquet de Ferolles eine wenig benei
denswerthe Rolle spielen sollte; es
war der Secretär der Mairie zu Rou
en, Namens Liquet. Er hatte schon
früher Proben seines SpllrtalentS ab
gelegt; so verfiel man denn darauf,
ihm freie Hand in dieser leidigen An
gelegenheit zu lassen. Nach seinem
Gutdünken möge er vorgehen, wenn er
nur zum Ziele gelange. Liquet über
nahm freudig dies« Mission, in d«r
deren Zelle, heuchelte Mitleid mit ih-
und Ihres Alters sich selbst bedienen!
gesunden, daß Chauvel die Verhaftung
der Flüchtigen vereitelt habe. Aber
«r hll:«te dies Geheimniß, denn schon
Zelle der Marquise,
höchste Zeit/
Bitten Sie ihn, Ihre Tochter in Caen
Mensch und wird Ihre Bitte nicht ab
reisen."
Di« Marquise war von Liquet's
Ausrichtigkeit so sehr überzeugt, daß
sie ihm aus Dankbarkeit 12,909 Fran
ken, die sie bei sich versteckt hatte, an
bot; Liquet ließ sich erbitten und nahm
schließlich die Summe an; er über
schickte sie sofort dem Departementprä
fekten. Den Brief, den die Marquise
an ihre Tochter geschrieben hatte, über
gab Liquet Delaistre, als dieser nach
Caen reiste, um daselbst einer früheren
Verabredung gemäß mit seinem
Freunde Chauvel zusammenzukom
men.
Am 3. October fand die Begegnung
statt, bei d«r auch Frau Aquet de
Ferolles und ihre Freund« anwesend
war«n. Delaistr« übergab ihr den
Brief der Marquis«. Nachdem sie ihn
durchgelesen hatte, erklärte sie, um kei
mn Preis d«n Rath ihrer Mutter be
folgen zu wollen, denn sie fühlte sich
so werde sie von den Behörden in Caen
nicht verurtheilt werden. Erst die Be
merkung Delaistre's, daß diese Ange
legenheit dem Gerichtshöfe zu Rouen
übertragen worden sei, bestimmte sie,
auf den Vorschlag der Mutter einzu
gehen. Die Zeit der Abreise ward für
den nächsten Tag festgesetzt. Am
schwersten fiel der Abschied Chauvel,
ob ihn auch die geliebte Frau tröstete.
Am Abend reiste sie in Delaistre's Be
gleitung ab; sie reisten nur in der
Nacht. Am zweiten Morgen, als sie
in Pont-Audemer in einem Wirths
haus einkehrten, wurden ihnen von ei
nem Gendarmen die natürlich auf fal
sche Namen lautenden Pässe abver
langt. Delaistre überreichte sie, Furcht
h«uch«lnd, dem Wächter d«s Gesetzes —
es war dies Liquet. „Die
sind nicht in Ordnung," bemerkte
Liquet strenge. „Ich führe Euch nach
Rouen, wo Ihr Gelegenheit haben
werdet, Euch auszuweisen." Liquet
ließ sich von den in ernstem Tone vor
gebrachten Einwendungen Delaistre's
nicht irremachen, er führte ihn und
seine Begleiterin nach Rouen. Hier
«rst ward dies« «s inn«, daß sie das
Opfer eines schlau ausg«dachten Pla
nes geworden; im Kerker zu Rouen
hatte sie nunmehr Gelegenheit, die ver
gangenen Tage sich in Erinnerung zu
rufen und über die Ungewißheit der
Zukunft nachzud«nk«n.
Liquet war der Streich gelungen.
Es handelte sich nunmehr darum, Frau
Aquet de Ferolles zum Geständniß zu
bringen. Liquet übernahm auch die
Lösung dies-r nicht leichten Aufgabe.
Die zwei ersten Tage überließ er di«
Gefangene ihrem Schmerz; am drit
ten Tage erst erschien er in ihrer Zelle,
noch immer als Gendarm gekleidet; er
rief sie b«i ihrem wirklichen Namen an.
„Sie kennen mich?" fragt« sie über
rascht.
„Ich kenne Sie!"
Dieses Wort schmetterte sie nieder.
Sie wußte nunmehr, daß sie verloren
sei. Sie ve-rlegte sich auf's Leugnen,
ihre Unschuld betheuernd.
„Ihr Leugnen ist unnütz," bemerkte
Liquet darauf in freundlichem Ton«.
„Wir wissen Alles. Gestehen Sie Ihr«
Schuld «in. Das ist auch das beste
Mittel, das Mitleid der Richter zu er
„Wenn Si« Alles wissen, so muß
man mich denunzirt, qerrathen haben!
Wer ist der Elende?"
„Der Notar Lcfebvre," gestand Li
quet. (Es war dies jener Mann, der
die Gelder zur Ordnung von Cheval
lier's Schulden übernommen hatte.)
„Er hat mich auf Ihre Spur geleitet.
Ein bei Delaistre gefundener Brief
Ihrer Mutter hat Ihr Verderben vol
lendet."
Liquet erwähnte diesen Brief ab
sichtlich, weil er wußte, daß zwischen
Mutter und Tochter Niemals ein gutes
Einvernehmen geherrscht hatte; der
Brief gedachte Rosaliens in sehr lieb
loser Weife, Liquet hoffte nunmehr,
daß die Tochter mach Einsichtnahme in
das Schreiben ihrer Mutter in ihrer
Entrüstung Aeußerungen werde fal
len lassen, die für die Untersuchung von
dem größten Weiche sein tonnten.
Und er hatte sich nicht getäuscht.
„Da man mich ausgeliefert hat,"
schrie sie voller Erregtheit, „ist es an
mir, zu sprechen. Ich werde Alles ge
stehen, ich mag nichts verheimlichen.
Ich weiß, daß ich mein Verderben her
beiführ«. Allein der Tod schreckt mich
nicht. Ich suche ihn schon lange; Ich
bin auf ihn vorbereitet. Sehen Sie,"
fügte sie, auf ihren Kopf zeigend, hin
zu, „ich habe mein Haar, das man so
schön fand, abschneiden lassen; denn
ich wollte nicht, daß «s der Henker be
rühre."
tung abgesehen hatte, sondern blos den
Wunsch hegte, sich zu rächen. Ihre
Liebe zu Le Chevallier, das ist ihrem
Geständniß zu entnehmen, war «in«
tiefe, aufrichtige, ernste. Ihr Ver
hältniß zu Chauvel erklärte sie für ein:
Schutzes halber, den er ihr gevsien,
habe si« ihm Liebe geheuchelt. Nach
dem das erste Verhör beendet war. be
kräftigte sie mit ihrer Unterschrift dies«
mord dachte.
' Während des zweiten Verhörs
nannte sie, um Le Chevallier zu retie»,
opferte sie Alle vergeblich auf, Le Che
cillein da man feinen Sohn und seine
Schwägerin «daraufhin verhaftete,
slekl.'e er sich wieder der Behörde. E!
9. Januar 1898 zum Tode verurtheilt
und noch an demselben Tage hinge
richtet.
Zur gleichen Strafe wurden auch
Frau Aqeut de Ferolles und eine An
zahl der Mitschuldigen am 39. Decem
ber verurtheilt. Nachdem das
der Marl« Äntoin tte und Charlotte
PfMt, den Gerichtshof zu
g«n, daß Frau Aquet de Ferolles sich
in anderen Umständen befindet."
Das war ein Theatercoup. Ueber
ein Jahr lang war die Berurtheilte im
Gefängniß gewesen; Nie!" and glaubte
ihrer Erklärung, der Gerichtshof je
doch muhte davon Notiz nehmen. Es
war klar, daß sie den unmittelbaren
Folgen des Urtheils sich zu entziehen
wünschte in der Erwartung, begnadigt
zu werden. Allein ihre Hoffnung war
eine eitle. Vergebens hatten ihre zwei
20. Juli 1809 langten sie daselbst an.
vor dem Schloßthor die Rücklehr des
Kaisers ab. Als Napoleon aus dem
Wagen stieg, bemerkte er die schwarz
gekleidete Frau und die zwei zarten
und Waisen eines bei Wagram gefalle
nen Officiers vor sich zu sehen. Er
schritt auf sie zu; da fielen die Klei-
Dabei überreichten sie dem Kaiser eine
Bittschrift. Er nahm sie entgegen,
flog sie durch und sagte: „Ich habe
nicht die Macht dazu." Nochmals wie
derholt« «r: „Ich kann keine Gnade
walten lassen." In seine Gemächer
zurückgekehrt, gab er seinem Unwille»
Kaiser nicht hatten durchsetzen kön
nen. Allein dazu sollte-es nicht mehr
kommen. Am K. October 1899 ward
Frau Aquet de Ferolles von vier Aerz
ten untersucht, welche die einstimmige
Erklärung abgaben, daß die Äerur
theilte nicht in Hoffnung sei. Darauf
hin ward sofort der Befehl zur Voll
streckung des Todesurtheils erlassen
und am 7. October wurde es an ihr
vollzogen.
Di» setndlichen Nachbarn.
Während einer Theuerung sucht der
Bürger Schnurz fein feindliches
vis-a-vis dadurch zu ärgern, daß er
terfchnitt« unter höhnischen Grimassen
am Fenster verspeist. Schweigend und
mit unterdrückter Wuth hat der andere,
Namens Kurz, das Schauspiel einige
Mal mit angesehen, als er sich eines
Tag«s mit den Worten: „Warte, Du
Racker! Dir will ich schon!" in die
Tiefe seines Zimmers zurückzieht. Als
am «folgenden Morgen Schnurz wie
derum hohnlachend sein Frühstück zu
verzehren beginnt, öffnet sich auch drü
ben das Finster, und Kurz lehnt sich
heraus mit einer Schnitte, doppelt so
stark gestrichen wie di« des Gegners.
Anfangs verblüfft, faßt Schnurz sich
bald und legt am nächsten Tag die
Butter noch einmal so hoch auf als zu
vor. Aber ohne Erfolg; kaltblütig er
höht Kurz seinerseits die Auflage. So
geht es eine Zeit lang fort, bis Schnur
zens Ehehälfte hinter die Verschwen
dung kommt und demselben den Zu
gang zum Buttertopf versperrt. Tief
gebeugt, wagt er jetzt zur Frühstücks
zeit nur noch schüchtern hinter den
Fenstervorhängen hervorzusehen, wäh
rend das verhaßte Gegenüber nach wie
vor feinem lukullischen Genusse fröhnt.
Aber auch Kurz sollte nicht den Sieg
behalten. Als er mit dem wohlgefälli
gen Läckieln auf dem breiten Antlitz
eines Tages wiederum das Fenster öff
net, entfällt die Schnitte seiner Hand.
Noch ehe er durch die Thür herausstür
zen kann, ist Schnurzens wackeres
Schnauzerl, das schon lang« mißver
gnügt dem schnöden «Schauspiel zuge
sehen hat, herllbergesprungen und trägt
die Beute triumphirend in das Haus
seines Herrn, wo sich alsbald stürmi
sches Siegesgeschrei erhebt: Kurz hatte
statt der Butter Kartoffelbrei aus
gestrichen.
Gefehlt gegen den gu
te nTo n. Ein neugibornes Brüder
chen hat wiederholt unzweideutig be
wiesen, daß es im Besitze ganz außer
ordentlicher Stimmenmittel ist, zum
nicht geringen Leidwesen des kleinen
Fritz. Fritz (zur Mama): Nicht wahr,
das Brüderchen war im Himmel, ehe
es zu uns kam? Mama: Ja mein
Söhnchen. Fritz: Da kann ich es den
Engeln im Himmel eigentlich nicht
verdenken, daß sie es hinausgethan ha.
ben!
Erfahrung. Ell!:
„Ich mag keinen Roman mehr lesen!
Jedesmal hört er auf, wenn sie sich
lricg-n und es dann am schönsten
>vird." Vater: „Dumme Gans! Wer
hat Dir denn gesagt, daß es da am
schönsten wird?"
Zahltfichbefser. Isaaks:
„Hat Cohen je Bankerott gemacht?"
Levy: „Nein, er hat «in paarmal Feuer
gehabt, er denkt, daS bezahlt sich bes.
ser."
Der Trauring.
Kek Schmuckgegenstand im Laden
deS Goldschmieds hat eine interessan
tere Geschichte als der Ring. Ihn tru
gen schon im grauen Alterthum Ju
den und Aegypter, Griechen und Rö
mer. Ringe galten als Ehrenzeichen
oder als Symbol der Versöhnung.
„Thuet ihm an ein festlich Gewand,"
heißt es in der Geschichte vom verlore
nen Sohne, „und steckt ihm einen Ring
an den Finger!"
Die Poesie ließ den Ring früh ein
Zeichen der Zuneigung, und im Laufe
der Zeit das Sinnbild des ehelichen
Bundes werden. Denn er, dessen klei
ner Cirkel weder Anfang noch Ende
hat, ist das Sinnbild der' Ewigkeit.
Wahre Liebe triuinphirt über die Zeit,
sie ist ewig. Gemäß dieser
Ohrringe sind mehr ein Tand, ein
bloßer Zierrath, aber der Fingerring,
und ganz besonders der Trauring, ist
ein kleines Weltrund von Freude, von
Erinnerungen und süßen Gedanken an
holde und ernste Ereignisse. Von rei
nem, glattem Golde, erinnert er das
Ehepaar stets an die Reinheit und
Ewigkeit der ehemaligen Liebe. Wie
jedes andere Metall, so soll Gattenliebe
widrigen Einflüssen widerstehen, ja,
ihr Glanz soll von Jahr zu Jahr zu
nehmen. Dann erinnert die kreis-
Well' auf Welle, sich folgen. Stark
das zwei Herzen mit einander verbin
det; es soll keine qualvolle Kette, aber
auch kein zerreißbarer Faden sein.
Ger, weil zuweilen Deine Thränen
darauf sielen. Sie haben das Gold
nicht verdünnt und den Kreis nicht ge
brochen. Und Du, trauernde Wittwe,
die den Verlust eines geliebten Gatten
Glanz und Werth hat der klein« Gold
det Deine Gedanken mit dem Himmel;
er ist das Unterpfand eines geistigen
Bundes hier auf Erden, der einst im
Himmel erneuert wird. Er spricht dm
Trost Dir zu:
„Lieb' ist stärker als der Tod!"
Etne ~HcrzenS"-«escht»t«.
Elschen nett Sehr kokett.
Und wie's Brauch Assessor auch!
Herr Baron Drei Herren „von",
Bürgerlich Zahl fürchterlich
Kurz, sie hat Ganze Stadt So
erwärmt, Daß sie schwärmt.
Herz bleibt kalt Keinem schallt
Erlösend: „Ja Sprechen Sie mit
Papa!"
Ihre Näh' Flieh'n, o je Viele
Kalo, Weil Elschen kalt.
cher wird Wohl erkürt? Elschen
lacht Voll Liebesmacht Diesem
Jenen Mann Zärtlich mild
Himmelsbild. Wer erschaut In
ihr die Braut?!
Geht, auf Ehr' So nicht mehr!
So'n Rival Sehr fatal! Ei
ner. was? Beißt in's Gras.
Zum Duell Kommt es schnell.
Grüner Plan - Mann gegen Mann.
Einer todt And'rer roth!
Sieger eilt Unverweilt Mit
frohem Sinn Zu Elschen hin.
Ohn' Rival Liegt jetzl der Fall.
Doch Elschen, nett Aber kokett
Duell Geh'n Sie nur schnell.
Freier betrübt Weil wirklich er
liebt Von dannen geht. Da ent
steht Im Herzen, ach Ihm ein
Krach! Es brach, o weh In
Als Elschen das sah Fühlte ihr
Ist vor Schreck Fast ganz weg.
Ist ganz zerstört Schirm fällt
zur Erd'. Neue, wie man kennt
drei!
Frage.
Bleib' Alt bei All und Jung bei
D' L b s 'sh t be
E',
gen?!
Stoßseufzer. Frau Neu
mann (Nachts um zwei auf ihren Gal'
len wartend und vor langer Weile die
Zeitung lesend): Mittel, seinen zu«
lünftigen Mann zu finden (seufzend):
ber.
sich ein Loos nehmen, Fräulein!"
Fräulein: „Ach, ich gewinn« doch
nichts!" Händler: „Sie gerad«
Glück in d«r Liebe haben Sie doch wohl