Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, October 11, 1895, Page 2, Image 2

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    2 Nbend über dir Wälder sinkt.
Matter des Tages Glanz erblmki;
Wie Dich kühlender Lufthauch kos't.
Ueber die goldumschimmerten Höh'n.
Thäler in Duft sich kleiden.
Heißes, blendendes Licht verglimmt,
Klber die Muth, die Fülle, die Pracht.
Aber des Tages heilige Macht,
Trachten und ihre Bedeutung.
Von K, v, Mittelstadt.
So unbedeutend und sinnlos uns
nisten und Einflüssen, die dereinst tief
in das Leben der Menschheit einge
griffen und epochemachend gewirkt ha»
alten Völker mit der weniger civilisir
ten Gegenwart ergiebt z. B. ein Ueber»
rinstimmen von Sitten und Bräuchen
im Frauenleben, die alle auf die un
tergeordnete Stellung des Weibes hin
deuten. Soweit sich nur Spuren eines
Ehelebens, gleichviel ob Viel- oder
Einehe, auffinden lassen, überall gilt
die Frau dem Manne als Eigenthum,
der Lukeren Tracht haben sich bis auf
die heutige Zeit erhalten. Die heutige
Tracht der Braut ist z. B. nur eine
symbolische Hindeutung auf den Ein
vermählt war, durfte sie ihre Schön
heit offen zeigen, um einen Freier an
zulocken; jetzt, da sie vermählt wird,
«rhält sie den Schleier, den sie auch im
Orient, woher diese Sitte kommt, nur
In ihrem Hause, also vor ihrem Manne
ablegt, während sie der Außenwelt sich
hinfort nicht mehr unverhüllt zeigen
darf. Ring und Kranz bedeuten eben»
falls die „Fesselung und Schmückung
ves Opfers", das dem fremden Manne
dargebracht wird. Die Frauen vieler
wilden Bölkerstämme haben ganz be
sondere Abzeichen in ihrer Tracht für
jedes Ereigiriß und Vorkommniß in
ihrem Privatleben: da giebt es beson
dere Merkmale für das heirathsfähige
Mädchen, für den Brautstand, den
Ehestand, für die Zeit der Muiter
schaft und endlich Abzeichen für die
Wittwenschaft. Heirathsfähige Mäd
ichen werden bei den Kaffern durch
Ringe, Ketten und anderen Zierat ge
kennzeichnet. Das heirathslustigc
Tatarenmädchen trägt hingegen zwei
dorn über die Schultern herabfallende
Zöpfe, die in einem Futteral von
schwarzem Kita! oder Taffet verwahrt
»verden. Bei manchen Mongolenstäm
men ist die Frau an ihren zwei
Zöpfen von dem Mädchen zu unter
scheiden, das nur einen Zopf tragen
darf.
Die Sitte, der Braut das Haar
«abzuschneiden, herrschte schon im al
ten Sparta, sie galt als Zeichen der
Unterwürfigkeit, sollte also die Erge
benheit der Braut unter den Willen
des Mannes darthun. Noch heute be
steht bekanntlich in vielen Gegenden
Rußlands die Sitte, der Braut
von vielen semitischen Stämmen, ge
theilt wird.
Gleichwie das heirathsfähige Alter
durch bestimmte Merkmale charakteri
sirt wurde, so gab es auch gewisse Ab
zeichen in der Tracht für den Moment,
wo die Frau durch die Hochzeitscere
inonie aus der Obhut der Eltern in
die des Mannes überging. Manchen
Bräuchen waren zwar beide Brautleute
unterworfen, im allgemeinen aber gab
es viel mehr Abzeichen für die Tracht
der Braut als für die des Bräuti
gams. So war z. B. der Brautkranz
schon in uralter Zeit ein charakteristi
sches Merkmal der Braut. In der
Bibel wird er bereits erwähnt. Bei
den alten Griechen trugen beideßraut
leute Kränze aus Mohnblumen und
Sesam, zwei Pflanzen, die der Ve
einen Kranz zu tragen, der aus stach
lichtem, wildem Spargel geflochten
war, als Sinnbild jungfräulicher
Sprödigkeit.
Noch heute sind Kranz und Schleier
der bräutliche Schmuck für die Jung
frau; die Wittwen dürfen diese beiden
Embleme nicht anlegen. Die zum
Brautkranz gebrauchten Pflanzen sind
nicht überall gleich. Während in
Deutschland die Myrte als das Sym
bol der Keuschheit gilt, werden die
Brautkränze in Frankreich und Polen
aus Orangenblüthen geflochten, in
Italien aus weißen Rosen, in Litauen
aus Rosmarin.
Der Schleier wird schon als Braut
schmuck der ältesten orientalischen Völ
ker erwähnt. Ebenso kannten ihn die
daß dem Blicke der willenlosen Braut
die Zukunft verhüllt blieb. Der
Trauring galt schon dm Römern
Kette.
Mit dem Tage der Verheirathung
trat meist eine Aenderung in der
binde. Die Sitte, als Ehefrau das
Haar zum Theil oder ganz zu verhül
len, finden wir nicht nur im ganzen
Alterthum und Mittelalter/ sondern
in ganz Deutschland die solkslhüm
liche Redensart: „Unter Sie Haube
kommen."
das Weib nach dem Tode ihres Man
nes getödtet wurde, damit sie nicht in
Bekannt ist das schreckliche Los der
Wittwen in Indien. Finden diese
Fast überall wird die Wittwe
den und den Modernen, Civilisirten
gezwungen, besondere Trauertracht an
zulegen, der Wittwer dagegen keines
wegs. Bei den alten Hebräern be
stand das Hauptmerkmal der Trauer
darin, daß die Wittwen das Kinn mit
einem Tuch umhüllten. Bei den alten
Indern trug die Wittwe ihr Haar in
einer einzigen, lose herabhängenden
Flechte, wobei sie zugleich allen Ziera
then, Perlen, Blumen u. f. w. entsagte.
Bei den Römern legten die Frauen
dunkle, meist schwarze Trauergewän
der an; erst unter l«en römischen Kai
sern kam «ine Zeitlang die Sitte auf,
in Weiß zu trauern. Im Mittelalter
wohnten bunten Kleidung ein sackarti
ges, die ganze Gestalt verhüllendes
weißes Gewand, das ihnen ein non
nenhaftes Ausscheit gab. Bei dem
Jndianerstamin der Coroados in Ame
rika ist es heute Sitte, daß die Witt
wen sich schwarz malen. Noch bei an
dern amerikanischen Stämmen werden
den Wittwen die Haare geschoren und
schwarz und roth gefärbte Mäntelchen,
die den Kopf bedecken und auf die
Brust herabfallen, umgeworfen. Diese
Mäntelchen dürfen nicht eher abgelegt
werden, als bis ihre Trägerinnen eine
neue Ehe eingegangen sind. Bei den
Grönländern muß die Wittwe, wenn
sie ausgeht, Nahrung zu suchen, alte
zerrissene, beschmutzte Kleider anha
ben, darf sich nicht waschen, ist ge
zwungen, die Haare abzuschneiden und
unter freiem Himmel eine Trauer
lappe auf dem Kopfe zu haben. Auf
den Sandwichinseln lassen sich die
Wittwen die Namen ihrer verstorbenen
auf die Zunge tätowiren! Daß jedoch
die Männer in so unvergänglicher
Weise gezwungen würden, das An
denken ihrer verstorbenen Frauen im
Munde zu führen, finden wir nir
gends. Wohl aber wird von Abessy
nirinnen berichtet, die als Wittwen
dauernd den Kopf mit einem Tuche
umhüllt tragen, um anzuzeigen, daß
sie nie mehr gewillt sind, eine Ehe
einzugehen. Sie sollen indes meist
nicht gerade die jüngsten sein. Di?
Dauer der Wittwentrauer beträgt bei
den Liianeke auf Madagaskar ein
Jahr; während dieser Zeit wird die
Wittwe schlecht behandelt, in Lum
pen gekleidet und ihres Schmuckes be»
raubt.
Man ersieht aus allen diesen Bei
spielen, daß die Moden und Gebräu
che, die noch heute, freilich in abge
schwächtem und verfeinertem Maße,
für die Braut-, Frauen- und Witi
wentracht angewendet werden, wohl
sämmtlich in althergebrachten Sitten
wurzeln und daß fast jeder von ihnen
ursprünglich eine ganz bestimmte cul
turelle Bedeutung zu Grunde gelegen
hat, deren Sinn und Tendenz wir
zwar zum Theil nicht verstehen, zum
auch nicht mehr billigen können.
Der Dritte will nicht länger warten;
Der Vierte, weil Mama so spricht;
Der Fünfte, um sich zu ergötzen;
Der Neunte thut's aus Mitleidstriebe;
— EinVorschlagzurGüte.
Reiche Wittwe: „Herr Doctor, Sie sind
Wittwer, ich bin Wittwe, Sie haben ein
Haus, ich habe ein Haus; wolle» wir
nicht gemeinsam durch's Leben gehen?"
Doctor: .Mecht gerne, aber nur un
ter der Bedingung, daß jeder von uns
in seinem eigenen
bleibt!"
Der deutscht Soldat.
In hohem Grade unterscheidet sich
der deutsche Soldat von seinem fran
zösischen Kametaden. Nach der
Schlacht von Vionville schallten aus
dem Lager Vazaine's die Weisen Of-
Franzofen wie Indianer um die Bi
vouakfeuer tanzen! Die Gefangenen
von Sedan führten allerlei Narrens
possen auf, theatralische Pantomimen,
ebenso die sonst heroisch duldenden Ein
geschlossenen in Metz. Solch' frivoles
Treiben liegt dem Deutschen fern, nicht
aber ein gesunder Frohsinn. Die 32er
erbeuteten bei Wörth das Gepäck Mac-
Mahon's, darunter auch viel Toiletlen-
und Luxusgegenstände für Ewig
Weibliches, da der Marschall zwei
Si-ger mit Chignons und Hüten einen
niedlichen Mummenschanz. Zugleich
aber hatten sie bedeutende Zwiebackvor
räthe erbeutet. Was thaten die selbst
tend. Als bei Wörth kein Bataillon
die Linie des 6. und 11. Corps sich
nur: „Alles, was gelbe Achselklappen
hat, vorwärts!" Das waren die vom 5.
deutschen Gemüths mit der Musik! Bei
Wörth scholl es: „Nun danket alle
Siegerkranz!" von zwanzig Musikka
pellen, wie ein Schrei aus tiefster
Brust: Sieh, wir Haben's gut gemacht!
auf Erden ist die Schlacht. Vor des
Waffenthaten aller Zeiten bleibt immer
der Gardesturm bei St. Privat. Da
Hand, die Träger deckten sie mit ihrem
Leibe. (Darunter besonders ruhmvoll
der Einjährige Lehmann, heute Gehei
mer Kriegsrath.) Durch ihren Riesen
wuchs hervorragende Osficiere wie Ma
jor Görne und Oberst Graf Kanitz gin
gen zu Fuß, weithin sichtbar, aufrecht
die Landstraße entlang. General Pape
rauchte gelassen seine Cigarre fort, jede
Sekunde den Tod vor Augen. Blut
roth ging die Sonn« unter, da hatten
Selbst ihre Musikcorps hatte!? in die
nalpseisen sich noch vernehmbar mach
ten; zu diesem gräßlichen Concert
stimmte nur noch Todesröcheln als Be
gleitung. Im Dorfe selbst brach der
altgermanische Berserkergrimm durch:
pitän zurief: „Ergeben Sie sich, Herr
Kamerad!" Ein Pistolenschuß ant
wortete, der Franzose lacht« nur höh-
Das Gleiche fand auf dem anderen
Flügel bei den Hessen - Nassauern statt.
Und dabei hatten beide genannten Re-
Später bei Fröschweiler hatten die
Zuaven Tornisterverfchanzungen quer
über den Abhang gebaut, die man nur
geschah, wobei der tapfere Oberst Eyl,
durch Blutverlust und Anstrengung er
schöpft, mit dem Ausruf zusammen
brach: „Noch ein Anlauf, ich kann nicht
mehr!", nachdem er seine S9er zum
Siege geführt. Diese Polen zeigten
naive Unerschrockenheil, schrie
in Fröschweiler einen Off« .-r und sei
nen Trupp an: „Gibst du her die Dege.
bist du schon jetzt meine Gefangene!"
Einem Tambour wurde der Troinmel
schlug lustig draus los " .Mich kostet's
lv.W!" Als es be! Spichern mit
recht gehen wollte und sie, ungewohnt
>es Steigens, ausglitten, zogen sie ein
fach die Schuhe aus und strebten bar
fuß dem Feinde entgegen, der in
Schanzgräben von 3 Fuß Tiefe und 3
Fuß Brustwehrhöhe, oft zum Etagen
seuer übereinander angelegt, auf ter-
Humor im Heroismus ist eine echtger
manische Eigenschaft. Als dem ritter
lichen Commandeur der Füsiliere des
2. Garde - Regiments bei St. Privat
ten, als die müden Mannschaften am
Abend weichen, und führt die Ver
sprengten mit brennender Cigarre vor.
Beifallsjubel. „Viel zu hoch!" ruft
ein Sergeant bei Spichern, als ihm
ein Streifschuß die Mütze durchlöchert,
und wischt sich gleichmiithig das Blut
ab, unter mißbilligendem Kopfschütteln
zosen. Vor St. Privat schimpft ein
Schießunterofficier Schulze die Mann
schaften mitten im fürchterlichsten Feuer
aus, weil sie nicht das entsprechende
Visir wählten: „I Jott bewahre, jetzt
feh einer die Schassköppe, ob sie nicht
mit dem Standvisir schießen? Hat man
gelassen die Front "entlang spazierend.
Als feindliche Chasseurs anreiten,
nimmt er feine Brille ab, läßt sich ein
die Brille putzen!", und wischt mit
peinlicher Sorgfalt die Gläser. Setzt
sie wieder auf, gibt dankend das Tuch
schmäht es, sich mit der Fahne (Füsi
lierbataillon 2. Garde - Regiment) nie
derzulegen: „Kopf hoch, Füsiliere! Wer
fallen soll, fällt doch! Daran ändert
Niemand was!" Aehnlich der besonders
beklagte heldenhafte Lieutenant v. Ha
gen: „Ist ein« Kugel mir bestimmt,
trifft sie mich doch!" Beide Recken star
ben einen schönen raschen Soldatentod,
der ein« seine Fahne, der andere seinen
Degen mit letzten Kräften an sich pres
send wie ein Heiligthum.
Gefangene haben die Franzofen über
haupt nur in der Schlacht von Vion
ville gemacht, etwa 700 Mann, die aus
gewechselt wurden. Wenn es bei Verne
ville am 18. August den 6. ChasseurS
la Rolande wiederholt, wo man ein
preußisches Geschütz im Stich lassen
mußte. Die pommersche Fahne, die bei
Besitz gerathen ist. Bei Mars lä Tour
der einzigen wirklichen Niederlage des
ganzen Feldzuges, als die 38. Brigade
an der allein 926 Todte
und 4<X) Vermißte im Rücken ließ und
über ihre zahllosen Verwundeten der
rettende Sturm der Gardedragoner
hinwegging. Das sagt Alles.
Die deutsche Heerestechnil und Be
triebsmechanik zeigte ihre Tüchtigkeit
wie in dem Aufmarsch der Armeen, so
auch in der Herstellung der Verbin
dungsbahnen auf der langen Etappen
linie von Paris bis zur Grenze. Was
die Etappenbahnen allein an Beförde
rung und Verpflegung von Trophäen
und Gefangenen leisten mußten, ersehe
man daraus, daß nach genauer Verech
rund 62,000 Gesangen« und 1110 er
beutete Geschütze und 20 Adler oder
Fahnen kommen, auf den Tag also
rund 213 k Gefangene und 38 Stück
Geschütze. Das alles wollte verpflegt
und befördert sein. Dazu jeden sechsten
Tag eine gefallene Festung, die auch
verproviantirt und von Rüstzeug ent
ris (130 Tage, Metz 70 Tage)
ihren Standorten. Das B.' benutzte
schon Anfangs diese Linie und die an-
dere Düsseldorf - Köln - Call, welch«
von Münster dem 7. Corps zu Gebote
stand. Die beiden Linien von Leipzig
über Kreiensen auf Biebrich oder Be
bra-Fulda-Caftel zu letzterer war
Anschluß für das 12. Corps von Dres
den aus und zu ersterer Anschluß von
Harburg für die 17. und 18. Division
konnten in Unterbrechungen mit-den
anderen Linien benutzt werden. Bei
Görlitz langte das 6. Schlesische Corps
im Fußmarsch an, um die Linie Posen-
Leipzig - Würzburg - Mainz - Landau
für die beiden anderen preußischen
Corps der kronprinzlichen Armee zu
erreichen. Das 1. und 2. Corps, die
erst Berlin erreichen mußten, hatten
dann, den anderen Ostcorps nachfol
gend, die Linie Hannover - Bingen
(Neunkirchen) und Halle-Frankfurt
(Homburg) zu benutzen. Das 1. vol
lendete seine Ausschiffung bei Neunkir
chen am S. August, oas 2. am 9. Am
3. August sollte der operative Ausmarsch
mit acht preußischen, drei süddeutschen
Corps beendet sein, zwei Corps (9. und
12.) sollten als zweites, drei (1., 2.,
6.) als drittes Tressen dahinter folgen.
Natürlich langten aber die einzelnen
Heeresstaffeln nicht gleichzeitig an.
Das Rheinische und Westfälische Corps
standen schon am 2. August dicht an der
Grenze; ebenso südlich Württemberger
und Badenser. Das Brandenburgische
Corps stand zunächst bei Bingen und
kam daher auch am 6. den erstgemnn
ten Corps zu Hilfe. Das Magdeburgi
sche Corps stand einen Tag später bei
Mannheim versammelt, fünf Tage spä
ter Garde und 1t). Corps erst am 6. am
Rhein, dagegen am 2. bei Mainz das
Sächsische und Holsteinisch - Hessische.
Das 11. Corps hielt schon am 27. Juli
bei Landau und Germersheim und
ebendort sammelten sich am 3. August
die Baiern und das 6. Corps.
Zur Würdigung der deutschen Lei
stungen muß aber noch insbesondere auf
den Winterfeldzug an der Loire hin
gewiesen werden. Namentlich das bai
rische Corps v. d. Tann und die 17.
hanseatisch - mecklenburgische Division
haben unsägliche Strapazen mannhaft
ertragen. Bekleidung und Schuhzeug
befanden sich in kläglichem Zustande,
sogar die Waffen. Viele Geschützrohre
waren verbleit, die Pferde fielen mas
senweise, so daß man viele Batterien
außer Dienst stellen mußte. Zur Rei
nigung der Gewehre fehlte es wegen
andauernder Benutzung an Zeit und
Mitteln. So mußten denn Cantonne
ments zum Ausruhen eingeschoben wer
den, und das bairische Corps schied so
gar am 12. December aus der Front.
Trotzdem gab es nur wenige Marode,
höchstens 6 Procent, obfchon bei den
anstrengendsten Märschen nicht einmal
das Gepäck verladen werden konnte,
weil immer nur wenige Bauernwagen
aufzutreiben waren. Dabei weichten
Regen und Schnee die Wege auf, mas
senhafte Trainzüge sperrten die Stra
ßen und traten den Boden noch lockerer.
Und unter solchenVerhältnissen hat das
9. Corps (Hessen - Darmstädter und
Schleswig - Holsteiner) seinen berühm
ten Schnellmarsch von Alois bis Or
leans gemacht, über welchen amerikani
sche Generäle damals Wetten eingingen,
weil die Angaben darüber märchenhaft
schienen. Thatsächlich hat das 9. Jä
gerbataillon in 24 Marschstunden 11
Meilen, also 83 Kilometer, durchflo
gen! Im Ganzen niarfchirte man hin
tereinander fort durchschnittlich, auf 6
Regimenter berechnet,.62 Meilen bin
nen eines Zeitraumes von 178 Stun
den, wovon aber im Ganzen noch 30
Stunden Nachtruhe abgehen, so daß
die Meile nur zwei und vier Fünftel
Stunden erforderte oder durchschnitt
lich 11 Meilen in 31 Stunden! Zum
September 1796 ab 11 Meilen in 60
Stunden machte, freilich dabei unter
wegs mit dem Feinde handgemein
wurde, sodann 4j Meile in 24 Stun
den; überhaupt 24 Meilen, eine große
Schlacht, vier Gefechte und einen Fluß
llbergang binnen 6 Tagen. November
180 S marfchirte Davoust auf Gebirgs
defileen auch durchschnittlich 3 Meilen
pro Tag 16 Tage hintereinander, Ok
tober 1806 ebensoviel, dazwischen die
Schlacht von Auerstädt. Am 22. April
marfchirten die Franzosen 4 Meilen,
schlugen die große Schlacht von Egg
mühl und verfolgten am Abend heftig
kämpfend eine Meile. Man sieht also,
daß Napoleon der französischen Men
schermatur das Gleiche abtrotzte, wie die
preußische Disciplin. Letztere feierte
ihren größten Triumph in den sieben!
Tagen von Le Mans, wo die Branden
burger sechs Ml fochten und ein Vier
tel der Osficiere einbüßten. Die 22.
Division zählte nur noch IVO Osficiere,
die 38. Brigade nur 33. Das Füsilier-
Bataillon der S6er musterte nur noch
28V Gewehre! Compagnien wurden
von Halbbataillon«
von blutjungen Reserve - Ossicieren ge
führt. Bei 6 Grad Kälte bivouakirte
man in leinenen Hosen, kochte mit nas
sem Holz, die Kleider froren am Leibe,
hungrig und übernächtigt immer mar
fchiren und fechten!
Moltke umfaßte am Schluß 13<XZ
Quadratmeilen 'französischen Gebiets
mit 630,(XX) Mann, hatte also seine
Streitmacht beim Einmarsch nach allen
Verlusten noch um ein Drittel ver
mehrt.
Wie Du mir, so ich Dir.
Gastgeber (Protz) zu einem bekannten
Schauspieler, den er eingeladen: „Na,
l->s und declamiren Sie mal das
„Herenlied" von Wildenbruch!"
Schauspieler (nachdem er den Wunsch
des Wirthes erfüllt): „So, lieber
Freund, jetzt sind Sie an der Reihe!
Sie haben ja wohl ein Herrengardero
benmagazir'' Jetzt zeigen Sie uns mal
,°>bre Muster,'ind sagen Sie. wie theuer
Rock und Host.
Ein Pariser Boulevard-Blait hat
bei einigen Künstlerinnen angefragt,
Welche Meinung sie bezüglich des Tra
gens von Beinkleidern seitens der
Frauen hegen, wie dieses jetzt infolge
der in Frankreich besonders stark ent
wickelten Radfahrsucht immer mehr
Mode wird. Unter den Antworten be
finden sich folgende:
Sarah Bernhardt: „Die Hose mag
vielleicht bequemer sein. Ich gestehe
zu, daß in einzelnen Fällen die Frauen
das Recht, ja die Verpflichtung haben,
das männlicheCostüm anzulegen. Aber
nicht vorkommenden Fällen sprechen
alle meine weiblichen Jnstincte und
mein KUnstlersinn für das lange Kleid.
Selbst der kurze Rock unserer zeitge
nössischen Radfahrerinnen beleidigt
mich. Ich bin übrigens der Ansicht,
unsere Sitten radicaler umzugestal
ten, als man dies im Allgemeinen an
nimmt. Alle diese jungen Frauen
und jungen Mädchen, die mit leiden
schaftlicher Lust sich dem Radeln hin
weiß nicht, ob das physische Interesse
einem gesui de-, Körper herrscht ein ge
sunder Geist. Die Regel hat indessen
vie'e Ausnahmen... Und ist es denn
Nachtheil sür die Muskcln und die
Ich bin der Ansicht, daß dieses Außen
das wenig dekorative männliche Co
stUm höchst auffällig, auf welche» die
Männer vielleicht selbst nicht stolz
sind?"
Madame Servine: ist
nicht hygienischer als der Rock. Gerade
das Gegentheil ist der Fall und das
ich radle zwar, aber immer im lan
gen Rock."
Die Opernfängerin Frau Melba:
„Ich verabscheue das männliche Co
stllm für die Frau. Das ist häßlich,
rischen und weiblichen Gefühlen mich
verletzt fühle, wenn ich Frauen auf
die Reize und die Anstandsregeln ih
fahren hierfür nu» einen Vorwand
bildet. Weniger aus Bequemlich
keit- als aus viel geheimnisvolleren
Gründen opfert man den Rock der
Hos-'l" . s k .
überhaupt keine Ansicht. Aber in mei
ner Eigenschaft als Frau und Künst
lerin kann ich Ihnen sagen, daß die
bauschige Hose mir nur in seltenen
Die Sängerin Nini Büffet: „Ich
das bauschige oder straff anliegende
Beinkleid den Frauen ein verdächti
ges Aussehen gibt, dem ich mich nicht
SchöiicSitte.
Wenn in der Bretagne die Mulier
eines Säuglings stirbt, so wird das
Kind von anderen Müttern der Ge
meinde oder des Dorfes als ihr eige
nes angenommen. Der Priester wählt
eine Mutter aus, auf welch- er sein
besonderes Vertrauen setzt, und sie
Kind zu sorgen, als ein Geschenk des
Allmächtigen. Ist eine zu arm. als
dah sie das Kind allein unterhalten
könnte, so vereinigen sich mehrere für
diesen Zweck. Eine der Mütter
nimmt das Kind in ihre Wohnung
pflegen es stundenweise abwechselnd.
Alles, was auf die Kindhn! Bezug
hat. wird in der Bretagne mit from-
Dich!" Selbst der eingefleischteste
waffnet. Der unversöhnlichste Mensch
genswort zurufen, wenn dieser ein
kleines Kind auf dem Arm hat.
Vielversprechend. Vater
(zum Bewerber seiner Tochter, welcher
ein schwächlicher Herr ist): „Nun, ich
habe gegen die Verbindung nichts ein
zuwenden; nehmen Sie sie hin; aber
daß Du mir ihn gut behandelst,
Wally!"
Kathederblüthe. Profes
sor: „Meine Herren, auf den unbetre
ienei? Pfaden der Zukunft sehen wir
deutlich die Fußstapfen einer unsichtba
ren Hand."
zlnülicrlegte Worte.
Folgenschweres Unheil kann jede?
unbedacht ausgesprochene Wort her
beiführen. ohne daß dieses auch nur
im Entferntesten beabsichtigt war.
Aber einmal gesprochene Worte lasse,»,
sich leider niemals zurückrufen, und es
ist ein vergebliches Bestreben, durch
nachfolgende Erklärungen die Wirkung
desselben abschwächen zu wollen. Es
ist eine schwere, aber nothwendige
Kunst, auch in lebhafter Erregung bei
der Aufwallung des Augenblicks voll
kommen Herr seiner selbst zu bleiben,
ohne durch ein rasches Wort der inne
ren Verstimmung Ausdruck zu geben.
Geistsprühend«, witzige Unterhaltung
in der Gesellschaft ge/chieht nur zu oft
auf Kosten abwesender Personen. Nie
mand bedenkt, daß ein hartes, einmal
ausgesprochenes Urtheil selten im klei
nen ursprünglichen Kreise bleibt, son
dern bei der leider vorhandenen Be
ber das Schlechte, als das Gute zu
glauben, wird jede Meinungsäußerung
über denselben als beliebtes Geschäfts
thema für weitere Kreise ausgebeutet,
liche Aeußerung hinausgeht und den
Betreffenden oft sehr ernstlich in der
Achtung und dem Ansehen seiner Ne
benmenschen schädigt. Man hatte
das nicht beabsichtigt, wohl aber auch
nicht bedacht, daß schnelle, unüberlegte
Worte in ihren Folgen unberechenbar
sind, und daß ein sittlich gereister
Mensch auch nicht im Scherz achtlos -
etwas thun und sagen darf, was er
nicht jederzeit vertreten kann, und wo
von er nicht sicher weiß, daß es Nie
mand verletzen oder gar schaden kann.
Es ist nicht zu viel gesagt, daß gut drei
Viertel aller Widerwärtigkeiten des
Lebens ihre Ursache in unbedachten
Worten finden. Namentlich sind es
die Taufende von Mißverständnissen
und Verdrießlichleiten des täglichen
Lebens, die aus dieser Quelle ent
springen; sie verbittern oft die näch
sten Angehörigen untereinander ohne
rechten Grund, nur weil sie nicht im
Stande waren, ihrer augenblicklichen
Aufregung Herr zu werden und ihre
Worte zu mäßigen. Dazu kommt das
harte lieblose Urtheil, welches die Men
schen sogleich aussprechen, wo es sich
um einen Fehler, einen Irrthum oder
ein Vergehen des Nächsten handelt.
Oft wissen sie gar nicht den Zusam
menhang, kennen die Versuchung nichts
die der That voranging, aber sie rich
ten streng und unerbittlich über den
Thäter. 'Das ist weder christlich noch
menschlich gehandelt; wenn ' auch
Sünde strafbar bleibt, ist es doch nicht
am Nächsten, da zu richten, wo es nicht
seines Amtes ist, und wo schonende-
Liebe viel mehr leistet, als schroffe
Berurtheilung. Das gilt ganz beson
ders für den Familienvertehr, de»
Freundeskreis, wo die Sucht, zu rich
ten. zugleich mit der Leidenschaft.
Alles besser zu wissen, so verderblich
wirkt, so manches Glück zerstört, ohne
daß für dies- verderblich- Thätigkeit
auch nur ein stichhaltiger Grund vor
handen ist. Unbedacht« Worte sind
es. die den häuslichen Frieden stören
und hier ganz besonders nachhaltig
wirken, weil sie an emvfindlicbster
Stelle treffen und im täglichen Ver
kehr leicht ein« Schranke ausrichten,
die wieder niederzureißen ist.
Wie oft entschlüpft dem Hausherrn,
der Hausfrau im Verkehr miteinander,
mit den Kindern od«r den Dienstboten
ein
ungerecht ist und verbittert, oder eine
Kleinigkeit scharf richtet, die so unbe
deutend ist. daß sie kaum die ihr ge
währte Beachtung rechtfertigt. Solch«-
Worte und Urtheile sind stechende Do
rnen. die am schlimmsten kränken, be
sonders wenn sie sich häufig wiederho
len und ihre Ungerechtigkeit klar aus
d«r Hand liegt. Gegen Eltern und
Voraesetzte kann sich der ungerechtVer
urtheilte od«r durch schroffe Worte
Vorletzte nicht wehren, kann unver
dienten Tadel nickt zurückweisen, und
eine erregte Rechtfertigung gekränkter
Gefühle bringt ihn aus dem Regen in
die Traufe. Wie unrecht ist es daher
von allen Denjenigen, die Macht Über
andere haben, wenn sie sich zum Nach
theil derselben durch Zorn fortreißen
lassen, sie durch unbedachte Worte ver
letzen. Weniger Unheil würden unbe
dachte Worte gnrichten. wenn die Her
zen mehr der liebevollen Gesinnung
milder dächten. „Richte nicht!" sei
der Wahlspruch jedes ernst denkenden
Menschen; er wird Freude und Wohl
behagen um sich verbreiten, überall
gern gesehen werden, das ganze Fa
milien- und Gescllschaftsleben würde
einen edleren, höheren Gehalt haben,
wenn dies Alle thäten und stets des
!,R°ichtet nicht, auf nicht ge
richtet werdet."
Das Wetterfähnchen am Firste dreht
Im Wind sich und knarrt ohn-? Ruh;
Die blonde Kläre seufzt und näht
Und schaut dem Fähnchen zu.
Sie näht sich noch um's Augenlicht,
Ihr Herz ist wund und schwer;
Sie schaut dem Fähnchen zu uud
spricht: '
„Ach Gott so ist auch er!"
Stichhaltiger Grund.
Vertheidiger: „Meine Herren, ich be
ches Angeklagten Schulze freizuspre
chen, weil von dem Bestehen eines-
Hausfriedens bei dem Müllc'i'sjen