Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, September 20, 1895, Page 6, Image 6

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    6 Von Erich Jausen.
Goldklare Frühherbstzeit, getheilt
In tiefe Lust und leise Klage!
O dehnt, o dehnt euch! weilt, o
weilt,
Ihr seligen Septembertage!
Zieht nicht vorbei in Sturm und Hast,
Verbreitet eure milden Strahlen,
Legt eure reiche Segenslast
Sanstfreundlich in die goldnen Scha
len!
Eh' ihr den Sommerträum begrabt,
Umblüht von Astern und Reseden!
Die Schwalben flieh'n, so weit, so
weit.
Du aber hemme deine Eile!
Goldklare, holde Frühherbstzeit,
Herbstveilchenzeit, o weile, weile!
Aruno. dcr Bernhardiner.
Port, Rhode Island. So hatte ihm
seine dreimonatliche Ferienpause doch
etwas genützt, abgesehen von dem
ästhetischen Nutz:n, der sich durch
Streifereien in alterthümlichen deut
sck-en, schweizerischen und niederländi
schen Städten Und deren Kunstschätzen
erzielen läßt. Zu gönnen war dem
guten, alten Professor ja diese Erho
lung, denn das Geld dazu hatte er sich
während des vorhergehenden Jahres
mühsam genug absparen müssen, und
sein« tägliche Last und Mühe, die da
rin bestand, daß er den Jünglingen
der alten Stadt am Meer die Sprache
der alten Römer und 'Griechen etwas
mundgerecht machen sollte, um ihnen
so den Eintritt im Harvard oder Uale
College zu ermöglichen, war auch nicht
die leichteste Bürde, wennschon der
classische Staub der Bücher für ihn in
Folge langjähriger Gewohnheit schon
beinahe ein nothwendiger Bestandtheil
der Lebensluft war. Als der Dam
pfer der Fall River Line an jenem
sonnigeni, milden Septembertag aus
New Uork anlangte und schwer pu
stend am Pier anlegte, da hatte sich
denn auch ein Empfangs-Ausfchuß
seiner Lieblingsschiiler eingefunden,
die den allverehrten Pädagogen mit
donnerndem Hurrah empfing. Der
Jubel steigert: sich aber in wahrhaft
bedenklichem Grade, als die Gang-
Planke vom Dampfer nicht nur Pro
fessor Leslie selbst, sondern auch ein
schüchterner junger Bernhardinerhund
beschritten. „Der Professor hat 'nen
Hund mitgebracht!" so ging es durch
die Reihen der Herren Jungen.
Ja, er hatte einen Hund mitge
bracht, und zwar einen der edelsten
Rasse, eine» Berhardinerhund. Bruno
war er getauft und war ein schönes,
prachtvolles Thier; ein wenig täp
pisch wqr er noch und hatte erst sein
halbes Wachsthum, denn er war eben
noch jung, aber das weiche, goldbraun
gefärbte Fell, die prächtige Ruthe, der
schöngeformte Kopf Ivaren schon deut
lich zu erkennen, und das tiefe, braune
Auge des Thieres blickte schon so ver
ständig und treu aus der dichten Be
haarung hervor, daß man merken
konnte, aus dem werde einmal ein
prächtiger Kerl werden. Natürlich
wurde Bruno sofort der erklärte Lieb
ling von Rogers High School, wo sein
Herr Professor des classischen Depar
tements war; aber in noch höherem
Grade war dies der Fall in der hüb
schen Cottage an High Sreet, wo das
Heim des Professors war. Seine
Frau, eine Deutsche, und sein kleiner,
blondlockiger Junge. Alexander, be
willkommneten Bruno sofort als
neuen Hausgenossen, und bald konnte
man an der berankten Veranda der
Cottage kaum je vorübergehen, ohne
daß das mächtige Haupt des Hundes
sich nicht durch das blattreiche Grün
geschoben und hervorgelugt hätte, ob
der Vorübergehende Freund oder
Feind sei.
Das wurde ein schönes Leben für
Bruno. Als Sohn der freien Schweiz
hatte er sich sehr bald an die frische
Lust der großen Republik gewöhnt,
und das Fleisch und die Knochen
Amerikas deuchte» ihm beinahe noch
sastiger und nahrhafter, waren auch
entschieden reichlicher verabreicht, als
die seiner Heimath jenseits des
Oceans. Den meisten Spaß aber
machte ihm sein neuer Spielgefährte,
Alexander, der Sohn des Professors,
damals noch ein Jüngelchen von 6
Jahren. Mit dem vollführte er die
tollsten Streiche.
Regelmäßig ging er mit hinunter
nach der Bucht zum Bade in der See,
und die Wogen konnte» ihn gar nicht
mächtig und wild genug schlagen.
Hatte ihn eine Woge auf den Sand
des flachen Users geworfen, so schüt
telt« er sich einfach das Salzwasser
aus dem P-lz und stürzte sich von
Neuem in die Fluth zum Schwimmen.
Häufig hing sich der klein? Junge an
die breite Ruthe des Hundes und ließ
und wenn er nicht mehr schwimmen
konnte, so umklammerte er den Hals
seines vierbeinigen Freundes und lieb
sich von diesem wieder an's Land tra
gen, wobei Bruno halb mitleidig, halb
spöttisch den kleinen Jungen anblickte,
denn er wußte eben ganz genau
der Junge ist eben noch klein und
schwach, man muß Nachsicht mit ihm
üben. Und derselben Tugend be
fleißigte er sich auch in seinem ganze'
lich Alles gefallen. Im Winter ließ
er sich vor einen kleinen Schlitten
spannen und so fuhr er dann mit
Alexander einen kleinen Hügel hinun
ter, wobei ihm immer die Kufen des
Schlittens zwischen die Hinterbeinen
lamen.
wie weit er einen Stock, den er gefun
den, dem Thier in den Rachen stecken
könne, und gleichlich hatte er auch den
Stock so weit in den Schlund des
Thieres gebracht, daß Bruno beinah«
daran erstickt wäre. Kurzum, von
dem Sohne des Hauses ließ er sich zu
Allem gebrauchen und machte alle
dummen und wilden Streiche dessel
ben mit, stets mit einer gewissen phi
losophischen Ruhe, als würdige er
vollkommen den Umstand, daß sein
Spielkamerad eben noch ein kleiner,
unverständiger Knabe sei, dem man
nicht ernsthaft bös sein dürfe, gleich
viel wie schlimm er sich vergehen möge.
Es herrschte ein Schutz- und Trutz
bündniß zwischen Bruno und Alexan
der, das vom Standpunkte eines Jun
gen aus betrachtet als ein wahrhaft
ideales verzeichnet werden darf. Nie
mand durfte den Jungen anrühren,
ohne es zugleich mit dem Hunde zu
thun zu bekommen. Und Bruno war
ein Gegner, der bald gebührend ge
fürchtet wurde. Als neulich «in neuer
Metzgerjüngling, der in dem Hause
des Professors den Auftrag für den
Braten am Abend entgegennehmen
wollte, dabei sich auf eine verdächtige
Art der Hinterthür näherte, stellte ihn
Bruno sofort, trieb ihn in eine Ecke,
und ließ den geängstigten jungen
Mann nicht wieder aus seinem Win
kel heraus, als bis die Frau Professo
rin selbst auf das Hilfegeschrei dessel
ben hinzugekommen war. Einen
Peddler, der in Verfolgung seines
Berufs Hosenträger und andere
nützliche Dinge zu verkaufen auch
eines Tages Bruno unvorsichtigerweise
zu nahe gekommen war, biß der Hund
«in gutes Drittel seiner Wade weg,
was den Professor ein nicht unerheb
liches Schmerzensgeld kostete.
So wurde Bruno groß und stark
und entwickelte sich zu einem wahren
Prachtexemplar von Bernhardiner
hund. Und als damals eine große
Hundeausstellung in New Uork abge
halten wurde, sandte der Professor
feinen Bruno auch dahin, und empfing
einen der höchsten Preise. Man bot
Professor Leslie damals 5600 baar
für seinen Bruno. Wer als ein lieb
gewonnenes Mitglied der Familie, als
einen treuen und aufopfernden Freund
des Hauses, schlug der Professor,
trotzdem die gebotene Summe ihm
eine abermalige Sommerreise nach
Europa gestattet hätte, die Offerte
aus und behielt lieber seinen Hund.
Und ein weiteres Jahr verging, und
der Herbstsommer nahte wieder, und
Professor Leslie berieth mit den Sei
nigen, wohin sie diesmal ihre Schritte
lenken sollten, um der Hitze und dem
Staube zu entschlüpfen. Man kam
überein, nach den White Mountains
in New Hampshire zu gehen, wo die
Bergluft rein und kräftigend war und
wo man auch nach Herzenslust herum
klettern durfte.
„Was aber thun wir mit Bruno?"
frug der Professor.
„Natürlich nehmen wir den mit,"
sagte Alexander sofort.
..Ich bezweifle, ob das gehen wird
will mich aber heute gleich darnach
erkundigen."
Es stellte sich heraus, daß das Mit
nehmen des Hundts unterbleiben
müsse die Kosten und die aus dem
Transport erwachsenden Unbequem
lichkeiten bei einer derartigen Reise
waren zu groß. Wo aber sollte der
Hund bleiben? Man frug überall
herum, und endlich schien sich etwas
Passendes gefunden zu haben. Auf
Day's Island, einer kleinen im Hafen
von Newport gelegenen Insel, steht
ein Leuchtthurm, und der daselbst sta
tionirte Wärter war «in Jrländer
Namens Callaghan, ein sehr gutmü
thiger Mensch und großer Hunde
freund. Dieser erklärte sich bereit,
gegen Geld und gute Worte den Hund
während der 6 Wochen in „Board"
zu nehmen. Am Abend vor der Ab
reise nach New Hampshire brachte der
Professor seinen Bruno selbst hinaus
nach dem Jnselchen im Hasen. Mit
jenem feinen Jnstinct, der in vielen
Fällen bei den Hunden unseren Men
schenverstand mehr als ersetzt, hatte
Bruno gemerkt, daß etwas Unheimli
ches gegen ihn im Schilde geführt
werde, und es hatte thatsächlich des
directen, scharfen Befehls seines Herrn
bedurft, um ihn zum Betreten des
Bootes, das ihn nach Day's Island —
nach seinem Patmos in die Verban
nung bringen sollte, zu bew.'g-n.
Auf der Fahrt dahin blickte Bruno
seinen Herrn unverwandt vorwurfs
vollen Blickes an feine braunen,
klaren Augen waren feucht und tief
traurig. Das Boot landete, und
Porsessor Leslie stieg aus demselben.
Der Hund folgte willig und eilig ge
nug, aber während sich der Professor
mit Callaghan, dem Leuchtthurinwär
ter, unterhielt und ihm genaue Ver
haltungsmaßregeln gab betreffs der
Fütterung des Thieres, betreffs der
Vorsichtsmaßregeln, um ein Entkom
men desselben zu verhindern, und
ähnlicher Dinge, winselte Bruno auf
ganz jämmerliche Weise, als .>b er
merke, daß es nun zum Abschied Onl
ine. Und als nun wenige Augenblicke
später wirklich der Professor von sei
nem treuen Hund Abschied nahm, ihm
den Kopf und den Rücken streichelte
und ihm einige ermuthizeide Worte
zusprach von baldigem Wiedersehen
nach kurzer Trennung, da blickk das
kluge Thier seinen Herrn wieder mit
denselben verständnißvollen, aber trau
rigen Augen an und winselte dabei.
Callaghan, der Wärter, wollte begü
tigend dazwischen treten und rührte
Bruno auf den Rücken an hierbei.
Aber blitzschnell drehte sich Bru?o um
dabei unheilvoll knurrend. „Na, er
wird sich schon beruhigen," sagte der
Professor, und wandte sich zum Gehen.
Bruno folgte ihm, und am Strand,
als er das Segelboot wieder besteigen
wollte, war Bruno noch immer dicht
an seiner Seite. Mit Gewalt mußte
das Thier, das sich kräftig zur Wehr
setzte, zurückgehalten werden, sonst
wäre es seinem Herrn nachgesprungen.
Das Segelboot fuhr ab, und als es
um die Ecke, wo der Leuchtturm
stand, herum war und den Blicken
entschwunden war, ließ man Bruno
endlich wieder die Freiheit. Sofort
rannte das Thier querüber das Eiland
nach jener Stelle des Ufers, von dem
aus man die kleine Dacht noch eben er
blicken konnte. Ohne Verzug stürzte
sich Bruno in die Fluth und schwamm
dem Fahrzeug nach. Er sah indeß
bald ein, daß er dasselbe nicht mehr
erreichen könne, und erschöpft und
schwer athmend kehrte er zurück nach
der Insel.
Und das Ende von dieser Hundege
schichte? Ich erzähle es in schlichten
Worten, aber streng der Wahrheit ge
mäß: Der Hund verweigerte jegliche
Speise noch Trank, sondern lief ruhe
los, einen kleinen Halbbogen beschrei
bend, am Ufer hin und her, an jener
Stelle, wo ihm zuletzt das Boot mit
seinem Herrn den Blicken entschwand.
Leise winselnd, und sich von Zeit zu
Zeit flach dicht am Rande des Wassers
hinlegend, unverwandt in die Ferne
starrend und alles Rufen und Locken
nicht beachtend, jede Annäherung
knurrend und zähnefletschend zurück
weisend, irrte das treue Thier wie ein
Gespenst am Strande dahin, bis es
sich hinlegte und verendete.
Drci Tage nach seiner Abfahrt er
hielt Prof. Leslie in dem kleinen
Sommerhotel in den White Moun
tains, wo er mit seiner Familie mitt
lerweile angelangt war, eine Depesche
..Iii'»»« <>k diolil>n li«>urt."
Noch heute bildet der unter so unge
wöhnlichen Umständen erfolgte Tod
des Hundes öfters den Gesprächsstoff
im Hause des Professors, und als er
mir die Geschichte erzählte, schlich sich
eine Thräne über seine gebräunte
Wange.
Gedankensplitter.
Viele Menschen gehen ruhig und
unangefochten durchs Leben, weil sie
keinen Blick für seine Abgründe ha
ben.
Manches wird angegriffen,
weil es nicht begriffen wird.
Auf manche Leute machen nur
die Erfahrungen des Geldbeutels Ein
druck.
Sich selber nur im Stillen,
Für sich drückt man ein Auge zu,
Für andre nimmt man Brillen.
Die Jugend wagt, das Alter
wägt.
Willst du einen Menschen beur
theilen, höre sein Urtheil über andere!
Der Weise liebt das Wahre,
Der Trinker liebt das Klare
Und alle Welt das Baare.
G'scheidt ischt er kinafalls, nei'
aber Glück hat er bis jetzt ischt
Schäfla am Himmel g'wesa!"
Gut gegeben. Der Ritter
gutsbesitzer von Bumski interessirt
sich für nichts Anderes in der Welt
als für sein« Pferde. Dieselben ste
hen in prächtigen Stallungen, wäh
rend in der Wohnung keineswegs
Alles so ist, wie es sein soll. Eines
Tages saßt sich der Klavierlehrer des
jüngsten Fräulein von Bumski ein
Herz und sagt zu dem Vater: „Der
Herr Baron wollen gütigst gestatten,
daß ich den Unterricht im Pferdestall
weiter fortsetze, denn der ist wenigstens
geheizt!"
Gut pariert. Frau: „Was,
Sie freche Person wollen behaupten,
der Soldat, der Sie gestern in der
Küche besuchte, sei wieder ein Bru
der?" Dienstmädchen: „Ja wohl
nicht von mir, aber von dem vori
gen!"
Enttäuscht. Chef: „Na,
ist noch nichts auf die groben Mahn
briefe eingelaufen, die wir vergangene
Woche abgeschickt haben?" —-Commis:
„Doch von dem Baron Pumpski!"
Chef: „Das ist doch etwas; wieviel
hat er eingeschickt?" Commis:
„Gar nichts; er hat uns nur wegen
Beleidigung verllagt!"
Beim Schopf gefaßt.
Onlel: „Diese fünfzig Mark pumpe
ich Dir nicht ich kriege sie ja doch
nicht zurück ich schenke sie Dir!"
Neffe: „Herzlichen Dank, 0nke1....
aber dann pumpe mir doch auch noch
fünfzig!"
Das Buch der Liebe, A.:
„Wo hat Dich die Liebe zuerst über
rascht?" B. (der kürzlich reich ge
heirathet hat): .Beim Häuser-
Grundbuch!"
Auf dem Holientwicl.
Ein aus einer flachen fruchtbaren
Gegend aufragender Fels und auf
dem Gipfel desselben allerlei altes Ge
sterhöhlen, in denen Mauerblumen
wachsen; ein alter Thurm, von dessen
Zinnen eine Zwergbirke ihre Zweige
herabhängen läßt; ein wie ein kleiner
Erdtrichter aussehender verschütteter
Brunnen, aus dem ein Hollunder
strauch emporwuchs so sieht unge
fähr das Bild aus, das sich die zahllo
sen Leser des Schesfelfchen Ekkehard
vom Hohentwiel gemacht haben.' Auf
diesen Berg begleiten sie in Gedanken
den Dichter, nehmen neben ihm auf
einer morschen Holzbank Platz und
träumen, während ihr Blick aus der
im Abendsonnenschein erglühenden
Alpenkette verweilt und die Nachtigall
im Busche hinter ihnen schlägt, von
den Tagen, da Frau Hadwig in
der Burg ihr strenges Regiment
führte und Ekkehard in ihr liebte und
litt.
In Wirklichkeit sieht es auf dem
Hohentwiel ganz anders aus, und
Scheffel hat es schwerer gehabt, der
schwäbischen Herzogin Heim wieder
auferstehen zu lassen, als wir anneh
men. Der Hohentwiel ragt in der
That ganz ohne Zusammenhang mit
andere» Bergen aus dem ebenen Lande
auf, sein Gipfel aber ist so breit, daß
er nicht nur einer Burg, sondern auch
einem Städtchen Platz bieten könnte.
Dieser Gipfel ist allerdings mit Trüm
mern bedeckt, aber die Trümmer ge
hören nicht der Burg der schwäbischen
Herzöge an, sondern einer wiirttem
bergischen Festung. Was vom Wohn
sitz der Herzogin Hadwig noch etwa
übrig ist, das sind ein paar unsicht
bare Grundmauern, alles, was uns
dort oben an Thürmen und Mauern
umgibt, besteht aus Ueberbleibseln ei
nes Fürstenschlosses und aus Trüm
mern vonßastionen und Kasernen aus
der Zeit des dreißigjährigen Krieges.
Wir stehen nicht unter den Resten einer
längst verfallenen Burg aus der Zeit
der Ottonen, sondern unter denen ei
ner im Jahre 1801 gesprengten und
zerstörten Festung. Der Held dieser
Stätte ist der tapfere Obrist Konrad
Widerholt, der während des dreißig
jährigen Krieges mit seiner Festung
fünf Belagerungen! aushielt und aus
allen siegreich hervorging.
Singen und Burg Hohen
twiel.
Der Ekkehard-Pilger, der von dem
allen nichts weiß, ist zuerst bitter ent
täuscht, denn was er hier sucht, findet
er nicht. Nimmt er sich aber die Zeit,
die wunderbare historische Lust, die
ihn auf diesem merkwürdigen Berge
umweht, einzuathmen, setzt er sich in
einsamer Abendstunde auf die Bank,
auf der Scheffel hier gern geträumt
haben soll, so kann es wohl geschehen,
daß die ganze thränenreiche Geschichte
des deutschen Volles an ihm vorüber
zieht, so greifbar deutlich, so erschüt
ternd wie nie zuvor.
Das blühende, von .Dörfern, Acker
fluren, Wiesen und Wäldern bedeckte
Land da tief unten wird im Süden
vom Rhein, im Osten vom Bodensee,
im Westen und Norden vom Schwarz
wald und der Donau begrenzt. Der
Bach, die Aach, der es durchfließt und
in der Nähe von Radolfzell in den
Bodensee mündet, ist ein Arm der letz
teren, den sie, zum Theil unterirdisch,
hierher abgibt.
Blick vom Walle des Forts.
unh Cohorten hielten auf dem Ho
hentwiel, derDuellum hieß, die Grenz
wacht. Dann drangen die Alleman
lien hinübergezogenen Stämme der
überlegenen kriegerischen Kraft der
Franken, aber sie tragen deren Joch
mit Widerwillen und immer wieder
sammeln, um als thatsächlich unab
hängiger Herzog das Land zu regie
ren.
Gindel erbaute Burg fast uneinnehm
bar machte, so lag es in der Natur
der Dinge, daß, wer ">m Herren
lehnen. Sie büßen ihr Unternehmen
mit dem Tode (917), aber «in anderer
schwäbischer Graf Namens Burkhard
ist glücklicher als sie und behauptet sich
bis zu seinem Tode (926) als Herzog,
Dann geht, um mit dem gleichzeitigen
Ludwigsthor.
Chronisten zu reden, die kaiserliche
Würde von dem Volke der Franken
auf das der Sachsen über, und ein
Sohn Ottos 1., Liutolf, herrscht vom
Hohentwiel aus über Allemannien.
Aus ihn folgt als Schwiegersohn von
Ottos Bruder Heinrich von Bayern
ein Sohn Burkhards, Burkhard 11.
Seine Gattin aber ist jene Hadwig,
die Scheffel unsterblich gemacht hat.
Mannes, den sie um 21 Jahr, über
lebte, den Hohentwiel als Wittwensitz
bewohnen, und sie führte auch den Ti
tel einer Herzogin fort. Scheffel Hai
ihr Bild sehr verschönert, in Wahr
heit scheint sie eine jener
harten, grausamen Naturen gewesen
zu sein, wie sie der niedersächsischc
Stamm zu allen Zeiten nicht eben sel
ten hervorbrachte.
'«UMK
Rondel Augusta.
Nach Hadwigs Tode fiel der Ho.
hentwiel an Otto 111., und man denkt
11. Später befindet sich die Burg im
Besitz des GegcnkaiserA Rudolf von
Schwaben.
Unter Heinrich IV. hat sich im
Grunde das Geschick Deutschlands
schon entschieden. Es wird keinem
Stadt wird zu einer Festung, nur zu
bald wird sich auch jedes große Dorf
mit Wall und Graben umgeben oder
Hof ziehen. Die Kaiser, die Herzöge,
die Bischöfe, die Grafen alles
braucht vor allem Krieger und wieder
nach alle eigene Habe an solche ausge
than, bis schließlich der Herr daran
zu Grunde geht, daß er den Vasallen
nichts mehr zu bieten hat. So wird
auch der Hohentwiel, der mit dem
Herzogthum Schwaben an die Hohen
staufen gekommen ist, von diesen an
einen Ritter verlehnt. Es gibt nun
Herren vom Twiel, denen später die
Herren von Klingenberg als Besitzer
folgten. Aus der Wohnstätte der rö
mischen Kaiser und der schwäbischen
Herzöge ist eine Ritterburg geworden.
Und eine solche winkt nun von allen
den Bergkegeln herab, die sich aus
dem Hegau erheben: vom Hohenkrä
hen, vom Mägdeberg, vom Hohenstos
seln, vom Höhenhöwen. vom Neuhö
wen. Das deutsche Schwert unter
wirft nicht mehr Dänen und Tsche
chen, Polen und Ungarn, es wird nur
noch gezogen, um in wüster Fehde mit
dem des Nachbarn gekreuzt zu wer
den. Es gibt kein anderes Recht als
das des Stärkeren.
AuS dem Chaos dieser Welt ringen
sich einige Geschlechter empor, denen
ein besonderes Maß von Kraft und
Rücksichtslosigkeit verliehen war. So
die Grafen von Württemberg, die es
fertig bringen, sich selbst gegen die zu
greifende Schlauheit des Hauses Hab
sburg mit Erfolg zu wehren. Die
Württemberg» sagen sich, daß es un
ter Umständen gut sein kann, auch au
ßerhalb der abgerundeten
und fern von diesen ein festes Heim zu
haben, und sie richten ihr Augenmerk
auf den Hohentwiel. Auf diesem sind
V o r b u r g.
die Klingenberge aneinander gerathen,
«in Bruder steht wider den anderen.
Der eine verkaust die Burg widerrecht
lich an den Herzog Ulrich von Würt
temberg, der andere will sie dem Hause
Oesterreich zuwenden. Das Ende vom
Liedeist, daß dcr aus seinem Lande
vertriebene Herzog die Burg besetzt
(1519). Sie war ihm wegen ihrer
Uneinnehmbarkeit und wegen der Nähr
der Schweiz, aus der er seine Söldner
bezog, vom höchsten Werth. Bon hier
aus zog er 16W vergeblich, 1634 mit
Erfolg aus, um sein Land wiederzu
erobern.
Von jetzt ab wurde der Hohentwiel
eine württembergische Festung, und es
entstehen die Bauten, deren Trümmer
heute seinen Gipfel bedecken. Eiiu
unterhalb desselben gelegene Terrasse
nahm die untere Festung auf, er selbst
die obere. Drei über schwindelerre>
Das Fürstenhaus,
gende Abgründe führende Zugbrücken
verbinden die eine mit der anderen.
Neben dem Urgestein entstehen zahl
reiche Mauerwerke, auf denen man
Bastionen errichtet, die mit Kanonen
gespickt sind. Die alte Kaiserpfalz,
die Burg verschwinden spurlos und
an ihrer Stelle entstehen neben ei
nem Fürstenhause Kasernen und Ma
gazine.
Während des dreißigjährigen Krie
ges bewährt sich die Festung vorzüg
lich. Ihr Commandant, Conrad Wt»
wie ein Aar, aber was unter seinen
Fängen blutet, sind deutsche Menschen.
Noch lastet der volle Fluch der ge
schichtlichen Entwickelung auf den deut
schen Landen, wer in ihnen ein Held
wird, ist es auf Kosten seiner Bolks
wandelt, damit sich die Feinde, die
den Hohentwiel fünfmal belagerten,
nicht in ihnen festsetzen konnten.
Blick auf den Hohenkrähn.
Aus dem Elend des dreißigjähri
gen Krieges entsteht die Allmacht des
Landesfürstenthums. Der völlig» ver
armte Adel ist froh, im Hofdienst einen
Unterschlupf zu finden; über dem um
alle Habe gekommenen Bürger der
Städte schaltet und waltet nach Belie
ben der fürstliche Beamte; der zum
Leibeigenen gewordene Bauer zählt
nicht mehr mit als das magere Och
sengespann. das seinen Pslug zieht.
Die Fürsten aber, denen keine gesetz
liche Autorität mehr entgegentreten
kann, verwildern in furchtbarer Weise,
und die deutsche Welt erlebt schau
dernd das Beispiel von vom Cäsaren
wahnsinn ergriffenen Herren über ein
paar hundert Ouadratmeilen. Ihre
Gunst erhebt die Knechte, über die sie
herrschen, und zermalmt sie wieder.
Die Festungen werden zu Staatsge
fängnissen, auf dem Hohentwiel trau
ern der Reihe nach als Staatsgefan
gene der Vertheidiger der wiirttember
aifchen Stände Johann Jakob Moser,
der brutale Günstling des noch bruta
leren Herzogs Karl Obrist Rieger,
ein preußischer Herr von Knobelsdorf,
der sich als Werbeofficier das Miß
fallen von Serenissimus zugezogen
hatte und ebenso hinterlistig gefangen
genommen worden war und ebenso
abscheulich behandelt wurde wie Schu
bart.
Aussichts- und Ekkehard I-
Thürm.
Während der Herzog in Ludwigs»
burg sein« frivolen Feste feierte oder
auf unsinnigen Jagden die Arbeits
kraft feiner Bauern vergeudete, hatte
er kein Geld, um die Festung Hohen
twiel auch nur nothdürftig zu erhal
-1800 in's Land sielen, lag sie schon
von uralten Officieren commandirt
wurden. Am 1. Mai wurde die Fe
stung, ohn« daß auch nur ein Schuß
fi«l, durch Capituldtion übergeben,
und als wieder ein Jahr vergangen
war, da hatten die Franzosen sie voll
ständig zerstört.
Was im großen abgespielt im
ganzen Reich, das hatte hier im kleinen
fein Wiederspiel gefunden: die Ritter
burg hatte die Kaiserpfalz abgelöst
und hatte dann der landesherrlichen
Festung mit ihren Verließen Platz ge
macht. Jetzt legten die zu einem gro
ßen politischen Ganzen geeinten Nach
barn sie in Trümmer, wo sie Worms
und Speier und Heidelberg und so
viele andere Stätten einst glanzvollen
deutschen Sonderlebens schon vorher
Au» Staatöruder.
Fräulzin Eleanor Alice Richards,
die schöne Tochter des Gouverneurs
W. A. Richards von Wyoniing, zählt
erst 19 Sommer und hat schon das
Steuer des Staatsschisfleins in Hän
den gehabt. Die junge Dame fungirt
als PrivatfekretZr ihres Vaters, und
als derselbe kürzlich eine längere Reise
Eleanor A. Richards.
ist dem Gesetze nach natürlich dcr
Staatssekretär, allein der Letztere ist
ein sehr galanter Herr und er ließ dem
Fräulein Richards freie Hand, soweit
es anging. An jedem Abcnd erstattete
sie dem abwesenden Papa Bericht über
Staatsaffairen, ohne die häuslichen
Angelegenheiten zu vergessen, denn sie
war nicht blos „Gvvernor", sondern
auch Hausmütterchen.
Ein Finanzgenie.
Bankcassirer: „Der Check ist nicht ia
Ordnung, gnädige Frau!"
schrift Ihres Gatten, aber es fehlt die
Angabe, wieviel Geld wir auszahle»
sollen."
„Ach, wenn's weiter nichts ist; dann
geben Sie nur Alles, was da ist!"
Galant. Dienstmädchen
(welche- einen Braten gekauft hat):
„Ach Sie könnten mir noch diesen
Knochen abschlagen!"— Geselle: „Das
ist aber auch das Einzige, was ich
Ihnen abschlagen kann, Mariechen!"
—Zw «ideutig. Herr: „Was
thäten Sie wohl, Fräulein Hedwig;
wenn ich Ihnen ein Küßchen auf die
Schulter gäbe?" Fräulein: „Was
ich thäte? Ich würde Ihnen eins auf
den Mund geben!"
Immer galant. Sie (zu
ihrem bezecht nach Hause kommenden
Gatten): „Aber, Mann, ich glaub'
immer. Du siehst doppelt!" Er:
~Js' ja 'n Glück bei so 'nein hübschen
Weiberl!"
Auskunft. Onkel (der sich
fen erkundigt): „Ist der junge Mann
denn jetzt etwas sotider geworden, wo
er so nahe vor dem Examen steht?" —
„O ja; seit hier unten im Haus eine
Kneipe ist, geht er fast nicht mehr vor
die Thür!"
Hereingefallen. Ge
schäftsreisender: „Ach, da sind ja
auch die Kinder; reizende Geschöpschen
die beiden Mädchen ganz die
Mama, und der liebe Bengel dem
Papa aus dem Gesicht geschnitten."—
„Aber mein Herr, das sind ja die
Nachbarskinder!"
Die Hauptperson. Ge
meindeschreiber (den versammelten
Gemeindevätern das Ergebniß der
Wahl verkündigend): „Der Huber
bauer ist einstimmig zum Bürgermei
ster gewählt!" Huberbauer: „Jetzt
wart's noch a' wengl ich muß erst
niei Alle fragen, ob ich die Wahl an
nehmen derf!"