Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, August 23, 1895, Page 2, Image 2

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    2 Dte Ltlte un» der Mondstraht.
; Der Mond hängt in die düstre Nacht
Recht silberklar herein,
Und sendet seiner Strahlen Pracht
Und flugs in die erschlossene Brust
Schwingt sich der leichte Strahl,
Und schmiegt sich an in sel'ger Lust,
And küßt sie tausendmal.
Da richtet sich aus süßem Traum
Die Lilie still empor,
Und öffnet ihres Kelches Raum,
Und läßt den Duft hervor.
Sie aber schließt erfreut sich schnell,
Und hält den Buhlen fest.
Der, in der hellen zwiefach hell,
Bon ihr sich wiegen läßt.
Und morgens, wenn die Schäferin
Die thau'ge Lilie pflückt,
Und sie mit frommem Kindersinn
An ihren Busen drückt:
Da wird, wenn sich der Kelch er
schließt.
Ihr wunderbar zu Muth,
Und unbekannte Sehnsucht fließt
Durch ihr erglühtes Blut.
Und seufzend wallt fie durch das
Thal
Sagt, hat das wohl der Mondenstrahl
Im Lilienkelch gemacht?
Schwesterliede.
No» M. Schocpp.
Endlich! Endlich! Mit zitternden
Nicht umsonst gedarbt und geopfert!
In knappen Worten stand da, daß das
große Ziel erreicht war, daß er mit
gen, daß aus dem eancl. zur. ein Re
serendar geworden. Ach, das Glück!
Die Freude! Ihr Junge, ihr Liebling,
ihr Abgott Referenvar! Ahnte er,
Worte und fuhr dann, leise vor sich
hinweinend, fort, die kleine Küche auf
zuräumen. „Der gute Junge," sagte
sie dabei, „der liebe, gute Junge. Wann
er wohl kommt? Gewiß bald, sehr
bald." Die Schwester wird, die erste
sein, der er sein Glück anvertraut; zu
altdeutschen Napfkuchen. sein Lieblings,
gebäck. Es ging zwar schlecht, sie hätk
dafür «in Mittagessen herstellen können.
Wie glücklich traf es sich doch, daß
gerade heute die beiden Stunden aus
fielen! Lenchen Krause hatte sich den
Finger verrenkt und konnte deshalb
»richt spielen, und bei Wends war Ge
sellschaft, da war die kleine, altmodi
sche Klavierlehrerin erst, recht nicht zu
brauchen. Wie gut meint es doch oft
das Schicksal! Hätte sie ein elegantes
Kleid gehabt und ein wenig lebhafteres
ben!
Wenn er doch bald käme! Das
Wasser kocht und sprudelt bereits im
Kessel, der Kaffee ist schon gemahlen,
ein Lot mehr als gewöhnlich. Er
trinkt so gern starten Kaffee. Und so
gemüthlich sieht es aus in dem kleinen
Raume, gar nicht, als wäre er im
vierten Stock; alles so lieb; so traulich,
so bekannt die Familienbilder in
den schwarzen Rahmen, das grüne
Ripssopha, über dessen oerschabte Stel
len sie gehäkelte Dicken gelegt, der ur
alte Secretär, dessen Holz so wurm
stichig ist, von dem sie trotzdem nichts
in der Welt hätte trennen können. Neu
Bücherregal, in dem Walther/ Rechts»
gelehrtheit so enz zusammengedrängt
fieht. Und Minchen kann sich auch
paßt nicht", sagt sie, „es paßt durch
aus nicht hinein." Und sie hat recht;
es steh! so prahlerisch aus inmitten
dieser bescheidenen, altmodischen Ein
darunter leiden als sie. Und um nicht
unthätig dazusitzen, holt sie ihre Hand
arbeit; sie stickt Knopflöcher in Herren
kragen für ein großes Weißwaarenge
schäft. Natürlich darf er nichts davon
wissen; sie sieht es auch ein, daß sich
das für ihren Stand ihr Vater
nicht schickt. Aber, mein Gott, es
bringt Geld. Wie sollte sie ihm sonst
die Biergroschen geben oder seine Wä
sche zahlen und was soll sie auch
mit der vielen freien Zeit beginnen, die
ihr neben ihren Unterrichtsstunden
»leibt!
Und sie stickte und stickte, und Stun
de auf Stunde verrann in vergeblichem
Warten. Da verzehrte sie im Däm»
«mrlicht ihr kärgliches Abendbrot; wenn
er nicht da war, konnte ja das Petro
leum gespart werden. Kurz vor Mit
ternacht suchte sie ihr Lager in dem
schmalen Raum neben der Küche auf
und schluckte tapfer die Thränen hin
„Sieh 'mal, Minchen, es ging nicht",
gestand Walther, als er am nächsten
Mittag nach vielem Recken und Gäh
nen ihr den Gefallen that, im Bett den
Kaffee einzunehmen. „Hillmann hatte
ein Souper großartig, sag' ich dir,
zweiunddreißig Gedecke. Prachtvolle
Cigarren Stück 'ne Mark, taxire
ich; famose Weine, entzückende Toilet-
Aber, wi« siehst du denn aus? Du
pfinden."
Sie wurde dunkelroth. Der Vor
wurf that ihr weh. „Ich hatte dich fr,
bestimmt gestern erwartet."
klein« Zerstreuung schon gönnen. Oder
glaubst du, ich fände sie in dieser Man.
farde? Armsein ist ja «in s«hr christ
licher Standpunkt. Ab«r di« Predig
ten von der göttlichen Zufriedenheit
leicht könnten wir damit bis an un
ser Lebensende in diesen vier Wänden
sitzen."
„Ich meinte nur, Walther —"
Schweigend ging sie hinaus. Das
Mittagbrot mußte bereitet werden.
Aber so bescheiden es auch war, so viel
Zeit nahm es doch in Anspruch. Und
Schlimm genug, daß die Welt soviel
auf den Schein gibt! Da es nun aber
'mal so ist, muß man sich danach rich
pers mit Damen oder zu einer Spa
zierfahrt oder zur Oper (ersten Rang
Loge) abholen und der Gedanke
Walther hustete nervös und schloß
die Augen. Di« Vorstellung war
gräßlich. Und in- diesem Augenblick
war er sicher, lieber sterben zu wollen,
als sich mit dem Fluch der Lächerlichkeit
Das Beste für ihn. Sie hatte ja so
„Was ist denn das für ein abscheu
licher Geschmack? Du merkst es nicht?
Die Butter ist schuld? Warum laufst
dich beleidigt? Nein? Das freut mich,
lich: Märtyrergesicht. Man könnte
Er klagt« über Kopfweh, und so
gleich schlug sie ihm die verschiedensten
Linderungsmittel vor. Nichts gefiel
ihm davon.
hat! Ich aber habe keins. Und in den
Straßen herumzulaufen mit diesen,
rührend kindlichen Bewußtsein, paßt
mir nicht. Das können Schuster und
Schneider thun. Ein Referendar kann
sich jedoch eine derartige Freiheit nicht
nehmen. Laß nur, es wird schon vor
übergehen."
Nichts that ihr so leid, als wenn er
in so bitterer Resignation sprach. Der
Arme! Nein, sie konnte es nicht übers
wie Handschuhe, Schlipse. Stiefelbe
sohlen und dergleichen. Und in fünf
den die Honorar« gezahlt und imWeiß
waarengeschäft abgerechnet.
Mit «in«m stillen Läch«ln ging st« zu
dem ehrwürdigen Secretär, schloß das
Fach auf, in dem st« ihr« Heiliglhümer,
tern, einen altmodischen Fächer und
Walthers Photographien aus den Kin
derjahren sorgsam bewahrte, und nahm
aus «iner kleinen Holzbüchse ein« An
zahl Münzen, Fünf- und Zehnpfen
nigstücke größtentheils. Es war leicht
zu erkennen, daß «s Sparpfennige wa
„Du, Walther", sagte sie, und ihr
sorgenvolles, mageres Gesichtchen war
wie verklärt, „so schrecklich steht es noch
nicht bei uns. Es sind fünf Mark und
acht Groschen. Nun thu' mir den Ge
fallen und geh, du stehst wirklich recht
angegriffen auL."
Sie legte das Geld vor ihm auf den
Tisch und trippelte eiligst in ihre
Küche. Und Walther saß mit aufge
stützten Ellenbogen da, blickte von dem
Gelde zurück auf das Geld, und es
ward ihm ganz weich ums Herz, ganz
sonderbar. Etwas, das Gewissensbis
sen sehr ähnlich war, empfand er auf
einmal. In dieser Stimmung eilte er
ihr nach, und ganz gewiß hätte er ihr
«inen Kuß gegtben, wenn nicht das
Fenster offen gewesen. Es hätte also
jemand sehen können, und das wäre
doch peinlich. Verlegen lachend blickte
sie zu ihm auf und strich verwirrt über
ihr glatt anliegendes, schlicht geschei
teltes Haar. Und ein großmüthiges
Mitleid mit ihrer Dürftigkei!, mit
ihrer Schüchternheit befchlich ihn; er
nahm ihren Arm und führt« si« in die
Stube zurück.
„Dann sollst du wenigstens mitkom
men, Minchen, willst du? Wir gehen
in den Part und trinken dort Kaffee —-
wieder.' Du bist doch «in« komisch«
Person. Hol« d«in«n Hut, in zehn Mi
nuten bin ich fertig."
Minchen m«int« nicht recht gehört zu
haben. Der Walther mit ihr in den
Park? Der Walther! Seit langen,
langen Jahren hatte sich das nicht mehr
zugetragen. Ach, wie lieb war er doch,
wi« gut! Weinte sie denn? Ei bewah
re, das waren doch keine Thränen?
Mals so recht beachtet. Von ihrer Woh-
Und Walter lachte. „Wie naiv du
noch ein rascher, scharfer Blick
wahrhaftig, die Klvttews! Sie haben
ihn längst bemerkt. Sie lachen und
gleiterin in g.rad.zu herausfordernder
Das Blut stieg ihm heiß in die
Himmel, wie schön sie heute ist, Und
jetzt beugt sich Kurt zu ihr, und sie
lacht.
grüßen ich habe dir von ihnen er
zählt sehr einflußreich, reich, ton
angebend du entschuldigst doch?"
Und fort ist er.
Wie sreudig sie ihn auf der Veranda
begrüßen! Nur Littie behandelt ihn
sehr von oben herab, und ihre Wort:
recht, daß Sie Ihre Dame verlassen!
Wie wollen Sie sich denn vor ihr recht
„Wer est sie denn?" „Aeh, Ge
heimniß?" „Gestörtes Tete-a-tete!"
„Ach, liebster Doctor, wie schade,
daß Sie nicht bleiben wollen! Rede ihn.
doch zu, Littie! Ein Herr fehlt
reizte Worte konnte er die Wahrheit
sagen?
greift Sie nicht. Wer ist sie denn?"
Augenblick und Walther ist ent-
Siellung in derGeskllsHast nicht "einzu
büßen. Er hat ja kein« Wahl. Er weiß.
daß in diesen Kreisen Armuth als Ver
brechen gilt. Und mit einer nie ge
kannten Wuth im Herzen und einem
Lächeln auf d«n Lippen meint er achsel
zuckend: „Ich begreife Sie nicht. Sagte
ich Ihnen nicht, daß ich eine entfernt«
Verwandte erwartete?"
„Ah ja hm erinnere
mich."
„Da ist es doch erklärlich, daß ich
mich für die kurze Zeit ihres Hierseins
ihr widme."
„Selbstverständlich. Aber in Ihrem
Interesse sage ich Ihnen, bleiben Sie.
Die Weiber sind launenhaft. Und un
fere schöne Littie fühlt sich vernachläs
sigt. Entschuldigen Sie sich lieber bei
Ihrer Tante, wenn Sie sie nicht hierher
bringe» wollen."
„Es geht nicht anders", sagte Wal
ther nach einer Weile zu Minchen,
„du mußt allein zurückfahren. Sie ha
ben mich dringend eingeladen ich
kann derartige Beziehungen nicht auf
geben —"
Er sprach noch viel; sie achtete nicht
darauf. Sie sah in fein geröthetes,
verlegenes Gesicht, o, sie hatte ihn wohl
beobachtet, auch all' die spöttischen,
neugierigen Blicke gesehen, die sich auf
ihn und sie richteten. Und sie wußte,
daß er sich ihrer schämte, daß er die
Unwahrheit gesagt.
„Lebe wohl," sagte sie und stand
auf.
„So eilig ist eS doch nicht!"
„Laß mich nur. Ich will dir nicht
im Wege sein.
Er begleitete sie hinaus und zwang
sie, eine Droschke zu besteigen, küßte ihr
ehrfurchtsvoll die Hand und fühlte, wic
sie bei dieser Cvmödie zusammenzuckt«.
Dann kehrte er zu seinen „Freunden"
zurück.
Me sie die Treppen hinaufgekom
men? Sie Wichte es nicht. Sie lag
auf den Knieen vor dem alten Sopha
und weinte, wie sie niemals geweint
in ihrem Leben, und ihr Körper zuckte
und krümmte sich wie unter Schmer,
zen.
Das war der Dank für «in geopfer
tes Lekn! Deshalb hatte sie ihren
Mädchenträumen entsagt, um an dem
zarten Kinde Vater und Mutter zu ver
treten! Deshalb hatte sie ihr kleines
Vermögen ihm gegeben, das sie vor
Sorgen schützen sollte, hatte ihn erzo
gen, wie es nur «ine Mutter hätte thun
können; hatte entbehrt für ihn, war vor
der Zeit alt geworden in der Sorge
und Arbeit für ihn!
Und nun nun schämte er sich
ihrer, der einzigen, die ihm «ine große,
selbstlos« Liebe entgegengebracht! In
grausamer Weise waren ihr die Augen
geöffnet worden und das Glück
ihres Lebens, ihre Träume für die Zu
kunft zerstört, vernichtet.
„Du nimmst es wirklich zu ernst,"
sagte Walther am nächsten Morgen,
„wie oft habe ich dir gesagt, daß heut
zutage Gefühle und Empfindungen
und alles, was damit zusammenhängt,
schweigen müssen, wenn man Carri«r«
machen will, besonders, wenn man arm
ist. Hätte ich ahnen könn«n, daß du
die Sache so tragisch annähmest, wäre
ich natürlich nicht geblieben. Uebri
gens werd« ich morg«n Abend mit Lieu
tenant Kurt zu seinen Eltern fahren;
st: haben ein großes Rittergut inSchle.
sten. Und kostet mich garnichts, Trink
gelder höchstens die Leute können
mir mal viel nützen."
Und er fährt, und Minchen bleibt
allein. Er hat recht; gewiß er hat recht.
Und vielleicht ahnt er garnicht, wie weh
er ihr gethan.
Ais er zurückkehrt, empfängt sie ihn
freundlich und'sorgt und schafft weiter
für ihn und hört geduldig seinen Er
zählungen zu, von Glanz und Pracht
und Schein und den stolzen Plänen
für die Zukunft.
„Wie langweilig sie geworden ist,"
denk! Walther seufzend, „so recht alt
jüngferlich mit ihren achtunddreißig
Jahren. Man steht's, sie gehört zu den
Frauen, die ihren Vekus verfehlt haben.
Ich taxire, sie hat nie geliebt in ihrem
Leben."
Und fast bedauernd steht er sie an,
wie sie an ihrem Nähtisch sitzt und näht
und näht gottlob, sie ha! einen
großen Auftrag. Und während er sich
dert, rechnet sie sorgenvoll aus, ob sie
sich wohl die Brille laufen dürfe, deren
sie jetzt so nöthig bedarf. Walther muß
ja nun an feinen Assessor denken. Und
st? hofft weiter.
Er verdient es ja nicht. Aber
er hat niemanden als sie, der Arme!
Umschriebene Brautvater
ich möchte gern die haben, die Ihnen
am ähnlichsten steht!
—ln München. Fremder:
Fahren Sie mich also zwei Stunden
in der Stadt umher, zeigen Sie mir
alle Sehenswürdigkeiten, und dann
fahren Sie zuletzt zum
Droschkenkutscher: No, dös brauchens
gar nicht erst zu sagen, i wois schon,
zum Hofbräuhaus!
Der Unterschied. Was
für ein Unterschied ist zwischen einem
Lieutenant, einem Bürger, und einem
Studenten in der Kneipe? Der
Lieutenant zahlt, der Bürger bezahlt,
der Student bezahlt nicht.
Be st raste Großspreche
rei. ~k>ör', Robert, jetzt müssen wir
aber geh'n ... das Souper wartet auf
uns!" „Aber Weiberl, ich hab' ja
die Wurst hier bei mir!"
—lm zoologischen Gar
„. ..Das also ist das Thier, von dem
uns der Feldwebel schon so viel erzählt
hat!"
Vom höheren Ku-ms.
Zwei große Perioden des höheren
Luxus hat die Kulturgeschichte aufzu
weisen: die römische Kaiserzeit und
das Zeitalter Ludwig's XIV. Er
ster« möchten wir die purpurn«, die
zweite die diamantene nennen, weil
einerseits der Purpur, andererseits der
Diamant deren charakteristisches Merk
mal bildeten, wobei freilich noch an
dere Gegenstände mit in Betracht kom
men.
Der Purpur war zwar feit uralten
Zeiten bekannt. Sein« Entdeckung
verliert sich im Dunkel der Sagenzeit.
Der Hund des syrischen Herakles soll
am Meeresstrand eine Purpurschnecke
gefressen haben, wovon seine Schnauze
purpurroth gefärbt wurde. Die Farbe
wurde aber während des früheren Al
terthums theils wegen der Kostspielig
keit ihrer Herstellung, theils, weil es
so Braach war, nur zur Färbung von
Stoffen für Kultuszwecke und Herr
schergewänder angewenvet. So kostete
noch zur Zeit des Cornelius Ncpos,
der um Christi Geburt lebte. einPfund
Purpurwolle nach unseremGelde H2OO,
ein Pfund Purpurseide zur Zeit Dio
kletians nicht weniger als
?936. Die Purpurseide wurde zu
Zeiten mit Gold aufgewogen. Dabei
war aber die Farbe von einer unver
gänglichen Dauerhaftigkeit. Während
nämlich andere Farben in der Sonne
verschossen (was ja jetzt auch noch zu
meist der Fall ist), gewann diese durch
die Einwirkung des Sonnenlichtes erst
ihre eigentliche Entwicklung, nämlich
jene tiefe Gluth, welche bei keiner an
deren Farbe gefunden wurde. Uebri»
gens gab es eine Menge von Abstufun
gen (Abtönungen) des Purpurs, von
denen die rothe aber stets die beliebtest«
blieb. Die Prätexta (Obergewand)
des Königs Servius Tullius soll nach
660 Jahren noch den alten Glanz be
wahrt haben. Mexandei! der Große
fand in Sufa zweihundertjährige
Purpurgewiinder und dessen purpur
ner Königsmantel schmückte noch die
Schultern' des Pompejus. Dieser
Mantel hatte als» das Alter von bei
nahe 300 Jahren.
Die Heimaih 'der Purpursärberei
war der Orient. Je mehr die Römer
in diese Länder eindrangen, verpflanzte
sie sich auch nach Rom. Anfangs be
gnügte man sich dort mit schmalen
Purpureinfassungen der Gewänder,
bald aber ging man zu ganz purpur
nen Gewändern über und als feit der
Cäsarischen Zeit alle Schätze des
Orients, als Opfer des herrschenden
Raubsystems, nach Rom flössen, da
kannte der purpurne Luxus keine
Grenzen mehr. Die Reichen ruhten
nur noch auf purpurnen Pfühlen und
schließlich erreichte der Aufwand einen
solchen Grad, daß die Imperatoren,
eingedenk ihres Vorrechtes auf den
Purpur, Verbote dagegen erließen und
diese mit solcher Sirenge durchführten,
daß der Industriezweig zu Grunde
ging und die Kunst der Purpursärbe
rei sich schließlich ganz verlor.
Ein nicht minder verschwenderischer
Luxus wurde mit den Tafelgenüssen
getrieben. Von der Königin Kleopa
tra ist es bekannt, daß sie bei einem
Gastmahl ihre kostbarste Perle, die ei
nen Werth von Millionen hatte, in Es
sig auflöste und verschluckte. Die
Gastmähler des Lucullus sind durch
ihren verschwenderischen Aufwand
sprichwörtlich geworden. Man suchte
sich durch die Seltsamkeit und Kost
spieligkeit der einzelnen Gerichte förm
lich zu überbieten. Man bewirthete
sich mit Gerichten aus Straußengehir
nen, Nachtigallenzungen und so wei-.
ter. Die Weine, an sich schon von
ausgesuchtester Feinheit, wurden mit
den kostbarsten Essenzen parfümirt.
Es war eine Art des wahnwitzigsten
Sportes. Ein reicher Schlemmer, der
eines Tages die Wahrnehmung machte,
daß er nur noch ein« Million im Besitz
hatte, hielt sich für ruimrt und nahm
sich das Leben. Wenigstens scheint
man damals das Schuldenmachen im
großen Siile noch nicht gekannt zu
haben.
Was nun die diamanten« Periode
des Luxus betrifft, so begann sie ei
gentlich schon unter Ludwig Xlll., er
reichte aber ihren Gipfel unter Ludwig
XIV., den die Franzosen so gerne
I.oui» I»- (ii'nntl nennen, ohne zu be
denken, daß er es hauptsächlich gewe
sen, der das Land durch seine überaus
verschwenderisch« Wirthschaft an d«n
Rand des Verderbens brachte. Er
nöthigte sein« Zeitgenossen förmlich zu
Aufwand und Verschwendung und gab
auch in eigener Person das Beispiel
dazu. Als bei einer Theatervorstel
lung die Toiletten nicht die gewöhn!«
Pracht zeigten, vermerkte er dies in
mißbilligender Weise. Dies genügte,
um bei der nächsten Gelegenheit die
Herrlichkeit des ganzen Diamanten-
und Pretiosenapparates zur Entfal
tung zu bringen. Er selbst erschien
1698 bei einem Feste, das er zu Ehren
des persischen Gesandten veranstaltete,
in einem goldgestickten Rock, der mit
Diamanten im Werthe von 12i Mil
lionen Francs eingesäumt' war. Der
Rock war so schwer, daß der König
froh war, das Kleidungsstück nach der
Ceremonie ablegen zu können. Er
ließ eine besonders kostbare Cassette
herstellen und mit Juwelen aller Art
anfüllen, um daraus bei Gelegenheit
nach Belieben schöpfen zu können. Der
größte Theil dieses Cassetteninhaltes
fiel der Madame de Montespan zu.
Die Verschwendung des Königs ging
„Dame" in dem ihr zu Ehren erbauten
Schlosse zu Oiron zum Theil mit Dia
manten besetzen ließ. Die reichen
Bürgersfrauen wetteiferten mit den
Damen des hohen A°dels in verschwen
derischem Aufwand. Eine reich ge
wordene und geadelte Wäscherin besaß
standen. Die Damen trugen so breite
Colliers, daß fast die ganze Brust da
von bedeckt wurde. Ein ganz er
gehänge, welchc bis zu den Hüften, ja
nicht selten bis zu den Knieen reichten
und so schwer waren, daß man nicht
begreift, wie die Ohrläppchen sie tra
gen konnten, ohne abgerissen zu wer
den. Selbst Uhren und Glöckchen,
die selbstverständlich auf's reichste mit
Edelsteinen, in, erster Linie mit Ma
die Ohren.
Unter Ludwig XV. dauerte dieses
System der Verschwendung fort. War
unter seinem Vorgänger die Mor.tes
pan die große Diamantenkonsumentin
gewesen, so ließ ihr jetzt die Dubarry
kaum etwas nach. In ihrem Schlosse
zu Luciennes häufte sie in einem
Schrank, der allein 80,Odl) Francs ge
kostet hatte, ihre Kostbarkeiten an.
Einige ihrer Bedienten stahlen diesen
Schatz, wurden aber in London festge
nommen. Man fand bei ihnen 140
große Diamanten, 700 Brillanten,
300 große Perlen, 3 Riesenrubine, 7
Riesensmaragde, «ußerdem eine Menge
mit Edelsteinen besetzter Schmucksa
chen. Der Schatz war aber noch grö
ßer gen.-c.en, denn die Dubarry hatte
schon für Millionen Kostbarkeiten
im Auslande versilbern lassen, um
drängende Gläubiger zu befriedigen.
Die Königin Maria Antvii ctte, die
bekanntlich als Opfer der Revolution
unter dem Fallbeil ihr Leben lassen
mußte, hatte eine so große Vorliebe
für Diamanten, daß sie noch zur Zeit,
als die öffentliche Unzufriedenheit be
reits einen drohenden Charakter ange
nommen hatte, und trotzdem daß sie
vom Finanzminister warnend hierauf
aufmerksam gemacht worden war, ein
Paarj Diamanten - Armbänder um
609,(XX) Francs kaufte.
Leider verpflanzte sich diese Seuche
auch nach Deutschland. Die Höfe,
deren es damals hier die dreifach« Zahl
gab als heute, wetteiferten unter ein
ander in luxuriöser Verschwendung.
Selbst der bisher so musterhaft spar
same preußisch« Hof blieb nicht frei von
der Ansteckung.
Allen aber that es zuvor der säch
sische Hof. August der Starke wollte
ein zweiter Ludwig XIV. s«in. Hätte
ihm das nöthige Geld zu Gebote ge
standen, so würde er dies Ziel auch er
reicht haben, ausgenommen etwa im
Kriegsruhm, denn er hatte in seinen
Kriegen nur verloren« Schlachten zu
verzeichnen. Um so mehr suchte er sich
durch rauschende Festlichkeiten, nächt
liche Gelage, überhaupt durch ver
schwenderischen Glanz zu entschädigen.
Das Land wurde dadurch um so mehr
ausgesogen, als auch die Großen des
Hofes in luxuriöser Verschwendung
wetteifert«,,. Der «iner mittellosen
thüringischen Adelsfamilie entsprossene
Premierminister Brühl, der nament
lich der Günstling des Sohnes und
Nachfolgers August des Starken war,
hinterließ ein Vermögen von annä
hernd dreißig Millionen Mark nach
heutigem Geldeswerth. Die Hälfte
davon bestand in Grundbesitz, die an
dere in Staatspapieren, Baargeld,
Außenständen, Kleidern, Mobilien und
Kostbarkeiten. Unter letzteren befan
den sich unter anderem: 87 Ringe,
835 Schnupftabaksdosen. 5S Etuis.
102 Taschenuhren und so weiter. Der
Gesammtwerth der Kostbarkeiten belief
sich auf 376,843 Thaler, was aber
heute ungefähr den etwa fünffachen
Geldwert'h ausmachte. Außerdem! an
Silberwerk für 62.660 Thaler, an
Porzellan für 27.214 Thaler, an
Garderobe für 63,966 Thaler, dar
unter 198 gestickte Anzüge, 43 Schlaf
röcke. 30 Hüte, 47 Pelze. 17 Zobel
müffe und so weiter. An Wäsche und
Spitzen für 21,446 Thaler, an Mobi
liar für 28,162 Thaler; die Gewehr
kammer figurirte mit 13,936 Thaler,
die Bildergalerie mit 106,329 Thaler,
die Bibliothek mit 66,600 Thaler, die
Kellerei mit 66,644 Thaler und so
weiter. Nicht zu verkennen ist, daß die
Prachtliebe und der Aufwand aller die
ser Fürsten und Großen vielfach zur
Aufmunterung und wirksamen Unter
stützung der Künste und Wissenschaf
ten Veranlassung gaben. Brühl's
62,000 Bände zählende Bibliothek, die
der Staat für 66,600 Thaler ankaufte,
ist zum Beispiel noch jetzt der Haupt
bestandtheil der königlichen öffentlichen
Bibliothek in Dresden.
terhieliest? Nichte: Darüber sorge
! steinreich und der andere ein phänome
naler Dichter! Tante: So das
wäre! Was haben sie denn gesagt,
wenn man fragen darf? Nichte:
kapitalen Mensch, und jener nannte
ihn darauf einen classischen Kerl!
! Au! A.: Du, mein Doctor
hat meinen Arm brillant kurirt. B.:
Kein Wunder der ist ja auch Ar-
menarzt!
! Die Hauptsache. Mama,
Du willst also nicht, daß ich mich mit
Vetter Hans verlobe? Nein, mein
Kind. Mein Gott, aber was sollen
wir denn da mit den Verlobungskarten
anfangen?
Das Keder in der Confection.
In dem Schaufenster eines der ersten
Berliner Damenconfections-Gefchäste
stellt, das die Aufmerksamkeit der Pas
santen, auch der männlichen, in beson
derem Maße in Anspruch nahm. In
Form und Schnitt unterschied es sich
nicht wesentlich von den für die Mode
des nächsten Herbstes und Winters fest
gesetzten Modellen, aber es wies eine
ganz neue Eigenart auf, die ihm die
Beachtung „weitester Kreise" sichert.
Das neue Damen-Jacket trug nämlich
einen veritablen Lederbesatz, und die
Verzierungen, mit denen Brust und
Hals reichlich geschmückt sind, bestan
den ebenfalls aus zartem, weichen Le
der.
Welch einen Blick in die Zukunft er
öffnet diese Verwendung des Leders
bei der Toilette!
In der That ist die Einführung des
Leders in die Consection ein Schritt
von so außerordentlicher Bedeutung,
daß sich die Folgen noch gar nicht ab
sehen lassen. Schon im letzten Jahre
kam es zu kleinen, schüchternen Anfän
gen: man versah die Hüte mit ledernen
Einfassungen. Daß die Idee Anklang
fand, ergibt sich aus dem lederbesetzten
Modell-Jacket, und wenn, die kühnen
Neuerer nicht auf halbem Wege stehen
bleiben, so dürste uns die kommende
Saison noch manche Ueberraschung
bringen. Hat dann erst einmal das
Leder in der Damenconsection festen
Fuß gefaßt, so kann sich die Herren-
Schneiderei der neuen Richtung nicht
lange verschließen, zumal die männliche
Gewandung für die Verwendung des
Leders noch weit geeigneter erscheint
als die weibliche.
Auch die Literatur wird sich recht-
zeitig mit der neuen Moderichtung ver
traut machen müssen. „Fräulein Lud
milla sah in ihrem knapp anschließen
den Jäckchen von echtem Sassianleder
allerliebst aus." Oder: „Der blinde
Geiger errieth die Nähe der Gräfin
aus dem eigenartigen Parfüm, das ihr
Juchtenjacket ausströmlc." „Wie
lange hatte die arme Näherin darben
und sparen müssen, um die zwei Zie
genfelle anschaffen zu können, dio ihre
kunstfertige Hand nun zu einen^ Win
termäntelchen verarbeitete." Solchen
und ähnlichen Stellen wird man in
den neuen belletristischen Erscheinungen
des nächsten Jahres beaegnen, und noch
überraschender wird die Ausbeute sein,
die uns die Lyrik darbietet. Wie ge
fühlvoll kann in Zukunft der verliebte
Poet „vom Leder ziehn":
Zwar ein Jacket mit Ledertheilen
Umspannet Deinen zarten Leib;
Doch nicht vor Amors kleinen Pfeilen
Schützt solch ein Panzer, holdes Weib..
Ich weiß zu gut, daß dieses strasfe
Kalbfell ein weiches Herz umschlingt,
In das Gott Amors kleine Waffe
Mit starkem Widerhaken dringt!
Und welch neues Feld bietet sich den
jenigen Schriftstellern dar, die auf
einen packenden Titel Werth legen!
„Die Dame in Kalbleder" zum Bei
spiel ist ein Titel, der sich gewiß hören
läßt.
Was aber sagen die Kleiderstoff-Fa
brikanten zu der neuesten Laune der
Göttin Mode? Haben Sie schon da
ran gedacht, daß ihre Existenz geradezu
bedroht ist? Werden sie die Sache ru
hig ihren Gang gehen lassen oder die
Hilfe des Staates anrufen, damit er
hemmend und ordnend in die Jrrgänge
der Mode eingreife?
Schielende «lugen.
Ein entstellendes Leiden, das weder
die regelmäßigste Körperentwicklung,
noch die schönste Gesichtsbildung ganz
übersehen macht! Wie manche Thräne
weint die Mutter über das Unglück des
hübschen, blühenden Kindes, daS
schielt! Und doch hat sie in vielen
Fällen das Leiden selbst verschuldet,
indem sie, unbelehrt und ungewarnt,
versäumte, was zur richtigen Entwick
lung der Augenstellung, nöthig war:
es ist die richtige Stellung des Kinder
bettchens z»m Lichte. Im ersten kind
lichen Alter sind die Augen noch nicht
geübt zusammenzuarbeiten, d. h. sich
stets zugleich nach rechts und links,
oben und unten, innen und außen zu
drehen. Vielmehr macht jedes Auge
im Anfange seine Drehung ziemlich
unabhängig vom anderen Auge. Wenn
nun die Wiege des Kindes so steht, daß
sie nur von einer Seite Licht erhält,
und meistens noch recht Helles Licht, so
hat das Kind nach dem Lichte mit dein
einen Auge nur eine geringe Drehung
zu machen, mit dem anderen dagegen
eine um so größere. Da nun alle
Kinder gerne nach dem Lichte schauen,
so bildet sich, wenn die Wiege den un
geeigneten. von einer Seite beleuchte
ten Platz längere Zeit behält, dauernd
ein« ungleich? Stellung der Augenaxe
aus: das Kind schielt. In vielen
Fällen „verwächst" der Fehler bei recht
zeitig eingeholtem Ratbe und dessen
Befolgung; oft bringt eine Operation
in späteren Jahren Hilfe; oft aber
bleibt der Fehler in mehr oder weniger
hohem Grade unabstellbar. Darum
sollen all: Mütter des Kindes Bettchen
so stellen, daß es das Licht von beiden
Seiten in gerechter Weise bekommt,
also am besten mit dem Kopfende nach
dem Fenster zu.
Neugierig. Amme (mit
dem Neugeborenen in's Zimmer tre
tend): Hier, Herr Professor! Pro
fessor (dem schon zwei Mal Zwillinge
bescheert worden sind): Na, wieviel
sind's denn diesmal. Frau Müller?
Revanche. Herr: „Mein
Fräulein, darf ich Ihnen meinen
»lrm anbieten?" Fräulein: „Gerne,
'.venn ich mich mit meiner Hand re
vanchiren darf."