Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, June 14, 1895, Page 2, Image 2

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    2 Atr Mtpcricr der Königin.
Von Otto Brandes.
Wenn unser Parlaments-Reporter
»nter der Unmöglichkeit, einen, Abge
ienslucht eines Anderen, d«r „schweiß
betrieften" Eile eines Dritten seuszt,
dann möge er nicht sein Geschick Ver
dens stehen, verdammt sind, s«in
Schicksal zu theilen, und daß der Füh.
rer des englisch«» Hauses der Gemei
nen, die Rolle eines „Parlaments-Re
porters der Königin" versieht. Die os
ficiellen Handbücher wissen freilich von
dieftr Funktion nichts, kein Gehalt ist
dafür besonder« ausgeworfen, ein an
derer Trost für unseren bezahlten Par
laments-Reporter, aber das Amt exi
stirt und zwar seit Georg 111. Man
«rinnert sich der Kämpfe unter der
Regierung dieses Fürsten, namentlich
der Agitation John Wilkins, des fpa>
dieser Zett befahl der König seinem
Minister Georg Greville, ihm jeden
Abend über die Verhandlungen des
n« Gelegenheit zur Einmischung in die
Beschlüsse -des Hauses der Gemeinen
zu geben. Es ist sehr bedauerlich und
ten Hälfte des vorigen Jahrhunderts
erstatteten Berichte nicht sorgfältig auf
bewahrt worden sind. Erst seitdem dit
Goldschnitt Aufstellimg gefunden. Mit
dann dieser selber, Lord John Rüs
sel, Lord Palmerston, Disraeli, Glad
ftone, Sir Michael Hicks Beach, Ran
dolph Churchill, Smith, Arthur Bal-
Bis jetzt sind diese Berichte, welche
Sitzung vom 22. März 1859: „Eine
»sich in nichts Anderem als in der Bor»
trefflichkeit. Dumpf, phantastisch,
seine Stimme nur schwierig moduli«
durch ihre Klarheit entzückte und durch
ihre Logik überzeugte.
Der andere Auszug rührt aus einem
Bericht Lord Palmerstons vom 11.
August WM her, ser in ungleich frein
Mitglieder Aerlaffm die SW dt," heißt
aufstand, in dem man das Ende Ver
Debntte erwartete, schrie der Speadr
taut auf: Oh, oh! worin das Haus im
Mar sieht, die Minifierreporter ent
jelbst schriftstellerisches Talent vindi
cirt. Sie machen es nicht anders all
unsere ZeÄungs-Parlamentsberichte»
patter. Schade, daß man nicht von
«nem Bericht Kenntniß hat, der auf
«inen Ministersiurz gefolgt ist. Erst
«m Unglück zeigt sich der Mensch un»
Mich der MMti u» seiner wahren Ge.
Kalt. '
Wer öffnet leise Thür und Thor?
Wer schleicht in's Haus hinein?
Es ist der Sohn, der wiederkehrt
Und spricht sie .Mutter!" an.
Und wie er spricht, so blickt sie auf,
Und wundervoll Geschick!
Sie ist nicht taub dem milden Wort,
Sie hört ihn mit dem Blick.
Sie thut die Arme weit ihm auf,
Und er drückt sich hinein;
Da hörte seines Herzens Schlag
Das taube Mütterlein.
Und wie sie nun beim Sohne sitzt.
So selig, so verklärt -
Ich wette, daß taub Mütlerlein
Eine Trauung.
Huiiwrcdke von Marie Laudmanu.
Es war ein unangenehmer Tag:
Ein bleigraucr Himmel, der schwer
cherniederhing, ein feiner Nebel, der
jeden Lichtstrahl und als
-eiskaltes, feuchtes Geriefel zu Boden
sank das richtige Nooemberwetter.
And mrr war es, als ob das naßkalte
Nebelgeriesel durch alle Ritzen und
Spalten in die Zimmer dränge und
sich verdüsternd auf das Gemüth legte.
Oder ging «diese Wirkung von dem
Buche ÄUs, das ich zu meiner Erhei
terung vorgenommen hotte?
Es war für diesen Zweck schlecht
genug gewählt ein moderner' Ro
man, her die Welt, wie sie nun ein-
Treue wiedergab, erbärmliche Män
ner, ehrlose oder unglückliche Frauen,
so trüb und unerfreulich, wie das
Wetter draußen.
Ich tonnte es endlich nicht mehr
aushalten und warf das Buch weg.
Eine goldgeränderte Karte fiel her
aus. „Dienstag, den 13. November,
Nachmittags 4 Uhr in der Gertraud
tenkirche," las ich in großen gedruckten
Buchstaben, darunter in zierlicher
Mädchenschrift: „Komm wenigstens
zur "Trauung, siebe Tante, ich er
warte Dich bestimmt."
Ich sah nach der Uhr. Es war
drei viertel aus Vier, und über dem
Buche hätte ich saft die Trauung ver
säumt, diese Trauung, bei der ich um
so weniger Mlen wollte, als ich, von
einer kürzlich überstandenen Krankheit
noch angegriffen, der Hochzeit nicht
Ich hatte eben noch Zeit, mich eiligst
umzukleiden und eine Droscht» zu
nehmen, um nicht zu spät zu kommen.
Der Nebel "schien mir etwa» lichter,
der Himmel weniger trübe; schon die
Hoffnung, glückliche Gesichter zu
sehen, erheiterte mich ein wenig.
Und glücklich, glücklicher als je
zuvor, mutzte Hedwig doch heute aus
sehen.
Sie war die Tochter einer Jugend
freundin und mein Liebling seit dem
Tage, wo ich 'sie zuerst im Arm gehal-
Jch hatte sie Heranwachsen sehen,
ein liebliches Kind, ein gutes und lie
benswürdiges Mädchen, in ihrem
harmlosen Uebermuth der Sonnen
schein des Hauses. Dann kam eine
Zeit, in der sie stiller und bläffer
wurde und 'die dunkelblauen Augen
einen tieferen Ausdruck bekamen, wie
von heimlich gemeinten Thränen. Sie
'sagte nichts, aber wir kannten ihr
sorgfältig behütetes Geheimnitz und
konnten es doch nicht ändern, datz der
jenige, dem sie ihr junges Herz zuge
wandt hatte, ihr Hartnäckig fern blieb.
Die schmerzliche Prüfungszeit fand
unerwartet ihr Ende. Er hatte, wie
sich nun zeigte, sich gescheut, um die
Tochter des reichen Hauses zu werben,
ehe er einer festen Lebensstellung ge-
Witz war.
Hedwig war eine glückstrahlende
Braut. Ihren Bräutigam hatte ich
in der kurzen Verlobungszeit nicht
näher kennen gelernt; doch was ich im
Familieikkreife über ihn hörte, war
geeignet, die gunstige Meinung zu
bestätigen, die er durch sein früheres
Verhalten bei mir erweckt hatte.
Die Droschke hielt. Die Trauung
hatte schon begonnen, als ich in die
Kirche trat und mich unter die Menge
neugieriger Zuschauer oder vielmehr
der glänzenden Hot,eitsgesellschaft,
um so Keffer aber das Brautpaar
sehen.
Hedwig, mit dem lieblich ernsten
Ausdruck ihres holden Gesichts und
zusammengezogene Brauen, etwa- un
ruhig Forschendes in den Augen,
kurz, ganz und gar nicht das Aus
sen, als einen Bräutigam an seinem
Hochzeitstage. „Betrachten Sie doch
den Aermsten," pflegte er zu sagen,
„ob er nicht vollständig neben seiner
liche Rolle und man sieht ihm schon
von Weitem on, wie unbehaglich
sich fühlt."
Aber der diese Behauptung auf
stellte, war ein eingefleischter Hage
stolz, und ich hatte ihm noch nie ge
glaubt und glaubte ihm auch jetzt
nicht.
Je länger ich den Bräutigam an
sah, desto weniger gefiel er mir.
Seine Unruhe schien mir zusehends
zu wachsen, und er hörte von der Pre
digt, die von einem unserer besten
Kanzelredner sehr lang ausgesponnen
wurde, wahrscheinlich so wenig, wie
ich. Dabei hätte ich beschwören mö
gen, daß seine Blicke suchend und
forschend sich gerade dahin richteten,
wo ich faß.
Und doch konnte ich unmöglich der
Gegenstand seiner Unruhe sein. Ich
wäre ihm jedenfalls absolut gleichgül
tig gewesen, auch wenn er mich hätte
sehe» können aber das konnte er
nicht, denn der Schatten einer Säule
deckte mich.
Wem sonst galt wohl sein unruhig
suchender Blick?
Ich fing an, meine Nachbarschaft
zu betrachten. Neben mir saß eine
dicke Frau mit einem gutmüthigen
Gesicht und einer Fülle bunter Blu
men u.-id Bänder auf ihrem Hut und
etwas seitwärts von uns ein junges
Mädchen, das nett und geschmackvoll
angezogen war und ein auffallend
feines Profil hatte, aber mir doch
etwa den Eindruck einer Nähterin im
Sonntagsstaat machte.
Platz, so daß ich das schöne Gesicht
gen Wimpern etwas geröthet waren.
Das schöne Gesicht erzählte eine Ge
schichte und ich glaubte sie zu ver
seine Hand in die einer Anderen legte.
Wußte er davon? Hatte sie ältere,
vielleicht auch größere Rechte an ihn,
daran Anstoß zu nehmen?
Mir wurde das Herz schwer, und
ich bedachte, was geschehen konnte,
Gesicht schleudern? Würde sie einen
üben. Vielleicht hätte ich bei ihr Ge
salls dem Brautpaar galten, und daß
das Mädchen durch heftiges Kopf
schiitteln und sonstige ablehnende Ge
berden antwortete.
Noch eine Zeit qualvollen Wartens,
die in Wirklichkeit kurz, mir doch un
erträglich lang vorkam, während ich
vergebens diese mir dunkeln Vor
gänge zu ergründen suchte.
Dana war die Trauung zu End,
«nd Alles drängte nach dem Aus
gang.
Ich beeilte mich, den Anderen voran
und in die Nähe des Brautpaares zu
kommen. Datz ich, wie üblich, Hed
wig gratuliren wollte, hatte ich in die
sem Augenblick fast vergessen. Es
war mir nur, als dürfte ich keine Zeit
verlieren, um ein drohendes Unheil
Indessen, so sehr eine unklare Angst
mich trieb, waren meine beiden Nach
barinnen mir doch voraus. Die Ael
tere schob sich mit einer bei ihrer Kor
pulenz erstaunlichen Behendigkeit vor
wärts, indem sie sich mit den Ellbo
gen Platz machte und es der Jungen
überließ, ihr nachzukommen.
Ich sah jetzt deutlich, daß es ihre
Absicht war, sich an das Brautpaar
heranzudrängen. So schnell ich ver
mochte, war ich hinter ihr, und indem
ich allen Muth und alle Kräfte zu
sammennahm, faßte ich sie an der
Sie stieß mich zurück, ohne sich um
zusehen. Noch ein Schritt und sie
stand dicht vor dem Bräutigam und
steckte ihm etwas, das sie aus der
Tasche gezogen hatte, verstohlen zu.
Mein Herz klopfte rasend, und
einen Augenblick ward es mir dunkel
Schulter.
„Denke Dir, Tante," flüsterte sie
ganz naß geweint' und konnte ihm
nichts nützen. Du kannst Dir nicht
denken, wie schrecklich es war. Jetzt
eben hat es ihm seine Haushälterin
sondern höchst vergnügt aus, lachte
gleichfalls über sein ganzes hübsches
Gesicht und schüttelte mir herzlich die
Hand, während ich verwirrt meinen
Glückwunsch anbrachte.
Wie man aus einem bösen Traum
erwacht und sich nicht gleich völlig er
muntern und die grausen Bilder ver
später unter dem Portal stand und die
lange Reihe der Equipagen voriiber
rollen sah.
Der Nebel hatte sich in einen dich
ten Regen aufgelöst. Ich wartete auf
eine Droschke und ließ inzwischen
Dunkel und Feuchtigkeit nicht ungern
auf mich wirken, um meine ausgereg-
Blum«nhui, „so geht es, wenn die
Leute verliebt sind. Er ist sonst ein
ganz vernünftig«! Mensch, solide und
jetzt seine Frau ist da hat er ja
wohl den Kopf nicht oben. Bitt' ich
Sie, zur Trauung zu fahren und daS
hat. Na, bei dem Wetter ist das ja
zu dem jungen Mädchen, das, wie ich
jetzt erst sah, ein paar Schritte, seit
wärts stand.
Augen sehen!"
Dks junge Mädchen hatte die
Strafpredigt gleichmiithig angehört,
ohne ein Wort zu erwidern. Sie
stand neben einer Laterne, die sie hell
beleuchtete. Jetzt verstand ich die ge
rötheten Lider, den schwimmenden
Blick der großen, grauen Augen, das
anscheinend feucht gemeinte Taschen
tuch.
eine Bewegung, einem schmerzlichen
Zucken gleich, über das schöne Gesicht.
Wieder sah es aus, als ob sie weinen
wollte, aber jetzt wußte ich, was
kommen mußte sie nieste.
Moderne Kinder. Groß
mutter: „Was seh' ich in Deinem
Zeugniß steht da eine Bemerkung
„plaudert gerne?!" Die kleine Ella:
„Ach, Großmama Du weißt, das
ist ja bei uns Frauen die schwache
Seite!"
' — Maliziös. Herr (am Eise,
„Schauen Sie doch, Fräulein Clara,
die Dame dort schwebt wie eine Elfe."
Dame: „Ja, die ist das reinste
Elsenbei n!"
Au! A.: „Von mehr als
Z.OkXZ Bäumen des abgebrannten
Forstes blieb nur eine einzige
Tanne unversehrt!" B.: „Merk
würdig, sollte die Sicher heits-
Nadcln getragen haben!" A.:
„ledensall s!"
einem stark hustenden Herrn): „Ist
Ihnen vielleicht eine falsche Note in
die Kehle gekommen!?" ,
Wnnderkindcr.
Bon Zeit zu Zeit wird die öffentliche
Aufmerksamkeit auf talentvolle Kind«r
gelenkt, deren Leistungen auf dem Ge
biete der Künste und
kurzer Zeit bedeutend im Wachsen be
griffen ist. Das Alterthum scheint die
teinisch lesen; «s starb aber schon im
fünften Lebensjahre. Das Ander« in
dem gleichen Jahr«, zu Schwabach in
Ursprache und widmete sich weiterhin
der Mathematik und Rechtswissen
schaft. Zeitgenossen erzählen von d«m
greisenhaften Aussehen dies«s Kindes
und daß dasselbe im Alter von, neun
zehn Jahren gestorben» sei. Ob Je
mand den Stammbaum beider Kinder
etwa verfolgt hat, ist nicht bekannt.
Dagegen kennen wir wenigstens einige
bezeichnende Umstände aus dem Leben
eines anderen Wunderkindes aus dem
vorigen Jahrhundert, des dreijährigen
Organisten William Crotch aus Nor
wich, denn diesen Fall hat kein Gerin
gerer aufgezeichnet, aIK Georg Chri
stoph Lichtenberg. Der Vater des Kin
des war ein Zimmermann, welcher sich
zum Zeitvertreib eine Orgel verfertigte,
die er in seiner Stube aufstellte. Eine
mit der Familie befreundete Musikleh
rerin sie verdankt es der Gewissen-
Lullman der Vergessenheit entrissen
wurde Pflegte auf diesem Instru
ment« zu spielen. Es war um die
Mitte des August 1777, als das da
mals zweijährige Kind William bei
solchem Spiele unruhig zu werden be
gann und „mit vieler Hitze" die Arme
nach der Orgel ausstreckte. Andert
halb Jahre nach dieser «rsten stürmi-
Schloßkapelle zu St. James. Es ist
Leider verläuft die Geschichte des
gegeben hat. Warum aber sind Wun
derkinder Absurditäten? Diese Frage
ist nicht so überflüssig, als Mancher
Friedrich Gautz, einer der größten,
wenn nicht der größte aller Mathema
tiker, pflegte scherzweise zu sagen, er
Mozart'scher Musik erblicken wir als
der strengsten Kenner der Tonkunst
mit Thränen der Rührun" füllte. Und
die wir heute mit Entzücken durch das
wandeln, wir finden es wohl als fehl
sympathisch, aber gar nicht als un
glaublich, daß der kleine Felix dem
großen Goethe das „wohltemperirti
Elavier". dieses Riesenwerk Sebastian
Bach's, in einer Weife vorgetragen hat
die den Fürsten der d«utsch«n Dicht«»
zur Begeisterung sür das Kind hinriß.
Es scheint also nach diesen Beispielen,
datz wir eigentlich nur diejenigen Wun
derkinder als «ine Art verblüffender,
mysteriöser Erscheinungen empfinden,
Frühreife verflossen ist. In
aber sind dies« Wunderkind«, aus de
nen etwas geworden, «benso räthsel
ersteren verfolgen können und dadurch
eine Art von Bestätigung der Wunder
zeit ihres Kindesalters erhalten.
Die ganze Wunderkinderfrag« durch
kreuzt nämlich eine alte wissenschaft
liche Erfahrung und wird demzufolge
für unruhige Neugierige eine unbe
queme Angelegenheit. Die Erfahrung
lautet: Zwisten dem siebenten und
achten Jahre erreicht das Gehirn seine
volle Ausbildung. Wenn also in den
ersten Paar Jahren des Lebens beson
dere geistige Eigenschaften zum Aus
drucke kommen und Leistungen vollzo
gen werden, welchen oft vollkommen
ausgereifte Gehirne nicht gewachsen
sind, so hat nicht nur der Laie, sondern
auch der Naturforscher, und er ganz
besonders, das Gefühl einer absurden
Erscheinung. Wie aber, wenn bei ei
nem Wunderkind das Gehirn, sagen
wir schon im dritten Lebensjahre, voll
ständig ausgebildet wäre? Dann würde
wohl diese letztere Thatsache ein Räth
sel bleiben für diejenigen, welche die
des einzelnen
Menschen erforschten, aber die Leistun
gen des Wunderkindes wären dann
nichts Räthfelhaftes mehr. Leider liegt
aber hier ein schwerer Stein des An
stoßes, denn «s fehlen uns ja di« Sec
tionsprotokolle über die Gehirne von
Wunderkindern! Wir wissen w»hl,
wie das Gehirn des alten Gauß ausge
sehen hat, aber wir kennen eben nicht
das Gehirn des dreijährigen Gauß,der
schon die Rechenfehler seines Vaters
corrigirte. Daß übrigens das Gehirn
noch nicht vollkommen entwickelt ist, be
weist die Thatsache, daß die Wunder
kinder nur nach einer Seite hin «ine bc
sante Beispiele einer großen «inseitigtn
Anlag«, aber nicht als eigentliche Wun
derkinder betrachten. Eine solche zwi
qes. Man braucht nur Üie Biogra
phien jener Zeiten, zum Beisviel des
vorigen Jahrhunderts, durchzubliit
an den Hochschulen zu beginnen! Daß
dies in unserer Zeit nicht mehr der Fall
ist, liegt in «inem stärkeren hygienischen
Bewußtsein, welches verbietet, daß die
gend, alle Phasen und auch alle Aus
nahmssälle der menschlichen Entwick
lung mit der der Thiere zu vergleichen;
denn Vieles schon ist uns bei der erste
ren nur durch die letztere verständlicher
geworden. Leider ist aber das Seelen
leben der jungen Thiere nur spärlich
beobachtet: meistens sind es nur die er
wachsenen, mit deren Intelligenz sich
die Gelehrten und Naturfreunde be
schäftigen. Ob es unter den Thier
jungen gewissermaßen Wunderkinder
gibt,welche alle andern überragen durch
besonders ausgebildete Eigenschaften,
bei welchen Tbierarten dies der Fall ist,
das sind Fragen über vollständig im
Dunkeln liegende Dinge. Es ist ja
bekannt, daß die Kinder der Menjchen
im Allgemeinen eine überraschende In
telligenz für ihr Alter besitzen und es
gibt wenige Familien, welche nicht auf
den Besitz eines „Wunderkindes" An
spruch erheben. Was aber ist ein sol
ches Kind gegen ein Hühnchen, welches
eben aus dem Ei schlüpft und sofort
nach Nahrung herumläuft, oder gegen
ein Entchen, welches noch mutter
warm in den Teich eilt und wie ein ge
lehrter Schwimmer sofort den ganzen
complicirten Muskelapparat dirigirt,
der zum Schwimmen in Action gesetzt
werden muß? Das sind wohl auch
Wunderkinder und merkwürdiger Weise
ist es bei ihnen geradezu eine Aus-
nur da ist. um di« Schwierigkeiten noch
zu vermehren. Englische Mathematik»
lehrer haben geschätzt, daß die mathe
matische Anlage wahrscheinlich weniger
als einem Hundertstel der Menschen
von erfahrenen Musiklehrern nur etwa
«in Procent wirkliches Talent für Mu
sik. Dennoch, was sehen wir? Ge
rade diese beiden Gebiet« sind an Wun
wenig positive Kenntnisse erfordern.
Ehe einem Chemiker auch nur die
Schulanalyse von einigen Dutzend
Noten, Geige und Bogen bilden das
Reich des Letzteren, welches er bald nach
allen Richtungen hin durchwandert hat;
die Basis des Chemikers sind Tausende
von ineinander spielenden Kenntnissen,
welche niemals durch Inspiration, son
dern nur auf dem Wege langer Arbeit
wäqung legt sich sehr abkühlend auf
den Wunderkinder-Nimbus, weil sie
den letzteren, um einen alten Ausdruck
zu gebrauchen, als ein Natursviel er
scheinen läßt, welches nur in den sel
tensten Fällen, und dies nur aus eini
gen Specialgebieten des Geistes, ernst
genommen werden kann.
Manche Leute betrachten ein Wun
derkind von demselben Standpunkte,
wie die Erscheinung eines Eretins.
Beide liegen außerhalb der normalen
Linie, nur das Eine darunter, das
Andere darüber. In der That ist die
mangelhafte Entwiaelung etwas eben
so Unerklärliches, als die abnormale
Frühreife; die eine wie die andere ist»
wie ich es schon anfangs genannt habe,
eine Absurdität. Daher machen über
reife Kinder im Allgemeinen «inen un
behaglichen Eindruck. Der düstere
Ernst auf der jungen Stirne erweckt
das peinliche Gefühl, welches aus dem
Anblicke unvereinbarer Dings ent
springt. Dies gilt aber nur für wirk
liche sogenannte Wunderkinder, wie es
zum Beispiel der kleine Rechenkünstler
Frankl war, dessen arithmetischen
Kunststücken man nur mit der Empfin
dung des tiefen Bedauerns und der
Voraussicht einer im Keime sich auf
zehrenden Existenz zu folgen vermochte.
Daß Mozart musikalische Anlagen mit
zur Welt brachte, erscheint uns als et
was sehr Natürliches, da schon sein
Vater ein nicht gewöhnliches Talent
war. Gauß aber war nicht der Sohn
eines Mathematikers, Händel nicht der
eines Musikers und Titian nicht der
eines Malers und auch bei deren Vor
fahren findet sick iein Beweis irgend
eines besonderen Talentes, welches zu
dem Genie dieser Männer hätte die
Brücke schlagen können! Wie sind
diese zu der wunderbaren Höhe ihrer
geistigen Entwickelung gekommen?
Das Alles sind Räthst, nicht min
der dunkel, als die Frage der Wunder
kinder. Gerade die Gelehrten unserer
Zeit aber sind hier, wo es sich um das
Geheimniß der Vererbung handelt, in
emsiger Forschungsthätigkeit, und
wenn nicht Alles trügt, fällt bereits
ein schwacher Schimmer von Aufklä
rung in das mysteriöse Gebiet, in wel
ches uns die Sphinx der menschlichen
Erkenntniß hineingelockt hat. Voll von
Wundern steckt die ganze Natur; es
kommt nur darauf an, daß man sich
daran gewöhnt. Es ist eines der merk
würdigsten Dinge, daß sich in einer
Lauge ein Krystall, dieses regelmäßig
gebaute Steinindividuum bildet; aber
wir sind dies zu beobachten gewohnt.
Wenn die Zahl der Wunderkinder sich
ansteigend vermehrt, wie es bis jetzt der
Fall ist, so werden wir bald nichts
Wunderbareres mehr daran finden,
als es bei jeder Naturerscheinung der
Fall Ist. Nur in den Fällen,in welchen
sich die Natur selbst zu überbieten
sucht, und auf «in blutjunges Gesicht
die düstere Maske eines ÜberreisenVer
standes setzt, ergreift uns ein aus
Rathlol!akeit und fast möchte ich sagen
aus Widerwillen gemischtes G«sühl.
Das sind keine Wunderkinder, sondern
wunderlich« Kinder Mißgeburten.
Zweierlei Rath.
Mutter spricht: „Ein junges Mädchen
Das mutz fröhlich, munter sein"
Lachend, singend, sprang ihr Gretchen
In der Ehe Glück hinein.
Mutter spricht: „Für junge Mädchen
Ziemt sich Zagheit, nie verletzt"
Lebenslang s a tz still ihr Käthchen,
So sehr war das Kind gesetzt.
Leben-Weisheit.
Verachte die Formen nicht überall
Und denke daran, datz aus klarem
Krystall
Der einfachste Tropfen oft
besser schmeckt,
Als aus irdenem Kruge der
perlende Sekt.
Einfach. „Aber warum hast
Du denn den ganzen Abend den
Mund nicht aufgethan, Fritze?"
„Narr, das ist ganz einfach! Was ich
nicht gemutzt hab', hab' ich nicht fa-
— In die erste Liebe st ü r>
,en sich die Männer, zur zweiten ge
hen sie bedächtig, die letzte muß
ihnen entgegenkommen.