Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, March 22, 1895, Page 3, Image 3

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    Die tolle Komteß.
De? Personenzug von Berlin hielt
Prustend und kreischend vor dem klei
nen Bahnhofsgebäude des Haltepunk
tes Mellenthin an. Da das Wetter so
heiter war, hatte sich der Stationsvor
steher seine neue rothe Mütze aufgesetzt
sobald nämlich eine Wolle am Him
mel stand, pflegte der Vorsichtige zu
der älteren Garnitur zu greifen; hatte
er aber die neue auf, so gab sich der
ganze Mann einen Ruck m's Strenge,
Wichtige hinein, reckte sich, nahm die
nein Abtheil zweiter Klasse entstieg ein
einzelner Herr. Das war alles für
Mellenthin,
rer und gab dann mit herablassendem
Gruße die Erlaubniß, zur Abfahrt.
DreiGlocken schlüge, und pvlternd, weg
müde und faul setzte sich der Zug wie
der in Bewegung.
Der einsame Reisende zweiter Klasse
stand, ein leichtes Kösserchen in der
Hand, auf dem Bahnhosssteiz und sah
sich, die kühne Adlernase etwas hoch
hier nicht ein Wagen vom Grafen
Psungk aus Räsendors?"
Der Herr hatte so etwas Militäri
„Allerdings das heißt, ich will
spelter!"
Der greise Kutscher saß stocksteis auf
dem Bocke, in einen rehfarbenen langen
Mantel gehüllt, die Beine trotz des
warmen Wetters in eine Pferdedecke
wie wenn er aus einem angenehmen
Halbschlaf aufgeschreckt würoe, und
schnitt feinem muthmaßlichen neuen
wunderlichen Empfang, der ihm hier
LU Theil wurde. „Ja, der Hetr Bon bin
ich schon," rief er laut. „Nun fahren
°Packmeister schob das Kösferchen unter
den Rücksitz, empfing sein Trinkgeld,
und dann setzte der alte Hinrich seine
„Sagen Sie mal, Hinrich," schrie der
Fronde, als sie eine kleine Weile ge
fahren waren, „haben Sie denn für
diesen Puppeiuvagen keine leichteren
Pferde? Das ist ja ein unheimliches
Fahren!"
Der Alte nahm die Zügel kürzer,
wandte sein bosl>afteZ Affengesicht her
um und sagte mit Anstrengung hoch
deutsch sprechend: „Andre Pferde? Oh,
was werden wir keine andern Pferde
haben! Aber mit die Ponnys, die hier
eigentlich zugehören, da sind Frau
Gräfin mit Kunteß Bicki zum Mis
sionsfes! gefahren, nach Pä-ielow. Kun
teß Aicki iutschirt bloß die PonuyS;
und n?as die Graditzer sind, dic sonst
Kunteß Marie immer fährt, die müs-
Aiissionsjesk!" („Müschohnsfeste"
sprach er das Wort aus!)
~AHa! Nu» weiß ich Bescheid,"
lachte der Fremde. Er lehnte sich so be
quem zurück, als dic steife Lehne des
Sitzes und die geringe Federkraft des
Polsters dies gestattete. Er hatte sich
der Handschuhe entledigt und strich
sich mit seiner sehnig mageren, vor
nehm geformten Hand über den ganz
modern gestutzten Bart. Die kurzen Be
merkungen Hinrichs über die Stallver
hältnisse genügten seinem scharfen
Geist, um sich sofort ein ziemlich deut
liches Bild zu machen von den Verhält
nissen des gräflich Pfungkschen Hau
ses. Die Mutler, welche mit der from
men, gehorsamen Komteß Tochter und
mit den ebenso frommen Ponnys auf
die dörflichen Missisnsfeste fuhr, die
andre Atomtest Tochter, welche sich aus
dergleichen nichts machte, und der Graf
selber, von welchen, nicht die Rede
Ivar, welcher aber, nach diesem Kutscher
und diesem Gespann zu schließen, je
denfalls ein äußerst konservativer,
sparsamer und wahrscheinlich auch we
nig lebenslustiger alter Herr sein moch
te, denn bei einer Spazierfahrt in
diesem rasselnden, klirrenden Marter
>vägelcl>en, das mit fußhohen Sprün
gen über jeden Kieselstein stolperte,
tonnte einem jede Lebenslust gründlich
vergehen! das alles ergab sür einen
Menschen von einiger Einbildungskraft
eine wenig anmuthende Borstellung von
Hausstande.
habe doch schon so manches fertig ge
bracht. Haha! Die Graditzer sind
ihm für gut!" So ungefähr
Gefahr zu bringen.
„Prächtig, prächtig," rief der Frem
de im Wagen ganz laut; und leiser
setzte er hinzu: „Aber wüste Wirth
schaft! Da gäb's was zu thun für
mich."
Der Weg machte eine Biegung, und
es plötzlich in den Ziveigen zur Rech
ten, gedämpfter Hufschlag erklang im
Galopptakt, und etwa fünfzig Schritt«
vor ihm sprengte in mächtigen Sätzen
eine schlanke Reiterin quer über den
Weg, um blitzartig, wie sie erschienen,
wieder zu verschwinden.
„Holla! Wer war denn das?" rief
der Fremde eifrig und berührte Hin
dei dulle Kunteß!"
„Die tolle Komteß? Wer ist denn
das?"
„Dei dulle kunteß, hebe! Dat weilen
Se nich, Herr? So nöhm'n dei Lüd
uns' Kunteß Marie, hehe! Ja, Herr,
dat is Ein'!" Der alte Hinrich zwin
kerte bedeutungsvoll mit den Meer
kateraugen und klappte ein paarmal
mit den sechs Zähnen zusammen, daß
es ordentlich gespenstisch anzusehen
'.Prachtvolles Weib! Reitet ja wie der
wohl diejenige Komteß, welche die
Missioirsfeste nicht leiden kann?"
„Hehe!" bellt? der Alte, und knallt«
Verwunderung die groß«n Köpse be
dentlich zu schütteln begannen.
„Sagen Sie mal, ist denn kein Sohn
~Ne, bloß Dam's. I, Herr, mit dei
Dam's, da is dat so Na, dat jeit
mi ja wider nix an, hehe!"
nicht etwa gar München?"
Aber der wunderliche Alte drehte
wirtlich um, obwol.' ~er Wagen dabei
hätte, während auf der andern Seite
die Pferde das Gebüsch niederstamps
-5» daß «» ein Jammer war, uiH
dann ließ er wieder sein Zischen hören,
versetzte den Gäulen einen leichten
Schmiß hinter di: Ohren, und dann
ging's denselben Weg zurück, so rasch
sie laufen wollten.
Der Fremde bekam ordentlich Angst
und schrie aufgeregt: „He, Hinrich, he!
Was soll das heißen?"
„Dat helpt all nix," bellte der Alte,
aber weiter war durchaus nichts aus
ihm herauszubekommen de» ganzen
Weg über, bis er endlich wieder hinter
dem Bahnhofsgebäude still hielt. Da
nahm er seinen Hut ab, rieb sich mit
dem baumwollenen Handschuh in komi
scher Aufregung den kurz geschorenen
Graukopf und gab endlich die Aus
kunft, daß ihm erst bei der Frage nach
den Damen wieder eingefallen sei, daß
er ja auch ein« Dame habe abholen
sollen,
„Eine Dame?" frug der Fremde ver
wundert und wußte nicht recht, ob er
über den Alten lachen oder sich ärgern
sollte.-
Der Stationsvorsteher war neugie
rig aus der Thür getreten. „Na, Hin
rich, was wollen Sie denn nun wie
der?" sa-zte er mit einem halb mitleidi
gen Lächeln, welches andeuten sollte,
daß er die Schwäche des alten Rosselen
kers genugsam kenne.
„Ick sall ja ein' Dam' ashalen. Hän»
ick Sei dat nich verteilt, Herr Büch
ling? Js dei Dam' nicht mitkamen?"
Jetzt mußte der Fremde doch laut
lachen. „Mit mir sind bloß noch ein
paar Bauernweiber ausgestiegen. Soll
ten Sie die etwa mitbringen?"
„Ne, ne, ein sin Mamsell ut der
Stadt, dei Fru Gräfin sich expreß för
dei Wirthschaft up'n Schloß verschrä
wen het. Herrje, wat ward dei Fru
Gräfin seggen, wenn ick ahn' dat
Fröl'n komm'! Sei hätt' mi all letzte
Wcch' en' ollen Dusselkopp heten, weil
ick dat vele Bäden un Singen nicht
mehr verdragen kann."
Jetzt platzte auch der zurückhaltende
Beamte mit lautem Lachen heraus
und gab dem Fremden auf seine Frage
zur Auskunft, daß die Frau Gräfin
wegen ihrer strengen Andachtsübungen
von ihren Dienstleuten nicht wenig ge
fürchtet und auf zehn Meilen in die
Runde verspottet werde. Dann wandte
er sich wieder an den immer noch sehr
aufgeregten Hinrich und fragte ihn,
Stunde," sagte der Vorsteher.
Und der alte Hinrich wickelte sich aus
seiner Decke, kletterte bedächtig vom
Bock herunter und grunzte ganz ru
hig: „Na, denn möten wir noch'n ba
den fremden Herrn, welcher so ungedul
dig der entscheidenden Stunde entgegen
sah, >venn er sich dem Grafen würde
leicht verständlich. Er mußte sich
daß der alte Graf gewichtige Bedenlew
gegen khn erheben tonnte, daß isdeni
falls, wenn er die Stellung erhielt, dit
Arbeit, die seiner wartete, ein« reqt
schwere sein würde. .
Er lieb sein Aug: über die ruhig
anmuthige Gegend schweifen. Die Son
ne sank eben hinter der sanft geschwun
genen Hugelreihe im Westen, und ihre
re!ne, tieft Gluth spiegelte sich auf
den kkeinen Fenstern des Bahnwärter
häuschens, das da gerade vor ihm lag,
so daß es aussah, als ob es im Innern
lichterloh in Flammen stände. Und im
wunderlichen Gegensatze dazu saß der
Bahnwärter vor dem Hause auf dem
Bänkchen und schmauchte friedlich fein
Pfeifchen, während sein kleiner Knabe
mit unablässigem Bemühen eine große
blaue Tüte mit einem durchgesteckten
Holzspan nach Art eines Drachens zum
Fliegen zu bringen suchte. Auch das
Blondköpfchen dieses Kleinen war glü
hend purpurroth, man wußte nicht, ob
von dem Widerschein der sinkenden
Sonne oder von der Anstrengung sei
ner kindischen Sisyphusarbeit. Im
Grase zirpten die Heimchen, aus den
Stoppelfeldern stiegen die Lerchen noch
ein letztes Mal flatternd und zwit
schernd aus, ehe sie sich zur Nachtruhe
in ihre Nester duckten. Um den hohen
Wipfel einer Eiche, der den Rand des
nahen Forstes hoch überragte, schwärm
te mit unablässigem Gekrächz eine große
Schaar von Krähen, die dort allnächt
lich Einkehr zu halten pflegte. Ein
Bauernwägelchcn rollte auf der Land
straße heran, dem Bahnhof zu. Noch
einmal erglühte das Schienengeleise
feurig im letzten Sonnenstrahl und
dann war es Abend geworden. In dem
nächsten Dorfe, welches, im Grünen
ganz versteckt, etwa eine Viertelstunde
vom Bahnhof entfernt lag, schlug eine
Thurmuhr acht Mit jenem tiefen,
vollen Feiertlang«, der dem einsamen
dringt, wie kaum ein frommes Lied
mit Orgelklang.
Dem Fremdling mit den scharfen,
dem frischen Hauche trauter Heimath
lichkeit zu umwehen. Er wandte sich
wieder dem Bahnhofs zu und mur
mal ausruhen! Das Land gefällt mir,
es hat so gar nichts Aufregendes. Hier
wird mich niemand suchen. Und die
Leute? Mein Gott, mit wem habe ich
mich nicht schon alles abfinden müssen!"
Das Bild der kühnen Reiterin, die
vorhin seinen Weg gekreuzt hatte,
huschte wieder durch seinen Gedanken
gang. Die tolle Komteß! Das klang
nach etwas. Ein stiller Zufluchtsort,
harmlose, altmodische Menschen, die sich
und Geist O nein! Der Ge
katergrim.isscn geboten haben mochten.
Er lachte vor sich hin: „Die tolle
Komteß, haha!" daß er es doch nicht
lassen konnte, daß es ihm ein so bren
nendes Bedürfniß war, allezeit ein
Weib im Mittelpunkte seines Denkens
und Empfindens verborgen zu wissen!
Die Glocken des Signalthiirmchens
am Bahnhof schlugen an. H, G, E
der Fremde summte die Melodie wei
ter, welche den Anfang jenes Walzers
ergab, den gerade damals die Dreh
orgelspieler in alle Welt trugen:
wartet wurde. Da trat der Stations
wrsteher Biichting an ihn heran und
meldete, daß soeben eine Depesche für
den Grafen Pfungk eingetroffen fei,
nicht abzuwarten, Herr *
„Was tausend!" lies der Fremde.
„Konnte das Fräulein nicht eine Stun
!awl!^°"
ktiirschte der Kies, das Wägelchen hielt
tvr dem stolzen Portal des gräflichen
Schlosses. Als der Fremde oie steiner
nen Stufen hinaufstieg, griff er in
mein« Ankunft/ trug er dem Diener
auf; »'nein Name ist: von Norwig!" >
Und leichten Schritte?, voll Hoff
nung und Selbstvertrauen stiez er, dem
Diener folgend, die breite Treppe
> hinauf.
2. Kapitel.
Herr van Norwig wurde zwei Trep
pen tzinQus und dann durch einen law»
gen Flur in das Zimmer geführt,
ches ihn für diese Nacht beherbergen
sollte. Sehr behaglich sah es darin ge
rade nicht aus, eher etwas gasthaus
mäßig. Ein Beth ein unbrauchbares
Sofa, Waschtisch, Kleiderfchrant und
«in paar Stühle. Das war alles. Da
zu siel ihm »och die große Geschmack
losigkeit d?r Tapete und die kindlich
farbenfreudige Bemalung der Rollvor
hänge auf.
Er packte eilig sein Köfserchen aus
und legte, als ordnungsliebenderMann,
sogleich seine sieben Sachen in die vor
handenen Schubfächer des Waschtisches.
In jeder Lade, die er aufzog, gerieth
ihm cuus den ersten Griff ein Buch in
die Hände. Im Kamm- und Bursten
sach lag ein Neues Testament, im Hem
denfach ein Gesangbuch und im wolle
nen Fach «in vollständiger Jahrgang
der Zeitschrift „Emmaus, ein christli
cher Sonntagsfreund." Mit einem ei
genthümlichen, achtungsvollen Lächeln
legte er die schwarzen Bände an ihre
Plätze zurück und dann badete er sich
den Reisestaub vom Gesicht, band ei
nen neuen Stehkragen um und wählte
unter den vorhandenen Krawatten, in
der Muthmaßung, daß in diesem hoch
christlichen Hause wahrscheinlich die
weltlich« Eitelkeit auch in Gestalt von
lachs- »der ponceaufarbenen Halsbin
den übel angebracht sein möchte, eine
einfach schwarze aus. Er bürstete sorg
fältig sein dunkles Haar, welches auf
dem Scheitel bereits recht dünn zu wer
den begann, suchte zum Schluß feinen
Mienen wie seinem Rocke eine möglichst
vertrauenerweckende reinliche Glätte zu
geben und verfügte sich dann nach dem
ersten Stockwerke hinunter, wo der Die
ner ihn bereits erwartete, um ihn in
das Zimmer des Grafen zu führen.
Sie durchschritten einen weiten Spei
sesaal, von dessen holzgetäfelten Wän
den lange Reihen gräflich Pfungkscher
Ahnen herabblickten. Doch der Fremde
hatte nichts weiter davon gesehen, als
was der Lichtschein, der beim Oessnen
der Thür von außen hereinfiel,, auf
einen Augenblick erhellte, denn der
weite Raum war dunkel. Der getäfelte
Fußboden schien frisch gewachst zu
sein, denn Herrn von Norwigs neue
Stiefelsohlen klebten davn fest, so daß
es bei jedem Schritt ein schmatzendes
Geräusch gab, das in dem weiten lee
ren Raume einen wunderlichen, beinahe
unheimlichen Widerhall erzeugte. Der
Diener öffnete eine zweite Thür und
scheinen werde.
Herr von Norwig trat mit lautlosen
Schritten aus dem dicken Smhrnaer
chen Linien und dem vollendeten Eben
maß dieses prachtvollen Körpers. Er
erinnerte sich nicht, alles das jemals bei
srisirt.
geschlitzte graue Augen, eine ziemlich
flache Nase, großer Mund, stark hervor
tretende Backenknochen, schlechte Far
es, mein: gnädigste Komteß, die heute
im Forst meinen Weg kreuzte. Ich kann
Sie versichern, wenn nicht der alte Hin
dorben hätte, so würde ich Sie auf Ih
rem feurigen Rappen entschieden für
eine leibhaftige Walküre angesehen ha
ben. Die Erscheinung zuckte ja wie ein
Blitz vorüber; aber, auf Ehre, gnädig
ste Komteß, ich war auch geblendet wie
vom Blitz."
„Ach. machen Sie doch keine Redens
arten!" fiel ihm die Komteß tn'sWort.
.Ich kann so etwas gar nicht leiden,
Hier sind Zigarren. Wollen Sie sich
nicht eine aastocken?"
statten, einer Dame in irgend welcher
Gestalt blauen Dunst vorzumachen!"
„Hm, nicht übel!" lachte die junge
Dame, welche selbst im Sitzen beinahe
größer erschien als ihr Gegenüber; „Sie
scheinen ja ein Witzbold zu sein. Wissen
Sie, ich mache mir nicht viel daraus,
aber Papa liebt das. Mit mir werden
Sie am besten thun, von Pferden zu
Hrechea. Sie find doch Reiter?"
„O, meine Gnädigste—fünfter Ulan
gewesen! Erst vor wenigen Monaten
auF den Pampas zurückgekehrt."
„Aus den Pampas? Das ist ja fa
belhaft interessant! Da müssen' Sie mir
noch viel davon erzählen!" rief die
Komteß lebhaft, indem sie die oer
schränkten Arme auf den Tisch stü
tzend, dem Gsste enigegennei?!?.
Da that sich hinter ihr die Thür auf,
und Graf Pfungk schritt über die
Schwelle. Norwig sprang auf, ver
beugte sich ehrfurchtsvoll und blickte
dann mit wirklichem Staunen zu dem
alten Grafen empor, der sogar seine:
Riesin Tochter nvch fast um Hauptes
länge überragti und neben dem cr
selbst sich fast wie ein: Knirps erschien:.
Der Graf begrüßte den neuen
Ivärter auf die Oberverwalterstelle mit!
größter Zuvorkommenheit. Seine Ge
stalt war etwas zu hager, die Haltung
«in wenig nachlässig, crkier der schmale
graue Kopf wunderschön. ein echter
Velasquez!
„Ich empfehle Dir Herrn von Nor
wig," wandte sich die Komteß an ihren
Bater: „Er stand bei den fünften Ula
nen und kommt direkt aus den Pam
pas. Laßt uns nicht zu lwrge warten,
Papa, der Theetisch ist schon gedeckt."
Sie verabschiedete sich mit
Verbeugung des Kopses und verließ
mit großen vornehmen Schritten das
der Thür hin.
Herr von Norwig verbeugte sich und
bemerkte, 'daß er bereits Gelegenheit
gehabt hätte, die Komteß als Amazone
zu bewundern.
„Ach ja," seufzte der Gras, „es ist
ein Jammer, daß sie iein Mann ge
worden ist! Dann brauchte auch
ein Mädchen ist. Sie nimmt mir wirk
lich viele Arbeit in der Feld- und Vieh
wirthschaft ab, seit es mit meiner Ge-
Es kommt mir darauf an, zum Ober
'venoalter einen Mann zu gewinnen,
der mit hoher Intelligenz und Fachbil?
Dung ein sicheres, imponirendes Austr«-
Frohnvogt zu werden. Sie werden mich
verstehen: dieselben Leute, welche dem
Herrn selbst ohne Murren Gehorsam
leisten, betrachten oft jede strenge Maß
regel eines angestellten OberSeamten
als eine unerträgliche Anmaßung. Be
sonders hier in Mecklenburg, wo dem
älteren Geschlecht noch die Leibeigen
schaft im Blute liegt, scheint es mir
gefährlich, einen solchen Quast-Re
genten, und noch dazu einen landes
ten für ihn denselben Gehorsam zu
verlangen, wie sozusagen gegen
das angestammte Herrscherhaus. Sie
begreifen, daß ein ganz besondererTakt
dazu gehört, eine solche Stellung in
meinem Sinne auszufüllen. Ich habe
daher Ihrer Bewerbung unter zahlrei
chen anderen den Vorzug gegeben, weil
ich glaube, daß Sie, der Sie selbst frü
herer Grundbesitzer undEdelmcmn sind,
vielleicht am ehesten den richtigen Ton
im Berkehr mit den Untergebenen fin
den dürften und gleichzeitig mir selbst
mehr werden könnten, als eben nur ein
bezahlter Beamter."
Der Graf hätte seine lange Rede mit
vielfachem Stocken und leichtem Hüsteln
vorgebracht, in einem verbindlichen,
leicht gedämpften Tone, der merkwür
dig gut zu seinem Gesicht: stand. An
der Art, wie er seinen weißen Schnurr-
und Zwickelbart mit einer gewissen ner
vösen Unruhe mit den Fingerspitzen be
arbeitete und wie er. es vermied, Herrn
von Norwig gerade in die Augen zu
sehen, merkte dieser scharfe Beobachter
sogleich, daß der gute Graf sich selbst
durch seine lange Rede genirt fühlte
und daß er in gewöhnlichen Zeiten si
cherlich derselbe liebenswürdige alte
Herr sein würde, wie so viele seiner
Standesgenossen, die sich auf prinzi
pielleErörierungen und dergleichen nicht
gern einlassen, sondern zufrieden sind,,
wenn ihre Angelegenheiten in eineT
Weise besorgt werden, daß sie davon,
möglichst wenig m«rten und nur die
gewohnten Erträge mit einiger Regel
mäßigkeit vorgerechnet bekommen. Er
hielt ihm also eine wohlgesetzte Rede
aus dem Stegreif, in welcher er seinen
Anschauungen in allen Punkten bei
pflichtete, und knüpfte hieran eine er
bauliche und belebrfame Betrachtung
über den Zustand der heutigen Land-
Wirthschaft und deren Aussichten fü»
die Zukunft bei vernünftiger, moder»
ner Bewirthschaftung.
Als Herr vonNorwig endlich schwieg,
that Gras Pfungk eine sehr vernünftig«
Frage: „Nun, sagen Sie mal. wenn
Sie das alles so scharf erkannten, wie
war es denn möglich, daß Sie selbst
gingen? Sie schrieben mir doch, daß
Sie ein so schönes, große! Gut besessi»
yätten!"
(Fortsetzung s»lzt.j
Mr die Küche.
Englische Sandwiches. —-
Won frischem Weißbrot schneidet man
I gleichmäßige Scheiben, welche man odal
aussticht. U«berreste weißen Geflügel
fleisches wiegt man nebst der gleichen
Menge gekochter Ochsenzunge fein,
keibt die Masse im PorzcÄanmörser
mit 3 1-2 bis 5 Unzen Butter zu Brei
darauf mit etwas Pfeffer uns einem
Löffel englischen Senf zu vermischen.
Die Hälfte der Brotschnitten wird mit
der Farce dick bestrichen und die an
dern Scheiben fest und gleichmähics da
rauf Abrückt. Kurz v.ir 'dem Anrichten
werden die Sandwiches in geschmolze
ner Bvtter auf beidenSÄten goldbraun
gebacken' und mit ausge,Eickener Peter
silie garnirt safort aufgetragen.
I n vi.s ch e Curry - S u p e.
für Hcrrenefsen zi empfehlen.)
Man braucht M Bereitung dieser
Suppe eine und nine dunlle
Hühner, sowie emige Stück rohen
Schinken man mit >m abge
nommenen SuppcuM.gibt einige Tas
sen Bouillon hinzn, fügt als Gewürz
«ine Möhre,, ZwiebÄn, eine Knolle
Sellerie, etwas Petersilie, Thymian,
sin Lorbeerblatt; drei Nelken und einen
Eßlöffel Curry'Pulv« hinzu u»id kocht
di? Hühner weich. Ist dies geschehen,
so wird das Vrustfletsch in seine Strei
fe»! geschnitten, die BriHe entfettet und
zv'der vermischten. Bouillon gegeben,die
man damit fünf Minuten langsam
durchkocht, und ihr- daim eine halbe
Flssche Madeira, und eine Prise Ca
yenne zusetzt. Man richirv-die Supp«
über dem Hühnerfleisch aü und srrvirt
die' Bouillon weich und Urnig gekoch
ten Reis nebenher.
Wienerßei s k'u ch «n. Man
kocht 1 1-2 Pfund Reis, nachdem man
ihn mehreremal in Wasser abbrühte, in
einem Oliart Sahne mit einem Pfund
Zucker und einem Sitick Vanille weich
und sehr dick, läßt ihn «in wenig» aus
kühlen und verrührt'ihn mit Äl-2 Un
zen Butter und zehn Eigelb. Zuletzt
zieht man den steifen Eiweißschnee von
drei Eiweiß unter die Reismasse, füllt
sie in eine ausgestrichene, glatte Form
und bäckt sie im Ofen goldbraun. In
dieser Zeit schält man vierzehn schön«
Aepfel, schneidet sie in seine Scheiben,
vermischt sie mit einem Pfund einge
machten, entsteinten Kirschen (ohne
Saft, dieser muß abtropfen) und
dämpft sie mit einem (Ras Rothwein,
drei Löffeln Apfelsaft und 6 Unzen
Zucker weich. Wenn der Reiskuchen
fertig ist. stürzt man ihn auf eine stä
che Mehlspeisenschussel, schneidet, oben
fingerdick vom Rande entfernt, einen
Deckel ab. höhlt dann den Kuchen aus,
füllt die Aepfel hinein, legt den Deckel
wieder darüber, bestreut den Kuchen
mit Zucker und gibt eine Kirschsaft
sauce nebenher.
Alte Hühner wie Wtldpret
bereitet. Zwei ausgewachsene Hüh
ner werden in bekannter Weise zube
reitet, fein gespickt und drei Tage mit
einfachem Essig marinirt, den man zu
vor mit einem Lorbeerblatt und einem
gehäuften Eßlöffel Wachholderbeeren
aufkochte. Nach Ablauf der genannten
Zeit dämpft man die Hühner in einer
Kasserolle mit Butter und ein wenig
Wasser weich, beständig etwas saure
Sahne nachgießend. sie sich zu
mit einigen Löffeln voll in Wasser auf
gelöstem Fleischextrakt, quirlt weiter
einen Löffel Mehl in saurerSauce klar,
nimmt die Hühner aus der Sauce, ver
tocht diese mit dem Mehl und gibt zu
letzt die zerlegten Hühner noch einmal
hinein,um sie gut durchziehen zu lassen.
Portion sür 10 Personen.,
Regeln be i B e,re.i tun g des
Kaffees. Man, beurtheile ven Kaf»
fee nicht nach der, Farbe der Bohnen,
sondern nach dem Geschmack (der Kaf
fee ist oft gefärbt»;, beim Rösten acht«
man daraus, daß,den Kaffee nur kasta
nienbraun, ja nicht schwarz werde, da
mit seine edelsten Bestandtheile, die sich
leicht verflüchtigenden ätherischen Oele,
nicht verbrennen, wodurch der Kaffee
einen unangenehmen.bitteren Geschmack
bekommt. Den frisch gerösteten Kaffee
schütte man nicht m ein enges Gesäß,
sondern behufs, schneller Abkühlung auf
ein Sieb oder in dessen Ermangelung
auf eine möglichst große Platte, damit
der heiße Kaffee nicht nachrösten und
verbrennen, kann.. Nachdem der Kaffee
erkaltet ist,, bewahre man ihn in ein-r
gutschließenden Blechbüchse auf, und
zwar an einem trockenen, jedoch nicht zu
warmen Orte; d>is Quantum der zu
mahlenden Bohnen bestimme man nicht
durch «in. Gefäße, sondern nach dem Ge
wicht, tw die Bohnen leichten Kaffees
beim Veennen größer wie diejenigen
schwerer und kräftiger Sorten werden,,
so d?L man Sei Anwendung eines Ge
säßes von leichtem Kaffes weniger und'
von kräftigem mehr Gewicht erhält,
während es doch gerade umgekehrt sein
sollte. Man nehme zur Tasse etwa ein
Drittel Unze gemahlenen Kaffee, wsl-.
ches Q-wntum sich als das geeignetste
bewährt hat; der Kaffee M so sein als
möglich gemahlen werden; je feiner er
gemahlen ist, desto besser entleuz! er
sich. Der Kaffee darf nicht gelocht,
sondern muß durch auf einmal aufzu
schüttendes, start kochendes Wasser zu
bereitet werden; man bediene sich hier
bei keines Kasfeesackes. sondern einer
zweckmäßigen FiltrirmaUine, deren
Boden je dem zu öerettenden
Quant.um größer oder kleiner sein
muß; der Kaffee soll.nachdem er siUrirt
< durch langes Nach/und Ausniä.'men a»
: Aroma verliert. 3