Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, March 01, 1895, Page 2, Image 2

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    2 Zlas Kesptiifl.
„Vor einer Reihe von Jahren," so
erzählt« mein liebenswürdiger Wirth,
als wir nach dem Essen auf der Ve
randa faß«n, „hatt« ich in einem klei
nen brasilianischen Orte eine Venda
einen Verkaufsladen und v«r
viente viel Geld. Damals kam im
mer «in Brasilianer zu mir, halb In
dianer, halb Mulatte, ein Kerl, der
das verschietxnartigst« Blut in d«n
Adern haben mußte; er trank oft viel
Schnaps und war, wenn «r genug ge
trunken hatte, schlimmer als ein Lieh.
Ab«r wenn er nüchtern war, war er
gut! Und arbeiten! Arbeiten konnte
d«r Mensch wie ein Pferd, und ich
nahm ihn deswegen öfter auf Tage
lohn in mein Haus. Ein«s Tages
nun kommt Jemand zu mir und er
zählt mir: Jose Padeiro so hieß
der mischblütige Mensch sei ober
halb der Brücke in den Fluß gefallen
und ertrunken.
ich auf meinem Esel, der im leichten
Trab den ihm wohlbekannten Weg zu-
Plötzlich, vielleicht 3<X) Dards
bäumte, daß ich um ein Haar aus dem
Sattel gefallen wäre. Und ich
fühlte, wie es mich eiskalt überlief.
sernt, stand im Wege «ine nxiße Ge
stalt und „Jose" wollte ich ru
fen, aber da war sie schon wie det» Ver
schluß, bei nochmaligem Sichtbarwer
den auf das Gespenst zu schießen, ritt
ich weiter. Zu Hause sagte ich nichts,
aber die Sache wollte mir nicht aus
dem Kopf.
In Wahrheit, ich hatte den Jose
erkannt, und der lebte doch nicht
mehr.
erzählt, sein bester Rertefel sei ihm ge
stohlen worden. Die Hunde hätten die
-ganze Nacht gebellt, und als er infolge
dessen keinen Schlaf fand, sei er aus
gestanden und vor die Thüre getreten.
„Jesus Maria" sagte er und starrte
mich mit noch immer bleichem Gesicht
an „deutlich sah ich auf fünfzig
Schritt Entfernung ein Gespenst ste
hen. Weiß und groß stand dort «ine
dir ganz« Nacht. Aber nichts ließ sich
Gespenster auch stehlen?"
Mit zwei handfesten Männern lag
ich zwei Nächte auf der Lauer. In der
dritten Nacht kam das Gespenst lang
sam auf mein Haus zugeschritten. Alle
gerade in den Weg.
„Jose Padeiro," sagte ich, „wennJhr
stehlen wollt, so stehlt bei mehr aber-
Jch hatte recht. Es war's. Nicht
Ruhe alles.
facher, lebender Hallunke!
„Nicht wahr, Alte, du glaubst auch
nicht mehr an G«spenster?"
schüttelt- energisch m.t d«m
Unmöglich. Lieutenant (im
Dorfwirthshaus): „Wollen Sie auch
einmal eine Cigarette rauchen, Lamm
wirth?" Lamncwirth: „Noi, dös
Zeig kann i'' net raache so weit
bring' i' 's Maul nrt z'samme!"
Die Hauptsache. Jnspec
tor: Ich komme zur Revision der ju
gendlichen Arbeiter. Fabrikant:
Ich habe gar keine Lehrlinge! In
spektor (erstaunt): Keine Lehrlinge
ja wer holt denn bei Jh.
«es das Bier?
Voraussetzung. „Wer
war denn der Herr, der diese un
glaublichen Jagdgeschichten er
zählte!?" «Der pensionirte Herr
Oberförster!" „Donnerwetter, muß
der erst gelogen haben, alt tt
«och g c t i v war!" ..
Zu spät.
Ben W. Mällcr.
In Eilmärschen war das dritte
Corps, die Brandenburger, vorgegan
gen, hatte bei Vionville die aus Metz
abziehende französische Armee erreicht
und dem Befehle gemäß das Gefecht»
gegen sie aufgenommen; seit dem frü
hen Morgen fochten die Tapseren nun
schon g«g«n die zehnfache Uebermacht,
die Granaten hatten sie gliederweise
niedergerissen, die Flintenkugeln die
Reihen gelichtet, aber noch standen sie
im hoffnungslosen Kampf in den er
oberten Stellungen. Sehnsüchtig
wandten sich die Blicke rückwärts nach
der erbetenen Unterstützung; und Re
gimenter auf Regimenter rückten in'S
Gefecht, doch die rothen Achselklappen
zeigten Angehörige des eigenen Trup
pentheils und brachten den im Streite
Stehenden die traurige Gewißheit, daß
sie noch allein in der Schlacht waren.
Sie hatten die Sonne im Pulver
dampf steigen sehen, sie sahen sie wie
der sinken, und leine Hilfe; was kam,
ten zerschossenen Bataillone des eigenen
Corps. Lautlos und kampfesmüde
rückten sie wieder in die lange Reihe der
Schützenlinie ein, ohne Hoffnung, ohne
Klage, bereit zu sterben; der Kamps
ging weiter, und die Tapferen fielen.
Endlich, endlich zeigten sich in weiter
Fern«, dem Auge kaum erkennbar, wie
Ackerfurchen, die langen Linien in's
Gefecht ziehender preußischer Infante
rie. Adjutanten jagten die Reihen
herunter: Sie kommen, Kinder, haltet
die Stellung! Und fester packte die
harte Faust des Mannes den Kolben;
die Zähne zusammengebissen vor In
grimm, die letzte Kugel im Lauf, hiel
ten sie stand im Kugelregen.
Die Hilfe kam, langsam, viel zu
langsam, ob sie gleich im Laufschritt
nahte, für die ermatteten Brandenbur
ger. Schon sahen sie die Helme blin
ken, jetzt konnten sie die einzelnen Sol
daten unterscheiden, und wie ein wilder
Freudenschrei ging es durch die zer
schossenen Glieder: „Weiße Achsel
klappen! Das zehnte Corps ist heran!"
Im Sturmschritt kamen sie näher.
„Hurrah, Brandenburg! Hurrah,
Hannover!" Dann ging es über die
Linien hinaus gegen den Feind. Ab
gelöst waren die Braven, zu Ende für
sie das Gefecht; von allen aber, die
todtesmuthig den Kampf am Morgen
begonnen hatten, kehrten kaum der
dritte Theil zurück, die Gräber von
Vionville decken manch brandenburgi
schen Mann. Ungerecht gegen sie ist
die Geschichte; Lieder und Gesänge
melden von dem Angriff der Reilerge
schwader, Regimenter und Namen le
ben in dem Gedächtniß der Nachwelt
fort, der Tapferen aber, die in den
Schützengräben fielen, gedachte Nie
mand. Mich dünkt, daß das stunden
lange Ausharren im hoffnungslosen
Kampf mehr Mannesmuth erforderte,
als der wilde Ansturm einer Reiter
masse, der auch den Feigen mit sich hin
wegreißt.
Am Rande eines Wäldchens, vorge
schoben vor der Schlachtreihe, hatte das
FüMerbataillon eines Regimentes ge
standen. Zweimal hatte sich der An
griff des Feindes gegen das Gehölz ge
richtet, zweimal hatten ihn die tapfe
ren Füsiliere mit Kolben und Bajonett
abgeschlagen, und noch am Abend
wehte die zerfetzte Fahne des Batail
lons siegreich vor dem Waldrand; jetzt
waren auch sie abgelöst. Was übrig
geblieben war, sammelte sich bei dem
zerschossenen Feldzeichen, schweigend
ordneten sich die gelichteten Reihen; die
Osficiere waren gefallen, todt die
Hälfte der Mannschaft, verwundet fast
alle, so standen sie fertig zum Ab
marsch. „Denket der Brüder!" mahnte
leise der Führer, und willig setzten die
Müden noch einmal die Gewehre zu
sammen und traten wieder in die
Schützengräben. Sorgsam nahmen
sie Sterbende und Todte und trugen
sie in das Wäldchen hinein unter den
Schutz der Bäume, damit die Sonnen
strahlen ihnen nicht die brechenden
Augen blendeten oder vorbeieilende
Reitermassen und Kanonen die Leiber
schändeten ein stilles Vaterunser
dann, ein halblautes Eommando, und
langsam setzten sich die Reste der
tapferen Tausendschast in Bewegung.
Auf dem Schlachtfeld ließen sie die
sterbenden Kameraden, mit sich aber
führten sie die zerschossene Fahne und
den unvergänglichen Ruhm, den sie alle
sich in wilder Todesnoth errungen.
Unter den Männern am Waldrand
lag sterbend ein junger Officier; er
war der letzte gewesen, der das Ba
taillon im Gefechte geführt hatte, er
war der letzte gewesen, den eine ver
irrte Kugel traf. Müde lag der Ober
körper zurückgelehnt an einem Baum
stamm, kraftlos die Hand am Säbel
griff, hielt er die Todtenwacht, der
Sterbende bei den Todten. Schräger
sielen die Sonnenstrahlen durch das
auf den Waldboden, und wie sie in ste
tem Wechsel vorüberhuschten, folgten
ihnen die Augen des Verwundeten;
rendes Vögelchen, das der Gefechts-
Wohnsitze vertrieben hatte, sonst war
es todtenstill. Da wollte es fast wie
ein wehmüthiges Gefühl über ihn kom
machte ihm das Herz nicht schwer; er
hatte nichts zu verlieren und hatte den
Tod im ehrenvollen Kampfe gesucht
aber wieviel Thränen würden tmchl
um die Tapferen fließen, die mit ihm
stallen waren, um sie alle, um den
Geringsten selbst. Mütter, Frauen
und Bräute, alle, alle würden sie um!
die Lieben weinen, die ihnen die Fein
deskugeln genommen hatten, und viel
tausend Grüße würden sie zu den stil
len Gräbern im fernen Lande hinüher
fenden. Die Todten drunten würde es
nicht mehr wecken, aber fühlen würden
sie es in der dunklen Gruft, und die
fremde Erde würde ihnen leicht sein. —
Ob wohl auch ein Gruß für ihn dabei
sein würde? Ob wohl um ihn Je
mand in der Heimath weinte?
Seine Eltern waren lange todt,
Verwandte hatte er nicht, die wenigen
Freunde, die ihm das Leben gegeben
hatte, waren mit ihm in den Kampf
gezogen; vielleicht lagen auch sie auf
dem blutigen Felde, und wenn sie selbst
zurückkehrten, sie waren Soldaten und
würden nicht weinen. Ob sie aber
wohl um ihn weinen würde?
Er sah das kleine märkische Städt
chen wieder, das einst seine Heimath
gewesen war, ihm, der nie eine Hei
math gekannt hatte. Als Sohn eines
verstorbenen Officiers war er in der
Cadettenanstalt groß geworden; man
hatte sich wenig um den Knaben ge
kümmert, der ohne Anhang in der
Welt stand und aus Gnade aufgenom
men war. Entsagen hatte es für ihn
von Jugend an geheißen, zurückstehen
hinter anderen, glücklicheren, Kamera
den. Mit eisernem Willen hatte er die
bittere Empfindung unterdrückt, die
bereitet hatten, und mit eisernem
Fleiße seinen Weg verfolgt, bis er frei
wurde, bis er Officier war. Die Rück
sicht auf fein geringes Vermögen hatte
ihn in das brandenburgische Regiment
geführt, und dieselbe Rücksicht gab ihm
die Vorschrift, wie er sein ferneres Le
ben einzurichten habe; entsagen hatte
es für ihn wieder geheißen, allem ent
sagen, um weiter zu kommen. So
hatte er Verzicht geleistet aus die Freu
den der Jugend, auf den Verkehr mit
den Kameraden, auf alles, was das
Leben angenehm macht, und wenn ihm
das Herz einmal in wildem Begehren
aufschäumte, so hatte es der Verstand
kühl wieder zurückgewiesen; einsam
hatte er leben müssen, um sich ehrlich
durchzuschlagen, und nur den nöthig
sten Verpflichtungen, die ihm fein
Stand auferlegte, hatte «r nachkommen
können. Freudlos waren feine Ju
gendjahre verflossen, freudlos sollte
sein Mannesalter sein, doppelt freud
los, weil ihm das wilde Herz unter
dem lustigen, bunten Rock schlug.
Da hatte der Zufall ihn mit ihr zu
sammengeführt. Ein Paar lachende,
braune Kinderaugen tauchten vor ihm
auf, ein blondes Lockentöpfchen, das
einst sein Reichthum, sein ganzes Glück
gewesen war, und die guten Augen
sahen ihn wieder an, so glücklich, so
hoffnungsfroh wie einst, wie einst in
schöner Zeit. Das kleine Zimmer er
blickte er wieder, in dem er damals ge
haust hatte, und den großen Blumen
strauß, den sie während seiner Abwe
senheit bringen wollte, als er unerwar
tet heimgekehrt war; er hatte sie bisher
kaum beachtet, das Kind, die Tochter
des Meisters, der unten im Hause
wohnte.
„Soll der Strauß für mich sein?"
halte er sie freundlich gefragt, und er
glaubte die Kinderstimme leise wieder
wie in verlegener Entschuldigung ant
worten zu hören: „Ich wollte Ihnen
eine Freude machen."
Wie er sich abwandte, um zu verber
gen, was ihm so seltsam über das Ge
sicht flog, hatte sie um Verzeihung bit
tend seine Hand gefaßt: „Sie haben
so traurige Augen, Herr Lieutenant."
Was dann gekommen war. wußte er
nicht mehr, es verschwamm ihm alles
in der Erinnerung mit der späteren
Zeit. Er war ein armer, vermögens
loser Officier gewesen, ein einsamer
Mensch; sie aber hatte nichts darnach
gefragt, sie hatte ihn lieb gehabt, nur
ihn und seine Armuth, und wenn ihm
die Sorgen ums Leben frühzeitig Fal
ten aus die junge Stirn grübe», so
hatte ihm die wirren Locken aus der
Stirn gestrichen und ihm gelacht, bis
er die Sorgen vergaß. Und vergessen
hatte er darüber auch, daß das Leben
dem Einzelnen Schranken stellt, ver
gessen, daß er Officier und daß er arm
war. Wohl mahnte ihn der Verstand
zur Einsicht, und das ruhige Deuten
zeigte ihm die Aussichtslosigkeit seiner
Wünsche, aber das wilde Herz hatte
nicht mehr darauf gehört; es hatte ihm
Traumbilder vorgegaukelt von süßem
Glück, von einer frohen Zukunft, eS
hatte keine Schranken kennen wollen,
die einer innigen Liebe und einem festen
Willen nicht überwindbar gewesen
wären, und hatte ihm die Welt und
ihre Gesetze in Vergessenheit gewiegt
bleichen Gesicht.
über Ihr Leben. Aber Sie sind auf
Ihren Degen angewiesen, und der
Stand erfordert Rücksichten. Ich kann
Sie freilich gewaltsam nicht hallen,
suchen, ist zweifelhaft, ehe Sie es fin
den, können Jahre vergehen; Sie aber
tetten ein junges Menschenleben an sich
reißen das Mädchen gewaltsam aus
den Verhältnissen, in denen sie groß
geworden ist, und die vielleicht eise
größere Befriedigung für sie in sich
bergen, als Sie sie ihr jemals werden
bieten können. Wenn Sie die Verant
wortung auf sich nehmen wollen, so
kann ich nichts dagegen thun. Sie
aber haben Ihrem König Treue ge
schworen, und einen Treuschwur löst
man nicht leichten Sinnes, JhrePslicht
ruft Sie zu der Fahne. Ich habe für
Sie ein Eommando erwirkt, das Sie
auf längere Zeit vom Regiment ent
fernt; bewähren Sie sich dort, wie Sie
sich hier stets gezeigt haten, als tüchti
gen Officier, als liebenswürdigen Cha
rakter, so ist Ihnen ein schnelles
Avancement sicher. Hegen Sie dann
später noch dieselben Wünsche, so wer
den Sie die Schwierigkeiten leichter
überwinden können, heute aber haben
Sie zu wählen zwischen Ihrer Liebe
und Ihrer Carriere."
Er war bei den hasten Worten
schmerzlich zusammengezuckt und hatte
keine Antwort gefunden, da hatte der
Oberst auf einmal seine Hand gefaßt,
und als er ihn ansah, war es ihm er
schienen, als wären seine Augen voll
Thränen, als sprächt aus ihnen ein
altes, längst begrabenes Weh.
„Als ich jung wer," hörte er ihn
leise sagen, „habe ich einmal empfun
den wie Sie, auch ich habe entsagen
müssen und bin seit jener Stunde ein
einsamer Mensch geworden; in streb
samer Arbeit habe ich Vergessenheit ge
sucht, Ruhm und Ehre habe ich mir er
worben, das Glück der Jugend hat
mir das Leben nicht mehr zurückgege
ben. Ob ich aber heute in grauen
Haaren auf ein liebeleeres Leben zu
rückschalle, habe ich doch trotz allem
Weh das stolze Bewußtsein für mich,
meine Pflicht gethan zu haben; ich war
ein armer Mensch, aber ein braver
Soldat."
Er war aufgestanden. „Ich will
von ihr Abschied nehmen, HerrOb«rst!"
Doch der Alte hatte ihn wieder zu sich
herabgezogen.
„Auch das muß ich Ihnen versagen,
Herr Kamerad; ein thränenreicher Ab
gen. Die Welt weiß von Ihrer Liebe,
und die Welt sieht nur das Schlechte;
an Ihnen liegt es, alles zu vermeiden,
was der jungen Dame zum Vorwurf
gemacht werden kann, denn was heute
vermuthet wird, ist morgen zur Ge
wißheit geworden. Von Ihrer Ehren
haftigkeit erwarte ich, daß Sie ohne
Schuld gehen können, das Eommando
ermöglicht unauffällig eine plötzliche
Abreise, und weil ich Ihr Bestes will,
fordere ich von Ihrer Liebe das
Schwerste. Ein solcher-Abschied würde
Hoffnungen erwecken, die Sie später
vielleicht nicht erfüllen können und zu
einem Gerede Anlaß geben, das der
jungen Dame nur schaden kann. Gehen
Sie, selbst auf die Gefahr hin, von der
falsch beurtheilt zu werden, für die Sie
allem entsagen, später dankt sie es
Ihnen vielleicht einmal."
Es war im Zimmer still geworden,
ganz still; noch immer saß der alte
Herr neben ihm ilnd hielt seine Hand
gefaßt, aber er sprach nicht mehr, die
Bilder einer verflossenen Zeit gingen
an ihm vorüber. Endlich stand er aus,
auch der junge Officier erhob sich.
„Ich erwarte morgen früh JhreAnt
wort, Herr Lieutenant," sagte er im
Tone des Vorgesetzten.
„Ich bitte den Herrn Obersten ge
horsamst um die Erlaubniß, noch heute
Abend mein Eommando antreten zu
dürfen," aptwortet« er.
Ein paar Zeilen hatten ihr Auf
schluß gegeben, daß er und warum er
für immer gegangen war.
Fast zwei Jahre lagen nun dazwi
schen, Jahre voll rastlosen Strebens,
Jahre trostlosen Seins; wie oft hatte
er in einsamen Stunden den Krieg her
beigesehnt und sich einen ehrenvollen
Tod gewünscht. Das Schicksal hatte
ihm den Wunsch erfüllt, er stand am
Ende seines Lebens, und ruhmreich
war sein Ausgang. Ihm war es reckt,
daß es jetzt zu Ende ging; der leise
Hoffnungsschimmer, dem er «inst ver
traut hatte, war längst verblichen, er
hatte bei ruhigem Denken einsehen ge
lernt, wie groß die Kluft war, die sie
beide trennte, öde und endlos schien
ihm die Zukunft; und für das Herzweh
war die Kugel das beste Mittel. Was
nützte es ihn, wenn er mit den Tapfe
ren im Siegesjubel heimkehrte, sie
würde doch kein Kränzlein für ihn ha
ben und würde sich abwenden, wenn er
vorüberzöge; sie wußte ja nicht, daß er
ihr zu liebe gegangen war, wußte ja
nicht, daß er elend seit jener Stunde
geworden, sie wußte ja nicht, daß nicht
nur das Suchen nach Vergessenheit,
sondern auch der geringe Schimmer
trügerischer Hoffnung die Triebfedern
seiner rastlosen Arb«it gewesen waren,
und wenn man es ihr selbst sagte, sie
würde es nicht glauben, er war und
blieb in ihren Augen ein Verräther.
Gut, daß er aus dem Felde der Ehre
fiel, es war so.
Er fuhr mit der Hand nach der
schmerzenden Brust und stieß an das
kleine Kreuz, das ihm vor wenigen Ta
gen als Auszeichnung verliehen wor
den war. Wie gering war die That
und er heute geleistet hatten; wenn er
nicht starb, so trug ihm das Gefecht
wohl noch einen andern Orden ein.
thum vor ihm ausgezeichnet hatten, die
Orden auf seiner Brust machten vieles
wett. Wozu? Für ihn hatte es doch
keinen Werth.
Denken durch das fiebernde Gehirn.
Wenn ihn die Kugel nun zum Krüppel
machte, wenn er zum Soldaten un-
srauqvar wurve? Dann war er
nicht mehr Officier, dann verließ er
nicht treulos die Fahne, dann riß ihn
die Kugel aus seiner Lausbahn! Er
aber durfte begehren, denn er hatte sür
das Vaterland gefochten!
Hinter den Bergen sank die Sonne
und ihre letzten Strahlen leuchteten
auf dem todblassen Gesicht des Ver
wundeten. Der Abendnebel zog über
das Feld, leise kam die Nacht, und der
Todesengcl schritt über die blutige
Wahlstatt; in seiner Hand glänzte die
Fackel, und wenn er sie senkte,so beugte
sich sein Begleiter über den Sterbenden
und küßte ihm den letzten Seuszer von
den blassen Lippen. Auch zu den Fü
silieren kamen die Engel, langsam
schritten sie die lange Reihe herauf und
riefen die Braven ab, die die Erde ver
lassen sollten. Nun kamen sie in seine
Nähe; da lag ein armer Soldat aus
aber ein greises Weib warf sich ihm zu
Füßen, umfaßte seine Kniee und bat
für den sterbenden Sohn. Und der
Engel hatte Erbarmen und schritt vor
unergründlichen Augen ruhten auf ihm
mit stummer Frage. Wie wildes Weh
zog es ihm durch's Herz; er hatte den
Tod nicht gefürchtet und ihm in man
cher Schlacht muthig entgegengesehen,
aber jetzt sterben zu müssen, jetzt, wo
ihm das Leben wieder so hoffnungs
froh winkte, fortgehen zu sollen, ohne
sie gesehen zu haben, ohne daß er sagen
konnte, daß er hatte gut machen wollen,
was er ihr gethan, daß er sie geliebt
habe immer und immer, jetzt sterben zu
müssen in ihrem Fluche das machte
ihm das Scheiden schwer. Noch immer
sah ihn der Engel an und las ihm die
Gedanken von der bleichen Stirne,
aber unbewegt blieb sein Antlitz, und
langsam senkte die Hand die Fackel zur
Erde; er faltete wie in der Kinderzeit
die Hände über der wunden Brust zu
sammen zu stummem Gebete, zu Ende,
Da warf sich eine lichte Gestalt zwi
schen ihn und den Tod, und er hörte
leise die Kinderstimme für sich beten
mit heißem Flehen; sie hielt die Kniee
des Engels umklammert und sah ihm
furchtlos in die unergründlichen Augen.
Und das Antlitz des Engels wandelte
sich, er sah gütig zu ihr herab, beugte
sich nieder und. küßte sie auf die weiße
Stirn.
Als er aber wieder aufsah, war es
der Tod nicht mehr, es war ein mildes
Greisenantlitz, sein alter Oberst war
es, er legte ihre Hände zusammen und
sah ihn an, so gut, so liebevoll wie
damals, als er Abschied nehmen mußte.
Dann setzte sie sich neben ihn, strich ihm
die blutigen Locken zurück und küßte
ihm den blassen Mund. Da wurde
ihm so leicht ums Herz, die Wunde
schmerzte nicht mehr, die Brust that
ihm nicht mehr weh. er brauchte nicht
in ihrem Fluche zu sterben, er war wie
der bei ihr für immer.
Wenige Tage später brauste der Si
egesjubel durch das deutsche Land? in
dreitägiger Schlacht war Bazaine ge
worfen, die französische Armee zurück
gedrängt und in Metz eingeschlossen.
Auf den Bergen im weilen Reich loh
ten die Freudenfeuer, und die Kirchen
glocken kündeten mit ehernem Mund
Städtchen aber saß ein blasses Weib,
sich mit bitteren Thränen; ein Schrei
ben seines Obersten hatte ihr die
Kunde gebracht, daß er für das Va
terland gefallen war.
Ja's-'i
Koa' Wörtl red't er mehr mit ihr
Es is fcho' frei a' Jamma!
A Bisserl wird's halt g'fpeanzelt Hamm
Am Tanzbod'n mit an' Jaya
Dös nimmt der Hans glei' so viel
krumm,
Gar nix mehr wissen mag a'.
Da sagt feinSpezi: „Geh', sei g'fcheidt.
Was machst denn da für G'fchichten,
Schrob' ihr a' Briafel, Deiner Lies,
Na' laßt fi' All's no' schlichten!"
Dös leucht't eam ein. Er laaft eam
glei'
Und setzt si' hin: „Jetz' schreib' i' 's
ihr,
Wia schlecht s' war gegen meina!
Und wia's mcr schier meinHerz dadruckt
Bor Sehnsuchl und Verlang«.
Und daß i' eam den Hals umdrah'.
Dem Greanrock, sollt' i' 'n sanga!"
Wild tunkt da Hans sein' Feder «in
Na' laßt er's dengerscht bleiben:
Kreuz Birnbaum! Jetza fallt's eam
«in
Er kann ja gar net schreiben!
Kein Druckfehler. „Ein
drolliger Druckfehler, mein Herren;
hier st«ht in der Zeitung etwas von
einer Stromschnalle!" —„Wieso Druck
sehler, liebe: Doktor? Das wird eben
die Schnalle zu einer Wasserhose fein!"
EinPraktikus. . .Nebst
dem Hausschlüssel führe ich in der
Tasche immer einen Magnet mit; fällt
mir der Hausschlüssel hinunter und
habe ich kein Licht bei mir, so suche ich
ihn mit dem Magnet!" „Wie denn
aber, wenn Du den Magnet ein
mal verlierst?" «Nun, dann suche
ich ihn mit dem Hausschlüsfel!"
„Man sag!.»'
berühmte, das berüchtigte Wort d«s
vierzehnten Ludwig von Frankreich:
„Der Staat bin ich!" dieses Wort,
in welchem autokratischer Größen
wahn zu so prägnantem Ausdruck g«-
es keinen, der es gewagt hätte, der
Selbstherrlichkeit seines absolutistischen
Willens auch nur in Gedanken Wider
mächtigsten aller socialen Götzen.
Nach dem Gesagten verdächtigen
meine Leserinnen mich vielleicht der
Absicht, gegen den Absolutismus d«r
Despotin „Mode" zu Felde zu ziehen?
haben selbst die schärfsten Angriffe?
dernd, fallt der Blick des Gast«s auf
liegend« Zeitschrift. „Was liest Du
sie gut?" „Ausgezeichnet, sehr amü
sant; da ist ein deliciös«? Aufsatz über
den Luxus und die Modesucht der Da-
Geist. Du mußt das Blatt mitneh
men. es wird Dich sehr unterhalten."
„So, wirtlich, laß sehen! Von wem
ist der Artikel? Ach, von Z." „Ich
es Dir? Das freut mich.
sichte stehen. Wenn Du willst,'so führe
ich Dich zu Madame U." „O, ge
wiß! Wie liebenswürdig Du bist!"
Und Frau Z., die soeben von dem ge
gen den luxuriösen Modedienst der Da
menwelt gerichteten Artikel ganz „ent
zückt" war, alles darin Gesagte „sehr
wahr" und „vortrefflich" fand, eilt mit
ihrer Freundin zu Madame U., um zu
den zwei oder drei Hüten, die sie für
die laufende Saison schon besitzt, den
dritten oder vierten zu kaufen.
det, aber leider gänzlich erfolglos. Die
Vereine schössen über ihr Ziel hinaus.
Von edlem Feuereifer fortgerissen, gin
gen die weiblichen Mitglieder in ihrer
stoischen Verachtung von eitlem Putz
und Tand leider so weit, daß sie sich
wie wahre Vogelscheuchen kleideten und
dadurch, statt ein zur Nachahmung
einladendes, ein abschreckendis Beispiel
boten. Natürlicherweise konnten die
Ja, habe ich denn nicht aber Ein
gangs dieser Zeilen versprochen, daß
sie nicht gegen die Modesucht gerichtet
sein sollten? Die verehrte Leserin ließ
sich vielleicht nur im guten Glauben an
(ich bitte inständig, diese zwei Worte
nicht als ein Wort zu lesen!) überMode
und Modecultus spreche nein, die
dieser Machthaberin steht fester, als die
ren Boden der freiwilligen Sklaverei
der Beherrschten. Diese Despotin
heißt: das Urtheil der Leute. „Was
starke Geister zittern; «ine Macht, die
Hinsichtlich der äußeren Lebensfor
men befindet sich die groß« Masse der
jeder einzelne durch die des öf
fentlichen Urtheiles gewissermaßen ge
zwungen ist. den seiner eigenen Klasse
gemeinsamen Lebensregeln sich zu fü
gen. Ueber die unbedeutendsten wie
wand. außer in jenen gar seltenen Fäl
len. in denen großer Geist, großer
ZMchthum oder sehr hoher Rang eine»
Menschen in Stand setzen, der Gesell
schaft eher zu gebieten, als sich von ihr
gebieten zu lassen, zu verletzen wagt.
So gewohnt ist man, das Urtheil der
öffentlichen Meinung über das eigene
Urtheil zu stellen, daß fast AlleH was
geschieht, auf den Effekt berechnet ist.
Der Vernünftigere ist auf diese Mise
genöthigt, die Maxime der Minderver
nünftigen zur Norm seiner Handlungs
weise zu machen. Uebertreibe ich etwa?
Wie oft geschieht es doch, daß eilt
Mensch das von ihm als gut und ver
nünftig, Erkannte nicht durchzuführen
wagt, da er weiß, daß er dann mit ei
ner herrschenden Sitte, mit ein«m durch
Gewohnheit zum Gesetz erhobenen
Brauch in Eonflikt geriethe? Und diese
Fesseln, die jeder trägt, die jeden mehr
oder minder belästigen, über die viele
im Verborgenen seufzen und die doch
keiner den Muth hat abzustreifen, es
sind selbstgeschmiedete Ketten!
Was wäre es denn, wenn dies eben
so schmähliche wie lächerlich« Joch, die
bleicht Furcht vor d«m Urtheil der
Menge, doch abgeschüttelt würde?/
heuchelt.
Man sage nicht, daß «6 unmöglich
sei, sich d«m Zauberbann des öffent
lichen Urtheils zu widersetzen, daß der
einzelne sich unbedingt der Allgemein
heit fügen müsse, da diese die stärkere
sei. Auf die öffentliche Meinung läßt
sich viel eh«r anwenden, was Goethe
von der Kritik sagt: „Man kann sich
gegen sie weder schützen noch wehren;
man muß ihr zum Trutz handeln, und
das läßt sie sich nach und nach gefal
len."
Wenn jeder es sich zur Gewohnheit
machen wollte, das, was er als das
Rechte und Vernunftentsprechende er
kennt. ungescheut durchzuführen, unbe--»
kümmert darum, ob andere ein beifäl
liges oder mißliebiges Urtheil darüber
fällen mögen, dann würde sich in der
Gesellschaft allmälig die Erkenntnis
Bahn brechen, daß sie das Recht nicht
habe, sich in die Lebensführung des
einzelnen einzumischen, solange dieser
nichts thut, wodurch jemandem ein
Schaden zugefügt wird! Hierdurch
würde die individuelle Freiheit erwei
tert. die empfindlichste «und heim
tückischste aller Tyranneien gebrochen
und die öffentliche Meinung dahin re
gulirt, daß sie wie es sein sollte
nur unmoralische, nicht aber unge
wohnte und sonderliche Handlungen
verurtheilte.
Daß wenn diese Despotin, die
Furcht vor dem Urtheil anderer, vor
dem. was „man sagt", entthront würde
auch die blitlde Gewaltherrschaft ih
rer Muhme Mode verständigeren
Grundsätzen weichen würde, unterliegt
wohl keinem Zweifel. Wie manche
Frau würde sich mit einfacher, ihrem
Stande oder ihren finanziellen Ver
hältnissen besser angepaßten Toilette
begnügen, wenn nicht der Schreckensge
danke: „Was wird diese oder jene den
ken, wenn sie mich in so schlichten Klei
dern sieht?" sie dazu veranlaßte,
einem Prunk und Luxus zu huldigen,
der oft auf Kosten der Befriedigung
aller edlen geistigen und künstlerischen
Bedürfnisse, ja selbst oftmals der zur
Erhaltung der Gesundheit erforderli
chen Lebensbedürfnisse erkauft wird!—
Aber da bin ich ja abermals bei dem
verbotenen Thema, der Mode, ange
langt!
Fasching.
Lichterglanz, flotter Tanz.
Dichtes Gewühl,
Flittertand. Druck der Hand,
Kosendes Spiel
Maske schön, laß doch feh'n,
Wer drunter steckt?
Ist erst elf nicht vor zwölf
Wird das entdeckt!
Lachen schallt, Sect, der knallt.
Hoch steigt die Lust.
Morgen? Bah! Sorgen? Na,
Fühlt nicht die Brust,
Gut und schlecht —'s will ihr Recht
Dock) jede Zeit,
Faschingsmond ist gewohnt
Närrisches Kleid.
Knall und Fall auf den Ball
Sicher ich geh'
Wenn auf nur nicht wär'
Ein Pessimist. „Ich sage
Dir, ich liebe die kleine Emilie, ich
kann ohne sie nicht leben!"
„Heirathe sie und Du wirst sehen, daß.
Du mit ihr nicht leben kannst!"
Schon glaublich. A.:
Wieviel hat denn Ihr Kassirer unter
schlagen? B.: Hunoerttausend
Dollars. A.: So, na da kann
er ja ganz anständig 'mit le
ben!
Sehr glaubhaft. Gast:
„Donnerwetter, Kellner, was ist das
für 'ne Wirthschaft! Jetzt finde ich «in
Haar in der Suppe! Wollen Sie es so
fort der Wirthin sagen!" Kellner:
„Beruhigen Sie sich, bester Herr; der
Wirth hat vorhin auch eins in seiner
Supve gefunden, der Wirthin aber
nichts gesagt!"