Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, January 18, 1895, Page 6, Image 6

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    6 Wurstgift.
Bon OSlar Klein.
Herr Zacharias Flötenbaum war,
wenn man diesen Ausdruck hier ge
brauchen dürfte, ein «ing«fl«ifch
t«r Vegetarianer, der sich rühmte, seit
seinem 16. Lebensjahre keinen Bissen
Fleisch zu sich genommen zu haben.
Er war natürlich Mitglied des vege
tarischen Clubs „Zum zufriedenen
Kohlkopf" und sein stattliches Bäuch
lein gewissermaßen der Triumph des
ganzen Clubs. „Sehen Sie hier un
sern Freund Flötenbaum," pflegte der
Vorsitzende immer zu sprechen, wenn
er einen Ungläubigen dem vegetarischen
Club gewinnen wollte: „sehen Sie hier
unsern Freund Flötenbaum, der seit
seinem 16. Lebensjahre dem eklen Lei
chensraße entsagt hat; wie ist sie ihm
angeschlagen, die vernunftgemäße Le
bensweise, wie blühend, wie rund, wie
wohlgenährt sieht er aus!" Und wirk
lich, Flötenbaums feistes Aeußere
wirkte mehr als alle Reden. Nur in
seinem eigenen Hause war er ohn
mächtig, denn weder sein« Frau, noch
sein hübsches Töchterch«n Anna schie
nen die Kraft zu haben, ihrem natürli
chen Herrn und Gebieter auf dem Wege
der Entsagung des Fleisches nachzufol
gen. Das tränkte natürlich unsern
guten Vegetarianer; noch mehrSchmerz
bereitete es ihm jedoch, daß sein Aenn
chen sich unter allen Menschen der Welt
gerade den zum Verlieben aussuchte,
den er am wenigsten zum Schwieger
sohn wünschte, nämlich den jungen
Arzt Theo Hinrichs, den einzigen Dok
tor des Städtchens unk gleichzeitig der
Vorkämpfer für den „entsetzlichen
Brauch, feinen Magen zum Kirchhofe
für thierifche Leichen zu machen", wie
der Club schaudernd erklärte. Selbst
verständlich verbot Flötenbaum seiner
Tochter jeden ferneren Verkehr mit dem
„verruchten Fleischfresser", und ebenso
selbstverständlich trafen sich die jungen
Leutchen von nun an erst recht. Den
noch würde, obwohl die Mutter der
Verbindung sehr geneigt war, recht
wenig Aussicht zu einer solchen gewe
sen sein, wenn sich nicht das Schicksal
in's Mittel gelegt hätte. Eines Mor
gens nämlich, Herr Flötenbaum war
gerade am Abend vorher von einer klei
nen Reis«, die er ziemlich oft zu machen
hatte, zurückgekehrt, fühlte er sich nicht
so wohl als sonst und mußte zum
Arzte schicke« lassen. Als derselbe end
lich kam, fand er unfern Vegeiarianer
ernstlich krank. Seiner Kunst gelang
es bald, den Leidenden wieder herzu
stellen, worauf er um Annas Hand bat.
„Niemals, und wenn Sie mir zehnmal
des Leben gerettet hätten," tobte Papa
Flötenbaum, „werden Sie mein
Schwiegersohn!" Aennchen weinte,
Dr. Hinrichs aber, der tröstend ihre
Hand erfaßt hatte, meinte lächelnd:
„Schwiegerpapa, man soll nichts ver
schwören!" „Der Deibel ist Ihr
Schwiegerpapa!" vlüllte Flötenbaum
aufgeregt, „lassen Sie sofort die Hand
meiner Tochter los und gehen Sie
Ihrer Wege!" Das werde ich auch,"
meinte der Doktor seelenruhig, „und
wissen Sie, wohin ich gehen werde?
In die Redaktion unseres Wochenblat
tes, um daselbst einen kleinen Artikel
einzureichen, wie einer unserer eifrig
sten Vegetarianer neulich fast an einer
Vergiftung mit Wurstgift gestorben
wäre!" „Was wollen Sie damit
sagen?" fragte Flötenbaum, der plötz
lich sehr sanft geworden war.—„Nichts
weiter," war die Antwort, „als daß
Sie neulich an einer Erkrankung durch
Wurstgist daniederlagen. Gestehen
Sie es nur, Schwiegerpapa, Ihre häu
figen Reisen haben meist nur den
Zweck, dem „Leichenfraße" zu sröhnen,
ein Wort von mir, und Sie sind in der
ganzen Stadt blamirt; geben Sie mir
also Ihre Tochter oder" „Da
haben Sie sie," schrie der entlarvte
Vegeiarianer.
Dt« Nede eines Ncdncrs.
Wenn ich als beredtester Redner der
rednenden Redezeit mich überreden lasse
jetzt eine Rede zu reden, so reden Sie
sich nicht etwa «in. daß ich Ihnen et
was vorreden werde; davon ist keine
Rede. Wenn man sich einredet eine
Rede reden zu können, und sich überre
den läßt, sich redlich zu bemühen, als
rednender Redner beredtest von sich
Rede zu machen, so muß man vor allen
Dingen Reden reden können. Ich rede
mir ein, Ihnen aufreden zu
können, daß ich ein Redner bin. Sie
werden nicht in Abrede stellen, daß
meine Anrede mehr eine Vorrede war,
auf die von einer Nachrede keine Rede
mehr sein kann, aber lassen Sie mich
ausreden! Nicht jed?r Redner, der re
dend Reden red«t, kann solche Reden
reden, wie ich rede, denn ich kann Re
den rede», sage ich Ihnen, darüber
könnte man Reden reden! Und wenn
Sie von dieser Rede, die ich Ihnen jetzt
vorgeredet habe, noch reden werden,
rede, dann rede ich mir ein, ich kann
als beredtester Redner der rednenden
Rednerzeit in beredter Weise von mir
Grob. Junger Dichter: „Wie
Licht unter den Scheffel gestellt."
den Scheffel, das fällt keinem Men
schen auf."
Un nöthige Sorge. Drei
alte Jungfern (nachdem sie zum Fenster
hinausgesehen): „Wollen w>r lieber
vom Fenster weggehen! Die Herren
da unten auf der Straße könnten sonst
meinen, hier sei ein Mädchenpen
siona t."
Drillmlmn's Uätcr.
Eine Soldatcngeschtchtc.
«Die Schwenkung war mal wieder
unter aller Kanone. Rein zum Ver
zweifeln!" wetterte der Lieutenant
Öikitirdorf, ein kleiner, gutmüthiger
Marsjiinger, der sich jedoch höllisch in
Wuth reden konnte, „wenn er gerade
nicht auf seinem Groschen war", wie
Unterofsicier Drillmann zu sagen
pflegte. „Der zweite Mann vom rech
ten Flügel aus soll mal vortreten.
Wie heißen Sie? Ach so, der Herr
Bacherl mit der Künstlertolle!
Habe ich Ihnen nicht gestern schon ge
sagt, Sie sollen sich Ihren Urwald
vom Regimentsbarbier herunterhobeln
lassen?"
„Zu Befehl, Herr Lieutenant!" ent
gegnete der arme Sünder, den sich das
Schicksal und Lieutenant Hilgendorf
zum Opferlamm auserkoren hatten.
„Nun und warum rft das unterblie
ben? Oder ist das etwa schon wieder
Nachwuchs?"
„Der Regimentsbarbier ist auf drei
Tage beurlaubt, Herr Lieutenant!" be
schwichtigte der Feldwebel der Com
pagnie den Gestrengen.
„50?.... Na, dann ist das was
anderes. Aber Ihren Schlenkerschritt
müssen Sie sich noch abgewöhnen. Ba
cherl, Sie schlottern ja ordentlich mit
den Beinen. Was sind Sie denn von
Beruf?"
„Schauspieler, Herr Lieutenant!"
„Ah, Schauspieler!.... Schauspie
ler! Geben wohl immer verrückte Lieb
haber! Drei Schritt über die ganze
Bühne weg und futsch, was?"
„Ich bin Charakterspieler, Herr
Lieutenant!" erklärte Bacherl und ein
leises Lächeln huschte über sein aus
drucksvolles Gesicht.
„Na, als militärischer Charakter
sind Sie gerade kein Licht! Wenn Sie
Ihre anderen Rollen nicht besser spie
len. werden Sie an faulen Affeln
auch keinen Mangel haben."
„Bis jetzt habe ich dergleichen
Früchte noch nicht geerntet, Herr
Lieutenant!"
„Nee, er spielt sehr gut!" erklärte
halblaut der dicke Feldwebel. „Neulich
war ich mal auf seiner Stube, wie er'n
Ende aus Schillern seinem „Fiasko"
deklamirte! Das war ord'ntlich grau
lich!"
„Alle Wetter!" meinte Herr von Hil
gendorf. „Sie machen Einem ja bei
nahe den Mund wässerig. Na, dann
bitt' ich, daß Sie mir nächstens auch
mal 'n Stück von Ihrer Kunst zeigen!
Haben Sie Lust?"
„Es wird mir eine Ehre sein, Herr
Lieutenant. Haben Sie vielleicht einen
Wunsch?"
„Ganz, was Sie wollen. Kommen
Sie nur gelegentlich mal auf mein
Zimmer, wenn Sie Zeit haben und ich
zu Haus« bin."
«Zu Besebl, Herr Lieutenant!"
»Na, nu treten Sie zurück!.. Still
gestanden.... Richt't Euch! Wir wer
den die Bewegung noch mal ausfüh
ren! Aber nu mal 'n bischen proppe
rer. meine Herren Schlapphosen!" er
munterte Herr Hilgendorf die Land-
Wehr-Eompagnie und mit sittlichem
Eifer kamen die wackeren Vaterlands
vertheidiger seinen Commandos nach,
sy daß sie nach Verlauf einer kleinen
halben Stunde für diesen Nachmittag
entlassen werden konnten.
„Sagen Sie mal, Bacherl," erkun
digte sich Drillmann beim Nachhause
marsch, in welchem Theater kann man
Ihnen denn bewundern, wenn Sie
Ihre Uebung hinter sich haben?"
„Im Karl-Theater, Herr Unterofsi
cier!" gab der Angeredete Auskunft.
„Was? Karl-Theater? Da bin ich
doch letzten Winter an die zehn Mal
drin gewesen. Aber gesehen habe ich
Ihnen nich. Nich mal auf 'n Zettel.
Was meine Braut is, geht nämlich nich
ohne Zettel, 'n Zettel muß fe partout
kab'n Aber Bacherl Ba
cherl? Nee, der Name wär' Einem
doch aufgefallen!" wunderte sich Drill
mann.
„So steh' ich auch nicht darauf ver
zeichnet, Herr Unterofsicier!" bemerkte
Bacherl lachend. „Ich habe als Schau
spieler einen sogenannten ix»n äe
„Auf Lateinisch verstehen wir uns
»ich bei's Militär. Was heißt das?"
fragte der ehrliche Drillmann.
„Das heißt eigentl.ch Kriegsname,
bedeutet in diesem Falle jedock Büh
nen- oder Schauspieler-Name!" setzte
Bacherl ihm höflich auseinander.
„Na, das is ja doch aber schnurrig.
Ihr Kriegsname muß doch wohl Ba
cherl sein! Als Bacherl werden Sie in
den Listen geführt. Ja, ja, die Herren
Künstler stell:» die ganze Welt auf 'n
Kopp!" philofophirte Drillmann. „Na,
nu aber mal raus mit die wilde Sau!
Zettel?" "
„Als Erlbach, Herr Unterofsicier!"
„Erlbach? Ja wohl, den kenne ich
sehr gut. Der spielt immer di« Hal
lunken und schlechte Sorte! .... Potz
Und das sind Sie?
Das hätt tch wahrhaftig nickt gedacht!
auf Erlbach?"
„Seh'n Sie, Herr Unteroffici«r Ba
cherl klingt für unfereinen 'n bischen
zu triste! Ist kein rechter Schwung
d'rin! Ein Theatername muß nach
was aussehen! Und da habe ich mit
meinem eigentlichen Namen mal „ho
kus, pokus, eins, zwei, drei!" gespielt,
rechts nach links und links nach rechts
gesetzt und da ist eben <Nis „Bach und
„erl" .Erlbach" geworden!"
Drillmann überlegt« sich den Fall
eine Weile. Er war ein tüchtiaer Un
terofsicier; aber allzu schnelle Auffas
sung war nicht seine Sache.
„Wahrhaftig!" sagte er endlich
„Bach-erl .... Erl—dach! Na. so
was! Aber 's stimmt!"
NaLirlich bemächtigten sich die Ka
meraden Bacherls sofort dieses interes
santen Vexirspiels mit Namen. Eine
ganze Reihe wurde durchprobirt, die
indeß wenig günstige Resultate ergab,
bis auf den Namen des Feldwebels
„Tewes", der sich nach der Bacherl'-
schen Methode als „Weste" entvuppt«.
Davon war aber der dicke Feldwebel
wenig erbaut; die Geschichte ärgerte
ihn, obgleich «r «igentlich nicht recht
wußte, weswegen. Plötzlich jedoch
leuchtete sein Bollmondsgesicht in Heller
„Wie sl-bt's denn bei Ihnen, Drill
mann?" fragte er und that dabei so
harmlos, als könne er nicht bis fünf
zählen. „Drillmann Mandrill"!"
Erft flog ein leises Kichern durch
die Reihen der munteren Mamisckast;
nach und nach aber entwickelte sich da
raus ein Hilles Gelächter. Drillmann
merkte wohl, daß es auf seine Kosten
ging: nur wußte er noch nicht, w>e das
eigentlich zusammenhing.
„Was ist denn da?" meint« er halb
entrüstet, halb verwundert über die
schnurrige Heiterkeit in der Compag
nie. „Drillmann Mandrill? Was
soll denn das sein? Mandrill? Das
ist ja quatsch, darüber zu lachen. Man
drill ist ja gar nichts. So was gibt's
ja gar nicht!"
„Wenigstens bei uns nicht!" be
merkte vorlaut ein Berliner, der sich
den Schnabel schon öfter verbrannt
hatte.
„So? Dann also doch wo anders?
....Wollen Sie mir wohl gleich sa
gen. wo man so 'n Ding zu feben krie
aen kann?" wetterte beleidigt der Un
terofsicier.
„Ick werde mir hüten!" entgegnete
vorsichtig der Berliner.
„Den Donnerwetter aber, ich will's
wissen!"
sagen: Im Affenkasten!"
„Wa? Sie knickebeeniger Berliner?
So was wagen Sie sich, Ihrem Un
terofsicier anzudichten?" schrie in höch
„Ja, Drillmann, Recht hat er!"
etwa nicht? Wie?"
Nachmittag zu Hause bleiben und die
Leibwäsche beaufsichtigen. Vielleicht
besinnen Sie sich bei der Gelegenheit
ein bischen auf den Respekt, den Sie
Ihren Vorgesetzten schuldig sind!"
Der nächste Tag war ein Sonntag.
Drillmann hatte denselben zum Trä
wollte „sie", nämlich die ehr- und tu
gendsame Jungfrau Minna Höpsner,
Köchin bei der Frau Geheimrath
Bacherl fühlte tiefes Mitleid mit
»Denken Sie vielleicht, er wartet bloß
iuf Sie, daß Sie zupp«n sollen, damit
lr nicken kann?"
„Nein doch. Aber ich hätte eine
?>dee. Nur dürfen Sie mich nicht ver-
Und voll Eifer «r drm An
:!er sagt«, aber ein Rettungsanker in
ttr verzweifelten Lage, in die ihn das
Schicksal nun einmal hinein"-s«oß«n
iin Schmiedehammer klopfte, sagte er
mdlich ja zu allem, was Mevbisto-Ba
jh«rl von ihm verlangte.
Lieutenant von Hilaendors batt« gut
lefrüchstückt. Ein Glas Portw«in und
itliche Schoppen Hofbräu hatten nicht
,-fehlt und so lag er in der angenehm
i.-x Laune auf dem etwas mageren
Zopba seines Zimmers in der Käsern«,
ils «s plötzlich draußen klopfte und auf
«in „Herein" sich demüthig ein alter,
«bückt«! Mann in ärmlicher Landklei-
du«g hereinschob. Das Elend sah der
Gestalt aus den flackernden Augen. Die
knochig«» Wangen, das dünne graue
Haar, die schlotterige Haltung verrie
then «in Leben voll Drangsal und Ar
beit und auch aus der müden Stimme
zitterte «in Klang, den di« Entbehrung
geboren hatte, so wehmüthig drang es
an das Ohr des gesättigten und daher
weichgestimmten Lieutenants. Der Alte
war seiner Sympathie sicher.
„°>ch bin der alte Drillmann!" wim
merte die Jammergestalt.
„Setzen Sie sich Alter. Was führt
„Ach Du lieber Gott, Herr Lieute
meinem Gottlieb, den Sie beute kuschen
lassen wollen. Da bin ich meine drei
Stunden von Walkendorf Hrgeschli
chen, um mich mal sein« Minna von
ihm zeigen zu lassen und nu muß ich so
etwas erleben! Acht Kinder hab' ich,
Äerr Lieutenant, und alle Mann, gut
und fleißig und keins mackt mir
Schande. Aber glauben Sie man,
dieser Gottlieb is der Beste von alle
Dummheit da was hingesagt hat, da
kann er nich vor, Herr Lieutenant. Das
hat er von mich. Das haben sie alle
achte und Gottlieb am meisten, denn
der is der Beste von cklle achte. Das
können Sie glauben Wollen Sie
'n denn nich noch mal laufen lassen?
Schon um seinem alten Vater, Herr
Lieutenant!"
Die Stimme ging in ein Schlugen
über: der Lieutenant wischte sich ge
rührt über die Augen, stand auf, ging
nach der Thüre und beauftragte einen
vorbeigehenden Soldaten, den Drill
mann zu ihm zu schicken.
In wenigen Augenblicken war der
zur Stelle. Eine heillose Angst lag aus
seinem biederen Gesicht, als der Lieute
nant ihn ansah. Seine treuherzigen
Augen flackerten und große Schiveiß
tropfen flössen ibm von der Stirn.
„Na, nur nicht ängstlich, Drill
mann!" sagte wohlwollend der Vorge
setzte. „Ihr alter, braver Vater Hat
ein gutes Wort für Sie eingelegt.
Ziehn Sie los mit ihm und grüßen
Sie Minna und hier, Alter" dabei
holte er einenThaler aus s«in«m Porte
monnaie „da trinken Sie mal auf
meine Gesundheit!"
Der Alle weigerte sich, das Geld zu
nehmen und DriMnann sah noch im
mer recht bange in die Welt. So eine
Teufelsgeschichte hatte er ~.n Lebtag
nicht mitgemacht. Plötzlich wandte er
den Kopf nach der Thüre, ftatte das
geklopft, oder war das sein böses Ge
wissen gewesen, das ihm im schwarzen
Busen hämmerte.
„Herein!" rief Hilgendorf, der den
Thaler schließlich in des Altem Brust
tasche praktizirt hatte und sah erwar
tungsvoll dem Eintretenden «"«-"»en.
Er erwartete seinen Freund Rosenberg,
mit dem er um diese Zeit eine Partie
Schach zu spielen pflegte.
Aber statt seiner erschien im Rahmen
der Zimmerthüre eine wahre Hünen
„Na, was wollen Sie denn alter
Sohn?" fraate Hilgendorf verwundert.
„Gehorsamst zu melden, Herr Lieu
aenblicke die Welt untergehen.
„Der Bengel hat sich ja Wohl so
hundsföttisch betragen, wie ich eben auf
seiner Stube gehört habe, daß Sie ihm
einen Strafsonntag aufgewichst haben!
?lst ihm recht, dem Lümmel, und die
Schwerenoth soll ihn krieaen, wenn er
sich nicht bessert! Man hat blos den
Einen und dann will so 'n Racker Fisi
matenten machen? Hört ja doch alles
auf! Wollt« aber dock "»^samst
bitten Mir den Jungen für heute Nach
mittag freizugeben, indem sich der Dä
nruß natürlich sein!"
Lieutenant von Hilgendorf sah nicht
wenig verwundert drein. So was
war ihm d«im doch noch nicht vorge
kommen.
.Zun, Donnerwetter! Drillmanm.
wie viel« Väter haben Sie denn?"
„Einen, Herr Lieutenant!" heulte
der Unterofsicier.
.Und der bin ich!" sagt« d«r alte
sorsch« Wachtm«ist«r und machte
«in paar Augen dazu, als wolle er den
Sohn streitig machen wollte.
„So?" fragte Hilgendorf lachend
und faßte den andern scharf in's Auge.
„Hier steht aber noch einer, der es auch
sein will!"
„Da soll doch gleich ein heiliges
bitte um Entschuldigung, Herr Lieute
nant aber das ist doch ein starkes
Stück! Junge, bin ich Dein Vater
oder der da?"
„Ich weiß nich!" jammerte Drill
mann, der alle Fassung verloren hatte
und sah seinen Lieutenant an, wie das
Schaf seinen Scheerer.
„Junge!" schrie der Alte wild, aber
der Lieutenant fiel ihm m den Arm
und begütigte ihn lachend:
„Er Reck>> Wacht
wissen!. ..Aber ich weiß Bescheid.
Nehmen Sie ihn nur beim Kragen und
lesen Sie ihm ordentlich die Leviten.
Mit diesem aber hier werde mal «in
Wörtchen im Vertrauen reden!"
Dabei blinzelte er vielsagend zu
Drillmann's „erstem" Vater hinüber.
..Gnade, Herr Lieutenant!" wim
merte Drillmann. „Er spielt ja immer
die Hallunken und so hat er mich auch
verführt!"
„Wer denn, DrAmann?"
der Bacherl, Herr Lieutt-
Auch Bacherl fühlte so etwas wie
ein gelindes Gruseln über seine Haut
rieseln, als die Katastrophe ihm näher
und näher rückte. Aber er war ein zu
guter Schauspieler, um die Courage zu
verlieren.
Dreist nahm er die Perrücke von der
Stirn, wischte sich mit dem Taschen
tuch nochdürftig die Falten aus dem
Gesicht, verbeugte sich dann höflich vor
dem Lieutenant und fragte so harmlos
wie möglich:
„Habe ich meine Rolle gut gespielt,
Herr Lieutenant?"
„So'n Windhund!" fluchte halblaut
der echte Drillmann, „da hört ja die
Weltgeschichte aus!"
„?!un sagen Sie mal, Backerl, was
sollte denn das eigentlich sein?" fragte
Hilgendorf und zwang sein Gesicht zu
recht ernstem Aussehen.
„Eine Vorstellung, Herr Lieutenant.
Sie forderten mich ja gestern auf, nach
Belieben zu Ihnen zu kommen...."
beiten doch nicht etwa?"
„Sie halten mir die Wahl überlas
sen, Herr Lieutenant!"
„Hm na, das war denn aller
dings kläglich genug."
„Kein Ensemble!" meinte Bacherl,
der gut Wetter merkte. „Ich wollte
auch deshalb das Honorar nicht!" Und
dabei legte er den vorhin empfangenen
Thaler auf den Tisch.
Hilgendorf mußte lachen. Di« Ge
schichte war doch zu lustig gewesen.
„Was wird denn aber nun?" fragte
er und machte einen letzten Versuch,
ernsthaft zu bleiben.
„Ich bin an allem Schuld, Herr
Lieutenant!" sagte Bacherl. „Auch ge
stern schon bei der Namensverdrebung.
Lassen Sie mich büßen, aber den Drill
mann frei!"
Ein auter Schauspieler weiß immer
das richtige Register zu ziehen.
„Er ist doch 'n guter Kerl!" dachte
Drillmann, „trotzdem er immer den
Kallunken vorstellt!"
„Na, dann wollen wir mal
»Schwamm d'r-iber" sagen!" entschied
sich der Lieutenant lächelnd. „Aber ich
bitte demnächst um eine bessere Vor
stellung. Herr Bacherl. Das war nichts
beute!"
Und befriedigt schoben die Drei zur
Thüre hinaus, Drillmann mit seinen
beiden Vätern....
Der Lieutenant aber steckte seinen
Thaler wieder in's Portemonnaie.!
Lieutenants haben di« Thaler auch l
nicht allzudick. Wer wollt« ihm daher!
das Schmunzeln verdenken, das sich!
um ferne Lippen dabei leate? Oder
freute er sich noch immer über „Drill-
Großen Herrn ist nicht gut dienen.
Denn sie feh'n's als Gnade an.
Wenn fie's leiden, daß man ih«n
Umschrieben. A. (Za sei
nem Freunde 8., der sich mit einer
nicht ganz gerade gewachsenen Dam«
verlobt hat): „Du, unter uns gesagt.
Deine Flamme scheint etwas schief zu
brennen."
Vor Gericht. Präsident:
Die Angeklagte habe Sie also geschla
gen? Zeugin: Ja und außerdem
hat sie mir die Haare ausgerissen, und
die haben mir doch solche Menge
Geld gekostet, Herr Präsident!
Sogar. Gast: „Man sieht
fa gar keinen von den jungen Leuten
mehr, die früher hier verkehrt haben!"
Wirth (alter Junggeselle): „Die
sind auch alle gestorben und verdorben
... ich glaube, einer ist sogar verheira
thet!" >
Dummheit. Unteroffizier
(der sich eine Cigarre anzünden will,
auf der Straße zu einem vorüberge
henden Rekruten): „Sie da, Feuer!"—
Rekrut: „H«rr Unteriffizi» entschul
digen, ich hab' mein Gewehr nicht bei
mir."
Am Kelche der Mode.
Um die Neujahrszeit, wenn di« Vor
bereitungen für den Carneval ihren
Anfang nehmen, sind die Modegesetz«
für die Saison bereits fertiggestellt und
Indiskretion Ehrensache, wenn es ge
lungen ist, einen Blick in das Allerhei
ligste des Ateliers zu werfen. Heute
sind wir deshalb in de: Lage, unsere
rÄ- oder Balltoiletten bekannt zu ma
chen. Diese beiden geschmackvollen
Toilet?«n «ignen sich ihrer soliden Ele
ganz wegen ganz besonders für junge
Frauen, sowie für nicht zu junge
Mädch«n.
Balltoil«tte in Prinzeß-
Di« in der ersten Illustration veran
schaulichte Toilette besteht aus hellgrün
und roth changierender Seide und
Damast. Das an den unteren Ecken
gestickte Ueberkleid in Prinzeßform aus
ersterem Stoff ist vorn mit schrägem
und mit einem plissirten Jabot ausge
stattet ist. Ueber die weiten kurzen
Aermelpuffen aus glatter Seidengaze
farbenem Grunde Gewinde von Friih
lingsblüthen in Querstreifen trägt.
Bei Anordnuno der Toilette ist darauf
zu achten, daß diese Streifen immer
genau aneinander treffen, fodaß sie alle
wie geschlossene Kränze erscheinen. Die
Taille ist nur leicht gekraust, der Rock
ben, der an der linken Seite mit einer
großen slotten Schleife und langen
i Enden abschließt. Den vorn tiefen,
vorn unter einer Bandrosette zusam
mentritt. Die kurzen Aermelpuffen
aus Gaze schließen unten mit einem
Spitzenvolant, oben mit gleichen Epau
lettes ab.
Visrtentoilette.
tig bekleidet, während der obere aus
gekrauster glatter Bengali»« gebildet
ist. Die Verbindung deckt «in gescltk-
tes Sammetbandeau, welches an der
linken Seite mit einer Rosette endet.
Der Rückentheil besteht aus glatter
Bengaline und ist ohne Naht, nur im
Taillenabschluß mit leichten Falten ge
arbeitet. Ein faltiger Stehkragen und
ein Gürtel aus Sammet schließen die
Taille ab. Den mit Sammetban
deaux begrenzten Aermeln aus gemu
stert« Seide sind große Puffen aus
glatter Bengalin« aufgesetzt. Das
zierliche Hütchen aus violettem Sam
teich facettierten Stahlschnalle ge
schmückt. die ein paar
zusammenhält.
Kleid mit Blusentaille.
Um bei dem Eleganten nicht des
Nützlich«,? zu vergessen, veranschauli
chen wir in der letzten Abbildung ein
dem täglichen Gebrauch dienendes
Kleid. Meses hübsche Costüm ist aus
blauem Wollenstoss gefertigt und seine
Garnitur besteht theils aus glattem,
theils aus mit Perlenstickerei überdeck»
tem, blauem Sammet. Ersterer ist für
di« zwei lang herabhängenden Enden,
welche vorn an beiden Seiten dem Rock
aufliegen, sowie 'ur Ausstattung der
Aermelpuffen verwendet, während der
breite Gürtel, sowie der Stehkragen
und die passenartige Garnitur der bau
schigen Blusenlaille aus gesticktem
Sammet bestehen.
derte von Fuß aus Rollen transportirt,
ohne daß Wände und Decken Risse be
kommen, ist eine bekannte Geschichte.
Kämpfer, Riesen bis zu SlX> Fuß Län
ge, in der Mitte durchschneiden und
„Baiern" im Dock,
zwischen beiden Hälften ein ganz neues
außerordentlich« Vergröß«rung des La
deraums (2400 Kubikmeter) gewon
nen.
Einflicken von SO Fuß.
Mr die Ausführung wurde die
Werst von Blohm und Voß in Ham
burg ausersehen, deren gewaltiges
Anspruch.
Unsere Bilder zeigen den im Umbau
begriffenen Dampfer „Baiern".
Wintert
Grau der Himmel, weiß die Flur,
Schneebedeckt die Linde.
Oed' und farblos die Natur,
Rauh und kalt di« Winde.
Hat sich angeschickt die Welt,
Winterschlaf zu halten,
Ruh« herrscht in Wald und Feld.
Bäume, Wiesen, Rasen.
Und die einz'g« Färb« nur
Sind noch rothe Nastal