Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, January 18, 1895, Page 2, Image 2

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    2 Eine Orangen-Party filr dit
Kleinen.
Das junge Volk zählt so viele
Verehrer der goldigen Apfelsinen, daß
ein Kinderfest mit Benutzung der
Orangen als Hauptattraction sicher
den lebhaftesten Beifall der Kinder
welt finden wird. Der liebe Himmel
bat uns außerdem «in«n solchtn Ueber
fluß an dieser Frucht u>nd gerade zu
einer Zeit verliehen, in der alle and«-
der Fall ist.
Varty! Der Tisch oder die Tischchen,
verziert werden. Mit Hilse von Crepe-
Papier, natürlich in der Farbe der
Orangen, werden bie verschiedensten
Zur Anfertigung „Ching Wang's"
klein« Apfelsine. Di« kleinere ist be
stimmt, den Kops des Chinesen darzu
dem man aus beiden Seiten des Kop
ses die Schalt ausstülpt, und so das
Männchen mit Gihörwerkzeugen ver-
Orange wird Hut und Oberkörper des
Gentleman hergestellt. Zu diesem
Zwecke wird sie in zwei gleiche Hälften
oeschmtten, die ein« davon ihres süßen
Inhaltes vollständig beraubt, so daß
nur die Schale übrig bleibt, deren
Band dann gleich der Krempe eines
runden Hutes umgestülpt wird. Die
andere Hälfte, auf der Schnittfläche
ruhend, bildet den Rumpf des Chine
sen. Um diesen schließlich noch mit
Körper bildenden halben Orange ab
schneiden, oder einen Streifen von der
weißen Hutkrempe ablösen und dank
um jene Stelle schlingen, wo der Hals
woll«n. Er wird aus einer Orange,
zwei Sträußchen oder Mücheln Rosi
nen, zwei kleinen Weinbeeren und ei-
Aus jenem Theil der Orange, welch:
das Hinterbaupt bildet, löst man ein
so großes Stück Schalt ab, daß man
Seite nach außen. Dann hebt man
an beiden Seiten, des Kopfes die Ohren
bervor, indem man die Schale tin
schneidet und aufstellt, ferner formt
man, die weißen Augäpfel durch Aus
schneiden der gelben Schale und be
zeichnet die dunklen Pupillen, indem
man in die rechte Ecke jedes Auges die
Weinbeeren placirt. Dies verleiht dem
Negerkops einen überaus komischen Be
zeuge eingesteckt. Ferner muß ein Las
sendes Stück Schal« für dir Nase los
gelöst werden, welcher man den nöthi
— Ein „Mosbacher". A.:
in's Gesicht zu lachen?" B.: „O,
das ist sehr einfach dit ist mein«
Frau!"
Dichter: „Ach nein! Sechs Paare habe
ich glücklich verheirathet; nun bleibt
-üir noch ein alt«: General und eine
«Mi!?"
Zwei Dulderinnen.
Bon Leo Hilbeck.
Von einem frisch aufgeworfenen
saß-F
straße?"
Ohne sich zu rühren, öffnete die Alte
ihre farblosen Augen. „Die erste
Straße rechts, und dann man immer
— Sie wollen woll zur
Dvkter'n Serling?" fügt« sie mit einem
aufmerksamen Blicke in das Gesicht der
„Ja.... aber —" Ueberrascht blieb
«rsten Frau?" fuhr die Alte fort. „Ist
ja ganz dasselbe Gesicht! Na, so 'ne
gute Frau die hätte nicht so früh
wegsterben dürfen. War auch immer
Winter ging „Frau Friedebold'n",
sagte sie, „da hab' ich wieder was vor
Ihnen —" mal 'ne Jacke und mal 'n
Duch. Jemine, und nu stirbt der
Mann, und da sitzt nu die zweite Frau
mit den dielen lütjen Kindern
Ueber das bleiche Gesicht der Dame
hatte sich eine tiefe Röthe gebreitet.
Sie grüßte mit schmerzlichem Lächeln
Bor einem grün gestrichenen hölzer
nen Gartenthor, in dessen einen Pfeiler
ein blankes Messingschild mit dem Na
men „Dr. Bruno Serling" eingelassen
fünfzehn Jahren zum letzten Mal gese
hen hatte, den schlanken feingebauten
Mann mit dem seidigen rothbraunen
Barte und den verträumten Gelehrten-
Spitze hineingewachsen war. Solch
ein hübsches, gutes, hilfloses Denkerge
sicht.... Ob Ottilie ihm noch so ähn
lich sah?
Rasch stieß sie das knarrende Gar
tenthor auf. schritt auf das einstöckige
Haus zu und trat in die Thür, in deren
Rahmen sie einen Augenblick stehen
blieb.
schmalen Seitensenster empfing. Un
ter diesem Fenster setzte die Treppe
an. ein zweites Fensterchen, von Blatt
ragdfarben oberhalb der Hinterthür.
Rechts führte eine verhängte Glasthür
in die Paterreräume. aus denen ein
grobe weibliche Stimme ununterbrochen
herausschallte.
Die vordere Abcheilung des Flurs
war fast wie ein Zimmer eingerichtet.
stand aus einem Kokosteppich ein roth
gedeckter Klapptisch nebst einigen Stüh
len. Hier saß ein in tiefe Trauer ge-
Aehnlichkeit des Mädchens mit dessen
.Ottilie !"
Augen noch weiter. „Mit wem habe
ich..." Und plötzlich schrie sie auf:
»Tante Liddy —! Nicht wahr Tank
Liddy?"
Und sie machte eine Bewegung, als
wolle sie sich in die ausgebereiteten
Ausdruck:
„Du kommst etwas spät, Tante
Liddy!"
„Kind", versetzte die Tante lebhaft
Trauernachrickit erreichte mich erst vor
gestern in Königsberg, und da habe ich
mich sofort auf die Bahn gesetzt, ob
gleich meine tränke Freundin mich noch
recht nöthig gehübt hätt«. Gott weiß.
wo der Brief schon herumgewandert
war. Daß ich nun erst eine voll« Woche
nach der Beerdigung —"
Ottilie macht: eine ungeduldige Be
wegung und schob der Tante mechanisch
„O so mein' ich's nicht!" sagte sie
mit finsterer Miene. „Was kommt auf
die eine Woche an! Nein, Tante
in sich aufgespeichert zu haben schien.
Der schmerzlich resignirte Ausdruck in
den Aiiaen der Tante vertiefte sich
schaftliche Gesicht -der Nichte beobachte
te. auf dem eine trotzige Energie die
vorhin bemerkte Aehnlichkeit mit dem
Vater völlig verwischte. Und dann
glitt ihr Auge aus das derbknochige
blonde Kind ab. das aufgestanden war
und die fremde Dame mit seinen
blauen, weißbewimperten Augen unver
wandt anstarrte. Es hatte eine Strick
nadel in den Mund gesteckl und zupfte
die erwachsene Stiefschwester mit ner
venzerreißender Beharrlichkeit an der
Schürze.
„Was willst Du denn?" fuhr Ottilie
die Kleine an mit der Gereizheit derje
nigen Personen, deren Nerven durch die
unausgesetzte Beschäftigung mit vielen
Kindern gelitten haben.
„Fang' m.-ch 'ne neue Nadel an,
Otty!" verlangte das kleine Mädchen
und reichte ihr schmutziges Strickzeug
hing.
heißt es!" verbesserte Ottilie und fügte
zur Tante gewendet hinzu: „Wenn ich
nicht aufpaßte die Kinder lernten
hier zu Hause kein richtiges Wort!
Geh' zu Deiner Mama in die Küche,
Kürche, Lieschen, ich habe mit der
Dame zu sprechen und will nicht ge
stört sein. Komm', gib schön «ine
Hand die rechte! Das ist ja die
link«! So ist's recht. Und nun
Gehorsam, aber ohne die Augen von
der Besucherin abzuwenden, ging Lies
chen rückwärts nach der Glasthür, hin
ter der sie verschwand, die sie hinter
sich zuwarf, daß die Scheiben klirr
ten.
Ottilie zuckte nervös zusammen,
hielt sich die Ohren zu und schüttelte
dann mit hoffnungslosem Seufzen den
Kopf.
„Sie machen mich noch toll," sagte
sie. „Wenn man an der Mutter so
gar kein« richtig« Unterstützung findet
ich mit meinen dreiundzwanzig
lahren soll für Alles und Alles da
sein, für's Benehmen und fllr's Lernen
und auch sonst noch. Die vier älte
sten lungens gehen wenigstens in die
paar Stunden Ruhe. Aber Lieschen
und die Kleinen die geben einem
was auf, sag' ich Dir. Und dann die
Garderobe damit ist nie fertig zu
werden. Guck', da" sie hob die
schwarzseidenen Streifen in die Höh«
„da sitze ich nun her und mache für
die Jungens Halsbinden aus Papas
altem Regenschirm; sie müssen doch
jetzt schwarze tragen, und kaput sind
sie doch gleich wieder; kaufen M
nicht!"
„Was hast Du für «in Leben ge
habt, Ottilie!" sogt? die Tante leise
und kopfschüttelnd. „Aber damit ist
es jetzt vorbei wenigstens wenn es
Dir so recht ist. Ich dachte mir näm
lich, Du solltest gleich mit mir kommen.
Eigentlich gehören wir zwei dock) zu
„Mit Dir?!" Das junge Mädchen
schrie es fast: in ihren Augen blitzte es
auf. und der Athem wurde ihr kurz.
Mit vorgestrecktem Halse, die zusam
mengepreßten Hände aus dem ungedul
dig wippenden Knie, saß sie der Tante
gegenüber und schiein ihr jedes Wort
vom Munde holen zu wollen.
„Willst Du?"
„Oö ich will!" Ottilie that einen
lauten Athemzug, und «in fast glückli
ches Leuchten lag auf ihren hübschen
Zügen. Aber allmälig erlosch es, und
zwischen die dichten Augenbrauen grub
sich die frühere Falte.
„Warum bist Du nicht vierzehn
Jahre früher gekommen!" murmelt« sie
die Lippen auf. „Um die besten Ju
gendjahre bin ich betrogen! Für Je
den warst Du da, für die entferntesten
Verwandten. Wenn «ine Deiner
Schwägerinnen ein Kindchen bekam
husten hatte immer war sofort
Tante Liddy da und Pflegte und sorgte.
Nur für uns hattest Du keine Zeit!
Damals, als Mama starb. Deine ein
zige Schwester —"
„Da war ich gerade in England!"
fiel die Tante hastig ein, und ein« feine
Röthe stieg ihr bis in die Schläfen em
por.
„Ja aber als D« zurückkamst?"
„Man hat mich ja nicht.... Dein
Vater hätte mich rufen sollen!"
„Rufen dazu war er der Rechte!
Zu den Anderen gingst Du doch nnge
rufen! Nein, Tante, was Du an uns
gesündigt hast, an Papa und mir, das
kannst Du nie, nie wieder gut ma
chen!"
Sie saßen sich eine Weile schwei
gend gegenüber. Jedes in seine Ge
danken versunken. Durch die Etagen
thllr schallte die keifende Weiberstimme
mit kurzen Unterbrechungen. Ottilie
ja tüchtiger und konnte Papas klei
nen Eigenheiten besser Rechnung tra
gen, als die verwöhnt« Mama. Bei
uns war das Dienstmädchen die eigent
liche Herrin. O Kinder fühlen so
etwas merkwürdig fein heraus! Und
als dann Mama starb, und Papa trotz
StinesZuvorkommenheit !m ersten hal
ben Jahr« fortwährend sagt«: Wo mag
nur Liddy stecken? Ich begreife nicht,
daß mein« Schwägerin nicht tommt
hu, was machte die Stine da ftir
ein Gesicht! Und wie warf sie mit den
Tellern! Ich weiß noch, wie sie ein
mal ganz pikirt sagte: Man sollte mei
nen. Herr Doctor kriegten bei mich
Ihr Recht nicht! Na, da schwieg er still.
Hat immer tolassalen Respekt vor ihr
gehabt. Alles was recht ist: sie hielt
das Haus musterhaft, und Keints
wußte mit seinen Sachen so gut Be
scheid, wie Stine. Ich hing ihr ja
auch immer am Schürzenband, beson
ders nachdem die beiden Brüderchen an
der Diphtherie gestorben waren. Ach
Gott, das war schrecklich! Papa war
seinem Laboratorium heraus ins
Kinderzimmer war er seit der Zeit nicht
mehr zu bringen. Eigentlich hatte ich
aar nichts davon, daß ich einen Papa
hatte. Wenn er mich nur ansah, —-
gleich kamen ihm die T->ränen in die
Augen, und dann ging er aus der
Thür. Lieber Himmel, so allein war
ich mit neun lahren!"
Tante Liddy hatte den Ellenbogen
aufaeftükt und das Gesicht mit der
Hand beschattet.
„Na, Stine verstand es, mit ihm
umzugehen. Herr Doctor hier und
Herr Doctor da, und immer sein«
Lieblingsgerichte gekocht, und den
Aschenbecher nachgetragen. Damals
dachte ich mir natürlich nichts dabei,
aber später kommt ein«m das Alles
wied«r ins Gedächtniß, und man tau
tet es sich.... Und nach einem Jahre
kündigte sie plötzlich. Ich sehe es noch
vor mir; wir saßen beim Abendessen,
und wie sie uns bedient hatte, kam sie
damit heraus. Papa sank ordentlich
entsetzt in d«n Stuhl zurück. Sie
wollte fort? Aber nein, das ging ja
gar nicht, was sollte denn aus d«m
Hause und dem Kisd« werden und
wem sonst konnte er die Reinhaltuing
seines Laboratoriums anvertrauen?
Sie zuckte die Achseln. Ja —^was
„Und als ich zurückkam
ach Gott, Tante Liddy! Es war ein
fach das Bequemst« so. Nun
nes Nachmittags bei Mariechen Bal
ich, wie Frau Streicher mit Frau Pa
stor Tholl tuschelt, und wie sie sagt,
am Psingstsomitag sei die Doktor'»
Serling in die Kirch: gekommen, wie
eine Psingstkuh. Ich nicht saul
Ohrfeige riskirte, ab-.>r so ausgiebig.wie
sie ausfiel, hatte ich sie mir doch nicht
vorgestellt. Aber was meinst Du
der Hut verschwand auf Nimmer
wiedersehen!"
„Ach Tante, das war ja Alles noch
gar nichts. Aber dann kamen die Kin
der. ... O Gott, o Gott, diese Kinder!
Jahr, immer wieder eins, und immer
wieder eins. Ich dachte, das ginge
nun in alle Ewigkeit so fort ich
konnte mir schließlich gar nicht mehr
vorstellen, daß das einmal ein Ende
nehmen müßte. Und das Drumherum,
dieses ewige Waschen, und das Geschrei
und Gekrabbel, und die Kinderkrank
heiten mit all' ihrer Angst und Aufre
gung, und der complicirte Haushalt
großer Himmel, daß ich nicht verrückt
geworden bin!"
„An Papa hatte ich nun auch gar
keine Stütze eigentlich sah ich ihn
nur bei den Mahlzeiten. Wie ich so
heranwuchs ich weih nicht ich
kann das Gefühl nicht los werden, daß
er sich vor mir geschämt hat..."
„Ich glaube, Du hörst gar nicht zu,
Tante —"
„Ich hör«", sagte Tante Liddy hin
ter der aufgestützten Hand.
„Mir ist auch gar zu wihl, daß Ich
mir 'mal MeS so vom Herzen herunter
schwatzen kann. Weißt Du sie
sie batte doch etwas wie Respekt vor
mir, sie fUH'.k doch wohl, daß ich die
feinere Natur war. Und dann
einer Arbeit gescheut hätte! Abge
rackert habe ich mich mit dem Hgus
halt und den Kindern, daß es die Art
hat. Da sich 'mal meine Hände
guckst Du, ganz roth und ausgearbeitet
und hier die wunden Knöchel ist
von der Wäsche. Faulheit hat sie mir
wahrhaftig nie vorwerfen können.
Kannst Dir denken, daß mir zum Ver
gnügen nicht allzuviel Zeit bleibt
abgesehen davon, daß wir uns seit Jah
ren von aller Geselligkeit zurückgezogen
haben "
Voll Bitterkeit blickte sie vor sich
„Nur voriges —sie erröthete
plötzlich „da durft' ich Mariechen
Baldauer's Hochzeit mitmachen
weißt Du, das war zu schön! Aber
wer weiß! es wäre vielleicht besser
gewesen wenn ich gar nicht —"
„Da hast Du also ihn kennen ge
lernt", sagt« die Tante, ließ die Hand
sinken und blickte Ottilie gelassen an.
„Ihn —? Wen?" fragte Ottilie, noch
den Kopf.
„Nichts! Nur weiter!"
die Thränen in die Augen, und mit lei
denschaftlicher Heftigkeit warf sie sich
der Tante in die Arme, während ein
borgenen Schmerz verrieth.
„Kam er in euer Haus?" flüsterte die
Aelter« und drückte ihre Wange auf des
Mädchens Haar.
„Um Dich näher kennen zu ler
nen?"
Ottilie richtete sich auf und strich
sich -die Haare aus dem thränenfeuchten
Gesichte.
Er konnte gar nicht verbergen wie -tief
verletzt er war . Und ich, Tant«,
und ich! Konnte er nicht meinen, ich
hätte sie vorbereitet, sie vielleicht gar für
ihre Rolle abgerichtet? Denselben Tag
noch ist er abgereist."
„Ach Gott ja.Tante! Aber wa
rum so spät?"
Otty?" fragte das alte Fmulein letse.
Mit großen Augen blickte Ottilie in
das feine verblichte Gesicht der Tante
empor. Und plötzlich schob sie sie von
!"s t si
bis er mich rufen würde siehst Du
das ein?"
„Nein, Tante," sagte Ottilie mit
energischem Kopfschütteln, „das sehe ich
nicht ein! Meinst Du, das hätte er
nicht längst vergessen gehabt, so ein
zerstreuter Mensch, wie Papa war?
Und überhaupt, aufrichtig gesagt —"
inen.
„Mußt nicht böse sein, Tantchen!
Aber siehst Du wenn ich bedenke —:
staltet und wie glücklich hättet Ihr
„Vielleicht wirst Du es noch", sagte
Tante Ltddy ohne Bitterkeit. „Ich
Augen. „All die Jahre hat sie mich
auch Anrecht auf ein bischen Lebens
freude wie? Wer hält mich hier?!
Ich bin majorenn ich bin mein eige
aleich niederzudrücken versuchten. Ot
tilie sprang h:rzu und schlug dem
hauptsächlichsten Quälgeist auf die
Finger.
„Willst Du wohl Bruno zufrieden
lassen. Du Schlingel! Oskar, was ist
das Extemporale ausgefallen?"
„Sechs Fehler", erwiderte der Aelte
jte. den Ranzen von sich schleudernd.
„Schafskopf! Was hast Du Im
Französischen auf? Na, laß' jetzt nur
legt erst drinnen eure Sachen ab,
nachher zeigt ihr mir eure Ausgaben-
Hefte. Apropos, Bruno", wandte sie
sich an den Kleinsten, der indessen die
fremd« Dam« scheu von der Seite be
trachtet hatte, „hat Dir Fritz Mül
ler Dein Taschenmesser wiedergege
ben?"
„Nci nein!" stammelte Bruno,
und hob die schönen, änglichsten Au
gen. „Er sagt, er hätte es wegge
schmissen."
„Na, tröste Dich, zum
lrieait Du «in neues."
„Aber aber, Mama haut mich!"
„Bewahre, das leid' ich nicht dann
rufst Du mich!"
Sie beugte sich und küßt« ihn auf die
Wange. Er schlang seine Aermchen
um sie und erwiderte die Liebkosung,
dann verschwanden alle vier hinter der
Kleinen mit heißen Blicken. Als sie
sie daS mblaßte Gesicht des jungen
Mädchens noch immer nach der Glas
thür gerichtet.
„Was hast Du denn, Ottilie?"
„Wenn ich nur wüßte, was aus den
Kindern werden soll ohne mich!"
gab sie langsam und kopfschüttelnd zu
rück.
„Man müßte sofort für einen tüchti
gen Hauslehrer sorgen der Vor
mund muß uns darin unterstützen.
Was ist denn eigentlich über die Vor
mundschaft bestimmt?"
„Still!" machte Ottilie, und lauschte
angestrengt nach der GlaSthür, hinter
der die belfernde Frauenstimme von
wurde. Und plötzlich ging dieses Wei
nen in ein furchtbares, angsterfülltes
Kreischen über.
„Otty —! Ottiiii —!"
„Wart', Ich will Dich beoktyen, Du
insamigter, unniitziger Bengel Du"
Mit einem Schrei machte Ottilie sich
von der Tante los, die ihr Handgelenk
umfaßt hatte.
„Laß mich laß mich sie schlägt
Bruno sie schilägt den süßen, zarten
Jungen Tante, ich kann nicht
ich geh' nicht mit Dir ich bleibt bei
den Kindern!"
Damit stürmt« si« nach der Glasthür
und war im nächsten Augenblicke ver
schwunden.
Sin Schwcrcnöthcr.
Garde - Lieutenant von Herzenbruch
(im Kreise seiner Kameraden erzäh
lend): „Auf Ehre, meine Herrn Kame
raden, habe da diesen So«mer jelun
genen Coup ausjeführt! Kam auf mei
ner Spritztour spät Nachts nach Aal
selden und fuhr zum „gold'nen Ele
phanten"; vorher war ich zwei Nächte
durchjereist na, und die Hitze war,
wie Sie wissen, Heuer ooch nich ohne.
Sie werden es also begreifen, daß ich
mich nach Ruhe sehnte und ohne Wei
teres das einzige Zimmer nahm, das
im Hotel noch frei war: dritte Etage,
! hinten 'raus! Aber das war mir, wie
den Wirth jemacht. Stellen Sie sich
„I, was Ihnen nicht einfällt! Wo
wollen, und mit meinem Schlaf wär's
dann wohl nischt jewesen. Aber was
thun? Zimmer war kein anderes zu
übelster Laune!
Da schoß mir plötzlich 'n Jedinke
durch den Kopf. Rasch öffnete ich mei
stramm Kehrt und verschwand. Meine
Mission war beendigt. Ich schlief die
janze Nacht unbehelligt und wie ein
Murmelthier! Und 'n jutes Werk hatte
ich auch vollbracht. —Ich versichere Sie,
meine Herrn, die Sache hat mir unje
mein viel Spaß jemacht empfehle
Ihnen das Mittel zur Nachahmung!
Sluf Ihr Wohl, meine Herren Kam«-
Der Staalsanwa»'
Der junge Staatsanwalt NeuntöH»
ter kommt zum ersten Mal seit seiner
Hochzeit, die vor vierzehn Tagen statt
gefunden, spät von der Stammkneipe
heim. Ohne Licht anzuzünden, will,
er sich ins Schlafzimmer schleichen, um
sein« Frau nicht zu wecken; stolpert je
doch unglücklicher Weise über den Stie
felknecht. worüber sie sofort die Augen
aufschlägt.
„Bist Du's, Männele?"
„Frage! Oder erwartest Du sonst
noch Jemand?"
„Schäker! Uebrigens ist's drei Uhr
„Die wär's jetzt auch, wenn ich da
heim geblieben wär!"
„Du bist ein Philosoph! Xvtakoli«,-,.
erinnerst Du Dich noch des heutigen,
Datums vom vorigen Jahre?"
„Des dreißigsten Mai? Hm, am
ersten Juni hitlt ich bei Deinem Papa
„Und des Abends vorher?"
„Richtig; da saßen wir in der Jas
schimmelig gewordenen Liebesschwüre!"'
„Spötter; damals sprachst Du an
ders, als Du vor mir auf den Knieen
lagst!"
„Und Dir fiel es nicht ein, mich über
Deine Kenntniß von sogenannten Gar
dinenpredigten aufzuklären!"
„Die niemals nöthig geworden fein:
würden, wenn sich Dein Eheleben Dei
nen! damaligen Versprechungen ange
paßt hätte!"
„Der Abend scheint Dir ziemlich in?
Gedächtnisse kleben geblieben zu sein!"'
„Wie man's nimmt; jedenfalls aber
besser als Dir! Denke mal darüber
nach, was Du mir Alles versprachst!'"
„Hm, es beginnt schon zu däm
mern."
„Auf den Armen wolltest Du Nach
trägen ..."
„Seit jenem Tage hast Du um min
destens zehn Kilo zugenommen!"
„Und jeden Wunsch aus meinen
Augen ablesen!"
„Da hätte ich mir längst die Augem
verdorben, so vitl müßte ich lesen!"
„Das im Allgemeinen! Den Haus-'
schlüssel wolltest Du nur dem Namen,
nach kennen lernen!"
„Wir erhielten von unserem Haus
besitzer zwei; über den zweiten sprachen,
wir nicht!"
„Damals fandest Du Alles schmack
haft, was ich kochte; jetzt hast Du jeden
Tag auszusetzen!"
„Weil einmal die Suppe versalzen»
dann der Braten angebrannt, heute die-
Kartoffeln geschmacklos und morgen-,
das Gemüse nicht zrt essen ist!"
„Du versprachst meine armen, kran
ken Nerven zu schonen, indem Du nie
mals mit mir zanken würdest!"
„That ich es, so hattest Du doch ge
wiß immer den Anfang gemacht!"
„Immer wolltest Du mir das letzte»
Wort lassen!"
„Das Du auch ohne mein Verspre
chen stets haben würdest!"
(Zehn Minuten Pause.)
„Und dann das Wichtigste, daß ich'S
nicht vergesse! Stammkneipe, Vier
freunde, Karten- und Kegelspiel, das
sollte Alles mit dem Hochzeitstage für
immer abgethan sein; Du wolltest nur
Deinem Herzblatt, wie Du mich zärt
lich nanntest, leben und betheuertest das
mit einem heiligen Schwüre!"
Auf die letzten Ausführungen Frair
Neuntödter's erfolgte nicht sogleich eine
Antwort. Der Staatsanwalt hatte
sich schlaftrunken in seine Decke ge
wickelt, wobei er eine Weile halblaut'
vor sich hin monologisirte.
Endlich richtete er sich halb in die
Höhe und streckte die Hand im Dunkle»
vor sich hin.
„Nach den Aussagen der letztdernom
mentn Zeugin werden Sie mit mir„
meine Herren, von der Schuld des An
geklagten überzeugt sein. Ich bean
trage unter Ausschluß mildernder Um
stände eine Zuchthausstrafe von zwer
lahren und die sofortige Vethaftunz,
des Angeklagten."
Das UnglanbNchste.
Um den Redacteurposten eines be
deutend unbekannten Wurstblättchens
bewerben sich drei Herren.
„Meine Herren," sagte der Besitzer
zu denselben, „wer mir von Ihnen die
unglaublichste Nachricht bringt, dem sei
die Stellung!"
„Gut," sagten sie und der Erste be
gann: „In j. geht man mit dem Ge-
Der Zweite sprach „In Schneeberg
gen zum Umzug!"
Er erhielt die Stellung!
—K ürzester Ausweg. „Aber^.
es ist jetzt gerade so ein« eigentümliche
Herbstzeit! Für den Winterüberzieher
ist es noch zu warm und für den Som
— Deutlicher Wink. Dorf»
schullthrer" „Josef, wenn Dein Vater
vier Speckseiten im Rauchsange hän
— Schüler: „Drei!" Lehrer: „Gut,
Vater, damit er sieht, was Du inr
Rechnen für Fortschritte gemacht hast!"