Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, December 28, 1894, Page 2, Image 2

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    2 Kaiserin Augnfta Victoria als
Hausfrau.
Wenn der Kaiser Wilh«lm sich auf
Reisen befindet, was bekanntlich sehr
hält und sogar Knöpfe annäht und
Strümpfe stopft... Am deutsche»
Kaiserhofe sind englische Strümpfe be
liebt. Als dem Bruder des Kaisers,
Liebe, aber er darf nicht derartig fein,
daß er die Beine beschmiert." Die
Kaiserin versammelt jeden Montag
Schuld, daß ihre Herrinnen wenig Jn-
Die hauptsächlichste Beschwerde der
Dienstmädchen ist, datz sie viel Arbeit
unterrichten. Das Wichtigste ab!r ist,
Bette und steht um 6 Uhr auf. Ihr
Tagewerk beginnt sie damit, datz sie
ihrem Gemahl den Kaffee zubereitet.
Die Kaiserin überwacht die Arbeiten
sonders großes Vergnügen. Die Kin
der sind große Thierfreunde und be
sitzen verschiedene Species von Haus
trages sowie ein kaiserliches Rescrivt
zerrissen. D«r älteste Sohn, der Erb
prinz. hat etwas von einem „«-nkunt
t«-ri-!I>Ii." Als ihm der Hofkaplan
einmal beim Religionsunterricht sagte,
alle Menschen seien Sünder, erwiderte
«r: „Gut! Mein Vater mag ein
Sünder sein, aber ich glaube nicht, daß
-meine Mutter eine Sünderin ist."
DaS ist es.
Es war in d-r Jnstrucnonsstunde.
Unterofficier Müller erklärt seiner
andächtig lauschenden Hörerschaft die
Ausrüstung des Soldaten.
„Also. Rekrut Freßki," fragte der
Corporal, „woraus besteht die Bewaff
nung des Infanteristen?"
.Hat sich Infanterist Gewehr,"
schallte es als prompte Antwort.
„Na ja—aber ist das Alles, Freßki?
Denke einmal nach."
Tiefes Schweigen.
„Na, Freßki, was hat denn der Fü-
Ueber das Gesicht des Rekruten
„Weiß ich jetzt Brotbeutel, Herr
dem Wege zum Bahnhofe?" „Aller
dings, gehe nach Neapel, will mir mal
den Vesuv ansehen." „Was, solche
theuere Reisen angesichts Ihrer Sie
täten?" „Warum nicht? Es bleibt
einem Vulkan tanze!"
Romantisch. Herr: Sie
fühlen also gar kein Interesse sür
mich? Dame: O doch, seit Papa
erklärt hat, Sie wären ein Abenteuerer,
gefallen Sie mir außerordentlich!
Ein triftiger Grund.
In. einer New Uorker Zeitung stand
dieser Tage folgende Anzeige: „Adolf,
kehre zurück zu Deiner untröstlichen
Mathilde. Tai Piano ist verkauft."
Weihnacht.
Weihnachtsfestzeit, liebliche du und
traute,
Die den gabenspendenden Baum uns
Ob im Lebensstrome wir flüchtig trei-
Wirst du uns bleiben.
Lieber Baum mit Flitter und bunten
Lichtern,
Angestaunt von kindlichen Frohgesich-
Gold'ne Zeilen bringest du hold uns
Z?uS den starren Aesten des Tannen-
Kommt es wie ein Wehen des Jugend-
Und uns wird bejcheert im Glück der
Kleinen,
WaS wir beweinen.
Mag der Schnee auf unsere Scheitel
Mag die Zeit uns beugen die morschen
Rücken
So ist uns noch einmal vergönnt auf
Erden
Kinder zu werden.
Der Capitän als Weihnachts
enget.
Es war am Abend vor dem Christ
feste. Alle meine Freunde hatten
Washington verlassen und waren zu
den Ihrigen gereist und meine Ange
hörigen wohnten in Californien, Tau
sende von Meilen entfernt. Sollte ich
das Fest ganz einsam und trostlos ver
bringen? Oder sollte ich —? Bor
mir stieg das Bildniß eines schönen,
stolzen Mädchens auf aber das Ori
ginal war weit entfernt. Ich berech
nete die Fahrt. Wenn ich sofort ab
reisen würde, so konnte ich noch einen
Theil des Festes mit ihr verleben.
Eine halbe Stunde später stand ich
auf dem Bahnhofe bei einem Rudel
ungeduldiger Passagiere, welche den
Condutteur des Schlafwagens um
drängten. Ich kam gerade hinzu, als
einer der Passagiere mit heftigen
Scheltworten auf den Condukteur ein
drang und darauf bestanv, ein soeben
durch ein« Depesche sreigewordenes
Unterbett ihm anzuweisen.
„Und ich sage Ihnen, mein werther
Herr, daß Sie das Unterbett nicht be
kommen werden, obschon Sie sich zu
erst dafür gemeldet hatten. Eine Dame
Was geht das mich an? Ich habe
das erste Anrecht an das Bett. Und
wenn Sie es mir nicht geben, so werde
ich bei der Pullman-Compagnie Be
schwerde führen."
In diesem Augenblicke trat eine
Dame auf die Platform des Wagens
hinaus und fragte den Condukteur
nach ihrem Bette. „Gehen Sie nur
rasch wieder hinein, Madame. Di«
kalt« Nachtlust schadet Ihnen. Ich
sagte Ihnen, daß Sie ein Unterbett er
halten werden, und wenn ich selbst ei
nen Herrn, der es zuerst gemiethet
hatte, Hinauswersen müßte," rief ihr
der Condukteur zu und fuhr dann, zu
dem schimpfenden Passagier gewendet,
begütigend fort: „Mein lieber Herr,
was Sie da soeben sagten, meiinen Sie
gewiß nicht so. Denn Sie werden doch
sicherlich der Erste sein, der dieser ar
men kranken Dame, welch« im Süden
ihr« Gesundheit wieder herzustellen
hofft, d«n Platz abtritt", und als der
Grobe sich nicht sofort dazu bereit er
klärte. fuhr der Condukteur fort:
„Und wenn Sie selbst der Mister Pull
man wären, so würden Sie dieser ar
men Kranken das Feld räumen müs
sen."
Der Grobe trat beschämt zurück und
di« übrigen Passagiere verkniffen sich
nur mit Mühe das Lachen. Der rit
haber der Pullman-Cars. Das war
nicht der gelockte und geschniegelte
Jüngling, der in seinem Aeußern den
Marine-Ossicier zu copiren sucht, son
dern ein stattlicher alter Herr mit
martialischem schneeweißem Schnur
bart und dem Austreten des welterfah
«nen Mann«s. Ich sah ihm an, daß
er Pulver gerochen haben mußte und
redete ihn deshalb mit Capitän an.
„Ist es möglich, Capitän, daß ich noch
ein Oberbett nach New Orleans be
komme? Ich mutz zum Feste nach
tort." Der Capitän musterte mich ein«
Sekunde und sagle dann in freundli
chem Tone: „Gehen Sie nur hinein
in die Car, ich werde schon für Sie
sorgen." Ich erhielt auch richtig ein
Oberbett, das letzte, welches noch frei
war und begab mich bald zur Ruhe.
Als ich am nächsten Morgen er
wachte, stand der Zug still. Wir hat
ten während der Nacht nur ISO Mei
len zurückgelegt in Folge eines Unfal
les, der dem uns entgegenkommenden
Passagierzuge zugestoßen war. Die
Stimmung, der Reisenden, welch«, mit
Ausnahme der kranken Dam«, sämmt
lich das Fest bei den Ihrigen zubringen
wollten, kann man sich denken. Da
kam der alte Schlafwagen-Condukteur
herbei. „Well, guten Morgen, mein«
Herren, «s ist «in prachtvoller Winter
morgen, und Sie sollten hinausgehen
in die schöne Luft. Wir werden noch
mehrere Stunden hier stillliegen müs
sen und Sie haben vollauf Zeit, um
das Schlachtfeld zu besichtigen. Kom
men Sie nur, meine Herren, in nächster
Nähe hat eine der schrecklichsten Schlac
hten des Bürgerkrieges stattgefunden."
Als Antwort auf eine Frage erklärte
er, daß er stlbst hier mitgekämpft hatte,
als Virginier natürlich aus Seiten der
Südstaaten.
Nach dem Frühstück machte sich die
ganze Gesellschaft unter Führung des
Capitäns auf den Weg. Er erklärte
uns die Stellung beider Heere, zeigte
uns die Plätze, um welche am heftigsten
gekämpft worden war und entwickelte
ein anschauliches Bild der ganzenCam
pagne. Auf dem Rückwege ging der
Capitän in ein kleines Haus, und holte
sich dort ein niedliches Bouqnet, welches
er später der kranken Dame überreichte.
Als sich der Zug endlich wieder in
Bewegung setzte, galt der Capitän bei
uns Reisenden ungefähr so viel, als
wenn er der Besitzer des Waggons ge
wesen wäre. Er sungirte nicht allein
als Beamter, sondern man hatte das
Gefühl, als ob man bei ihm zu Gaste
sei. Er bemühte sich beständig um uns.
Den Lesenden richtete er die Fenster
vorhänge so ein, daß das Licht vor
theilhaft auf Buch siel, den Rau
chern verschaffte er gute Bentilation,
für di« kranke Dame schleppte er Kissen
und Decken herbei und richtete sie so
behaglich ein, wie möglich. Denjeni
gen, welch« hinaus in die wunderschöne
Landschaft blickten, erklärte er dieselbe.
Das alles geschah ohne alle Aufdring
lichkeit und mit so vollendeier Liebens
würdigkeit und so feinem Takt, daß
wir Passagiere gar nicht aus dem
Staunen herauskamen.
Auch sein Porter Nickolas war das
Ideal eines solchen, nicht der mürri
sche, häufig genug flegelhafte Trink
geldspekulant, wie man sie in der Re
gel auf den Zügen antrifft, sondern ein
wirklicher Leibdiener, prompt, ruhig,
ehrerbietig und stets zur Hand. Es
stell!« sich heraus, daß Nick in des Ca
pitäns glänzenderen Jugendjahren (vor
dem Kriege) dessen eigener Diener ge
wesen war.
Ich sprach über Nick zum Capitän.
.Jawohl, mein Herr, Nick ist ein vor
trefflicher Junge. Als ich bei der
Bahn angestellt wurde, gab mir di«
Compagnie einen Mulatten als Porter,
«inen von diesen jungen „free issue"
Bengeln. D«r konnte lesen und ein
wenig schreiben und bildete sich nun
ein, daß er ein Gentleman sei. Er war
aber nur ein Gentleman-Loafer, ein
Lümm«l, weiter nichts, er war grob
und flegelhaft, kaute beständig aus ei
nem Zahnstocher herum und ich mußte
ihn wegen seiner Faulheit und Imper
tinenz vom Zuge jagen. Ich erklärt«
dann dem Eisenbahndirektor, daß ich
mir meinen eigenen Porter erziehen,
oder den Dienst verlassen müsse. So
bekam ich Nick. Er ist ein prächtiger
Boy geworden (Nick war ungefähr 6S
Jahre alt). Des Sir, der Schwarze
ihn richtig behandelt, hundertmal besser
als der Mulatte." Ich war in ein paar
din?" meinte d«r lch mußt« das
bejahen und der Capitän sagte, er hab«
das schon gewußt, als ich in Washing
ton ihn um den Platz
ihm nach dem Norven. Ich erwiderte,
daß ich durchaus nicht so glücklich sei,
denn wir hätten uns noch nicht auSge
sind „all right". Sagen Sie ihr nur,
ich hätt« das g:sagt."
Ich sah den Capitän groß an, aber
sein Zuspruch that mir gut. Ich war
ja so zaghaft und so betrefft
mein« Aussichten, daß die Zuversicht,
welche "der alte Mann aussprach, ge
wendigsten damals brauchie. Eh« ich
es recht wußte, hatte der alte Capitän
erfahr«!!, wer ich war, was ich für «ine
Stellung bekleidete, wer mei"e Anver
wandte waren, wie und wo ich meine
Angebetete zuerst getrossen und wi« sehr
ich mich in sie verliebt hatte. Und nun
<r,LV?» mir der Capitän seinen eigenen
HerzenSroman.
Es war vor dem Kriege und der Ca
pitän, welcher aus einer alten bekann
ten Fariilie stammte, hatte sich in das
schönste Mädchen der Gegend verliebt.
Aber es war ihm gar nicht möglich, auf
sie Eindruck zu machen, sie behandelte
ihn genau so, wie sie eine größere An
zahl anderer Verehrer behandelte. Der
Capitän tonnt« sich nicht dazu entschlie
ßen, sie um ihre Hand zu bitten, aus
Furcht, daß er abgewiesen werden
würde. „Da brach der Krieg aus, ich
trat sofort ein und nach sechs Monaten
brachten sie mich nach Haus mit einer
schweren Schußwunde in der Brust.
Da kam meine Angebetete und pflegte
mich und sprach zu mir so lieb und so
freundlich und da sagte ich ihr eines
Abends, daß ich sie lieb«. Und sie ant
wc riete mir, datz sie mich buch immer
geliebt und nur auf meinen Antrag ge
wartet habe. Ich wurde wieder ge
sund und zog wieder in,den Krieg und
brachte es zum Capitän ich hätte so
gar Oberst werden können, aber ich zog
es vor, bei meiner Compagnie zu blei
ben, die aus lauter guten Freunden be
stand und nach dem Kriege heirathe
ten wir uns. Wir waren Beide arm,
der Krieg hatte uns Alles geraubt, aber
wir sind doch so unendlich glücklich ge
worden. Sehen Sie, mein junger
Freund, man muß den Frauen gegen
über nicht zaghaft sein. Ich war zuerst
viel zu zaghaft und ich wette, daß da»
auch Ihr Trubel ist!"
Ich konnte das nicht leugnen, hatt«
aber durch des alten Capitäns Zureden
jetzt so viel Courage bekommen, datz ich
sofort und auf der Stelle meiner An
gebeteten «inen Heirathsantrag gemacht
haben würde, wenn sie nur anwesend
gewesen wäre.
Der Zug hielt an einer kleinen Sta
tion in Virginien, Auf dem Bahnhofe
stand«n die Menschen in dichten Hau
sen. Als sie des Capitäns ansichtig
wurden, brachen sie in großen Jubel
aus, sie umringten ihn, drückten ihm
die Hände, je sie umarmten ihn. Es
stellte sich heraus, daß dies des Capi
täns Heim"th war. Ein Gerücht hatte
sich verbreitet, daß des Capitäns Zug
derjenige gewesen sei, w«lch«r verun
glückt war, und daß der alte Capitän
schwer verletzt worden sei. So waren
die alten Freunde und Nachbarn aus
Theilnahme herbeigeströmt. Der alte
Conducteur war tief gerührt. Er hielt
den Freunden eine nette kleine Rede
und stellte dann uns Reisende der Ver
sammlung vor. Er sagte, „meine Her
ren, das sind meine „Boys", meine
Nachbarn, ja das ist meine Familie,"
und dann: „Boys, das hier sind meine
Freunde; ich kenne zwar nicht >,.Ze Na
men der Herren, aber sie sind alle meine
Freunde." Und so war's auch. Der
Capitän aber schickte «in Tekgramm
an seine Frau, denn es konnte ja sein,
daß das falsche Gerücht auch ihr zu
Als das Mittagessen im Speisewa
gen servirt wurde, war der Capitän von
jedem einzelnen Passagiere zu Gaste ge
laden worden. Aber er lehnte alle
Einladungen ab. C' sagte, daß er
ewas zu besorgen Schließlich
vertraute er mir an, daß er an einen
folgenden Station bereit zu halten.
Weihnachten ohne jede Feier sei doch
gar zu trübselig. Und als nun der
plötzlich Nick mit einer dampfenden
Punschbowle, welche mit Tannenreis
und Holly bekränzt war und nun bra
chen die überraschten Passagiere in ein
donnerndes Hoch aus den alten Capi
tän aus.
dern der eigentlichen Grundlage des
Christenthums treu zu bleiben: „Liebet
Euch unter einander, seid gerecht und
erinnere mich nicht, jemals ein« so ein
fache und zugleich so eindrucksvolle Red«
gehört zu haben.
Und nun wurden noch viele Reden
gehalten, jeder einzelne der Mitreisen
den hielt mindestens eine Rede; es wur
den Lieder gesungen, Toaste ausge
bracht auf den Capitän, auf alle fernen
Freunde der Reifenden, auf des Capi
täns Gattin u. f. w. Und die Bowle
wurde ausgetrunlen, ohne daß irgend
einer de: Theilnehmer sich übernom
men und so die prächtige Stimmung
gestört hätte. Nur der Capitän tränt
leinen Tropfen, so sehr ihm auch zuge
redet wurde. „Meine Freunde," sagte
er, „ich bin gewiß lein Temperenzler,
ich hasse diese heuchlerische Gesellschaft
sogar, aber ich bin im Dienste. Eine
der Vorschriften der Eisenbahngesell
schaft geht dahin, daß kein Angestellter
in den Dienststunden geistige Getränke
zu sich nehmen darf. Das ist «ine ganz
gute Regel, denn es gibt ja leider Men
gulationen nicht zu unterschreiben."
Und Nick wurde herbeigeschleppt und
mußte des Capitäns Glas austrinken
ten, welche ihm «ine Hand voll Quar
te:? Und Vvs dem redleli-
Ger gewordenen Nick erfuhren wir dann
auch, datz der Capitän in der ersten
Nacht Nicks Laxer getheilt hab«. Sein
eigenes Bett im Rauchzimmer hatte der
Capitän dem Herrn abgetreten, welcher
in Washington ihm mit Beschwerde ge
droht hatte, und mir hatt« er dann das
Oberbett gegeben, welches der „Grobe"
haben stillte.
Kurz vor unserer Ankunft in New
Orleans flüsterte mir der Capitän
heimlich in's Ohr, daß er heute dienst
frei sei und mich bitte, das Weihnachts-
Diner in seinem Hause einzunehmen.
Ich protestirte zuerst und meinte, ich
wolle doch sofort meiner Angebeteten
einen Besuch machen und von ihr eine
Einladung abwarten, aber der Capitän
machte ein geheimnißvolles Gesicht und
meinte, es sei vielleicht doch besser, wenn
ich erst zu ihm käme.
Und ich betrat gegen Abend ein klei
nes, einfaches Häuschen, wo mich der
alte Capitän freundlich begrüßte und
mich dann sein« Gattin vorstellte, die
den Freund ihres Mannes in der herz
lichsten Weise bewillkommte. Und als
wir uns zu Tische setzen wollten, da
erschien Diejenige, welcher mein Besuch
in New Orleans galt! War das eine
Ueberraschung! Der Capitän hatte die
dann nach einem fröhlichen einfachen
Mahlt der Capitän bei einem Nachbar
eingetreten war und die Frau in der
Küche mit Abräumen sich beschäftigte,
da kam es zwischen uns beiden Gästen
zur gegenseitigen Aussprache und zum
gegenseitigen Geständnitz unserer Liebe.
leans. Er hat eine Offerte d«r Pull
ihm die gute Stelle verschaffen wollte,
war derselbe Herr, der in Washington
so barsch auf seinen Rechten bestand
und dem guten allen Capitän sogar
mit Beschwerde bei der Pullman Com
pagnie gedroht hatte.
Gefunden.
Sie hatte einst an einem kühlen Tage
ihre Hand in die seine gelegt, die sich ihr
ruhig, ohn« Hast und Erregung, entge
genstreckte. Ein „Nein" von ihr würde
ihn nicht zerschmettert haben er
hätte sich dann eine andere Frau ge
sucht, da er Heirathen wollte, weil ihm
der Junggesellenstand überdrüssig und
eine «igene Häuslichkeit Wunsch gewor
den war.
Sie liebte ihn nicht und folgte nur
dem Zureden ihrer Verwandten und ei
nem «igen«», leisen Gefühl, das «in«
Heirath in ihren Verhältnissen wiin
schenswerth erscheinen ließ.
scheinbare Harmonie ein äußeres Ge
wand des inneren Nichtverstehens ist.
Sie standen, schweigend vor dem
gen schon fröhlichere Menschen an sich
vorbeizieh«n> sehen. Sie feierten ihr
erstes, g«meinsames Weihnachten, aber
Schn«« überdeckte.
Er blätterte in dem schön gebunde
nen, wissenschaftlichen Werk, das ihr
feiner Geschmack ihm ausgesucht.
die Poesie des heiligen Abends? Öder
an den aschblonden Kopf, den seine
Frau gar so ruhig und gleichgiltig üb»
den zarten Schultern bewegte?
Nein, an sie dachte er gewiß nicht,
Fenster auf das schlafende Wiaterbild
Heimath war. Ein klarer Mond be
leuchtete die fernsten Züge des Gebirges
und umflimmerte den schlanken Kirch-
Es träumt sich so gut. wenn dem Aug«
keine störende Farbe entgegentritt und
jede- Ding sich unb-weglich in den
Schleier der Nacht schmiegt. Aber ihre
als in dem verschneiten Thal
„Wenn Du groß bist, Blondinchen,
werde ich Dich Heirathen, und dann
tanzen wir den ganzen Tag, und ich
schaukle Dich aus meiner. Knieen
Abends spielen »wir Domino und ich
schenke Dir so viele Chocolade, als Du
magst."
Es war ein blühender, junger Ossi»
Madchen erlauf dem Schoße
und flatterhaft. Die klein« Bas« sollte
es erfahren.
Noch manches Jahr kam er zum
Christfest, streichelte seine Mutter,
er sie Heirathen wolle. Dann eilte er
wieder in die große Garnison zurück,
die ihn als Liebling auf den Wogen
ihrer Geselligkeit trug.
Endlich war ein Weihnachten, an
dem er die kleine Base nicht mehr zu
küssen wagte, weil sie als erwachsenes
Mädchen vor ihm stand. Aber er sagte
auch nicht mehr, datz er sie Heirathen
wolle, denn die Welt hatte Gift in sein
Hcrz gegossen und aus dem heiteren
Glückskind «inen blasirten, verwöhnten
Menschen gemacht. Er liebte die
Frauen entgegenkommend, südlich, ko-
Base Eva.
„Du solltest es mir zuliebe thun,"
bat seine Mutter. „Sie liebt Du
zige," entgegnet« er hart und warf feine
Cigarette fort. „Ich kann keine Frau
Heirathen, die so wenig mein Geschmack
Herz daran zu versengen."
O, sein Herz war bereits versengt!
Gar zu viele Flammen hatten es schon
Eva liebte ihn mit jener zähen Treue,
sein tadelloses Baldurgesicht, als sie
dem Anderen ihr Wort gab, sie liebte
ihn noch, als sie mit dem Anderen vor
herauf, ein Weihnachtslied von Kinder
lippen, wie es arme Knaben in der hei
ligen Nacht vor den Häusern zu singen
Pflegen.
„Ich bin gleich wieder da," rief sie in
der Thür und stieg die Treppe hinab.
Als sie im Rahmen der Hausthür er
schien, verstummte der Gesang und mit
vielstimmigem Festgruß streckten sich
ihr verlangende Kinderhände entgegen.
„Fröhlich« Weihnacht," sagte auch
sie, aber mit demselben gewohnheits
mäßigen Ausdruck, mit dem chwa
Mauer lehnt«. „Soll ich allein ausge
hen von Deiner Thür? Hast Du keine
goldene Nuß mehr für mich?"
kälter als Winterwind wehte ein
Schauer durch ihre ganze Gestalt. Als
sie dann dem Helden ihrer Jugend in's
Auge sah, war «s ihr, als flöge auf
Weihnachtsfchwingcn alles Schöne zu
ihr heran, was sie in langen, verflosse
nen Jahren genossen.
„Fabrice!" rief sie noch einmal und
reichte ihm zitternd die Hand. Erschro
cken von dem innigen Ton ihrer
Stimme fügte sie leiser hinzu: „Willst
Du nicht in's Haus kommen? Die Lich-
Er trat über ihre Schwelle. Seine
großen, leichtsinnigen Augen hafteten
fragend an dem blonden Haupte, das
sich scheinbar ruhig auf di« Brust
lenkte.
„Ich habe seit Jahren das Fest stets
mit Dir gefeiert, Eva," sagte er leicht
hin. „Zur Mutter komme ich heute
wegen meines verspäteten Urlaubs
wir hatten noch einen großen Rout im
Kasino doch nicht mehr zeitig genug.
und da siel mir ein, hier einen Zug z.r
überschlagen und ein Stündchen mit
Dir mit euch zk verplaudern. Man
latzt so ungern von alten Gewohnhei
ten."
Sein« Stimme hatte, wenn er mit
Frauen sprach, etwas Einschmeicheln
des, melodisch an's Herz Klingenlxs,
«in Meister in der Kunst, zu gefallen.
Dennoch gefiel er Eva in diesem Augen
blick nur halb. Ein Gefühl der Bitter
keit mischte sich ihr allmählich in den
anfänglichen Zauber des Wiedersehens,
vielleicht hatte sie unbewußt von ihrem
Manne ein Theilchen jenes ironischen.
Spottes gelernt, der ein strengeres Se<
cirmesser an Menschen und Dinge legt.
M)t jener vornehmen Freundlichkeit,
die ihn im konventionellen Verkehr aus
zeichnete, begrützte der Hausherr den
sväten Gast. Sie kannten sich flüchtig
von einer zufälligen Begegnung und ge
langten schnell in's Geleise einer slie
tzenden Conversation.
Wieder breitete vor Eva und Fabrice
«in Tannenbaum seine dustendenZweige
aus. Sie standen so nahe bei einan
der und waren dennoch weiter getrennt'
als je zuvor.
Der Theekessel summte und drei
Menschen sprach«» über viel gleichgil
irauchen, sie waren nur zu deutlich ein
gegraben in das schöne Gesicht, dessen
kindliche Weichheit längst einer freud
losen Indolenz Platz gemacht. Die
„grotze Welt" hatte ihr Meisterstück an
ihm vollbracht noch einige Jahre und
er war körperlich und geistig ruinirt.
Eva besaß geringe Menschenkennt
niß: aber in diesem Gesicht las sie mit
Sicherheit. Ein Gefühl der Beschä
mung kam über sie. Dies also war der
Mann, dem sie Jugendlust und Men
schenglaube als abgebrauchten Tand
vor die Füße geworfen, den sie willenlos
eingreifen ließ in den Verlauf einer
Ehe, die ohn« ihn wenigstens eine recht
liche sein konnte.
Unwillkürlich blickte sie vergleichend
zu ihrem Mann hinüber. Sie begeg
nete seinem Blick, einem fragenden, for
schenden
Feenquadrillen Elfentänze ich
natürlich der Faifeur da war die
petite Susanne aus Lyon, Augen wie
zwei Schwerter, Toiletten wie Sarah
Bernhard aber, hol's der Teufel,
auch sie wurde mir mit der Zeit lang
weilig. Wie fängt man es nur an,
sich noch für das Leben zu interessiren?
Gib mir das Rezept mit auf den Weg,
Cousinchen. Ich hab' es längst verlo
ren!"
Müde lehnte «r die schlanke Gestalt
in das Sofa und seufzte mitten in dem
Redestrom, dann aber schwirrten seine
Worte weiter, jagten von Festen zu Fe
sten und beschworen in dem stillen
Genusses und der Oberflächlichkeit.
„Wie fängt man es nur an, sich für
das Leben zu interessiren?" Diese
Frage tönte lange in Evas Ohren nach,
so daß sie fast geistesabwesend aufstand,
als der nächtliche Gast sich zum Gehen
anschickte. Er küßt« ihre kalte Hand
und mochte glauben, daß die Finger
aus Abschiedsweh zitterten, denn ein
rascher Blitz seiner unheimlichen Augen
wollte mit dem Gaste noch eine Stund?
im Wirthshaus« verbringen.
Tief in Gedanken versunken blickt«
sie in die Nacht hinaus. Dann warf
sie plötzlich den Kopf stolz zurück, als
schüttle sie einen bösen Zauber ab. Die
tete, war ein ganz anderes Wesen alz
jene, welche Fabrice „zu kühl und zu
blond" zum Lieben gefunden.
Die Zeit des Wartens verging so
langsam. Endlich hörte sie die Klingel
der Hausthür, die bekannten Schritte.
Was sollte sie ihm sagen? Wie den
d«r ihr vor allen anderen fremd
war?
Vielleicht halfen ihr die Weihnachts
engel, die unsichtbar in der heiligen
Nacht um die Stirnen der Menschen
schweben und Gedanken, di« alltags kein
Leben zu gewinnen wagen, in rechte
Worte verwandeln. Denn eins hat js
das Christfest vor allen anderen Festen
voraus, daß es tief in die Seelen greift,
schlummernde Gefühl« aufweckt und
plötzlich vereinen kann, was lange ge
trennt neben einander ging.
Als das letzte an dem Tan»
nen, verschneiten Bergstadt zwei selige
Menden mehr. Das Parfüm des
schönen Fabrice war in den Zweigen
Rekruten): „Mehr Grazie bei's Bein
beben, Kinder, besucht in.r häufiger
die Valletvorstellungkn!"