Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, December 14, 1894, Page 3, Image 3

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    Genie der Tlmt.
Die Erschütterung des Zwerchfells
ein sträflicher Brummschädel!" murrte
Franz und wies mit kläglichem Lächeln
auf seine Stirn.
„Dieses auch, mein Freund!" gab der
Mann auf dem Bette zurück, mit dem
-gleichen schmerzlichen Gesichtsausdruck,
nnd wies auf die seine.
„Teufel, wie spät? Xi>:l>t's, «>!m«ll<-!i
!N'<> lmi-iir out. es ist schon hell!" frag
te dann der Inhaber des Sofas.
Beide Uhren waren abgelaufen.
Franz stand ächtend auf und streckte
die zerschlagenen Glieder.
„Ich muß schleunigst nach Haus!"
erklärt: er. „Asta vergiftet mich, mein
Alter tobt und Fritzi die hämische,
kleine Viper, witzelt den ganzen Tag.
wenn ich am Morzin-K.iffeetis-Y fehl:!"
„Franz Graas, kiw .!.> t'uniill»-." er
widerte feierlich langsam der Dichter,
..mir kommt eine Idee, schön wie eine
Houri des Paradieses ich werde aus
stehen, ich werde mein Haupt im Mor
genroth baden, ich werde Sie begleiten.
Gegen die Wirkung des „Aethyloxyd
hydrales" auf den menschlichen Körper
gibt es nur eins: einen Morgenbum
mcl in den Thiergarten!"
~I!<>nii« kann man sich bei Ih
nen ein bischen waschen?"
Sie machten Toilette dann gab's
einen Kognak.
„Ah", sagte Breying, wie der starke
Branntwein seine Kehle hinabrann.
„Ich fühle junges, heil'ges Lebensglück
neuglühend mir durch Nerv' und Adern
rinnen! Bin ich ein Gott? Mir wird so
licht! Jetzt erst erkenn' ich. was der
Weise spricht: Auf. bade, Schüler, un
verdrossen die ird'fche Brust im Mor
genroth! Nun aber: Außi, außi,
außi!"
Bald darauf wanderten sie felbander
den Kanal entlang.
Noch war in dieser bevorzugten Ge
yend die große Stadt still. Der feine
Dampf der beiden Zigarren kräuselte
sich in der klaren Morgenluft. Der
Frühwagen von Bolle hielt an der
Großbeerenbrücte, und eine verschlafene
Zofe mit ungemachtem Haar streckte
verdrossen ihren Tops hin, während
Kutscher und Klingelknabe ihr etwas
handgreiflich, aber völlig vergeblich den
Hof machten.
Ach, wüßten dieHa:»frauen, wie ihre
Küch-ng:ist:r. wie ihre Töpfe aussehen,
in denen die Morgenmilch besorgt wird,
wenn einmal „der Herr" früh aus
geht!
Einßäckerjunge kam pfeifend dieMö
ckernstraße entlang dann einige
lüüde Schaffner in großen Pelzen mit
Koffer und Laternen.
„Ja, ja!" sagte in dieser Gegend
Franz.
Dann gingen sie weiter.
Die Potsdamerstraße lärmte bereits
statt da zog seit drei Uhr die Le
«in.
„Marenholz war der Dümmere ge
stern Abend." bemerkte hier Breying.
er nicht gegen 10 Uhr nach Haus
gegangen, hätte er vermuthlich auch bei
mir geendet und entbehrte jetzt nicht
des klassischen Anblicks dieser tausend
interessanten Behikel!"
Da Franz nicht lachte, fuhr er fort:
.War wohl eine ungesalzen: Bemer
kung von mir? Ich vermisse den ge
wohnten Beifall!"
„Na, Mittelwurf!" meinte Franz.
„Franz Graaf, til« kumill>>," be
gann Breying auf's neue, „Sie moaui
ren sich über mich. Aber ich sag: Ih
nen mir ist so eigenthümlich zu
Muth, just wie dem Kätzlein schmäch
tig, das an den Feuerleitern streicht;
mich drängt es, etwas zu unternehmen,
um aus der Katerstimmung zu kom
men. Sollen wir 'mal den Nachtrath
oa drüben ärgern, der gern nach Haus
möchte und sein letztes Viertel ab
schläft. indem wir hier in den Kanal
springen und durchschwimmen?"
„Bitte," sagte Franz kühl, „ich werde
mich darauf beschränken, Hilfe zu
schreien!.... All: Donner." unterbrach
er sich plötzlich, „wer ist das da drüben
da an den Vorgärten entlang? Das
ist ja unsre schöne Polin von Unier den
Linden "
„Wo, wo? Wahrhaftig! Kommt et
was spät nach Hause, sind' ich!"
„Und allein? Breying, sehen Sie
nur, wie die Frau geht, sie schleppt sich
nur so; Teufel, was ist das? Jetzt
kommt sie über den Damm drüben.
Drücken wir uns hinter den Baum! Sie
steht sich um, sie guckt her über den Ka
nal, sie hat uns gesehen und geht wei
ter. Breying, ich wette, sie hat etwas
vor!"
Die Herren blieben zurück, ließen
aber die einsame Dame nicht aus Ken
Augen.
„Was ist das für ein Kerl, der ihr
nachschleicht?"
„Das ist ja Marenholz' Bursche,
der Wasserpvlack, das gute Hundevieh,
in 'ner Drilljacke, taumelnd vor Mü
digkiit !>!<>» ilc> I>st'u! Was hc:»
da- zu bedeuten?"
Marenholz' Bursche, der Wasser
polos das gut: Hundevieh, hatte am
Aben? den Auftrag erhalten, der Da
me Ui,ausfällig das Geleit zu geben, sie
nicht zu verlassen, ehe sie nicht in
ein ging, darinnen sie daheim zu
>c!n -ch»ne Stunde um Stund«
war,c «r unglücklichen Frau gefolgt,
die an den lichten Morgen in
- und Betäubung die dunklen
ölananifl-r auf und ab gelaufen war.
fc-l ' Bendlerstra
muß »un hinüber nach ,s>aus,"
sagtt gähnend, „die Bendler
stras'.e schneidet g-raoe durch aus un
sere Villa."
„Bleibtn Sie noch ein paar Augen
blicke," erwidert: ihm der Gras, der
mit klaren, scharfen Augen der Dame
drüben folgte und Rausch wie Müdig
keit vergessen zu haben schien. „Der
moderne Mensch soll keiner ungewöhn
liche» Begegnung aus dem W-ge ge
hen. Wir Wersen gkich etwas erleben!"
Das unglückliche Weib stand nun
wiederum still und blickte sich um. Ih
rem fluchtigen, spähenden Blick erschie
nen die vornehmen Uferstraßen völlig
menschenleer den? der Bursche, wie
aus der anderen Kanalseite die Freun
de, hatten Deckung hinter Bäumen ge
sucht, aIS die Dsme Halt machte. Bei
de Parteien beobachteten sie.
Sie nahm Papiere aus ihrer Tasche,
zerriß dieselben, ließ sie im Morgen
winde flattern und sah ihnen träume»
lisch nach. Es schienen Visitenkarten
und Briefe zu sein.
Dann legt- sie di: gefalteten Hände
dicht unter ihrer Büste zusammen und
wendete ihr Antlitz gegen den mor
gendlich flammenden Himmel, gen
Osten, wo die Sonne cin ungeheurer
Feuerball hinter schweren purpur
brennenden Wolkenschleicrn ihr Ange
sicht zu erheben trachtete.
Wi: wund:rschön dieses still-'rranea
antlitz war; ein leises gramvolles Lä
cheln, ein: tiefe Fri:denss:hnsucht dar
auf; voll d:m jungen Lichte zuge
wandt, von wehmüthig heiterer Vorah
nung enzlichen, ewigen Friedens er
füllt!
Mit einemmal trat sie über das nied
rige Gitter in das smaragdene Gras
beet des Ufers zwei rasche Schritte,
ein leichtes, sekundenlanges Zözern auf
der freien Bordschwelle dann gab
es ein Plätschern in dem stillen, mor
gendlich geträufelten Wasser und
beide Freunde sowohl, wie drüben der
müde Soldat stürzten hastig vorwärts,
der Selbstmörderin zu helfen.
Hätte die Arme gewußt, daß sie nun
so daliegen würde auf der kleinen Holz
bank am Promenadenweg des Ufers,
vielleicht hätte sie es nicht gethan.
Schmal war das Brett —damit die
Beine der Leblosen nicht hinunter glit
ten, hatte man das linke Bein über das
rechte gelegt das schwere nasse Kleid
hing von der Seite auf den Kies hinab,
ließ ihre herrlichenGlicder Plastisch her
austreten, zeigte di: feinen Halbschuhe,
den kühngeschireiften Spann im olive
farbenen Strumpf, die schöne schwel
lende Rundung des Unterschenkels.
Sie hatte ?.ch im Wasser gegen ihre
Retter gewehrt, dabei war ihr Haar
aufgegangen Franz stand, stützte ih
ren Oberkörper und den hängenden
Kopf mit seinem Bein und mühte sich,
die triefende schwcr: Haarfülle mit den
Händen auszudrücken, auf ihr:n Schul
tern und ihremVusen damit
es nickt in den Staub streife. Unter
den Achseln war ihr Kleid zerrissen, die
feste glatte Haut mit ihrem Hauch gold
bräunlichen Inkarnats kam da zum
Vorschein ein Schauspiel der gaf
fenden Leute, die aus den Nachbar
häusern herbeigeeilt waren und um die
Bank herumstanden, dienskvillig, aber
ungeschickt.
Breying allein war kaltblütig geblie
ben, schaudernd vor Kühle und Nässe,
mit triefenden Kleidern, wi: er war.
„Rasch zu 'nein Arzt, Leute!" rief
er. „Wer weiß einen in der Nähe?
Gut, eilen Sie, ich zahl's Ihnen, so
rennen Sie doch. Mann!"
Dann ergriff er den regungslosen
schweren Körper um Taille und Ober
schenkel, wendete ihn um, daß die Dame
auf den Leib zu liegen kam, und hob
sie nun mit mehr Kraft, als man seiner
schlanken Erscheinung zugetraut hätte,
auf, den hängenden Kopf mußte
Franz halten. In dieser Stellung
llappte der Mund auf, und Wasser be
gann abzulaufen.
„Wohin nachher mit ihr?" fragte er
keuchend Franz.
Diesen, wie er vorher still neben
ihr gestand?» und nach der Anstren
gung des Rettungswertes Luft g:-
fchöpft, hatte ein tiefes Rühren mit
der Unglücklichen erfaßt. Gestern noch
ein stolzes, begehrenswerthes Weib
beute ein: Wasserleiche.
„Zu uns, Breying!" sagte er. „Nur
die Ben'dlerstraße entlang. Man trägt
sie in's Gärtnerhäuschen, um die
Schwestern nicht zu erschrecken "
„Geht nicht! Halt ich muß einen
Augenblick niederlegen die Polin
es ist die „Sarmatin", von der ich.ge
stern sprach. Joseph Ihre Schwester
Asta Sie sehen, es geht nicht!"
Die Portiersleute des gegenüberlie
genden Hauses erboten sich, die Ver
unglückte aufunehmen.
„Ich lohne Ihnen zehnfach alle Last,
die Sie haben!" rief Franz, „ich heiße
Franz Graaf, Sohn des Kommer
zienrathes Graaf!"
Da kam auch schon ein Arzt, und dss
Wiederbeleburgswerk nahm seinen An
sang.
Allein das Unglück wollte es, daß
ben wollten sie gingen auf den Fri
ßspitzen Asta ihre Thüre und
fragte mit hastiger, gedämpfter Stim
me: „Graf Breying —'Franz —ist
ein Unglück passirt?"
Der Graf entschuldigte ihre To:»
fischt in den Händen des Arztes.
„Eine Damc?"
Der zweifelnde Ton des letzten Wo
rtes machte Breying lächeln.
„Der besten Gesellschaft, meine Gnä
dige!" fügte er hinzu.
„Asta," siel Franz ein, „wir zitiern
vor Nässe und Kälte. Warte we
nigstens mit Deinem Verhör, bis wir
uns umgekleidet haben."
„O Verzeihung aber Sie nehmen
d»ch den Kaffes mit uns, Herr Graf?"
„Das wäre ja so >v:it ganz schön,"
meinte ärgerlich der todtmiide Franz,
als sie sich im Zimmer die Kleider vom
lausen mußte!"
Breying zuckte die Achseln.
„Es wird ein großer Skandal wer
den," erwiderte er. „Ihre Schwester
würde doch darum erfahren haben!"
„Verdammt, ja! Die Zeitungen! Ich
muß gleich fort und zu Joseph fahren,
damit "
Ein bezeichnender Blick Vreyings
auf den Diener schnitt Franz das
Wort ab.
Dann saß der Graf und ließ sich
srottiren; „die Zeitungen, die Zei
tungen!" murmelte er und eine selt-
IV.
„Rege Dich doch nicht so auf, Bru
der!" bat der Kommerzienrath.
das, was er sagen so gut wie
möglich zu sagen, und sein Angesicht
nahm dabei einen eigen vergeistigten,
tiefen, strahlenden Ausdruck an, wäh
rend sich aus der alten Burst eine starke,
klangvolle Stimme losmachte, „aber ich
wiederhole, aus Prinzip lasse ich meine
Kinder nicht zu Dir kommen, ausPrin
zip schließe ich mein Haus gegen die
moderne Welt ab, aus Prinzip tyran
nisire ich meine Kinder, die ich liebe,
so gut, wie Du die Deinen. Ich will,
sie sollen Bürger bleiben, sie sollen nicht
Angehörige der „bevorzugten Kasten"
werden. Entsinnst Du Dich, wie wir
auf der Schulbank von den reichen rö
mischen Plebejern dachten, die sich bes
ser dünkten, als ihre Standesgenossen,
die sich zu den Patriziern hielten, von
denen sie wegen ihrer Bildung und ih
res Wohlstandes mit offenen Armen
aufgenommen wurden? Verräiher an
bin liberal, aber kein Demokrat; ich
will nicht eine Gesellschaft, die wie ein
Urbrei, ous lauter gleichberechtigten
Individuen, aus den zerschlagenen Re-
Biirger sind es, die die große vaterlän
dische Begeisterung von 1813 bis zu
der vstt 1870 genährt und getragen ha
ben: wir. die man jetzt altmodisch und
komisch findet, sind es, die in den fünf
zig Friedensjahren jene groß» Summe
nationaler ArbeU geleistet haben, die
Ren, nicht über unsern Stand hinaus
streben! Alle Tage geht auf dem Weg«
der Heirath und der Erbschaft ein gut-
Schlichtheit, die wirtschaftliche Tüch
tigkeit des Bürgerthunzs, seine „eng
herzige Moral", ja, unsre gutbürger-
und schwächen würden. Ätzer ich, mein
Bruder, siehst Du, ich bleibe bei der
Stange, meine Kinder sollen solche Re-
Hannes und meine Tochter Annie sollen
nicht Verkehr Ä>er ihren Stand pfle
gen, sollen all euer modernes Leben
ben, sich zu bekreuzen.
„Also Nachbarselte der Demokratie",
sagte Eberhard, dem das Wort Rcn.'gat
Kinder zu sichern, indem er ihnen durch
seine Thatkraft und Strebsamkeit ei
nen festen Platz innerhalb der Pha
lanx der wirthschaftlich und gesellschaft
lich bevorzugten Stände das ist:
schafft. Ich bin stolz darauf, dies für
meine Kinder geleistet zu haben! Und
ich bin überzeugt, sie selber werden es
mir danken!"
mir wird dereinst eine fürchterlicheßich
terin sein: die soziale Revolution!"
„Ach was! Die, wenn sie je eintritt,
Hah>
„Fortschwemmen? Nein," der alte
Mann im Schlafrock sagte es sinnend
hig Heinrich. „Und diese Entwickelung
schreitet stetig vor. Große Bolksklassen,
liert? He? Gelernt hat er nichts. Än
lich derKo7nni.»r!ien?.it!i, „darum willst.
Du ein Pfahlbürger bleiben! UnZ wie
ist je und je in der Welt der Kultur
sortschritt vermittelt worden? Durch
s-i' lmt
lassrn!"
„Heinrich, Heinrich!" ri:f heftigEker
haro, v:r wohl fühlte, daß der Brudtt
seinen Sohn Franz im Sinne hatte.
„Wirthschaftlich sorgst Du gut für die
Deinen, wenn ich Dir alles zugebe, was
Du gesagt hast. Aber steh: Deine Toch
ter hat nun einmal Ahnung von dem
modernen Leben, das sie umgibt, ihre
Augen sind offen, sie sehnt sich in gesäl
ligere Verhältnisse, als Du den Dei
nen bietest, sie fühlt sich elend in diesem
Spießbürgerthum, sie vergeht darin,
Bruder, Dein Kind vergeht darin!
Deinem politischen Prinzip ist sie Re
negatin wohl es sei; aber sie hat
ein« Menschenseele, die nun einmal
c>us Deiner Art gefallen ist, und sie for
dert nichts, als ihr Menschenrecht freier
Entwickelung, wenn sie mit allen Fi
bern aus der nüchternen Existenz her
ciusstrebt, die Du ihr aufzwingst. Für
dies ihr Recht trete ich ein ihr na
türlicher Bormund, wenn Du stirbst!"
„Du? Nein!" rief der alte Herr bit
ter. „Du nicht, der Du mir mein Kind
rauben willst!"
thig mit den Augen, allein, wie er die
Wirkung seiner letzten Rede auf den
Bruder sah, sä»'ug ihm doch das Herz.
Aus weiigeöffneten Lidern starrte
Heinrich Graaf voll Schrecken vor sich
„Ist das wahr ist das wahr?"
fragte er mit leiser, fast furchtsamer
Stimme. „Hat fieDir das gesagt? Ver
geht in dem Leben, das ich ihr schaffe?"
Dann ivandt: er sich ab, gegen des
Fenster, setzte sich plötzlich nieder, sagte
nichts, fondern schüttelte nur leise den
Kopf.
„Frag' sie selbst!" fügte grollend der
Kommerzienrath hinzu, in dem noch
um -- „obwohl dieses noch gut erhalten
ist. Aber, ich verspreche Dir, ich will sie
beobachten, will suchen, die Wahrheit
neuerdings so über die Achsel angese
hene Wort auf mich hat es die alte
Wirkung nicht verloren Menschen
recht, das soll man mir nicht vergebens
zurufen. Dann kannst Du sie mei
netwegen zu Dir nehmen bei Dir
kann sie ja alles nachholen, findet sie
ja alles, was sie in ihrem Vaterhause
vermißt!"
sie bei uns war, an d:n traurigen, fast
neidischen Augen abgesehen, daß sie
nun einmal eine der Naturen ist, die
Glanz und Licht brauchen, die, in en
gen Verhältnissen festgehalten, einfach
schlecht werden! Sieh, es >oar ein fau-
Klage des Bruders nicht „der
Besuch, der heimliche Besuch! Damit
hat's angefangen!"
„Laß sie ruhig zu mir kommen, Bru
der, sie lernt nichts Schlechtes bei mir.
Und vielleicht diese stille Hoffnung
auch führte mich her wir standen
lange Jahre nicht zu einander, wie ich
wohl wünschte vielleicht, daß auf
unfre alten Tage durch unsre Kin
der alles sich wieder anbabnt?"
tete der andre zerstreut und in seiner
Zerstreutheit mit falschem Akkusativ.
„Nimm dock? die Sache nicht tra
rcn Studentu, lonseroaliv!" Er lachte,
freilich nur aus dem Bedürfniß, die
Stimmui-.g zu verbessern.
„Ja, ja, es ist schon so!" erwiderte
Heinrih, auch seinerseits ernsthaft lä
chelnd, aber in der gleichen Zerstreut
> Es war cin etwas peinlicher Anblick, !
wie der Kommerzienrath dann die
Treppe hinuntergefchafft wurde, und
die Gebrechlichkeit seines Bruders Vei
ten Manne fort waren, stand der Al
leingebliebene am Fenster, schlug die
Schlafrockquasten gegeneinander und
hinunter.
„Menfchenr.'cht!" murrte er zuletzt:
„Menschenrecht, das hieß von jeher:
sich nach eigner Idee, eignem Wohlge
fallen den Schädel einrennen dürfen.
Di« verrückte Asta, der Herrgotts
bummler Franz, die naseweise, kleine
„Fritzi", wie sie sie nennen, die noch
mal liederlich werden wird! Und so
möchte mein eigen Fleisch und Blut
euch gern werden einfach weil Hm
der alte Kammmacher von Vater zu ge
ring und zu unmod-sch geworden ist!
Aber wacklig ist der arme Kerl,
der Eberhard! Weiß Gott, er wZre ih
nen beinahe aus dem Wagen über das
Treppengeländer gefallen, als sie ihn
auf der engen Treppe hochheben muß
ten. Hätt' ich da nicht zugegriffen! Ja,
Gott sei Dank, meine Muskeln sind
noch solid, das macht, ich hob' mein
Lebtag gearbeitet und Brühsuppe mit
Rindfleisch gegessen, nicht bei Austern
unid Champagner gefaullenzt und spe
kulirt!
V.
Die Zeitungen, die Zeitungen
das hatte den Grafen Breying auf eine
Idee gebracht.
Um die gleiche Zeit, zu der die Un
terredung der Brüder in der Heiligen
geiftstraße stattfand, saß er auf dem
Rsdaktionsbureau seines guten Freun
des Adolf von Quast in der Anhalt
straße und arbeitete an einer Notiz für
das „Lokale", das genanntem Herrn
unterstellt war.
Der Lokalredatteur auch eines gro
ßen Blattes ist stets froh, wenn er auf
feinem Tische unter dem Material et
was „Geschriebenes" findet, das heißt,
nicht etwas Geschriebenes, das Kopir
tinte oder Hektographirstift auf Oel
papier zu stände gebracht haben, wie
das Heer der gleichzeitig an alle Zei
tungen gelangenjden Reporternotizen
oder „Korrespondenzen", die den
„Herrn vom Lokalen" mit der nöthigen
Scheidemünze der gefallen«nDroschken
pserde, Omnibuskollisionen, „komi
schen" Gerichtsverhandlungen, Dach
brände und dergleichen versehen; auch
nicht sonderlich erfreut ist das Herz des
Reichshauptstadtredakteurs über die
sehr höflichen Briefe all der Firmen,
die sich wegen irgend eines Jubiläums,
eines Wohlthätigkeitsaktes, eines Aller
höchsten Besuches, eines neuen Herbst
katatoges, einer neuesten Arbeiter
schutzvorrichtung so ohne weiteres ode?
aber unter Hinweis auf eiy „beiliegen
des Inserat" mit einer Notiz in den re
daktionellen Theil schmuggeln nwchten;
ebensowenig entzücken ihn die geschrie
benen Anfragen einerßückertverehrerin,
die ihm mittheilt „Eine verehrliche Re
daktion hätte sich bei ihrer neulichen
Notiz, „bei seiner Anwesenheit in Ber
lin am IS. August 13... habe der Alte
von Neusiß einen schwarzen Frack ge
tragen", geirrt, es sei ein blauer Frack
mit gelben Knöpfen gelvesen" nein,
all diese geschriebenen Blätter sind dem
Vielbeschäftigten nicht eben über die-
Maßen iverthvoll allein, wenn ein
mal ein wirklicher Mann der? Feder
kommt und berichtet, er habe einem
heute früh vorgefallenen „sensationel
len Selbstmord" aus dem tlixli likv
selbst angewohnt und möchte für die
"Zeitung «inen „Originc>l"-Bericht
über den Fall schreiben ja, dann
freut sich der Geplagte, rechnet schon
am frühen Vormittag mit einem gu
ten Beitrag von „40 —SIZ Zeilen Vor
gis" als eisernem Fond für das heu
tige Abendblatt, suckt der „wohlunter
richteten Quelle" resp, der „geschätzten
Seite" selbst einen guten Federhalter
heraus, legt eigenhändig „Streifen"
zurecht uad nimmt sich vor, bei dem
Faustkampf mit dem einordnenden
dreifach unterstrichenem „Muß" dick
sten. gröbsten Blaustiftkalivers zu be
zeichnen.
Endlich gerade als ser Redakteur
einen schlanken vornehmen Mann mit
dm Worten zur Thür hinausdrängte:
„Aber um'SHiinmels nnllen. HerrHam
sierseld, den linken Arm dieser arme'.«
Tänzerin haben Sir mir ja schon z>/n>
viertenmal als gebrochen gimeldet
wer hat Ihnen denn das wieder ange
hängt?" da war dos Knnstwert fertig.
(Fortsetzung folgi.j
Zur die Küche.
Ist Suppe nahrhaft? Aus
Seit Alters her hat sich namentlich bei
Hausfrauen und Müttern die Mei
nung eingebürgert, daß Suppe eil»
kräftiges Nahrungsmittel und na
mentlich zur Krankenkost geeignet sei.
wogegen von Aerzten alle Zeit energisch
protestirt worden ist. Doch selten hat
dieser Protest drastischeren Ausdruck
gefunden als in den Worten, mit denen
Professor Schweninzer, Bismarck'?
Leibarzt, sich folgendermaßen äußert:
„Warum Fleischbrühe sehr berühmt
und immer und allgemein empfohlen
wird, bleibt uns um so unverständli
cher, als der Nährwerth der Fleisch
brühe minimal und durch die Wirkung
denklich ist."
Trotzdem ist ein gutes Mahl ohn«
Suppe nicht denkbar, freilich muß die-
Wasser aussetzen und cianz langsam
erhitzen, das Suppenfleisch, wenn e?
für den Tisch bestimmt ist, erst in da»
heiße, noch nicht kochende Wasser zu ge
ben. damit die Suppe kräftig wird un!»
besitzen, dem kalten, langsam lochende»
Wasser ab. Außer Svargel und Blu
menkohl sind es Kohlrabi und Wir»
singkohl, welche die Suppe schmackhaft
machen, weit mehr als das eigentliche
Zur Herstellung nahrhafter Suppen
ohne Fleisch empfiehlt sich besonders
Gerste und zwar mittelstarke Sorte,
auf den Teller ein halber bis drei Bier«
tel Eßlöffel gerechnet. Die Gerste
wird mit kochendem Wasser überschüt
tet, abgegossen, ein Stückchen Butter,
langsam kochendes Wasser und Salz
dazu gethan. Blumenkohl oder in Er-
Nierenfuppen sind ebenfalls zu em
pfehlen. Sind Kalbsnieren nicht zi»
erhalten, so behilft man sich mit Ham
melnierchen und zwar rechnet man zwei
auf drei Teller Suppe. Man kocht si»
entweder vorher weich und giebt dann
»ine Einbrenn daran, oder, was vorzu
ziehen ist, es wird zuerst Mehl in But
ter bräunlich gerührt, mit heißem
Wasser abgelöscht, so viel als mam
Suppe braucht, Salz dazu und darin
die Nieren weich gekocht. Dann schnei
det man letztere in seine Schnitzeln, daS
einen weniger feinen Geschmack.
Das Gecheimniß der Her
stellung delicater Bratensauce liegt in
der Verwendung der Milch. Fast je
der Braien gewinnt ungemein, wenn
statt Wasser zu Sairce Milch genom
men wird, am besten frische, ungekochte»
cher die Sauce sämig und alles Mehl
überflüssig macht. Aber auch Milch
bindet die'Sauce-und macht sie ganz
ren ist aber- nothwendig.
DemWasssr. welches! zum
Waschen von Geimise oder Satat be
nutzt wird! sollte etwas Salz zugesetzt
werden: thut man dies, so kommen ver
steckt gebliebene Raupen zum Vdrschein,
und die gmnen Blattläuse. >r»lchc bei
wenn es nicht gleich überhaupt mit dem
Fett zusannirengekocht Die An
sicht, daß Gemüse durch Abkochen ver
geniheil Nahrsalze dadurch verloren.
Zur Wie d e c.!<e/sst ell u n
ranziger Butter bedient man sich der-,
frischen Milch, mi.' welcher man die
Butter tüchtig durcStnetet; wenn ?ieK
geschehe ist, kneter inms sie nochmals
mit- frischem Wasser und gibt ihr die
delte Butter soll ,ii gut wie frisch
bereiste schmecken. Der Grun> dieser
Erscheinung liegt dar«, daß ?ie But
terfäure, welche sich in der ranzigen
Biütter gebild'il- h«e und den üblen
frischer Milch sich leicht a«slöst. Das
bat den Zweit. die vielleich t in der But
ter zurUckgLÄiebexe Milch zu entfernen.
D wa hreGru n d. Mut
ter (von einem zurückkehrend):
Wohl. Mutter: Un: Gvtttswillen»
wie toi",nist Du d»i: darauf? —Gatte:
E?, hat schon ei« Stunde nicht ge»
schrien!
Eins von din Beiden,
i Unt-rcssicier (?:r einen Eilbrief von
! seiner Braut erhält, bestürzt): „Wo»
mag vorgefallen sein? Entweder sie
trank.... oder eZ gibt diesew
j Abend w.ein Lieblingsgericht, Leberkno« 3