Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, November 02, 1894, Page 2, Image 2

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    2 Krauenlicrufe.
.Steinig" nennt man ihn, den Pfad
des Broderwerbs. Doppelt steinig ist
«r für die Frau, und mehr noch als
der Mann sollte sie darauf bedacht sein,
bei der Berufswahl von den natürli
chen Anlagen, die ihr auf den Lebens
ziehen. Nicht immer sehen wir diese
Voraussetzung erfüllt. Wie viele drän
gen sich nichr zu Berufs zweigen hin,
in den«n ihnen nach aller Voraussicht
nicht übersehen. Alle in der Beklei
dungs-Jndustri« beschäftigten! Frauen
wissen es, daß die Thätigkeit auf tech
nisch gewerblichem Gebiete, das Ent
werfen von Mustern, das Zeichnen u.
f. w. gern an geschickte weibliche Kräfte
vergeben werden würde und weitaus
die lohnendsten und angenehmsten
Stellungen böte. Schwer ist es ab«r
für die Frau, diese höheren Stufen
zu erreichen, da ihr kaum eine Gelegen
heit offen steht, ihren Fähigkeiten nach
zuhelfen und sie auszubilden. Das
Fachzeichmn, dessen Werih von den
Männern schon längst nach Gebühr ge
schätzt wird, und das in zahlreichen
FortbildungScursen einen immer grö
ßeren Umfang gewinnt, ist den Frauen
nur in mangelhaften privaten Insti
tuten mit hohen Honoraren zugänglich.
Um diesen Mißständen zu begegnen,
hat der Berliner Hilfsverein für weib
liche Angestellte gewerbliche Fortbil
dungscurfe für Mädchen und Frauen
(Fachzeichnen von Costümen, Mänteln,
Wäsche und Weißwaaren) errichtet.
Bisher hatte dieser Fachverein sich we
sentlich der kaumännischen Ausbildung
der jungen Mädchen gewidmet, seine
Handelsschule und kaufmännischeFork
bildungsanstalt haben sich unt«r der
Leitung des Neal-Gymnasial-Direk
tors Professor Dr. Schwalbe kräftig
«ntwickeli. Die nunmehr neu eingerich
teten gewerblichen Fortbildungscurse
sollen sich diesen Anstalten angliedern.
Sie umfassen: 1) Zeichnen modern«?
Damen-Costüme, 2) Zeichnen von Da
nien-Mänteln, 3) Zeichnen von Wä
schegegenständen, 4) Zeichnen von
Weißwaaren, S) Schnittmuster-Zeich
nen von Wäschegegenständen im Zu
sammenhang mit Zuschneiden und Zu
sammensetzen derselben.
Die Curse sollen in erster Reihe den
weiblichen Angestellten der Costüme-,
Mäntel-, Wäsche- und Weißwaaren-
Branch« Gelegenheit zur Erwerbung
neuer Kenntnisse gewähren und bieten
zugleich Mädchen und Frauen, welche
sich auf einen gewerblichen Beruf vor
bereiten wollen oder bereits ein selbst
ständigeS Gewerbe (als Schneiderin,
Besitzerin eines Ateliers u. s. w.) be
treiben. eine zweckmäßige und sachkun
dige zeichnerische Ausbildung, von der
sie eine wesentliche Förderung ihrer Er
werbsthätigkeit erwarten dürfen. Be
sonderes Gewicht wird darauf gelegt,
daß der Lehrgang sich eng an die
Praxis anlehnt, um die Schülerinnen
auf dem kürzesten und zweckmäßigsten
Wege dem gesteckten Ziele zuzuführen.
Auch auf diesem Gebiete gilt es, sich
durch eine tüchtige Fachbildung concur
renzsähig zu machen. Concurrenzfä
hig, das heißt: fähig, dasselbe zu lei
sten, aber auch dasselbe zu erwerben
wie der Mann. Für uns ist und bleibt
die Frauenfrage zum guten Theil eine
Bildungsfrage. Was nützt es. in's
Blaue hinein ssorderungen aufzustellen,
wenn die Mängel in der Ausbildung
der Frauen die Erfüllung derselben
unmöglich machen. Wem es mit He
bung der weiblichen Erwerbsthätigkeit
«rnst ist, der muß heute in erster Änie
für gewerbliche Fortbildung auf allen
Frommer Wunsch. Sie:
Lieber Mann, ich bin wegen unserer
Sofie wirklich besorgt. Das Kind
magert ab, nichts freut sie, sie will nicht
«inmal ein neues Kleid haben, das ich
ihr versprochen habe. Ich fürchte, das
arme Kind ist hoffnungslos verliebt.—
Er, nach einiger Ruhe): Weißt Du,
liebe Frau, Du könntest mir einen Ge
fallen thun. Liebe mich auch hoff
nungslos!
Merkwürdiges Symp
tom. Arzt: „Also Ihr? Krankheit
Ohnmachtsanfälle —" Arzt: „Und
Sehnsucht nach einem neuen
Wehmüthige Erinne
rung. Gattin: „Auf dieser Bank sa
hen wir! Da lernten wir uns kennen!"
sollen!"
ehren. Wollen Sie mir aber einen Ni
ckel Zehrgeld schenken, so werde ich
Ihnen ewig dankbar sein!"
läßt 'sich doch nichts mehr dagegen
machen!"
Gnkel Alttn's Eiskeller.
Alaska, Land und Leut«.
Als vor ungefähr 25 Jahren Ruß
land seinen Territorialbesitz in Ame
rika an die Ver. Staaten für die
Summe von sieben Millionen Dollars
abtrat, dachten die Wenigsten, daß der
„EiSkller" sich jemals als nutzbringend
sür die Republik erweisen würde. Es
waren fast ausschließlich politische
Gründ«, mit denen der Handel gerecht
fertigt wurde. Für die Regierung der
Ver. Staaten war es wesentlich, daß
wieder «ine europäische Macht vom
amerikanischen Continent verdrängt
worden war. Weder die Russen, noch
die Amerikaner hatten einen Begriff
von dem Reichthum des Landes an Na
turprodukten. Seitdem j«doch hat man
sich in Petersburg oftmals über das
Geschäft geärgert und in Washington,
speciell aber in San Francisco, Port
land, Tacoma und Seattle gibt es
Niemand«n, den der Handel gereut.
Der Robbenschlag in der Behrings
straße hat allein schon vielfach den Be
trag des den Russen bezahlten Capi-
Trotzdem ist Alaska von der Bun
desregierung bisher sehr schäbig behan
delt worden. Von Seiten der Regie
rung ist noch kein einziger Dollar ver
ausgabt worden zur Erforschung des
ungeheuren Areals und zur Untersu
chung seiner natürlichen Hilfsquellen.
Im Jahre 1882 würd« bei Point Bar
row, im arktischen Ocean, eine meteoro
logische Signal-Station angelegt, das
ist Alles, was Onkel Sam geleistet Hai,
abgesehen von der Bewachung des Rob
benfangs in der Behringsstraße. Selbst
die Forschungsreise, welche d«r muthige
Lieutenant Schwatka unternommen
hat (der Forscher endete vor nicht lan
ger Zeit durch Selbstmord), wurde nur
insofern von der Regierung unterstützt,
als man Schwatka während seines Ur
laubs seine Osficiersgage weiter be
zahlte, die eigentlichen Unkosten dieser
Forscherreise mußte Schwatka jedoch
aus eigenen Mitteln bestreiten. Und
doch hat Schwatka den Riesenstrom
Uukon von dessen Quelle bis zur Mün
dung im eisigen Norden befahren, ja
diesen Strom sozusagen «rst entdeckt.
Auch alle übrigen Explorationstouren
in Alaska sind von Privaten unternom
diirstige Landschaftsbild j«nes Riesen
landes hat man Touristen, Jagdfreun
den u. s. w. zu verdanken.
Was wir uns in der Regel unter
Alaska vorstellen, ist ein etwa tausend
Meilen langer und dreißig Meilen brei
ter Küstenstrich, der mit unzähligen,
meistens dicht bewaldeten Inseln um
kränzt ist. Dieser Theil ist als Süd-
Im alaskischen Archipel.
Ost-Alaska bekannt. Aber das nörd
lich und westlich von Sitka belegene
Land umfaßt ein Territorium, welches
Das am besten bekannte südöstliche
Alaska ist ein bergiges Waldland und
tcls indianischer Canoes passirbar sind.
Die größeren dieser Inseln, so z. B.
Baranosf, auf welcher die Hauptstadt
Sitka liegt, Admiralitz und Douglaß
Island, sind ungefähr 6V Meilen lang,
von Norden nach Süden, l»nd von 10
bis 3» seilen breit. Die Inseln sind
Russen (zu Anfang des 18. Jabrhun-
Gruppen dieser Alaskaner, den Eskimo
im Westen und Norden, den Aleut aus
den aleutischen Inseln und dem benach-
Elias bis'südlich nach Britisch Colum-
Stammesgenossenschast bin. Viel
leicht bilden diese Alaskan:? das ver
bindende Glied zwischen Mongolen un:
Rothhäuien. Ihre unteren Gliedma
ßen sind sehr schlecht entwickelt, destc
kräftiger jedoch Arme und Brust. Zu-1
riickzuführen ist dies darauf, daß die!
AlaLkaner ihren Lebensunterhalt durch
Gruppe von Alaskanern.
Fischfang bestreiten, also den größten
Theil ihres Lebens in ihren Canoes
verbringen. Auf der Robbenjagd fah
ren sie mit diesen zerbrechlichen Fahr
zeugen oft mehr als hundert Meilen
weit in den Ocean hinaus und es ist
deshalb durchaus möglich, daß sie ur
sprünglich von Asien herübergekommen
sind, über die aleutischen Inseln und
durch die Behringsstraße. Namentlich
bei den jungen Töchtern trifft man
heute noch sehr häusig das mongolische
Schlitzauge an, was auf nahe Ver
wandtschaft mit der gewaltigen Rasse
jenseits des großen Oceans schließen
läßt.
Uebrigens sind diejenigen alaskischen
Indianer, deren Ansiedelungen in der
Nähe der alten russischen Handelssta
tionen liegen, theilweise civilisirt, d. h.
sie haben die meisten Laster der Weißen
angenommen. In den weitab von den
dianerdörsern kann man das Natur
volk jedoch noch in dessen ursprüngli
chem Zustande beobachten. Der alas
kische Indianer verbrennt seine Todten,
ungleich seinem amerikanischen Vetter
von der Prairie, welcher bekanntlich du
Todten auf Pfähle bettet und sie den
Raubvögeln preisgibt. Die Asche wird
in Höhlungen der so viel beschriebenen
Totem-Balken untergebracht, welche
vor den Hütten der alaskischen Jndia
ser Naturkinder. Das „Totem" ist
«ine seltsame Schnitzarbeit, der man
«ine gewisse Kunstfertigkeit nicht ab
sprechen kann. Die abenteuerlichsten
Gestalten, Abbildungen von Bären,
Adlern, Robben, Walfisch findet man!
auf der Spitze des Totem-Steines, die
Schnitzarbeit ist roh, jedoch für den
Forscher von größtem Interesse. Am
Steine sind«n sich massenhafte Ein
schnitte und Bildwerke, von denen man
sagt, daß sie eine Art von Runenschrift
bilden, welche von den Familienmitglie-.
dern gelesen wird. Das Totem ist
auch einer Art von Stammbaum zu
vergleichen, weil jede Generation neue
Inschriften macht, deren Bilder von den
nachkommenden Geschlechtern gelesen
und verstanden werden. Eine Stam
mesangehörigkeit, wie bei den Prairie-
und Gebirgsindianern der Ver. Staa
ten kennt der Alaskaner nicht, bei ihm
bildet die Familie die Einheit, nicht der
Stamm, oder der Clan oder di« Na
tion. Es fehlt demgemäß auch an den
ewigen Fehden und menschenmordenden
Kriegen.
Verschieden von den amerikanischen
Indianern ist bei den Alaskaner auch
der Trieb zur Geselligkeit. Die Ein
richtung des „Potlach" kennt die Noth-
Russische Kathedrale in
um einen großartigen „Potlach" geben
zu können. Die indianische „Gesell
schaft" Alaskas gibt einem jungen Ehe
paar fünf, ja zehn, selbst fünfzehnJahre
Zeit zur Veranstaltung des „Potlach",
aber wenn das Fest nach so langer
Frist nicht erfolgt, so ist die betreffende
Familie geächtet. Also ein „Potlach"
die deutsch«, oder die deutfchamerika
nisch« Hausfrau von Zeit zu Zeit eine
Kaffeevisite veranstalten muß. End-
und Hering. Hirschbraten, Beeren"und
andern Leckerbissen angesammelt. Zu
cker. Thee, Eingemachtes und so viel
Whiskey als Geld und Credit bei den
Handelsleuten verschaffen können, be
finden sich im Besitz der festgebenden
Familie. Endlich ist der große Tag
gekommen und die Gasterei, an der oft
mehr als dreihundert Personen theil
nehmen sollen, beginnt. Daß es eine
großartige Fresserei und Sauferei ist,
die sich oft auf eine Periode von zwei
Wochen- erstreckt, brauchen wir wohl
nicht besonders zu betonen. AmSchluß
des Festes findet die Vertheilung der
Blank«ts statt. Jedcr Gast empfängt
einen Blanket als Andenken. Die
Gäste schneiden diese Blantets inStücke
welche auf früher durchlebten „Pot
lachs" erworben sind, besondere Blan-
kels von verschiedenen Streifen. Je
mehr Streifen, j« mehr mitgemachte
„Potlachs", welche Einer nachweisen
kann, beweist das Ansehen, welches der
Betreffende in der alaskanischen „Ge
sellschaft" genießt. Es entspricht den
sainmelt, es entspricht aber auch der
Nenommirsucht gewisser amerikanischer,
speciell deutschamerikanischer Protzen,
welche durch gewisse äußerliche Zeichen
vor seinen Mitbürgern den Nachweis
zu erbringen versucht, daß er mehr
ist, oder vielmehr, daß er mehr zu
sein vorgibt, als die Anderen. Was
ist ein deutschamerikanischer Vereins
bruder mit seinen siebenundzwanzig
„Badges", Bändern, Ordenstiteln und
derartigen Auszeichnungen im Grunde
genommen anders, als ein alaskanischer
„Potlach-Blanket-Protz". So viel ich
weiß, gibt cs in Deutschamerika noch
keinen „Potlach-Brllderbund". Ich
anreizen, aber ich kann mir gar nicht
verhehlen, daß ein solcher Bund ebenso
viel Berechtigung hätte, als manche Ve
r zurück.
Pfähle in Alaska.
Sitka ist die Hauptstadt Alaskas,
das Washington des Landes,
der Sitz der Negierung. Die Haupt
handelsstadt ist es nicht. Diese heißt
luneau und liegt wohl ISO Meilen
nördlich von Sitka aus dem Festlande.
luneau ist das alaskanische Chicago,
ist ein beträchtlicher Handelsplatz und
Sitz der Großkausleute und der Indu
striellen. Von hier und von degi Chil
cat werden die Unmassen von Fischen
verschickt, welche wir in den Ber. Staa
ten als „Canned Salmon" verspeisen.
luneau hat etwas über 6000 Einwoh
ner. Es ist von Gletschern umringt.
Dorthin werden auch die Erträgnisse
der gewaltigen Treadwell Minen ge
schafft, dann verarbeitet und verschifft.
Der Bewohner von luneau hat sür die
Bewohner von Sitka ungefähr diesel
ben Gefühle, wie der Bürger von Min
neapolis für den St. Pauler, und um
gekehrt. Aber sowohl luneau als
Sitka haben ein« große Zukunft. Der
Fifchreichthum in den alaskischen Flüs
sen ist um so riesiger, daß er wohl nie'
mals durch Räuberwirthschast erschöpft
werden kann, denn ungleich den Büf
feln auf der amerikanischen Prairie
wird den Milliarden v»n Lachsen durch
die immer weiter vordringende Cultur
die Nahrung nicht beschnitten. Das
Hinterland dieser Riesenström« ist
durch keinen Raubbau zu ruiniren und
so leicht behindert werden, wie sein vier
süßiger und gehörnter College auf der
grünen Prairie. Alaska hat «ine große
Zukunft. Der Bergbau ist sehr viel
versprechend. Kohlen und edle Me
talle finden sich hier in großer Ausgie
bigkeit und auf lange Zeit hinaus las-
Schätze abgewinnen.
Sitka, die Haupt- refpective Resi
denzstadt, (weil das Bundesgericht hier
feinenSitz hat) ist jetzt lange nicht mehr
das, was es unter russischer Herrschaft
zählte Sitka StXX> Einwohner, aber sie
riickzukehren und bei weitem"die meisten
waren blind genug, das zu thun. Jetzt
zählt Sitka schwerlich mehr als 2<X)O
doch ist Alaska schön. Wer weiß, daß
ost-Maska mindestens so erträglich ist,
als das von Nord-Minnesota.
MW'-'vdv,.,, >.
Jndianerdorf und Totem-
Pfähle.
Uebrigens ist Alaska durchaus nicht
so weltentlegen, als die meisten Ameri
kaner glauben. Von San Francisco
ist Silla bequem in S Tagen, von Ta
coma und Seattle in 3 Tagen per
Dampfer zu erreichen und zwar ist dies«
Fahrt ein« der schönsten, welche man
sich vorstellen kann. Man fährt fast
beständig durch Canäle und Fjords,
welche den Oceanstllrincn nicht zu
gänglich sind. Vorüber an grün be
waldeten, bergigen Inseln, von denen
manche nur so groß sind, wie die klei
neren im St. Lorenz-Strom bei den
Tausend Islands, andere wieder von
mächtiger Ausdehnung, gekrönt von
hohen Bergen; und ehe man es sich ver
sieht ist man in der großartigsten
Gletscherregion angelangt, di« es in
der Welt überhaupt gibt. Sechs Tage
Fahrt von San Francisco und man
kann vom Muir-Gletscher einen Blick
in die geheimste Werkstatt der Natur
thun. Man kann einen Eisberg bei
dessen Geburt überwachen, man kann
das Auge weiden an unermessenen Eis
barrikadcn, den Blick schweifen lassen
rber Felder von Schnee und Eis, mit
denen verglichen die berühmtesten Glet
scher des Berner Oberlandes zu wah
ren Pigmäen herabsinken.
Vorderansicht d«s Glet
schers.
Erst in den letzten Jahren ist Süd
ost-AlaSka ein Ziel der Touristen ge
worden und die Dampfer-Gesellschaf
ten haben sich deren Bedürfnissen anbe-
Sam's Eiskeller. W. K.
Ich die Mitgift nicht gestohkn,
Stehl' ich ihr das Hochzeitskleid!
Wohl auf die Wirthshausschilde.
Bier,
Das München würzig hell schafft,
Jetzt trinke „Münchner", rath' ich Dir,
In fröhlicher Gesellschaft.
Das kleine Fritzchen hört, wie seine
Mutter das Disstmädchen ausschilt.
Mutter: „Aber, Chrischtene, descht
doch etwas Arg's mit Ihne; jetzt habet
Sia mir dia schö', schö' Figur ver
habet. Descht d' Hebe; d' Götte der
„Weißtscht was! Mcimalr, schick' d'
Helsa/''
rathsveriniltler: „Nein! Mit IVO,OO<Z
Dollars Mitgift hat sie sich die Be
gen!"
Richter: haben also genau gese
hen. daß der Angeklagte Ihr«m Freund
«ins herunter gehauen hat?" Zeuge:
schad's nichts!"
Culturfortschritt.
Baby): „Bist Du gleich still oder ich
rufe den Kritiker!"
Die grolje Kunlt.
Jüngst, in einer Kaffeegesellschaft,
wurde wieder einmal über das nicht
mehr ungewöhnlich« Thema, „die
Theuerung" verhandelt. War es auch
weder sehr geistvoll, noch neu, so wa:
es doch wenigstens „harmlos," was
hier gesagt auch herrschte eine
seltene Uebereinstimmung der Meinun
gen, die dahin lautete: „Es ist jetzt
ganz unmöglich, auszukommen!"
Auch die liebenswürdige Gastgeberin
stimmte bei; fügte dann aber lächelnd
hinzu: „nur meine liebe
din Bertha versteht die groß- Kunst,
immer auszukommen, und hat sie auch
jetzt nicht verlernt."
Todtenstille! Endlich meinte eine
der Damen: "Um dies Wunder zu
vollbringen, muß man eben über sehr
viel zu verfügen haben, und dann ist
die Kunst auszukommen, doch eben
nicht so sehr groß."
Schelmisch lächelnd sah mich da
meine Freundin an und sagte: „Das
ja eben die Kunst, daß sie nur we
gierig! Da könnte man ja viel lernen!
Ich möchte Sie wirklich um Belehrung
bitten, man kann sie jetzt ganz gut ge
brauchen!"
So schwirrte es in sanften und ge
reizten Tönen durch einander.
Peinlich berührt, aber von dem
Wunsche erfüllt, vielleicht doch etwas
Nützliches sagen zu können, begann ich:
„Ich darf es allerdings in Wahrheit
sagen, daß ich nie viel besessen hab«,
noch je besitzen Werve; aber daß ich im
mer in den verschiedensten Lebenslagen
und in den verschiedensten Haushal
tungen vollkommen gut ausgekommen
bin, nie auch nur der allerkleinsten Zu
lage bedurfte, selbstredend nie Schul
den hatt«, noch haben werde.
Ich habe von früher Jugend an ge
lernt, mit . wenigem zu rechnen und
auszukommen; die sorgliche Einthei
lung ist mir niemals schwer geworden,
sondern lieb und angenehm und
lachen Sie mich nicht aus, meine Da
men ich finde sie sogar poetischer,
als das Nehmen aus dem Vollen.
Als Kind lernte ich mit den Büchern,
sam umzugehen, die Spielsachen so zu
schonen, daß sie noch gut erhalten wei
tergeschenkt werden konnten. Für
in fremden, recbt verschiedenen Haus
haltungen geübt habe. In letzteren
gilt es ja ganz besonders, mit Sorg
falt, Ordnung und weiser Sparsam
keit die anvertrauten Schätze zu ver
walten, und brav damit hauszuhalten.
Dank meinen theuren Eltern, ist mir
dies bisher gut gelungen, so gut, daß
ich meinem Grundsatz treu bleiben
konnte: nie ganz auszuwirthschakten,
sondern immer und überall ein«n, wenn
auch nur kleinen, Vorrath zu behalten,
sei es an Lebensmitteln oder an Geld.
Meine verschiedenen Kassen dürfen nie,
buchstäblich nie, ganz leer sein, überall
muß ein eiserner Bestand bleiben; um
dieses zu erreich«!?, bedarf es nur der
richtigen Eintheilung am Anfang und
großer Festigkeit in der Durchfüh
rung. Später wird es immer leich
ter, denn „es mehrt sich die Habe". Und
wenn ich immer bei Kasse bin, kann ich
alle Einkäufe machen, sobald ich ge
rade billig und gut kaufen kann. Auch
gewinnen verschiedene Gegenständ«
durch längeres Austrocknen, z. B. Mehl,
Stärke, Seife; diese kaufe ich immer
auf ein Vierteljahr. Zur Regel habe
ich es mir ferner gemacht, mich an kein
Geschäft zu binden, nur immer die
allerbeste Waare zu kaufen, sowohl sür
die Speisekammer, wie sür den Wäsche
schrank.
Für meine eigenen Kleider wähle ich
selbstredend «infach«, dunkle, aber sehr
gute Stoffe, lasse sie im Hause nach
meinem soliden Geschmack, aber modern
arbeiten; dann kann ich sie lange tra
gen, ohne aufzufallen. So also bin ich
immer in der glücklichen Lage, nicht nur
so viel zu haben, wie ich selbst brauche,
sondern mir sogar die schönste und
reinste Freud« zu bereiten, nämlich
geben, helfen, erfreuen zi! können, frei
lich in kleinem und bescheidenem Maß
stabe; aber es ist dies doch immer eine
rechte Wonne, und die Poesie in der.
Prosa des Lebens. Doch nun, meine
Damen, bitte ich um Nachsicht, wenn
Sie mein uninteressanter Vortrag er
müdet hat." „O nein," sprach nun
eine zierliche, junge Frau, deren freund
liche, ungetheilte Aufmerksamkeit mich
zu immer weiteren Auseinandersetzun
gen verleitet hatte, „Sie haben uns gar
nicht ermüdet, wir müssen Ihnen herz
lich dankbar sein; ich wenigstens bin es,
habe viel gelernt, will gleich versuchen
nach Ihrem erprobten Rezept zu wirth
schaften und wenn es mir gelingt, sol
len Sie sich mit mir der Resultate er
die Mittheilung! einfachster
mit dem, was wir haben, was bleibt
denn sür unsere Armen?"
Individuelle Ansicht.
Lehrerin: „Was verstehst Du unter
Kintcr uns Trauen.
Der Mensch wächst mit seinen Zwi
cken und so auch die Frau, vielmehr
deren Befähigung und Geschicklichkeit
mit ihrer neuen Stellung. So lang«
das Weib nur «inen beschränkten Wir
kungskreis innerhalb der eng begrenz
ten Räume ihres Hauses hatte, durft«
sie eS sich eher gestatten, auch in vielen
Dingen ihre eigenthümlich beschränk
ten Anschauungen und Begriffe noch
beizubehalten. In einem Dasein, wo
die Zeit keinen besonderen Werth, die
irgend «inen Kai!fv«is hatte, da durf
ten sich die viellieben Burgfrauen und
edlen Fräuleins schon den Lurus ge
statten, auch ihre Zeitbegriffe ganz
nach eigenem Behagen zu formuliren,
hoch vom Söller herab die Stunden
gleich wenigen Augenblicken dahinzie
hen zu sehen, und Momente in unge
ahnter Weis« auszudehnen. Heut«
aber, wo das Weib herantritt in den
vollen Wettbewerb mit dem Manne,
wo sie dieselbe Anerkennung für ihr«
Arbeit, eine ähnliche Entlohnung für
die verwendete Zeit beansprucht, wer
den sich auch ihre Begriffenen Zeit de
nen des Mannes über denselben kostba
ren Gegenstand anschließen, und beid«
in gleicher Genauigkeit mit der Zeit
umgehen, derselben strengen Punkt
starken Geschlechtes den Werth aller
Zahlen, sowohl derer, welche sich auf
Geld und Gut beziehen, wie jener, Sit
schauungen von der guten allen Zeit
verharren. Der schlechte Ruf geht
immer weiter wie der gute, so
„Wir sind heute Abend »zum Essen
Du zu Deiner Toilette?" fragt der
Bruder sein Schwesterlein. „In zwan
zig Minuten bin ich fir und fertig!"
lautet di« bestimmte Antwort. Nach
ungefähr der doppelten Zeit pocht es
bescheiden an der Thür des jun^fräu
meine Löckchen zu vollenden, den Hut
aufzufetzen, den Schleier zu befestigen,
das Taschentuch zu parfumiren, di«
hat, daß zwischen zwanzig und sechzig
Minuten doch ein ganz kleiner Unter
schied ist.
Alle gehen hin und berichten anderen
Gatten, Nachbarinnen, Brüdern, viel
leicht auch Vettern und Freunden, daß,
es selbst noch in unserem vorgeschritte
nen Ende des Jahrhunderts i-or arg
bestellt ist um di« Zeitbegrifse der
Frauen.