Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, September 28, 1894, Image 3

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    «».
TiaMie Mm.
t?. Fortsetzung.)
la schließlich -um Bertheilen der ein
gesammelten Pfänder bestimmt wurde.
„Was soll der thun, dem dieses
Pfand gehört?" fragte sie, einen Ge
genstand in der verschlossenen Hand
hochhaltend, ihr Blick traf unwillkür
lich Negine und nun wußte diese, daß
es sich um ihren Ring handelte.
„Allen hier Anwesenden einen Kuß
geben!" rief sie voll sprudelnden Ueber
muths, die Wangen hochgeröthet. Nach
diesem war Frau von Hasselbach ge
zwungen anzusehen, wie Regine, einen
nach dem andern, die jungen Leute
küßte und zuletzt wirklich und wahr
hastig auch den widerwärtigen Pro
tzen, den Kommis! Und sie beeilte sich
dabei nicht einmal. Empörend, un
glaublich! Der Boden begann ihr unter
den Füßen zu brennen, sie hatte nur
noch einen Gedanken: fort, fort. Re
gine der Gegenwart dieses Menschen
entziehen!
Als aber Leopold die feuchten,
schwellenden Lippen des Mädchens viel
heißer und nachdrücklicher als nöthig
war, auf den seine fühlte, da wußte
er, daß sie ihm zu eigen gegeben, und
dieser verlangende Kuß nur der erste
von vielen nachfolgenden war.
Baleska bebte vor verhaltenerWuth;
kurz vor elf vermochte sie nicht, sich
länger zu beherrschen und brach zum
Leidwesen Reginens, nach deren Mei
nung es erst jetzt recht interessant zu
werden begann, aus; als man in der
Halle die Sachen nahm, konnte sie
nicht umhin, ihrem rasenden Arger
dur-5 eine giftige Bemerkung, die Le
opold treffen sollte, Luft zu machen.
„Mein Gott," äußerte sie, das oran
gefarbene Kopftuch unter das Kinn
befestigend, „sollte es nicht gefährlich
sein, sich noch um diese Zeit hinaus zu
wagen? Es fanden heute Morgen Zu
sammenrottungen statt, der Pöbel ist
ja außer Rand und Band! Man muß
in der That Angst bekommen, von
dem mörderischen republikanischen Ge
sindel belästigt oder gar niassakrirt zu
werden."
„Befürchten Sie gar nichts, gnä
dige Frau," bemerkte Leopold, iro
nisch lächelnd. „Dieses republika
nische Gesindel besteht einfach aus
Leuten, die nichts bezweckten, als
die Erhebung des Landes zur Re
kranken Kaisers und der Seinen; es
floß kein Tropfen Blut! Denn auch
zwischen diesem verworfenen Pöbel
ben, als Raub, Diebstahl oder Betrug
gehört, warf ihrem Bruder einen vor
wurfsvollen Blick zu, den er nicht be
achtete. Leopold hatte sich im Laufe des
Abends so heftig von der fatalen Per
son, der Hasselbach, angegriffen gefe
ben, daß er ihr ein für allemal zeigen
„Ich bitte Dich um Alles in der
te, „was ist denn eigentlich in Dich
gefahren, Du hast Dich ja unverant
wortlich benommen heute! Jeder, der
die förmlich etwas herausforderndes,
ja, ausdringliches an sich hatte! Ich
Nabe mich für Dich geschämt, es waren
fürchterliche Stunden, die ich da um
Deinetwillen erleben mußte."
„Gott, Mama," kam es sehr gelas
sen aus der anderen Wagenecke, „mache
nur nicht gleich solch schreckliche Ge
seiere! Beruhige Dich nur; ich habe
heute die Ueberzeugung gewonnen, daß
Romano sich gar nichts aus mir macht,
er heirathst weder mich noch Daniela,
sondern Kamilla Rombeck, das steht
fest; laß ihn doch was kann man
machen, wenn er mich nicht will?"
„Du lügst!" rief Baleska, in ihrer
heftigen Aufregung jede Rücksicht bei
Seite lassend, „ich habe es genau ge
sehen, anfangs unterhielt er sich vor
zugsweise mit Dir, Ihr wäret im al
lerbesten Gange bis zu dem Momente,
I?azu ist er gut genug."
Wie schon oft, belog Regine durch
diese Erklärung ihre Mutter mit einer
»merkenswerthen Geschicklichkeit; denn
innerlich verhehlte sie sich keineswms,
daß Leopold einen unauslöschlichen
würde, war schon an diesem Abend
überzeugt, daß sie zum ersten Male
liebte, und zwar mit jener zügellosen
zu ost in seinem Sturmesfluge die
Schranken der Sitte überschreitet. Va
leska aber war zum zweiten Male vor
ihrer Tochter verstummt; die zehn Mo
nate des Aufenthaltes in der Pension
hatten einen fremden Geist der Nicht
achtung und Hinwegsetzung über den
Anstand in Regine gezeitigt, vor dem
sie sich entsetzte. Das Kind besaß ja
eine Reise der Anschauungen, eine
Zuversicht angesichts der Heilelsten
Dinge, die an Schamlosigkeit streifte!
„Ich will Dir ettvas sagen, Regine,
Du darfst mir nicht wieder zu Ma
dame Renard zurück; ich sehe voll Ent
setzen, daß Du dort Anschauungen ge
wonnen und Dir einen Ton angeeig
net hast, der das Gegentheil ist von
dem, was man gute Erziehung nennt."
Und hysterisch aufschluchzend, ver
barg Frau von Hasselbach das Gesicht
in beide Hände; die Enttäuschung traf
zu unerhört, zu grausam; diese einzige
Tochter, auf die sie alle Hoffnungen dis
eigenen verpfuschten Lebens konzentrirt,
die sie vor allem beschützt hatte, um
aus ihr ein Musterbild zu schaffen,
das unberührt von dem Schmutz und
Elend der Welt einem bevorzugten
Wesen gleich, das höchste Glück in
reiner Sphäre fände, hatte längst den
Glanz der Flügel eingebüßt, erbar
mungslos hatte der Erdenstaub sie zer
stört.
„Ich möchte nur wissen, was Du mit
einem Male gegen mich hast, Mama,
was that ich denn? Gar nichts! Be
nahm ich mich unpassend, inwiefern?
Ich weiß von nichts. Du bist komisch!
Soll ich nicht wieder zu Madame Re
nard gut, dann bleibe ich zuHause,
mir ist's egal. Uebrigens behauptetest
Du stets, es sei eine besondere Ehre,
in Madame Renards Pension gewesen
zu sein, weil sich dort nur Gräfinnen,
Baronessen und überhaupt die vor
nehmsten jungen Damen aufzuhalten
pflegen, daß die meisten-von ihnen viel
klüger sind als ich, ist doch nur vor
theilhafl; denn man kommt doch
schließlich nur in ein Institut, um zu
lernen."
„Um zu lernen, allerdings," wieder
holte Valeska bitter, „aber nicht, um
sich den Kopf mit dummen und häßli
chen Sachen füllen zu lassen, für welche
Du, wie es mir scheint, eine ganz be
sondere Vorliebe hegst!"
„Du wirst beleidigend, Mama," ent
gegnete Regine, indem sie sich aufrich
tete, in verändertem Tone, „thue das
lieber nicht, es möchten da Dinge zwi
schen uns zur Sprache kommen, die
besser mit Schweigen übergangen wer
den. Wenn ich Dir keinen weiteren An
laß zur Klage gebe, als wie es heute
nach Deiner Meinung geschah dann
freue Dich von ganzem Herzen, daß
überhaupt aus mir noch ein halbwegs
anständiges Mädchen geworden ist."
Als die Worte, zu denen Regine sich
hatte hinreißen lassen, den Lippen
entfallen waren, bereute sie dieselben
sofort; denn ihre Wirkung war eine
unerwartet starke.
Aus Valeskas wogender Brust rang
sich ein heiserer Schrei sie wollte
sprechen, als die Stimme aber ver
sagte, packten ihre eiskalten Finger
krampfhaft das Handgelenl der Toch
ter, und ehe diese sich's versah, spürte
sie die Rechte der Mutter in zwei schal
lenden Ohrfeigen auf den Wangen.
Der Wagen rollte fast geräuschlos
durch die nächtlich stillen Straßen; von
der Seite her glitt der wejße Schein ei
nes eleltrischen Kandelabers chell über
die beiden Frauen auf den seidenen
Sekunden lang herrschte unheilvolles
Schweigen, während Regines Augen
sich funkelnd im kalten Glanz« und
voll Verachtung auf die Mutter rich
teten, welche drohend den Blick er
„Du tödtest mich!" rief Valeska, sich
verfehltes Dasein zu Grunde gegan
gen ist. Nun, Du hast Dich zu trösten
verstanden!"
„Keine Szene, Mama! Denk' an den
Kutscher, der Dinge ausplaudern
möchte, die lieber begraben sein mö
gen."
Es war die böseste Stunde, in wel
cher Valeska in ihrer eigenen Tochter
den strengen Richter ihres Thuns
fand.
Der Wagen hielt, sie stiegen aus
und schritten stumm durch den thau
schimmernden Park, über dessen Pal
menkronen sich der sternfunkelnde Him
mel in feierlichem Frieden breitete;
hier, in der nächtlichernsten und doch
heiterfrischen Natur herrschte die erha
bene Ruhe, welche an den beiden stür
misch bewegten Menschenkindern, die
dem stillen Hause zuschritten, wir
kungslos vorüberging.
Augusto, der farbige Diener, kam,
und berichtete, der Herr Oberst sei zu
Bett gegangen und alles in bester
Ordnung; so gingen denn die beiden
Damen gleich hinauf in den Salon
Valeskas, dessen anstoßendes Schlaf
zimmer Regine für diese Nacht mit
der Mutter theilen sollte. Die Lampe
brannte und warf durch ihren rothen
und reizenden Gegenstände, welche Ge
schmack ukd Reichthum den Besitzenden
gewähren.
Regine gabHut und Fächer der Kam
merjungfer Ivette, riß hastig den
Shawl, welchen sie der Nachtkühle we
gen um die Schultern gelegt halte, her
unter und ließ sich in einen Schaukel
stuhl fallen; auf ihren Wangen glühte
noch die Rötlie der Scham und Ent
rüstung über die von Baleska erduldete
Mißhandlung.
„Zu Befehl, Mademoiselle."
Deine Rückkehr in die Pension nicht
dulde." stieß Baleska heraus, sobald
die Französin sich entfernt hatte.
Herz an seiner empfindlichsten Stelle,
dem Mutterstolz, zu treffen; stürmisch
durchwogten sie Verzweiflung, Zorn,
schasten ein Strahl des Mitleids fiel,
sie litt; aber hatte Regine nicht eben
falls gelitten während der langen Jahre,
da das beschämende Gefühl, die Mut
ter verachten zu müssen, sich nur in dem
geringschätzenden Benehmen ihr ge
genüber zeigen durfte? Arme Regine;
aus dem Mitleid aber brach sich über
quellend die Mutterliebe siegreich ihre
Bahn und mit ihr die Sehnsucht nach
Versöhnung.
auf dem weißen Kissen, der Wand zu
gekehrt die Augen geschlossen; ei
ne Weile saß Valeska regungslos,
wurde.
„Regine," sprach sie leise, beschwö
rend, „laß uns Frieden schließen; ich
Pflege Onkel Karls. Laß die Bergan
hast bis dahin."
Regine hatte bei dieser schwachen
Vertheidigung der Mutter ein un
gläubiges Gesicht gezogen.
meiner Zukunft nicht Dein Wille,
dern vielmehr der ineine den Ausschlag
z» geben hat; ich lasse mich nicht lä?.ger
ficht, meinen Rath, den die Mutter
liebe eingibt, wirst Du hoffentlich
nicht verschmähen."
zu Dir ist echt, ich würde alles, alles
opfern für Dein Glück!"
„Warum bestehst Du dann so auf
er eine Million und den Grafentitel
besitzt! Ob mein Herz dabei zu Grunde
ginge, das ist ganz egal, wenn nur
Glück und Glanz."
„Du irrst Dich, Herz, mein heiliges
Wort darauf ich dachte bei dieser
Helrath in erster Linie nur an Dich."
Regine wandte das Gesicht von
neuem der Wand zu, als wünsche sie,
nichts mehr zu hören.
„Gute Nacht, Mama. Ich bin todt
müde und möchte jetzt schlafen."
„Gute Nacht, mein Kind."
Das Herz der Mutter krampfte sich
zusammen in namenlosem Weh; die
unendliche Liebe zu dem schutzlosen
Regine," schluchzte sie, „betest Du
Dich"—"" s,'sich
7.
„Was hast Du denn da, Kamilla,
eine kleine Myrthe?"
„Ja, Stanzi, Dona Angela hat sie
mir geschenkt, reizend, nicht wahr?
Sieh, hier kommen schon zwei Knospen
zum Vorschein, das bringt Glück! den
ke Dir," fügte sie erröthend hinzu,
„Dona Angela legte es mir an's
Herz, das Stöckchen recht zu Pflegen,
um einst meinen Brautkranz daraus
zu winden."
„Da hat sie recht, das wünsche
ich Dir von ganzer Seele, Liebling;
Mama fügte. Du hättest heute früh
einen Brief von Egon bekommen,
schreibt er denn Gutes?"
„Ei ja, wie immer; heute sind's ge
rade drei Jahre her. daß wir uns
heimlich verlobten! Er meint, sein
Onkel würde doch schließlich nachge
ben, ich solle nur treu ausharren. Als
ob ich ihm untreu werden könnte, so
etwas nur auszudenken! Und käme
ein Königssohn, ich schlüge ihn aus;
denn es ist doch so ganz was selbst
verständliches, sich treu zu bleiben,
wenn man einander liebt."
„Leopold war lange nicht da," be
merkte Konstanze nach einer Weile,
indem sie sinnend zuschaute, wie Ka
milla den Myrthenstock, der ihr den
Brautkranz spenden sollte, liebevoll
begoß.
„O doch, gestern Mittag; zwar nur
einen Augenblick, aber ganz erfiM
von einer neuen Eroberung. Was
meinst Du dazu. Regine von Has
selbach hat aus der Pension an ihn
geschrieben!"
„Und das erzählte er Dir? Wie in
diskret!"
„Warum? Ich bin ja seine Schwe
ster, und verrathe es nur Dir; so sehr
ernst scheint er auch die Sache nicht zu
nehmen. Du weißt, er prahlt gern ein
bischen mit seiner Unwiderstehlich
keit"
„Leider; Leopold ist grenzenlos
leichtsinnig, Kamilla, ich kann nicht oh
ne Ana» an seine Zukunft denken und
furchte immer, wir erleben einen Krach
mit ihm. Wollte Gott, daß ich mich
irrte!"
„Aber Stan-i, wer wird so schwarz
seherisch sein. So lange der Himmel
blau ist, sollen wir lachen und uns
freuen, die bösen Stürme kommen
schon ganz von selbst! Nur nicht die
schöne Zeit in Sorgen vergrämen, die
Und lachend zog sie Konstanze zum
Klavier.
Regine wußte wohl, weshalb sie der
Mutter gegenüber darauf bestanden
hatte, nach Santo Amaro in die Pen
sion zurückzukehren, würde es
tete.
Freitag der Geburtstag meiner Freun-
Jbrem Geschmack zu bestellen? Sie
würden mich außerordentlich verbin
das herzlichste Ihre —"
sollte, um viel, und wiederum auch
nicht zuviel zu sagen. „Ihre treuerge
bene?" Das klang zu steif und altmo
disch. »Ihre dankbare?" Ebenfalls
nicht. Einfach! „Ihre Negine von Haf
selbach." Ja, so sollte es sein, daraus
mochte Leopold lesen, was er zu lesen
wünschte. Es war die gewöhnliche
Form, und doch lag in diesem „Ihre
die drei Kapsteine ab, der ihn gegen
seinen Willen unausgesetzt beschäftigte.
Wäbrend der Frühstückspause ging
Leopold in das gegenüberliegende Ge-
Jsabellarosen, dem er das Antwort
schreiben auf Regines Briefchen bei
fügte.
„Hochverehrtes Fräulein!
Es ist mir unmöglich, Worte zu
finden, die hinreichend ausdrücken,
wie sehr mich der Auftrag beglückte,
den ich hoffentlich zu Ihrer vollen
Befriedigung erledigen durfte. Die
Rosen, welche beizufügen ich nicht un
terlassen konnte, und die mir als ein
Sinnbild Ihrer Schönheit und An
muth erscheinen, bitte ich, als ein
schwaches Zeichen meiner Verehrung
und Bewunderung gütigst von mir an
nehmen zu wollen. Leid thut mir bei
dieser Gelegenheit nur der armselige
schriftliche Behelf, weil ich zu gern
Ihnen Aug' in Auge gesagt hätte, wie
unendlich es mich beglückt, Ihnen ei
nen kleinen Dienst erweisen zu dürfen.
In der ebenso ungeduldigen wie
sehnsuchtsvollen Erwartung eines bal
digen Wiedersehens grüßl Sie hoch
achtungsvoll, verehrtes gnädiges Frä
ulein, Ihr treu ergebener
Leopold Rombeck."
Diesen Brief fand Regine entzü
ckend, und nachdem sie ihn mit glühen
den Wangen wohl zum zehnten Male
gelesen, fand er seinen Platz an ihrer
Brust; er liebte sie, es unterlag nicht
dem geringsten Zweifel, solche beredten
Worte diktirte nur die Liebe dem Ma
nne in die Feder. Und schnell entschlos--
sen schrieb sie in ihrem Freudenrausch:
„Zu einem Wiedersehen zwischen
uns, mein Herr, kann früher Rath
werden, als Sie denken. Es trifft sich
Ich treffe mit dem Uhr-Zug
tefaal erster Klasse, wo selbst am hell
als Blicke und Worte bereits so deut
ganzes Leben will ich einsetzen für
Dich, Du bist fortan meine Welt, ich
könnte sterben um Deinetwillen! Aber
betrügen! Du bist jetzt meine Braut,
denn auch ich liebe Dich wahnsinnig."
„Ja, ich bin Deine Brau? unv NM
Heirathen uns, sobald ich die Pension
hinter mir habe, nicht wahr?"
„Ich fürchte, mein geliebtes Mäd
chen, Deine Mutter wird Dich mir >
verweigern, weil ich zur Zeit nichts
bin und nichts besitze,"
„Ach, Mama," entgegnete Regine
mit beschwichtigender Geberde, „die
muß; und will sie anfänglich nicht,
nun, dann zwtngzn wir sie einfach
dazu."
..Zwinaen?" fragte Leopld nicht i
ohne leises Befremden angesichts so
durchgreifender Entschlossenheit, „wie
Du das?"
„Das ist ziemlich einfach; ich
meine, da wir beide einig sind, uns
auf Tod und Leben anzugehören, so
liehe MamaZ Zusage sich dadurch er
trotzen, daß wir uns überall zusam
men zeigen und für Brautleute ausge
ben."
„ReMe, Du wärst imstande, so
gegen Deine Mutter aufzutreten?"
„Ja, weil ich Dich liebe," erwiderte
sie einfach, „viel mehr als ineine Mut
ter, mehr als mich selbst und alles, al
les. Ist kann es gar nicht ausdrücken
wie sehr. Weißt Du, —" fuhr sie in
leisem, berückendem Tone fort, „ich
bin eine Motte und Du das Licht, ich
muß zu Dir; von Deiner ganzen
männlichschönen Erscheinung, von De
inem Lächeln an bis in die Fingerspi
nennt man es wohl? das mich be
rauscht und Dir zu eigen gibt. Ich
glaube, so kann nur ein Weib lieben,
Leopold; so demüthig und sehnsuchts
voll. Ich möchte ich möchte ein
Thier oder irgend ein Gegenstand sein,
nur um immer bei Dir bleiben zu
schrankenlos, wie ich Dich."
Ein Gluthblick war die Antwort.
Unablässig kamen Reisende und
gingen; Araber in weißem Burnus,
steifnackige, großkarrirte Engländer,
zierliche Franzosen, Spanierinnen,
Deutsche, niemand beachtete das in
Gespräch versunkene Paar, nur ein
Kellner warf hin und wieder listige,
vielsagende Blicke hinüber. Zuweilen
traten auch Negerinnen an den Tisch
nas oder leuchtende, fremdartige Blu
men zum Kaufe an. Regelmäßig rief
der Schaffner mit schallender Stimme
die Namen der Stationen des Zuges
aus, bis Leopold, sich plötzlich erin
nernd, die Uhr zog und gewahrte, daß
war!
„Herr des Himmels, was beginnen
wir nun, Regine?" fragte er, sie rath
lockend über das kleine Abenteuer, wel
ches ihr feine Gesellschaft noch auf
längere Zeit sicherte.
„Da bleibt wohl nichts, als wir si
tzen hier bis morgen früh da fahre
ich mit dem ersten Zug um fünf; ich
weiß bestimmt, die Wartesäle werden
„Ich hatte gehofft, Dir beim Ab
schied in dem Menschengewühl unbe
merkt den ersten Kuß geben zu können;
ich versehe vor Sehnsucht darnach,
R'gine."
Sie erglühte, sah eine Weile vor sich
hin und dann verheißungsvoll in seine
„So unternehmen wir einen Spa
ziergang durch die Stadt, essen ir
gendwo und kehren darnach hierher
zurück; willst Du?"
„Ob ich will! Du bist ein Engel und
ein Original! Wir wählen die weniger
belebten Straßen, Herz, damit uns
niemand sieht."
wer will mir verbieten, an Deiner
Seite spazieren zu gehen?"
Sie verließen das Bahnhofsgebäu
nachdem er von Regine Abschied ge
nommen, den Bahnhof verließ, lag
das dumpfe Gefühl eines schwer bela
stenden Druckes auf ihm; zum ersten
Mal warf er sich heftig vor, die Dia
manten genommen zu haben; in die
sem eigenthümlich gearteten Mädchen
hatte er eine Eroberung gemacht, die
entscheidend auf sein Leben wirkte,
be gegenüber halte es auch ihn mit
schrankenloser Hingebung ergriffen,
die ihm das Blut in Feuerströmen
er niemals wieder; Regine würde und
mußte sein Weib werden. Wenn man
jetzt das Fehlen der Steine entdeckte?
Entsetzlicher Gedanke! Die Schreckge
nicht Mehr verlassen, zuweilen beengte
eine plötzlich«, stechende Angst seine
Brust und raubte ihm den Athem. Da
hand unsinnige, verworrene Bilder.
Wenn nun der portugiesische Händler
Manoel Cordes verschwände nder den
ließ.
Und Daniela? Ihr liebliches Bild
war unter dem Aufgang des neueren
glänzenderen Sternes fast ganz in
seiner Erinnerung verblaßt.
(Fortsetzung folgt.)
zuncr ans IrnuM
Nach langem, festen Sommerschlaf
haben sich die Thore der fein sMbeHich
geputzten und getünchten SchmObiiude
unserer Jugend wieder gastlich erschlos
sen. In den großen Hauptsälen alkr
öffentlichen Schulen herrscht dann ei»
gar buntes Treiben, denn die freie
Schul«, neben dem allgemeinen TÄW
recht eine der freiesten Jnstituti«M
unseres großen, freien Landes. nimM
Alles wipig auf, was da kommt, u»
zu lernen, ohne Unterschied de?
Standes, der Nationalität oder Re
ligion.
Wie am Wahltag die Männer alle
in geordneten Reihen den WahlrMtn
betreten, um die Sorge und die
für ihre Wohlfahrt, für ihr
schaftliches Wachsen und ihr gutes
Gedeihen den eben dafür zu bestellen
den und vom Gemeinwesen bezahlten
Leuten zu übertragen, so treten jetzt
in Reih' und Glied die Mütter, ge
folgt von den zukünftigen Staatsbür
gern und Bürgerinnen, in den Schul
raum, um die Sorge und die schwere
Arbeit für deren Wohlfahrt, für ihr
körperliches Wachsen rind geistiges Ge
deihen den vom Gemeinwesen hierfür
bestellten und bezahlte» Fachleuten zu
übertragen. In beiden Fällen, im
Anvertrauen der ganzen bedeutenden
wichtigen Arbeit an die Staats- sowie
an die Schulbehörde, handeln die mei
sten Menschen ohne jedwedes selbststän
diges Denken, ohne eigenes Urtheil.
Sie geben diese Stimme für diesen
oder jenen Candidaten ab, weil die
Partei ihn auszustellen für gut befun
den, sie übergeben ihre Kinder dieser
oder jener „Schoolmam" zum Unter
richt, weil der Staat sie anzustellen für
gut erachtet. Ob die Ziele und Zwecke v
der Partei und des Staates auf den
tingeschlagenen Wegen erreicht werden,
das ist eine Frage, die weder die Män
ner noch die Mütter sehr ernst nehmen.
Ist einmal der Wahlzettel abgegeben,
die Kinder der Schule übergeben, dann
ist man die Politik und die Kinder für
geraume Zeit glücklich los. und man
geht darüber zur Tagesordnung, zu
den dringenden täglichen Geschäften
über. Die Männer betreten das Wahl
lokal nicht wieder bis zum nächsten
Wahltermin, und die Mütter den
Schulraum nicht eher als bis zum
nächsten Schulanfang und vielleicht
dann nicht einmal, wenn die Kleinen
groß genug geworden, um die Sache
allein erledigen zu können. Di- Män
ner lesen dann in den Zeitungen dar
über, wie ihr- erwählten Beamten sich
aufführen, und di- Mütter sehen hin
und wieder einen „Report", «in gute»
„Ticket" als Zeichen des anständigen
oder schlechten Betragens ihrer Spröß
linge, aber weder die Männer noch die
Frauen wissen genau, was wirklich in
der Partei und in der Schule vorgeht,
wie beide beschaffen sind.
Den Herren der Schöpfung würden
wir uns nicht unterfangen, Rathschlä
ge in Bezug auf Politik zu ertheilen,
hingegen möchten wir die Mütter drin
yeno auffordern, sich genaue Kenntnisse
über das zu verschaffen,was die öffent
liche Schule ihren Kindern geben kann
Md was nicht.
Vor Allem sollte sich jede Mutter
darüber zu informiren suchen, wie das
Schulzimmer beschaffen ist, in welchem
ihr Kind täglich fünf bis sechs Stun
den verbringen wird. In manchen
Schulen werden die Kinder in einem
diel zu kleinen Raum geradezu zusam
mengepfercht. Wie kann nun der
vielleicht zarte A-B-C-Schütze, wel
chem schon das ungewohnte Stillsitzen
allein eine körperliche Qual ist, dabei
gedeihen? Und das, was er in der
Schul« an Kenntnissen zunimmt, steht
sicher nicht im Verhältniß zu dem, was
er an Gesundheit einbüßt. Wenn
man absolut «nicht im Stande ist, die
sem Uebelstand abzuhelfen, und auch
nicht das Gkld für Bezahlung eines
Privatinstitutes erschwingen kann,
dann soll die Mutler sich lieber die Un
bequemlichkeit auferlegen, das Kind
noch ein halbes Jahr von der Schule
/ fern zu halten, ehe sie es krank und
! blaß werden läßt. Ferner soll die
auf das Gemüth einzuwirken, noch auf
das Herz des Kindes einen Einfluß
ausüben. Die Volksschule lehrt ihr«
Schüler eine vortreffliche Disciplin,
bildet sie zu guten Rechnern, zu prak
tischen Menschen heran, gibt ihnen «ine
schöne, «nergische Handschrist und all
gemeine Kenntnisse über die Geschichte
und die Beschaffenheit ihres eigenen
Landes, lehrt sie die englische Sprach«
sprechen und fehlerlos schreiben, aber
wenn trotz alledem wider Denler noch
Gefühlsmenschen herangebildet, wenn
manche körperlichen Schaden nehmen
und geistig verrohen, dann ist dafür
nicht die Schule, sondern das Haus,
nicht die Prinzipalin und Lehrerin,
sondern die Mutter verantwortlich. Sie
muß ausgleichen, was die Schule zu
thun übrig läßt, und darf weder ihr
wachsames Auge schließen, noch die
Hände in den Schoß legen, sondern
unausgesetzt an dem Wohle ihrer Kin»
der arbeiten, ob die Schule nun
schließt sder beginnt.