Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, July 13, 1894, Page 6, Image 6

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    6 Die Ceflaiiientsklalilkt.
Das prachtvolle Palais in der 32.
Avenue, dessen Eingangsthür einem
Triumphbogen glich, stand in tiefer
Trauer. Ein Schlaganfall hatte den
Bankier Robby Smitfon, den Chef
des Bankhauses Smitfon >!: Son, da
hingerafft.
Droben in dem großen Schlafzim
mer, das durch zwei brennende Kerzen
nur mit einem matten Lichtschimmer
erhellt wurde, betete die Wittwe in na
menlosem Schmerz neben dein Leich
nam. der kalt und starr auf dem Tod
tenbette lag.
Am Schreibtisch saß Arthur und
wartete auf den Moment der Aufbah
rung.
Inmitten dieser traurigen, nur
durch das leise Geräusch der knistern
den Flammen und des zerknitterten
Papiers unterbrochenen Stille kamen
der Wittwe träumerische Erinnerun
gen, und sie durchlebte in Gedanken
noch einmal die ferne Vergangenheit.
Mit zehntausend Dollars hatten sie
Beide ihren Hausstand in hoffnungs
freudigem Vertrauen auf die Zukunft
begründet, Robby Smitfon hatte ein
Schiff gekaust, dann war es ihm
durch umsichtige Geschäftsführung ge
lungen, allmälig sich eine kleine Flot
tille zuzulegen. Seitdem hatten siL
Dollars auf Dollars gehäuft. Wie
viel kühne und stets von Erfolg ge
krönte Speculationen! Gewaltige
Vermögen verschwanden, große rivali
sirende Häuser fielen der Vernichtung
anheim: Smitfon blieb seiner
Devise „Vorwärts!" treu, und das
Bankhaus erhob sich über all diese ver
krachenden Firmen immer reicher, im
mer größer, immer mächtiger.
Inmitten dieser ungeheuren Reich
thümer hatte Smitfon senior sich eine
gewisse Herzensweichheit, eisten Zug
von Sentimentalität bewahrt, wofür
aber sein Sohn nur ein Achselzucken
hatte; in einer kleinen Kassette be
wahrte der Alte in seinem Arbeits
zimmer in Rollen von Goldstücken die
ersten zehntausend Dollars auf, mit
denen er fein Glück begründet hatte.
Dieses Kästchen war ihm wie ein
Fetisch, der dem Hause Glück bringen
mußte, aber das Müßigliege» der
zehntausend Dollars gefiel dem jungen
Arthur ganz und gar nicht; dieselben
dünkten ihm ebenso unnütz wie der
Stein, den der Philosoph in der Fa
bel dem Geizhals an die Stelle seines
entwendeten Schatzes zu legen räth.
Arthur träumte von allerlei bei der
Leiche seines Vaters. Das Scepter
ging jetzt in seine Hand über, er war
der neue Machthaber. Denn König
Dollar regiert unumschränkt. Die im
Zimmer herrschende Stille unterbrach
die Wittwe endlich mit den Worten:
„Arthur, wir dürfen nicht vergessen,
die Kassette mit den zehntausend Dol
lars in den Sarg Deines Vaters zu
legen. Du weißt, daß dieses eine der
ersten Klauseln des Testaments ist/
~Ja, ja," brummte der Sohn übel
launig, „in der That eine absonder
liche Idee von meinem Vater!"
Inzwischen waren die Leichendiener
eingetreten und hatten ihr trauriges
Geschäft begonnen; sie hatten den
Todten in den dreifachen Sarg gelegt
und ließen im Kamin in einem Tiegel
Blei schmelzen, um die Plomben anzu
„Dies ist der Augenblick," sagte
Madame Smitson, indem sie mit den
Augen auf die Kassette deutete.
Arthur erhob sich seufzend. Schließ
lich war das, was er zu thun im Be
griffe war, doch widersinnig. Diese
zehntausend Dollars, die seit zwanzig
Jahren nicht gearbeitet hatten, reprä
sentirten vielleicht mit ihren Zinses
zinsen einen baaren Verlust von hun
derttausend Dollars, und man wollte
sie auch ferner unverwerthet lassen,
man machte sich daran, sie in einen
Sarg zu vergraben! Und warum das
Alles, warum? Um den sentimentalen
Wunsch eines Todten zu erfüllen, der
mit diesen zehn Rollen irgend einen
Aberglauben verbunden hatte.
„Wenn Papa »och da wäre," dachte
Arthur, und ich ihm meine Gründe
auseinandersetzen könnte, so bin ich
sicher, daß er der Erste wäre, mir recht
zu geben, vollständig recht. Aber wie
Mama das begreiflich machen?"
In der That hatte Frau Smitson
diesen inneren Kampf in dem Mienen
spiel ihres Sohnes gelesen, denn sie
sagte mit fester Stimme: „Schnell, A
rthur! Laß uns den Willen Deines
Vaters erfüllen."
der junge Mann nahm das Kästchen
von dem Plüschsockel, auf dem es schon
seit so vielen Jahren wie. auf einem
Piedestal geruht hatte, und legte es zu
„Schön," sagte die Wittwe, „jetzt
will ich mich fertig machen zu diesem
traurigen Gange."
Lippen Arthurs, „warten Sie!"
„Der gnädige Herr wünschen das
Gesicht des Todten noch ein letztes Mal
„Jawohl, ich möchte noch einmal
sein« Züge sehen."
Ehrerbietig entfernte sich der Ange
wirklich zu dumm!"
Er öffnete schnell die Kassette und
ergriff die zehn Goldrollen, welche er
in den Schreibtisch schob; da kam ihm
plötzlich eine Idee, er setzte sich an das
No. 2399. New Dork, 4. December
1L93.
Zählen Sie gefälligst gegen diesen
Check an die Ordre des Herrn
Arthur Smitfon.
„Auf diese Meise,mein armer Papa,
wirst Du nichts verlieren," überlegte
«r, „der Check ist sicher, Du weißt es
besser, als irgend Jemand sonst."
sein Interesse mit seinem Gewissen in
Einklang gebracht hatte, legte er den
Check in die Kassette und wandte sich
dann an den Bediensteten, der noch
immer watete, „Das wäre gemacht.
Jetzt ist Alles in Ordnung, und Sie
können den Sarg schließen."
AuS dem Nachlaß berühmter Ton
dichter.
Wenn heutzutage einem Componi
sten ein Werk «inschlägt, so ist er ge
wöhnlich für alle Zeit finanziell gebor
gen. Ganz anders war es vor 10V, ja
noch vor 50 Jahren, wie ein Blick auf
die Hinterlassenschaften berühmter
Tondichter lehrt. So waren bei Mo
zarts Tode an baarem Gelde 60 Gul
den vorhanden. Das ganze Inventar
einschließlich der kleinen Musikalienbi
blivthek hatte einen Schätzungswerth
von kaum 400 Gulden. Beethovens
Hinterlassenschaft gestaltete sich besser:
Nach der Mittheilung des Curators
betrug das ganze Activ - Vermögen
an Baarschaft, Erlös für vertaufte
Möbel und Musikalien 10,232 Gulden
Conv. - Münze. Davon ging«n ab an
Krankheits- und Beerdigungskosten so
wie gerichtlicheGebühren.l2l3 Gulden,
so daß rein erübrigt wurden 9019 Gu
lden. Der Curator, D. Bach in Wien,
bemerkte hierzu: „Daß dieser geringe
Vermögensnachlaß dem Verdienste die
ses großen Meisters nicht angemessen
war, ist wohl richtig und würde auf
seine Zeitgenossen ein schlimmes Licht
werfen, wenn die Ursachen dieses Zu
standes nicht in der Denk- und Hand
lungsweise desselben gesucht werden
müßten. Er war nur Meister, er
kannte nur die Kunst, di« Vortheile
davon ließ er Anderen übrig." Zum
Erbarmen-ist nach den im Archiv
des K. K, Wiener Landesgerichts be
findlichen Franz Schubert'schen Ver
lassenschaftsakten der Nachlaß des
großen, unerreichten Liedercomponi
sten. Derselbe bestand in folgenden,
gerichtlich geschätzten Effecten: 3 Geh
röcke, 3 tuchene Fracks, 10 Beinkleider,
9 Westen, zusammen im Werthe vtm
37 Gulden; 1 Hut, S Paar Schuhe,
2 Paar Stiefeln, Werth 2 Gulden;
4 Hemden, 9 Hals- und Sacktücheln,
13 Paar Socken, 1 Leintuch, 2 Bettzii
chen, im Werthe von 8 Gulden; 1 Ma
tratze, 1 Polster, 1 Decke, im Werthe
von 6 Gulden; einige alte Musikalien,
geschätzt auf 10 Gulden. Außer die
sen genannten Sachen im Gefammt
werthe von 63, sage dreiundsechzig
Gulden (!) war an irdischen Gütern
vom Sänger des „Erlkönigs" nichts
vorhanden.
Zur Badesaison.
„Nun, Fräulein Pade, ist mein wei
ßes Flanellkostüm fertig?" „Be
nicht." „Aber, Fräulein, ich begreife
das nicht. Sie wußten doch, daß ich
morgen reisen will." „Es wäre ja
auch schon fertig, wenn mir nicht noch
etwas rothe Seide zum Abfüttern ge
fehlt hätte." „Dann zeigen Sie mir
doch wenigstens, wie weit Sie damit
sind." „Gnädige Frau Baronin, ich
zeige grundsätzlich die Sachen den Da
men niemals im Rohbau. Morgen ist
es bestimmt fertig." „Dann halten
Sie aber auch Wort. Adieu!*
Empfehle mich!" „Marie, wie lange
haben Sie noch mit der Taille der Frau
Consul zu thun?" „Ungefähr gute
zwei Stunden." „Schön, dann
schneiden Sie sogleich das Flanellko
stüm für die Baronin zu, sonst bekom
men wir es bis morgen nicht zum Ab
liefern, und Sie haben doch eben ge
hört, wie nöthig die Dame es braucht."
„Ach wat, jlooben Sie doch die
nischt. Wenn die wirtlich morjen rei
sen dhäte, denn hätte det heute hier je
brannt!"
„Aber, Fräulein Pade, ich bin außer
mich, daß Sie mir so in Stich lassen.
Die Säßong in Wiesbaden hat läng
stens anjefangen und ich befinde mir
noch immer hier." „Frau B. hätten
ia ruhig abreisen können. Ich würde
die Kleider schon nachgesandt
haben. Zu der Merveilleux - Robe
kommt überhaupt die Jettgimpe erst
anfangs nächster Woche aus Paris."
„O Monkjeh, da könnt man ja die
Platze kriegen!" „Ich bitte Sie,
Madame, Sie haben doch erst in vori
ger Woche zwei Kleider herausbekom
men." „Das ist mich janz «jal; ich
brauche de Fludersch, und wenn Se
mich mein Tressor nicht herstellen kön
nen. denn muß ich Ihn' meine werthe
Kundschaft entziehen." „Na, macht
die aber'n dicken Wilhelm; trotz ihrer
Vornehmigkeit sitzt ihr die Hökersche
noch immer in's Jenicke," lachte die
Zuschneiderin. „Aber wer det Jeld
hat, kann ooch den Deibel tanzen las
sen." „Det stimmt!" meinte der stets
vorlaute weibliche Lehrstift, der abseits
sitzend seine Frühstücksstulle ver
schmauste.
Unter guten Freun
dinnen. Fräulein A.: Das letzte,
was Heinrich that, war, daß er mir
eine» Kuß gab. Fräulein B.: Das
glaube ich. daß das das letzte war,
was er that!
Ein Vorschlag. Untersu
chungsrichter: „Na, Huber, für den
Diebstahl bei der - werden Sie
jedenfalls eine recht empfindliche
Strafe davontragen!" Angeklagter:
„Herr Richter, wenn ich nun das Mä-
Luftige Toiletten.
Die wonnigen Tage, an welchen
man sich nach Herzenslust in der freien
Natur tummeln und die Glieder in die
frische Fluth tauchen kann, sind gekom
men; es ist also an der Zeit, die
Machtgebote der Tyrannin Mode in
Betreff der neuesten und fefchestenßade
toiletten zu verkünden. Vor wenigen
Wochen noch schien es, als würden in
dieser Saison die allzu lustigen Bade
costüme verpönt werden. Was von
in dieser Saison sind die Costüme so
zierlich, daß man dieselben ohne beson
dere Mühe in einen halbwegs großen
Handschuhkasten packen kann. Zu ei
nem fafhionablen Badecostüm darf
aber in dieser Saison keine Dame den
gewöhnlichen blauenFlannel verwenden.
Es ist kein Rhythmus, keine Poesie in
einem solchen hausbackenen Anzüge hat
Frau Mode gesorgt, und dagegen darf
sich Niemand auflehnen.
Mohair -Costüme.
Mohair gilt als das bevorzugteste
Material; dasselbe hat allerdings ei
nen bedeutenden Vorzug vor dem Fla
nell. da es das Wasser leichter abfließen
läßt und nicht so schwer wird wie letz
terer. Auch Serge in den verschieden
sten Farbenschattirungen wird vielfach
verwendet. Ein aus Paris importir
tes, fesches Costüm ist aus weißerSerge
mit rothem Besatz gefertigt. Das
Leibchen ist ziemlich weit, dir Hals tief
Französisches Costüm.
ausgeschnitten und der Matrosenkragen
anderes hübsches Costüm aus blauer
Serge hat Weste und Revers auf dem
Leibchen; der aus weißem Kaschmir
dratsörmiges Stück Phantasiestoff, des-
Schleifen gebunden, deren Enden man
weit abstehen läßt. Die langen
Strümpfe müssen die Farbenharmonie
In Betreff der Sommertoiletten hat
Stoffen wie Battist, Muslin u. s. w.
stellten Muslins, Battists u.s.w.? Da-
Ansprüchen wird mit wunderhübschen
Blumen- und Arabeskenefsekten Genüge
geleistet.
Bevorzugt wird punktirter Schweizer
Muslin vor dem einfach weißen Fabri
kat. Vorzüglichen Effekt macht eure
Toilette von schwarzem Muslin mit
l weisM Punkten, über deren am Hals
gen wird; ein schmaler Gürtel und
eine breite Schärpe von schwarzemßand
vervollständigen das Costüm.
Ebenso geschmackvoll und chic ist ein
Kleid von dunkelblauem Stoff mit klei
nen weißen Punkten; ein solches Kleid
ist außerordentlich kühl, da der Stoff
nicht überall gefüttert zu werden
braucht. Eine tief ausgeschnittene
Taille von Seide läßt sich unter einem
solchen mit Vortheil tragen, da sie
genügende Stabilität gewährt, ohne un
erträglich heiß zu sein. Toiletten von
punktirtem schwarzen Muslin sollten
mit spanischen Falbeln, die mit Spitzen
besetzt sind, verziert werden; Pannier-
und Fichu-Effecte in solchem Muslin
machen sich sehr gut.
Erdbeben in Griechenland.
Die Erdbeben in Griechenland, von
denen das atlantische Kabel die aus
führlichsten Mittheilungen machte, ha
ben Gottlob keinen großen Verlust an
Menschenleben verursacht, jedoch eine
große Anzahl von Ortschaften und
Dörfern sind in Folge dessen unbe
wohnbar geworden. Die großen Lon
doner Blätter enthalten jetzt Illustra
tionen der Folgen des Erdbebens.
Wir copiren in dem beigegebenenßilde
die anschaulichste jener Folgen. Der
Erdboden ist derartig zerklüftet und
von tiefen Spalten durchfurcht, daß
der so heimgesuchte Distrikt eine
Landschaft des alten Böotien.kö Mei
len nordöstlich von Athen mit dem
Hauptort Atalante fast unbewohn-
Hi»nch>u»g der Anarchisten.
Die sechs spanischen Anarchisten,
welche die entsetzliche Katastrophe im
Theater von Barcelona angerichtet
haben sollen, wurden, wie das Kabel
berichtet hat, vor Kurzem erschossen.
Das beigefügte Bild, nach Londoner
illustrirten Blättern,veranschaulicht die
Execution. Alle sechs Anarchisten gin
gen dem Tode kaltblütig entgegen.
Sie betrachteten sich als Märtyrer
einer großen Sache. Man glaubt in
Spanien, daß unter den Hingerichte
ten sich mehrere Haupträdelsführer
der internationalen anarchistischen
Verbindung befunden haben.
Unter Dienern.
„Was rauchst Du denn da für
schlechte Cigarren?"
„Denke Dir, so was raucht mein
Herr!"
Das böse Gewissen.
mal auf Gastspielreisen, Herr Brül
ler?" „Ja, schauen Sie, das ewige
lischt Stimmung!"
Auchein Geschenk. A. zu
B. (einem eingefleischten Geizhals):
„Du solltest doch eigentlich Deiner
l Nichte, die sich nächstens verheirathet,
eine Freude machen!" B. (nach kän
! gerem Nachdenken): „Will ich auch!
j Weißt Du was, ich werde mich krank
> stellen!"
ZaSi ssarnot, Kas Vpser ewes
Meuäitlmördcrs.
Sonntag, 24. Juni, statt. Präsident
Aus Anlaß der dortigen Ausstel
lung weilte Carnot in Lyon, wo er
von dem Volke mit dem größten Ent
husiasmus begrüßt worden war.
Equipage nach dem Theater fuhr und
sich vor dem Gebäude des Credit Ly
onnais in der Rue de la Republique
einem Stilett, das er mit einer Zei
tung verdeckt hatte, auf den Wagen
tritt und stieß ihm den Stahl in die
Präsident der dritten französischen
Republik, geboren am 11. August
1837 in Limoges, war ein Enkel des
Staatsmann. Sadi Carnot war Ei
des Krieges 1870 71 war er Prä
fect des Departements der Seine Jn
ferieure; im Februar 1871 wurde er
vom Departement Cote d'Or zum
Mitglied der Nationalversammlung
erwählt. Er fungirte mit Auszeich
nung als Mitglied von Ferry's und
Freycinet's Cabinet und wurde im
December 1887 zum Präsidenten er
wählt. Präsident Carnot vermählte
sich am 8. Juni 1866 mit der ältesten,
Madame Carnot.
im März 184F geborenen Tochter des
französischen National 5 Oekonomen
Dupont White. Madame Carnot ist
eine hochgebildete Dame, welche von
ihrem gelehrten Vater in das Stu
dium der National-Oekonomie einge
weiht wurde und die ihm bei der
Uebersetzung der Werke von John
Stuart Mill hilfreiche Hand leistete.
Der höchst glücklichen Ehe sind vier
Kinder, eine Tochter und drei Söhne,
entsprossen. Die Tochter ist das älteste
und an einen Richter in Dijon
verheirathet, in dessen Haus der er
mordete Präsident vor seiner verhäng
nißvollen Reise nach Lyon weilte; die
Namen seiner Söhne sind Sadi,
Francois und Victor. Madame Car
not ist eine Brünette! sie hat dunkel
blaue Augen und schwarzes, wieSeide
glänzendes Haar. Sie gilt als das
Muster einer Gattin und Hausfrau
und trotz ihrer hervorragenden Stel
luiia überwacht sie persönlich alle
Haushaltungsangelegenheiten. Präsi
dent Carnot und seine Gattin führten
in dem officiellen Palais der Präsi
denten der französischen Republik, dem
Elysee, ein höchst einfaches Leben;
Madame Carnot selbst bekundete sür
die Arbeiten und Studien ihres Gat
ten sehr lebhaftes Interesse und nahm
regen Antheil an den Werken der
Wohlthätigkeit.
' " > Elysee.
Das Elysee, früher Elysee-Vour»
bo«>, ist einer der startlichsten altadeli
gen Paläste in Paris, zwischen de?
Straße des Faubourg St. Honore und
den Elyseeischen Feldern belegen, und
im Jahre 1718 von dem Architekten
Molet für den Grafen von Evereux
bebaut. Er wurde später von der
Marquise von Pompadour, dem Fi
nancier Beaujon, der letzten Herzogin
von Bourbon, dem Prinzen Murat,
Herzog von Berry, Grasen Chambord,
Ludnxg Napoleon bewohnt und hat
seit 1871 dieselbe Bestimmung für
den Präsidenten der Republik. Der
Palast grenzt an die Champs-Elysees.
Die Seine und das Stadtviertel von
Chaillot an der linken Seite und rech
ter Hand die beiden Vorstädte St.
Honore und Le-Roule bilden die un
gleiche Grenze.
Das große Theater.
An der Place de la Comedie bele
gen, ist das Große Theater, wo zu
Ehren des Präsidenten Carnot eine
Gala-Vorstellung stattfinden sollte,
eines der schönsten öffentlichen Ge
bäude der Stadt Lyon. Dasselbe ist
in den Jahren 1827 bis 1830 von dem
berühmten Architekten Sousslot auf
geführt und hat vier Millionen Francs
gekostet. Das Theater prangte im
prächtigsten Festschmuck, unp war bis
auf das letzte Plätzchen von einer ent
husiastischen Mengt gefüllt, auf
welche die Nachricht von dem ruchlosen
Attentat wie ein Blitz aus heiterem
Himmel wirkte.
Jean Casimir Perier.
Der Nachfolger des ermordeten Prä
sidenten Carnot, ist der wohlbekannte
und verdienstvolle französische Diplo
mat und Politiker Casimir Perier. Es
ist mit ziemlicher Gewißheit anzuneh
men, daß er die Regierung im Sinne
feines Vorgängers leiten wird. Casi
mir Perier gehört nicht zu den Re
vanche Politikern Frankreichs. Die Le
ser finden hier das Portraits des neuen
iranzösischen Präsidenten.
Eugene Turpin.
Wir bringen hier das Bildniß des
vielgenannte» französischen Erfinders
Eugene Turpin, welcher, nach den Ka
beldepeschen, soeben wieder viel von
sich reden macht. Er soll der deutschen
Regierung seinen neuesten und furcht
barsten Svrengstoff, das Panclastite,
für schweres Geld' verkauft haben.
Obfchon Herr Turpin, der Erfinder
des Melenits, früher mit den Englän
dern Geschäfte gemacht haben soll,
welche ihn seinen Revanche-lustig«,
Landsleuten als vaterlandslosen Lump
erscheinen ließen und ihn in's Gesang
niß brachten, so ist doch die Nachricht,
daß Turpin mit Deutschland einen
Schacher gemacht haben soll, mit gro
ßer Vorsicht aufzunehmen. Die deut
sche Regierung pflegt ihr Sprengmate
rial nicht aus französischen Quellen zu
beziehen, auch wenn dieselben noch so
trübe sein sollten. Vermeidung alles
dessen, was den Franzosen Ursache
zum Aerger geben könnte, ist ja eines
der Hauptgrundzüge der deutschen
auswärtigen Politik.
Tiefes Leid.
Klavier
Und paukt die „Klosterglocken!"
—Neu e r Trick. Kunde: Ihre
Chef: Die habe ich als Schutz ge
gen Ladendiebe engagirt; die Hallun
ken wissen dann nie, wo die Mädchen
eigentlich Hinsehen!
MS Gattin kaum begehrenSwetth.
In setzt gegenwärtig ein Fräu
lein Alnivtis das Publikum in Stau
nen. Sie ist eine „Kraftmeierin" aller
erster Güte. Mit den Zähnen hebt sie
ein schweres Faß, aus welchem zwei
Männer sitzen. Bei einer ihrer Vor
stellungen trat neulich ein junger Mann
vor und bot ihr mehrere hundert Francs
Belohnung, sowie den vollen Ersatz für
allen Schaden, wenn Frl. Alniotis den
fchiveren Flügel mit den Armen aufhe
ben und von der Bühne in's Orchester
werfen würde. Kaum war das Geld
für die Wette hingezählt, als dies Aus
nahme-Exemplar des „schwachen" Ge
schlechts, die Aufgabe auch schon gelöst
hatte. Wer die zur Frau kiegt, geht
gewiß selten des Abends in die
Loge.
Noch zwei Kraftmenschen.
Mit der Alniotis rivalrsiren in Paris
gegenwärtig zwei Deutsche, der ehema
lige Hamburger Wirth Carl Abs und
der sog. bairische Herkules Hans Stey
rer. Letzterer hat z. B. eine Schnupf
tabaksdose von Riesendimensionen. Sie
über einen Fuß lang, «inen halben Fuß
breit und dreiviertel Fuß hoch. HanS
Steyrer geht mit diesem Ding um, als
ob's ein winziges Ding wäre. Es
wirkt wunderbar komisch, wenn er den
bietet. Auch Steyrer's Sohn ist ein
vielversprechendes Talent.
Carl Abs hat die Franzosen ganz
»baff" gemacht mit seinem neuesten
Stückchen, welches darin besteht, dah .
Abs einen Elephanten in die Höhe hebt.
Natürlich ist dieses Rüsselthier nicht so
groß und nicht so schwer, als „Jumbo"
seeligen Angedenkens aber es ist doch
schon ein recht stattliches Thier und
Kraftleistung ist gewiß stairnenfrregend.
Der Elephant wird zwischen ein Gerüst
gebracht und Abs hebt das Thier cnr
einem Gürtel bis zu sieben Fuß in die
Höhe. Während des Hebens klettert
dieser HamburgerGoliath an den spros
senartigen Seitenstäben des Gerüsts
Sprosse um Sprosse m die Höhe, um
den Elephanten möglichst hoch schwe
bend zu zeigen. Uebrigens habe»
sowohl Abs als Steyrer mit amerika
nischen Unternehmern Contrakte abge
schlossen und nächsten Winter wird mm,
diese Kraftmenscheil auch hier bewun
dern können.
. Ein ganz Schlimmer.
Laß mich durch, Hugo! Wenn Du
mich nicht gehen lassen und noch einmal
wieder küssen willst, dann rufe ich Vet
ter Heinrich °zu Hilfe!
Also, ich allein genüge Dir nicht
mehr? O. Du Nimmersatt!
Die theure Gattin.
„Sag' aufrichtig, Oskar, könntest Du
ohne mich leben?" „O ja, sogar viel
züchtigt): Weißt Du nicht, daß der
große Salomo gesagt bat: „Wer sein
Kind lieb hat, der züchtigt es"!?
Der kleine Oskar: Wie er ein kleiner
Junge war, wird er das wohl nicht
gesagt haben!