Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, June 29, 1894, Page 2, Image 2

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    2 Eine Zndianergcschichte.
Apotheker (der früher im Indianer»
gebiet gewesen, am Stammtisch erzäh
lend): „Aenne gans eegendiehmliche
Geschichte is mir da unter andern bas»
sirt. Eeenes Dages nämlich, wie un
ser« Exbedizjohn so ä wildes Felsen
dahl durchstreeft, un mir drei Forscher,
de Gebrieder Humbold un ich, grade
unsern Soldaten L Stickchen vorneweg
geeilt sin un ganz arglos aus ä Hohl
wege treten heernse, da gommen
Sie zwee Drubbs Indianer uff «emal
in sausender Karriere 'rangesprengt—
links ä Drubb Sioux un rechts ä
Drubb Irokesen denn ich gannte
die Brieder an den Federbischeln ä
Hagel von Feilen saust auf uns ew
un haste nich gesähen! stecken m'r
ooch schon zwee von den verdammten
Dingern in der linken Seite. Nu is es
immer gut, wenn der Mensch Kennt
nisse un de Oogen offen hat. De Feile
gengift von Strychnin is! Wie m'r
das dorch de Gedanken schoß, war ich
ooch schon nach rechts vorgesprungen.
Awer in dän Oogenblick erschienen un
sere Soldaten, gingen mit ään drei
mal'gen Hurrah vor un de Indianer
kratzten aus. Ich in der Angst, daß
rs zu spät ser mich wär'n gennte,renne
den eenen Irokesen nach un schreie in
«enen fort uff irokesisch nadierlich:
„Schießen Se nur noch ä eenz'gen Feil
uff mich! Nur L allereenz'gen!
Heernse, sein Se doch so gut!"
Un das Luderchen muß es endlich
ooch begriffen ham. Denn uff «emal
sdreht er sich um un fchwibb! sitzt m'r
noch schon ä Fitscheseil im Bauche. Ich
war gerettet awer 's war ooch de
iheechste Z«it,un drei Dag« haw ich noch
von wägen den Schrecken krank ge
legen!"
Chinesische Hcirathsbräuche.
Wenn Jemand im Land der Zöpfe
ein Mädchen freien will, so ist das
Erste, was er thut, datz er das „Horo
skop" seiner Geliebten stellen läßt, um
zu erfahren, ob er mit ihr eine glückliche
Ehe haben wird. Fällt es günstig aus,
so wechseln zuerst die Eltern des Bräu
tigams und der Braut Briese. Der
Water der Braut redet von seiner Toch
ter als „verächtlich". Sein Haus ist
tine kalte Wohnung, während die El-
Nater und einer seiner Freunde leiten
die Unterhandlungen. Nachstehend sei
in wörtlicher Uebertragung der Brief
Tochter eines seiner Nachbarn für fei
nen Sohn bat: „Auf den Knieen bitte
ich Dich, nicht dieses kalte und gemeine
lose Geschlechter auf die Vollendung des
Maßes aufrichtiger Zuneigung. Mö
gen sie singen vom Einhorn und jede
Glückseligkeit genießen. Auf den
Knieen bitte ich Dich, meinen Vorschlag
günstig auszunehmen und den spiegel
hellen Glanz Deines Auges auf diese
Zeilen zu werfen." Auf dies Schrei
ben erwiderte der Vater mit
solle. „So sei zu hoffen, daß dem
Paar beständiges Glück zu Theil
werde."
Weiter nichts. Dame:
„Ich möchte gern Unterricht im Malen
nehmen, Herr Professor; -wie würden
Sie mir das Honorar berechnen?"
Maler: „Ja, mein Fräulein, es ist zu
spät für Sie, jetzt erst anzufangen,
wenn Sie was Ernsthaftes schaffen
wollen." Dame: „Ach. das will ich
ja gar nicht, ich will nur so viel ler
nen. daß ich nachher Unterricht geben
lann."
Unverbesserlich. Rich
ter (zu einem schon vielfach abgestraf
ten Wilderer): „Sie sind zu einem
Monat Arrest v«rurth«ilt; haben Sie
noch etwas zu bemerken?" Ange
ber Schonzeit absitzen!"
Abkühlung. Dichterling:
„Nur ein Wort, Gnädigste, ein einzi
lichen!"
Auch ein Berus. Vater
(reicher Hausbesitzer): Ja, Junge, sagt
willst? Sohn: Ach, Bater, dann
Ken Durst. Derselbe ist grundlst."
Der Kalraktar von Scialla.
Die türkische Vilajetstadt Scutari
am Skadarsee ist berühmt ihrer Waf
fenfabriken wegen, man bringt dort
dort noch viel seltsame alte türkische
Waffen. Letzteres lockte mich von Vene
dig, wo ich den Winter verbracht, nach
dieser Stadt, dem Scodra der Alten,
um nach dergleichen kostbaren Alterthü
mern zu spüren. Ich war nun schon
acht Tage in der Garnisonsstadt und
mein Aufenthalt dehnte sich in die
Länge, da ich auf die Rückkehr eines
ausrangirten Nizamoberst warten
mutzte, der um seine Pension einzukla
gen, nach Konstantinopel gereist war,
und ich schlenderte außerhalb der
Stadt umher, machte auf der Drinafa
briicke Halt und schaute über den tief
blau schimmernden See, auf dem fon
nenumhaucht« Segel schwammen, zu
den-albanesifchen Bergen hinüber, die
sich in erhabener Majestät austhürm
ten, ihre eis- und schneebedeckten Fir
nen zum Himmel emporstrickend. - Es
lag eine wunderbare Färbung auf der
Landschaft, der See strahlte in einem
geradezu erstaunlich durchsichtigenßlau,
die röthlichen Hügel seiner Ufergelände
waren in den Falten mit südlich üppi
ger Vegetation geschmückt, weiß
leuchtend dehnte sich die Stadt mit ih
ren spitzen Minarets, goldigen Kup
peln und würfelförmige» Häufern,
blauer Duft umschwebte den unteren
Theil der Berge, blendend von der
Maisonne waren die Eisfelder und
Gletscherfirnen bestrahlt. Ueber all
diesem spannte sich ein wolkenloser
glasklarer südlicher Frühlingshimmel.
Es war ein Landschaftsbild, wie
man es in der Welt kaum zum zweiten
mal in der Vereinigung einer solchen
Vroßartigkeit mit entzückender Lieblich
keit erblicken dürfte. Ich stand im
Anschauen dieser Pracht ganz versun
ken, da weckte eine Stimme neben mir,
die in deutschen Lauten sich kund gab,
mich aus meiner Begeisterung. „Ja,
schön sind diese Berge," sprach ein
Mann, der ohne daß ich darauf Acht
gegeben, neben mir gestanden, mich an,
,wunderschön,aber nur von außen, hier
in der Türkei ist Alles nur von außen
schön drmnen ist Elend und Ver
kommenheit überall hier, Herr."
Ich schaute den Sprecher an es
Mar ein Mann in der Mitte der Vier
ziger, schlank gewachsen, mit feinem
aber wenig energischem Gesicht, dessen
ganz« Erscheinung sofort den deutschen
Gelehrten erkennen ließ. Ich mußte
Wohl bei dieser unvermutheten Anrede
ein etwas überraschtes Gesicht gemacht
haben, denn der Herr griff schnell in
die Seitentasche seines Ueberrocks und
gab mir mit entschuldigender Beflissen
heit eine Visitenkarte auf welcher ich
las: Dr. Heinrich Tänner, Professor
-- Leipzig. „Ich bin Geologe, lehre
ün der Universität in Leipzig, kenne
Land und Leute hier genau. Sie sind
ein Landsmann, Ihrem Ausruf nach.
Wenn ich Ihnen mit etwas dienen
kann." So sprach der redefertig« Herr
weiter.
Ich verneigte mich. „Sehr lie
benswürdig", gab ich zurück. „Sie sind
Vöhl schon längere Zeit hier?"
„Das dritte Mal," beeilte sich der
Mann, zu sagen. „Auf Forschungs
reisen für eine belgische Aktiengesell
schaft. Ich soll nach verschiedenen
Metallen in den AlbanerVergen suchen.
Ss wird wenig dort zu holen sein. Als
ich das erste Mal dort war der
Sprecher deutete auf die Schneeberge
getragen aber kein Gold und Sil
ber. kein Nickel und kein Platina, son
— erstaunlich etwas echt Albanesi
sches."
Obwohl jene Berggebiete kaum eine
von Scutari entfernt,
sind sie dennoch fast völlig unbekannt,
besonders für den Fremden, auch der
Türk« verirrt sich selten dahin und der
Beamte, welcher ab und zu in jene
Berge versendet wird, dürfte auch wohl
kaum tief dort eindringen. Mich in
leressirte es deshalb.durch einen gebilde
ten Menschen etwas von den weltabge
schlossenen Albaner Schluchten und
Felsennestern zu erfahren und ich frug
den gesprächigen Herrn: ob er in jenen
»nzugänglichenßergwildnissen vielleicht
längere Zeit gewesen?
„Mehrere Tag« einmal, das war
genug. Mein jugendlicher Magen
selbst hätte es nicht länger dort oben
ausgehalten falls ich tiefer dort hinein
gekommen wäre. Wollen wir nicht
in das Kaffee drüben gehen und ein
Stündchen daselbst plaudern," for
derte der Herr mich auf.
Der Professor deutete auf ein größe
res Haus am Stadtkai. und bald
schlürften wir trüben aber sehr starken
guten Kaffee.
„Ja, ich war drei Tage einmal hin
tereinander in jenen Bergen" be
gann der Professor. „Meine Excursion
nahm jedoch einen höchst unerwarteten
Werlaus. Es war im Jahre 1883 im
Frühling, ich sollte Untersuchungen an
stellen und reiste von Scutari mit zwei
Trägern auf Packeseln, ich selbst ritt
stolz per Maulthier."
Die Landschaft war noch frisch grün,
der Staub mäßig und verhältnißmä
ßig schnell traten wir in die höheren
Bodenerhebungen ein. Bald nahmen
Albanerberge auf.
Als wir ein paar Stunden höher
hinauf, in die kahle Felsenwildniß ge
stiegen waren, traten uns an einer rie
senhaften, engen, völlig vegetationslo
sen schwärzlichen Schlucht ein Paar
große in schmutzige weiße Wollbosen
und eben solch« Jacken g-kleidete dun
kelhaarig« und scharfäugige Burschen
entgegen, deren blaue Leibgurte! ein
ganzes Arsenal von Pistolen und
Dolchmessen zeigten, hielten uns ihre
langen Flinten entgegen und riefen:
Halt:
gibt's?"
«Nicht weiter!"
„Warum denn nicht?" .
»Wer seid Ihr?"
„Ich bin ein deutscher Gelehrter',
radebrecht» ich auf Albanisch. „Wir
sind Träger des Herrn," antworteten
meine Begleiter auf türtisch.
„Zurück ihr da!" riefen die Albaner
meinen Stambuler Genossen zu
„den Esel mit dem, was darauf ist,
laßt hier. Macht, daß ihr fort
kommt" und bei dieser freundlichen
Aufforderung legten die wild herunter
gekommen aussehenden Bergbewohner
ihre Gewehre auf meine Begleiter an.
M»ine Türlen zögerten denn auch
keine Minute. Sie ließen mich und
die Esel im Stich und rannten bergab
wärts so schnell ihre Beine sie tragen
wollten.
„Was willst Du hier bei uns?" fru
gen mich jetzt die Kerle. ..Steine unter
suchen für ein wissenschaftliches Werk."
Unsere Steine sind wie alle andern
lich. „Du willst Wege auskundschaf
ten für die Hunde, die Türken."
Die Augen der langgewachsenen Bur
schen blitzten bei diesen Worten mich
„Ich bin kein Türke, habe mit keinem
Türken was zu schaffen, und die Tür
ken gehen mich absolut nichts an. Ich
wohne seii einem halben Jahr in Scu.
tari und mein Ziel und meine Beschäf
tigung war dort einzig Steine unter
suchen."
„Laßt mich weiter ziehen zu Eurem
Bairaktar" das ist der Borsteher
des Stammes, denn die Albanesen bil
den Gruppen von Gemeinden, die unter
Führung eines von ihnen gewählten
etwas begüterten und sonst hervorra
genden Stammesgenossen stehen, er
klärte mir der Professor, „der soll ent
scheiden."
Die Ker.e standen noch immer un
heimlich beisammen und nun machte
sich der eine verdächtig mit seiner Flinte
zu schaffen.
Mein Herz klopfte jetzt recht bedeu
tend und die Worte wollten mir nicht
aus dem Munde, so trocken wurde mir
mit einem Mal der Hals. „Ich habe
ein Schreiben von einem Gutfreund an
den Bairaktar von Scialla das ist
ein Hauptort in jenen Gebieten
schrie ich und hielt den Kerlen einen
aus geschriebenen Brief, den
Glücksfall erhalten, hin. Die Bur
schen nahmen das Blatt und sahen hin
ein, aus ihren Mienen wurde mir klar,
daß keiner von ihnen zu lesen verstand.
Sie warfen das für mich so kostbare
Blatt an die Ehre, der eine von ihnen,
ein Riesenkerl mit langen herabwallen
den krausen Haaren und einer schön
mit Elfenbein ausgelegten Flinte, er
griff mein Maulthier und suchte das
selbe von dem Saumpfad abbiegend,
in eine Seitenschlucht zu ziehen. Ich
sprang von dem Thier. „Ich folge
nicht" rief ich. „Ihr habt kein
Recht mich fortzuführen. Ich bin
kein Feind. Ich habe Euch nichts
gethan. Ihr handelt wie Räu
ber."
Die Kerle antworteten gar nichts
der hinter mir gehende gab mir je
doch als Erwiderung auf meinen Pro
test einen solchen Kolbenstoß in das
Kreuz,daß ich ein halb DutzendSchritte
vorwärts stolperte.
Jetzt war die Sache entschieden un
gemüthlich.
„Hilfe, Hilfe, zur Hilfe!" schrie ich,
- obwohl dies ja eigentlich ein Un
sinn war, denn wer sollte mich hier
hören, aus Lebenskräften auf Alba
nisch.
Mein Ruf gellte in vielfachem Echo
in dem engen Felsthal. Ein paar
weitere Kolbenstöße bewirkten, daß ich
mein Schreien einstellte und weiter stol
perte. In diesem Augenblick ver
nahm ich hinter mir Rusen. Ich
wandte mich um und sah eine Mann
auf uns zukommen, der meinen Perga
ment-Brief in der Hand hielt. Es
war ein großer, stattlich gewachsener
Mann in etwas besserer sauberer Klei
dung mit einem wallenden blonden
Bollbart.
„Dieser Brief ist an mich gerichtet,
mein Herr" sprach jetzt der Näher
gekommene mich in reinem Türkisch an.
„Ich nehme Sie unter meinen
Schutz. Wir leben in unruhigen
Zeiten. Die Leute handelten aus
Mißverständniß," erklärte er mir
und legte mir die Hand in eigenthüm
licher Weise auf die Schulter. Die
Hand dort lassend, sprach er darauf
wieder für mich unverständlich zu den
Albanesen. Jetzt wandte sich der Zug
aus der Schlucht heraus auf den Saum»
Pfad zurück und folgte diesem weiter
bergauf.
„Sie kommen zu einer schlimmen
Zeit in unsere Berge" nahm jetzt der
Bairaktar das Wort und schaute mich
dabei aus seinen dunkelblauen Augen
scharf prüfend an. „Die Türken be
reiten gegen uns etwas vor. Das
wissen wir, und die Stimmung der
Albanesen ist derart, daß sie alles todt
schlagen wollen, was Türkisch ist oder
nur von jener Seite" er deutete
nach der Tiefe „kommt. Es ist da
her für Sie am besten, wenn Sie um
kehren. Heute können Sie das mit
Sicherheit nicht. Ich bitte Sie da
her bis morgen mein Gast zu sein.
Länger werde ich wohl kaum im
Stande sein, Ihnen Schutz zu gewäh
ren." Der Mann sprach diese Worte
beinahe leise mit beobachtenden Blicken
auf die uns vorausgehenden Albanesen,
die meine Esel und das Maulthier trie
ben. Ich dankte dann stockte die
Unterhaltung und wir wanderten
schweigsam stundenlang unwegsame
Pfade in kahle, öde Felsengewirre hin-!
Scialla.
„Wir sind angelangt," rief jetzt der
Bairaktar. „dort ist mein Haus!
Er sprach wieder zu den Männern, die
mich gefangen genommen und forderte
mich dann auf, den Leuten einen klei
nen Lohn zu zahlen.
Wir waren vor dem bezeichneten
Hause angelangt und hielten. Ich gab
den Männern ein Zehnsrank-Stück,
das sie ohne Dank nahmen. Der
große Albanese spuckte auf das Geld
stück und steckt« «s in den Gürtel be
vor ich begriff wie und wohin, waren
die Kcrle verschwunden aber vor mir
auf der Schwelle des Hauses stand ein
Wesen, das mir wie eine überirdische
Erscheinung vorkam. Die blasse Früh
lingssonne beleuchtete ein großgewach
senes Weib, mit einem klassisch regel
mäßig-edlen griechischen Gesicht. Es
hatte eine durchsichtige Blässe, die an
durchleuchteten edlen gelblichen Mar
mor erinnerte und aus diesem Gesicht
strahlten in sanftem Feuer groß«,
schwarze mächtige Augen, welche die
Frau nach einem langen forschenden
Blick auf mich niederschlug und in der
Folge nur selten noch erhob. Die
Lider waren seltsam breit und von ei
genthümlich zartem bläulichen Schim
mer überhaupt.
„Mein Weib, sprach der Bairak
tar. Es heißt den Gast aus unserer
Schwelle willkommen —". Die Frau
gab mir eine sich kalt anfühlende kleine
Hand. Ich bemerkte dabei, daß ihr
Arm eine wunderbar« Formvollendung
hatte. Sie wandte sich zum Hause
und wir folgten ihr. Ein kahles Ge
mach mit rothgepflastertem steinernem
Fußboden, auf dem Strohmatten la
gen, nahm uns auf. Der Bairaktar
bat mich, es mir bequem zu machen.
Das fei ihr Prunk- und Fremden
zimmer, fügte er mit einem wehmüthi
gen Lächeln hinzu. Ob'ich Vorräthe
bei mir hätte? frug er darauf, denn
sie hätten nichts als harten Ziegenkäse
und Maismehlbrod, das mir wahr
scheinlich nicht munden würde. „Wir
sind arme, sehr arme Leute," fügte er
hinzu.
Ich antwortete, daß ich für zehn
Tage Proviant auf meinen Eseln hatte.
Der Bairaktar ging hinaus, und ich
hörte ihn die Esel abladen und dann
Anordnungen ertheilet?.
Eine Stunde später erschien die
Frau und trug einen niedrigen Tisch
in das Zimmer, legte ein grobes Lein
tuch daraus, setzte einige Zinnteller hin
und brachte dann Schüsseln mit gekoch
tem Lammfleisch. Reiz, Zwetschen und
Kouservensupp«. zubereitet aus meinen
Vorräthen. Sie that dies alles
schweigend ohne aufzublicken, aber mit
einer wahrhaft holdseligen Miene und
Bewegungen, wie eine Königin. Ich
hatte in meinem Leben nie eine so schö
ne Gestalt und solch eine edle natür
liche Grazie gesehen. Der Bairattar
erschien und blieb in der Thür stehen.
„Bedienen Sie sich, mein Herr, und
lassen Sie es sich schmecken," forderte er
mich auf, indeß die Frau mir die
Suppe auf den Teller that und hinter
d:n Sessel sich stellte.
„Sie speisen doch mit mir," lud
ich meine Wirthsleute ein. „Ich
rühre sonst nichts an."
„Wenn es Ihr Wunsch ist. darf ich,
ihn nicht abschlagen," erwiderte der
Bairaktar. Es ist jedoch bei uns
nicht Sitte, daß die Frauen mit den
Männern gemeinsam essen."
„Und darf hiervon nie eine Aus
nahme gemacht werden?"
„Wenn meine Frau will," gab
der Bairattar mit einem fragenden
Blick auf das schöne Weib zurück. Die
Frau schüttelte ernst das Haupt und
blieb hinter Stuhle stehen.
„Sie ist sehr konservativ und hält
streng an unseren Gebräuchen." sagte
der Bairaktar. „Sie ist eine Alba
nesin vom Scheitel bis zur Sohle.
Sonst gut, sanft, Nachgiebig und
lenksam, ist sie in in dieser Hinsicht
starr und unerschütterlich, wie ein
Fels.".
So fügte ich mich denn in die Lan
dessitte. Schweigend und schnell, laut
los bedient von der schönen Frau, ging
das Mahl vorüber. Tann räumte sie
ab und bereitet« im Zimmer mein La
ger. Das war recht primitiv. Ein
Sack voll Maisstroh, der an den Bo
den gelegt wurde und ein paar Schaf
selle darüber.
Der Bairaktar brachte aus meinem
Gepäck noch einige Wolldecken. Er
sagte, daß er es für sicherer für mich
hielte, wenn ich nicht ausginge, er
wollte mir, falls ich es erlaubt«, Ge
sellschaft leisten. Mir wäre es natür
lich lieber gewesen, nicht in gewisserma
ßen halber Gefangenschaft in d«n er
sehnten Bergen mich zu befinden.
Was konnte ich jedoch machen? Das,
Was ich erlebt, schien die Vorsicht mei
nes Wirthes zu rechtfertigen. Ich
nahm daher den Borschlag meines
Wirthes dankend an und bot ihm von
meinen Cigarren an. Der Bairattar
bracht« j«doch «ine herrlich« Wasser
pfeife mit zwei Schläuchen, gab mir
das eine Bernsteinstück und nahm für
sich das andere. Die schöne Frau
trug ein Kohlenbecken, in welchem ein
alterthümlichcs bauchiges Kupfergefäß
stand und ein sesselartiges tleinesTisch
chen mit Schälch«n gestoßenen gesüßten
Kaffeepulvers herein, setzte es mit nie
dergeschlagenen Augen vor uns hin und
ging hinaus. Mein Wirth goß mit
einer Blechkelle lochendes Wasser in
die Tassen, lud mich zum Trin
ken.
„Vor einer Woche noch." sprach er,
Kopf. Ihr Mann sprang hinzu und
vertheidigte sein Weib. Der Türke
stach den Mann nieder. Das bei uns
Arm nach der Ebene und Scutari hin
unter „eifrigst rüsten. Leute ha
ben wir genug, ein Albaneser gilt hier
Waaren können uns nicht die geitü
gende Munition verschaffen. Die
Angelegenheit steht daher für uns
schlecht und deshalb finden Sie diese
lich.
glauben in gutem Recht gehandelt zu
haben. Ach Herr," fuhr der Bairak
tar fort. „Die Zeiten unserer Frei
heit sind vorbei das glaube ich.
stantinopel gelebt und Kenntniß von
Vielem, was unten vorgeht. Wir
leben noch heute, wie vor fünfhundert
Jahren. Das geht nicht, nachdem die
unten so weit vorgeschritten. Die
haben Eisenbahnen, Dampfschiffe, Fa-
Nichts Geld machen. Geld ist heute
die größte Macht. Wir haben nichts,
nicht einmal einen Eisenpflug, um un
serem harten Land ein paar Feldfrüchte
abzugewinnen. Wir schmachten in
Armuth, nur eisersüchtig bedacht, un
sere Freiheit und unsere alten Gesetze
zu bewahren. Wir sind stehen geblie
ben um uns wogt und brandet eine
neue und mächtige Zeit, deren Haupt
kraft das Geld ist und diese Woge
wird uns und unsere Freiheit verschlin
gen."
„Das sind traurige Aussichten.
Können Sie denn gar nichts thun, um
die Leute in die Bahnen der neuzeitli
chen Verhältnisse zu lenken?" warf
ich ein.
„Die einzige Möglichkeit uns zu ret
ten, wäre die Allianz mit den Türken.
Dann würden Wege zu uns gebahnt
werden. Wir erhielten Maschinen,
unser karges Land zu bearbeiten, könn
ten Industrie, regelrechten Ackerbau bei
uns einrichten, hätten leichten Absatz
sür unsere Produtte aber unsere
Leute sehen das für schmähliche Knecht
schaft, für Unterjochung, für Verlust
ihrer Freiheit an. Ich habe leise
und vorsichtig Versuche nach dieser
Richtung hin angestellt es hat mir
aber fast mein Leben gekostet. Man
hält mich seit dem für einen halben
Verräth«! und traut mir nicht recht.
Mein Weib selbst ist auf der Seite
der Albanesen," beichtete mir der
Bairaktar leisen Tones, finster.
Die Sonne war untergegangen, es
ward dunkel der Mond stieg über
den schroffen, scharsgeschnittenen Fels
zacken auf und leuchtete durch die gar
dinenlosen Fenster in mein ödes Ge
mach. Mein Wirth erhob sich.
lich wieder herunter zu bringen.
gen Sie gut ruhen!" Mir beide
Hände auf die Schulter legend, verab
schiedete sich der Bairaktar nach diesen
Worten von mir- und ließ mich
Erschöpft schlief ich ein. Ich
war schon völlig Tag.
„Herr," sprach er mich an. „Ge
stern Abend sind zweitausend Mann
Infanterie und Reiter von Scutari ge
gen uns abgegangen. Hafis Pascha
führt sie, ein alter erfahrener Krieger.
schlössen werden wollen, müssen Sie
schleunigst in die Ebene. Stehen Sie
auf, Herr!"
Ich sprang schnell auf meine Füß:.
Mein Mckulthier und die Esc! stan
den schon gesattelt vor dem Hause.
Nachdem wir ein frugales Früh
stück eingenommen hatten, ritten
wir bergab. Der Bairattar
war schweigsam und schaute starr
vor sich nieder. Ich wollte ihn nicht
stören so ging es stundenlang
zeichen von einer Jndus.rie ..er
Begleiter. „Wenn das ein Aufrecht
halten der Freiheit ist, so ist das Narr
heit." Das waren die einzigen inhalt
schweren Worte, welche während der
nem ganz anderen" Wege, war,
vermittelst dessen ich nach Scialla ge
langte, die Ebene erreicht. Hier bielt
mein Begleiter. „Sie brauchen mei
ne Führung und meinen Schutz nickt
weiter," nahm er jetzt dasWort. „Möge
es Ihnen gut gehen." „Und Ihnen und
Ihrer Frau desgleichen das wün
sche ich aus aufrichtigem Herzen.
Mögen Ihre Befürchtungen sich nich! ,
erfüllen."
„Sie werden auf's Haar eintreffen,"
erwiderte der Bairaktar finster.
„Wenn nicht " er brach schnell
ab, reichte mir dir Hand und trieb sein
kleines zottiges Bergseld in den Felsen
paß zurück.'
hause die Bestätigung dessen, was der
Bairaktar mir mitgetheilt. Es waren
starke Truppenzüge mit viel Reiterei
und Geschützen unter Führung des
nach den albanesifchen Bcrgen abge
gangen, um die wilden, stets aufsässi
gen Stämme endgültig der Pforte zu
zu verbringen, unternahm ich eine
wissenschaftliche Reise nach Griechen
land und kam erst zwei Monate später
Auf meine Erkundigung nach dem
Stand der Dinge in den albanesifchen
Bergen erfuhr ich, daß der Feldzug
Hafis Pascha's sehr glücklich verlaufen
sei. Der tapfere General habe vier
Hauptstädte der Albanesen, Scialla,
Hotti, Kastrati und Schkreli zerstört,
viele Wasfen erbeutet und die zwanzig
Missethäter, welche die Hauptwache
angefallen, nebst dem Bairaktar von
Scialla gefangen genommen man
erwarte seinen Einzug in Scutari täg
lich.
Mich berührte diese Nachricht sehr
traurig.. Ob man die Frau auch ge
fangen genommen und ob und wie ich
sie wiedersehen würde fragte ich mich
schweren Herzens.
Es vergingen acht Tage. Da zog
der siegreiche Hafis Pascha mit der
Beute und den Gefangenen, unter ihnen
der Bairaktar von Scialla in Scutari
ein.
Dürftig war die Beute, einen trau
rigen Eindruck machten die Gefange
nen. Trotz seines gesenkten Blickes
sah der stattliche Bairaktar neben dem
kleinen Hafis Pascha wie der Sieger
aus
Die zurückkehrenden Truppen bezo
gen ein Lager am östlichen Ende Scu
tari's. Die Gefangenen wurden in
ebenerdigen Räumen einer alten Ka
serne dicht bei dem Lagerplatz unterge-
lch hätte gern den Bairak
tar gesprochen. Es wurde mir je
doch bedeutet, daß dies heute nicht an
ginge, da der Mann zu seiner eige
nen Sicherheit in Gewahrsam gehalten
werde.
„Zu seiner eigenen Sicherheit?"
frug ich einigermaßen verwundert
den Officier, welcher mir Auskunft
gab.
„Ja!" erhielt ich zur Antwort.
„Der Bairaktur kämpfte zwei Monate
lang tapfer an der Spitze seiner Scial
la's, als sie endlich eingeschlossen wa
ren und die Hälfte seiner Leute von
Hunger und Entbehrungen starben.pak
tirte er gegen den Willen seiner Stam
mesgenossen mit Hafis Pascha, wies
ihm den Versteck der Waffen übri
gens nur altes unbrauchbares Zeug
gestand mir vertraulich der Officier
die guten haben sie behalten und
zog mit uns. Man hat ihm die Stil
lung eines Hauptmanns der Garnison
noch nicht entschieden."
Und sein Weib frug ich mich wie
der. Was mag die arme schöne
Frau machen. Vielleicht ist sie auch
Hungers gestorben. Ich empfand
eine Trauer und einen Schmerz, als
« « «
Ein glühend heißer Augusttag neigte
sich seinem Ende. Eine dämmerig
milde Nacht war angebrochen. Der
Mond schien nicht, dagegen leuchteten
aus leicht umflortem Himmel mit süd
licher Krast die Sterne alles in ein un
gewisses flimmerndes Licht setzend. Ich
fand keine Ruhe im Hause und strich
staubter Ulmen wandelnd. Plötzlich
sah ich hinter den Bäumen sich verber
gend «ine Gestalt an mir vorbeihuschen.
Es war ein Weib sie erinnerte
mich trotz des flüchtigen Gäriges an
eine Erscheinung, die ich schon gesehen
hatte, in einer gewissen Entfernung
hinter ihr schlichen noch zwei Männer,
—es waren Albanesen. Was woll
ten diese tollkühnen Menschen hier
wo sie jeden Augenblick entdeckt und
ten.
Di: Frauengestalt schlich sich zu der
Kaserne, jetzt stand sie im tiefen
Schatten dieses langgestreckten Gebräu-
Ich drückte mich in den Schatten des
Hauses und kam näher. Jetzt er
kannte ich die Stimme ' des Wei
tar.
„Ich habe Zangen, Oel und Feile.
Dich zu befreien. Ich schlich auch
nach. Der Truzzi und Mankelo sind
auch zu Deiner Hilfe da. Komm mit
uns."
„Es ist ein Unsinn, Jeli. Wir sind
Wicken.
.Das ist Verrath an unserer Frei-
heit Du bist ein Abtrünniger"
hörte ich dumpf die Stimme der Frau
erwidei». Resko Ich flehe Dich
an. Unsere Leute vergeben Dir,
was Du gethan. Laß die scheußli
chen Türken. Es sind Hunde, sie be
trügen Dich komm mit hier ist
das Oel und die Feile. Truzzi und
Mankelo stehen Dir bei Komm Ge
liebter!"
lch habe des Elendes,des völlig aus
zu Eurem Besten.
'„Du willst nicht kommen" hörte
ich mit einem lebenden schluchzenden
Laut.
„Nein, Jela Geliebte bleibe
Du. Geh zu Hafis -- Du bist dort in
Leben.
„Du kommst nicht?" ertönte es noch
mals seltsam heiser.
„Nein Jela."
Plötzlich sah ich die Frau den weißen
Arm erheben und etwas wie ein Messer
blitzen. Ich stürze auf die Frau zu.
Ich vernehme vom Fenster hinter
dem Gitter einen rauhkreischenden Auf
schrei, einen ächzenden Laut der Frau
und ihr Körper fällt schwer in meine
Arme.die ich instinktiv ausgestreckt hatte
um ihr den blitzenden Gegenstand zu
entreißen. Etwas Warmes rieselte an
meiner Hand herunter die Gestalt
zuckt in meinen Armen und wird im
mer schwerer. In demselben Augenblick i
fällt hinter mir, wo ich die Albanesen
gesehen «in Schuß. Ich fühlte ein
Brennen am Arm höre einen zwei
ten röchelnden Aufschrei am Fenster
und die Gestalt des Bairaktar ver
schwindet. Das alles ereignete sich in
Aus den Blitz und Knall des Schus
ses eilen Soldaten aus dem Lager her
bei, man kommt mit Fackeln. Sie
machen bei mir Halt und beleuchten,
wie ich von Entsetzen gelähmt dastehe,
zu meinen Füßen aus meinen Ar
men gesunken regungslos die Frau des
Bairaktar auf ihrem Gesichte liegend.
Man hob sie auf und ich sah den Griff
einer der fast handbreiten albanesifchen
Dolchmesser aus ihrer Brust ragen
langsam quoll in dem Fackelschein
schwärzlich aussehendes Blut an ih
r:n weißen Kleidern hinab zu Bo
den. Die Augen der Frau waren ge
schlossen, ihr Gesicht marmorstarr und
ihr Mund offen die Frau war
todt.
Stimmengewirr und Geräusch er
tönte aus der Kaserne. Wie in ei
nem schweren Traum höre ich reden
und rufen und vernehme die Worte,
daß der Bairaktar mitten durchs
Herz geschossen, todt am Fenster
liege.
Man durchsuckfte eilfertig den Platz
bei den Ulmen, woher der Schuß gekom
men, von den Männern war nicht eine
Spur zu entdecken.
Nach einem langen Berhör, das ich
auf d«m Confulate unter dem Beisitz
von türkischen Richtern und Militär
personen zu bestehen hatte, reiste ich
schnell von Scutari ab, direkt in meine
Heimath/um jetzt nach 12 Jahren,
nachdem die Albanesen wenigstens ei
nigermaßen sich als Vasallen der Pforte
fügen meine Untersuchungen fortzu
setzen.
Verlorene Liebe.
In Träfen war'sch, wo ich zeerscht se
Dochsß »^deM
Wort;
fort
In Träfen war'sch.
In Meißen war'sch, wo ich se wieder
sah:
Ach, wie se leise slisterte: „Ei ja!"
Als ich ihr meine Liebe dhad gesteh'n.
Indem ich niedersank auf's linke
Been
In Meißen war'sch.
In Bärne war'sch ich weeß nich,
wie's geschah
Babba,
Adee!
In Bärne war'sch.
Tickpjennig.
Vielleicht haben es die Uebereifrigen
unter unseren Sprachreinigern schon
wurzelechtdeutschen Bezeichnung wei
chen will. Denn in dem Worte „Denk
münze" steckt ja leider der fremde Be
standtheil „moneta". Da hat uns
denn ein glücklicher Zufall einen tröst
lichen Ausweg finden lassen. Profes
sor Ludwig Geiger veröffentlicht näm-
A. BoettHer, dem Weimarifchen Ober
konsistorialrathe und Freunde Goetbe's,
an David Friedländer. Hier findet
sich nun der deutsche Wortersatz für
Medaille. Man höre: „Sie haben
mich," so schreibt er von Dr-sden, 23.
August 1816, „durch die Uebersendunz
des gewichtigen bronzenen Dickpfennigs
auf Held Blücher gar sehr zu Ihrem
Schuldner gemacht." „Dickpfennig"
statt Medaille oder Denkmünze ist
prachtvoll!
Gut informirt. Mutter:
„Sie sind also das einzige Kind Ihrer
Eltern? Da haben Sie es freilich
gut; meine vier Töchter müssen sich
„Weiß e«, Frau Bierhuber! Toch
22.Ü0) Dollars!"