Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, May 25, 1894, Page 3, Image 3

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(5. Fortsetzung.)
hen. Alles schien ganz ruhig dort zu
sein, und die Posten gingen langsam
hin und her. Als wir näher kamen,
sahen wir zwei oder drei von den
Dienstboten des Präsidenten mit ihren
gewöhnlichen Arbeiten beschäftigt. Ein
Frauenzimmer wusch Johnny Carrs
Blut mit Scheuerlappen und Wasser
«innern auf, unfein Schreiner
ich.
Unsere Pferde den uns begleitenden
Leuten übergebend, traten wir in's
Haus. Schon im Flur begegneten wir
dem Doktor. Es war ein schlaues, klei
nes Männchen, Namens Anderson, und
wenn auch ein persönlicher Freund des
Präsidenten, doch kein ausgesprochener
Anhänger einer der beiden politischen
Parteien.
dete er McGregor an, Mr.
Carrs."
„Nun, ist er todt?" fragte der Oberst.
„Wenn das der Fall ist, hat er es nur
sich selbst zu verdanken."
Der Arzt nahm klugerweise davon
Abstand, sich aus die Erörterung dieser
Frage einzulassen, und begnügte sich
mit der Mittheilung, daß Johnny nicht
todt sei, sondern daß es ihm im Ge
gentheil verhältnißmäßig gut gehe.
„Aber," fuhr er fort, „Ruhe ist un
bedingt nothwendig, und ich will ihn
mit nach meinem Haufe nehmen aus
der Unruhe hier heraus. Jetzt ist es ja
allerdings ziemlich still hier, aber —"
„Will er sein Ehrenwort geben, nicht
zu entfliehen?" fiel der Oberst ein.
„Lieber Herr Oberst," entgegnete de
Arzt, „der Mann kann sich nicht rüh
ren, und wenn's sein Leben gälte
und jetzt schläft er."
„Sie müssen ihn doch aufwecken,
wenn Sie ihn fortschaffen wollen," er
widerte der Oberst. „Aber Sie mögen
ihn meinetwegen mitnehmen. Lassen
Sie mich wissen, wenn er wohl genug
ist, daß ich ihn sehen kann. Inzwi
schen mache ich Sie für sein Verhallen
verantwortlich."
„Selbstverständlich," antwortete der
Doktor. „Ich bin vollkommen bereit,
jede Verantwortung für Mr. Carr zu
übernehmen."
„Schön, machen Sie, daß Sie mit
ihm fortkommen. Nun wollen wir
uns 'mal nach Whittingham um
sehen."
„Wäre es nicht besser, zunächst das
Geld in Sicherheit zu bringen?" fragte
ich.
„Zum Teufel mit dem Geld!" erwi
derte er. „Aber ich will Ihnen was sa
gen ich muß etwas essen, ich habe
seit zwölf Stunden nichts über die
Zunge gebracht."
„Das Frühstück kann im Augenblick
aufgetragen werden," sagte einer der
Bedienten, der ihn gehört hatte. Er
führte uns in den großen Speisesaal,
wo wir bald hinter einem vorzüglichen
Mahl saßen.
Als wir beinahe fertig waren, brach
ich das Schweigen: „Was wollen Sie
mit ihm anfangen?" fragte ich.
„Am liebsten ließe ich ihn erschie
ßen."
„Aus welche Anklage?"
„Verrath," antwortete er.
Ich lächelte.
„Das geht doch kaum, wie?"
„Na, dann Unterschlagung von
Staatsgeldern."
Wir sprachen noch etwas über das
Geschick des Präsidenten, und ich ver
suchte den Oberst zu mildern Maßre
geln zu überreden. In der That war ich
fest entschlossen, einen solchen Mord zu
verhindern, wenn ich es thun konnte,
ohne mich selbst der Vernichtung aus
zusetzen.
„Nun, wir wollen die Sache überle
gen, nachdem wir ihn gesprochen ha
ben," sagte der Oberst, sich erhebend
und eine Cigarette anzündend. „Bei
Gott! Wir haben eine Stunde mit un
serem Frühstück verschwendet, es ist
Ich folgte ihm durch den Gang, und
wir traten in das kleine Zimmer, wo
wir den Präsidenten gelassen hatten.
Die Wachen waren noch dort, sie hat
ten es sich in zwei Lehnstiihlen be
quem gemacht, und wenn sie auch nicht
schliefen, sahen sie doch etwas müde
aus.
„Alles in Ordnung?" fragte der
Oberst.
„Zu Befehl, Excellenz," antwortete
em«r.von ihnen. „Er liegt dort im
Der Oberst trat in das Innere des
Zimmers, öffnete die Läden und ließ
die Morgensonn« ein. Dann traten wir
der Oberst.
Nachtmütze," entgegnete ich, denn des
Präsidenten Kopf war in weißes Lei
nen gehüllt.
Rasch trat der Oberst an's Bett.
„Betrogen bei allen Teufeln der
Hölle!" rief er. „Es ist Johnny Carr!"
Der Oberst schüttelte Johnny rauh
„Na?" sagte er schläfrig. „Vergessen
zerbrechlich bin."
„WaS ist das für eine verfluchte Ge
schichte? Wo ist Whittingham?"
„Ad, McGregor," fuhr Johnny mit
«!nem freundlichen Lächeln fort, „und
Martin. Wie geht's alter Kerl? Jr
s'nd fo'n Biest hat mich an den Kopf
getroffen."
„Wo ist Whittingham?" wiederholte
S:r Oberst, Johnny wild am Arm- zer
rend.
„Sachte!" sprach ich, „er ist doch
krank."
Der Oberst ließ den Arm mit einem
halblauten' Fluch fahren.
„Quitt, was Oberst?" fragte John
ny mit dem liebenswürdigsten Lä
cheln.
Der Oberst wandte sich den Wachen
zu.
„Habt ihr was mit dieser Geschichte
zu schaffen?" fragte er streng.
Die Leute versicherten auf's lebhaf
teste, sic seien ebenso überrascht, wie
er, und das waren sie offenbar auch,
oder sie waren vollendete Schauspieler.
Sie stellten entschieden in Abrede, derß
iraend Jemand das äußere Zimmer
betreten habe oder daß sie verdächtiges
Geräusch im Schlafzimmer gehört hat
ten. Sie verschworen sich hoch und
theuer, sie feien beständig wachsam
gewesen und hätten jeden Eindringling
sehen müssen. Beide Leute gehören zu:
persönlichen Dienerschaft des Obersten
und er vertraute ihrer Ehrlichkeit voll
kommen, aber auch ihrer Wachsam
keit?
„Die beiden Burschen," sagte Carr,
als er das strenge Verhör vornahm,
„haben sich nichts zu schulden kommen
lassen, Oberst. Ich bin nicht dort her
eingekommen. Wenn Sie hinter das
Bett sehen, werden Sie dort eine zweit:
Thüre bemerken. Dort haben sie mich
hereingebracht. Ich ixar ein bischen
verdreht und wußte nicht, was los
war."
Wir blickten hin und fanden die
Thür, und als wir das Bett bei Seite
geschoben und sie geöffnet hatten, be
fanden wir uns auf der Hintertreppe
des Hauses. Offenbar hatte der Präsi
dent die Thür geräuschlos geöffnet und
so das Zimmer verlassen. Aber wie
war Carr hineingelangt, ohne daß es
Geräusch gegeben hatte?
„Alle fünf Minuten habe ich hinein
gesehen," sagte jetzt einer der beiden P
osten, der näher getreten war. „Er lag
immer im Bett, während der ersten
Stunde angekleidet. Beim nächsten
Nachsehen war er ausgezogen, und es
siel mir auf, daß er das sehr rasch und
merkwürdig still fertig gebracht hatte,
aber ich habe nicht weiter darüber nach
der Doktor gekommen war."
„Der Doktor!" riefen wir beide.
„Jawohl, Herr Oberst, Doktor An
„Er ist auch gar nicht in das Zim
mer des Präsidenten General Whit
tinghams aber er et
etwas zu holen."
Jetzt sahen wir, wie die Geschichte
gemacht worden war. Der»niederträch-
Spiele.
Nachdem er festgestellt hatte, daß sie et
er dies dem Präsidenten. Dann war er
gegangen, um Johnny Carr fertig zu
machen. Nunmehr hatte er des Präsi
„Jch Hab's," rief der Oberst. „Der
abgeschwindelt. Na, warte Doktorchen,
wenn wir dich kriegen!"
Wir eilten aus dem Hause und fan
den, daß unsere Muthmaßungen zu
treffend waren. Ein Mann, der als
rer Pferde nach d«r Stadt zurück. Jetzt
wurde unsere Aufmerksamkeit durch
eine kleine Menschengruppe erregt, die
am Sturmsignalpfosten stand. Als wir
näher kamen, liefen sie eilig auseinan
der, und wir sahen, daß ein Blatt
Briefpapier an dem Pfosten befestigt
war, worauf in wohlbekannter Hand
schrift stand:
„Ich, Marcus W. Whittingham,
Präsident der Republik Aureataland,
biete hiermit eine Belohnung von
Fünftausend Dollars und völlig:
nigen, welche George McGregor (frü
her Oberst in der Armes von Aureata
land) und JackMartin todt oder leben
dig einliefern oder zu deren Ergreifung
behilflich sind. Ferner erkläre ich, daß
die genannten George McGregor und
Jack Martin Berräther und Rebellen
gegen die Republik sind, und daß ihr
Leben verfallen ist. Jeder getreue Bür
ger hat diesen Spruch bei Gefahr sei
nes eigenen Lebens zu vollziehen.
Marcus W. Whittingham,
Präsidext."
Das war ja äußerst nett!
11. C a p i t e l.
Da die Kunst des Lesens, wie man
sagt, in alle Classen der Gesellschaft
eingedrungen ist, so gebe ich mich der
Hoffnung hin, daß einige, die diese
Chronik ihrer Aufmerksamkeit für
werth halten, aus persönlicher Erfah
rung im stände sein werden, die Em
pfindungen eines Menschen zu verste
hen, der die angenehme Entdeckung
macht, daß auf seine Ergreifung eine
Belohnung ausgesetzt worden ist. Aller
dings hat unsere Polizei nicht die
Gewohnheit, die nackte Brutalität des
Präsidenten nachzuahmen und aus
drücklich hinzuzufügen, „todt oder le
bendig," aber man hat mir gesagt,
daß das Gesetz den Dienern der Ge
rechtigkeit diese Wahl imNothsalle auch
überläßt. Ich schäme mich nicht ein
zugestehen, daß durch diesen Parther
pfeil Seiner Excellenz meinen Lebens
geistern ein starker Dämpfer aufgesetzt
worden war, und ich konnte deutlich
wahrnehmen, daß die Geschichte auch
den Oberst sehr beunruhigte. Als
Fleance entwischt war, hielt Macbeth
seine ganze Stellung für unsicher, und
niemand, der General Whittingham
kannte, wird daran zweifeln, daß er
ein weit gefährlicherer Widersacher als
Fleance war. Sobald wir sahen, daß
die weißen Segel der „Sängerin"
unsern Feind aus Unserem Machtbe
reich entführten, fühlten wir beide,
daß die Revolution noch nicht als
glücklich vollbracht angesehen werden
konnte. Allein die Ungewißheit, .wie
lange unsere Macht dauern werde,
lähmte keineswegs unsere Thatkraft;
im Gegentheil, wir beschlossen Pfeifen'
zu schneiden, so lange wir im Rohre
faßen, und wenn es Aureataland be
stimmt war, der Tyrannei wieder zu
unterliegen, so war ich mir für meine
Person ganz klar darüber, daß ich
seine zeitweilige Befreiung mir zu
Nutze machen könne und müsse.
Als wir wieder im Goldenen Haus
angelangt waren, verloren wir demnach
keine Zeit, gründliche Ermittelungen
über den Zustand der Finanzen anzu
stellen. Wir durchsuchten dasHaus vom
Dach bis zum Keller und fanden
nichts! War es möglich, daß der Prä
sident alleSchätze, die uns zu so patrio
tischen Anstrengungen angespornt hat
ten, mit fortgeschleppt haben konnte?
Der Gedanke war zu fürchterlich! Die
Schiebladen seines Schreibtisches und
der in seinerßibliothek stehendeSchrank
enthüllten unseren eifrig forschenden
Blicken nichts. Eine nach dem Finanz
ministerium gesandte Abtheilung (die
nebenbei gesagt weder Doq Antonio
noch Donna Antonia dort vorfand)
kehrte mit der entmuthigenden Mit
ben sei, als Bücher und Wechsel
Spaß war, der für mich bei der Ge
schichte herauskam. Der Oberst stand
verdrießlich mit dem Rücken an dem
Kamin und sah mich an, als ob ich
für diesen Zustand der Dinge verant
wortlich sei.
In diesem Augenblick öffnete sich die
uns ihrer persönlichen Beziehungen zu
dem gestürzten Herrscher erinnern, nicht
unnatürlich war. Als wir ihr aber von
glaubt wohl, es wäre aus dem großen
Eßtisch für euch aufgezählt. Kommt
mit."
stören, Mr. Carr," fuhr sie fort. „Sie
„Muß ich aufstehen?" fragteJohnny.
Wie zu erwarten war, stand ein
Waschtisch im Zimmer.
Das Möbel war so, wie man sie
häufig sieht. Ueber der Marmorplatte
Tapete zu schützen. Ich habe niemals
ein unschuldiger aussehendes Stück
Möbel erblickt, es hätte im Ankleide-
Signorina trat herzu und schob es
leicht beiseite, es lief auf Schienen!
Dann drückte sie auf eine gewisseStelle
der Wand, eine klein« Klappe sprang
auf und ein Schlüsselloch ward sicht
bar.
„Den Schlüssel hat er natürlich mit
genommen," sagte sie. „Wir müssen
das Schloß aufbrechen. Wer hat einen
Hammer?"
Werkzeuge wurden herbeigeschafft,
und nach den Anweisungen der Signo
rina arbeitend, gelang es uns nach vie
ler Mühe, ein nettes kleines, in die
Wand eingemauertes Schränkchen frei
zulegen. Auf der Außenseite stand in
leserlichen Buchstaben: „Räthsel für
halb kostete uns das Rathen des Räth
lars.
merkte ich.
„Dieser alte, schäbige Fuchs," sagte
der Oberst.
Kein Wunder, daß die Hasenwerke
sich in der ersten Zeit nicht bezahlt
machten. Der Präsident mußte sie sehr
bald zum Stillstand gebracht haben.
„Was führt ihr Leute denn im
Schilde?" rief Carr.
lieber Junge," erwiderte ich, und wir
zogen uns mit unserer Beute zurück.
„Was wollen Sie nun machen?"
„Was denken Sie denn?" fiel die
Signorina ein. „Er wird Ihnen Ihr
Geld auszahlen und den Rest mit sei
ner aufrichtigen Freundin, Christina
Nugent, theilen."
„So wird's wohl sein," sagte der
Oberst, „aber es scheint mir, daß Sie
machen, Martin."
„Lieber Oberst," antwortete ich, „ab
gemacht ist abgemacht, und was hätten
Sie wohl ohne mein Geld anfangen
wollen?"
Der Oberst theilte den Rest in zwei
gefftti?"
„Sehr richtig. Die Regierung des
Obersten muß fortgeführt werden,"
stimmte ich zu.
„Greulicher alter Bär!" flüsterte sie,
tung des Waschtisches?" bemerkte ich.
„Whittingham ist dumm genug ge
wesen, sie ihr zu zeigen, ich mir,"
Hierauf machten wir uns an die
Geschäfte. Diese anspruchslose Erzäh
lung will keine vollständige Gesuchte
übernehmen.
„Wir können die Zinsen der wirkli
chen Schuld nicht bezahlen," sagte er.
Sie auseinandersetzen, daß infolge der
Unterschlagungen des General Whit
tingham die Zahlung eine Zeitlang
geordnet werden
Ossieicren umsehen. Ich muß sie bei
guter Laune erhalten und die Leute
auch. Ich werde noch Zehntausend
springen lassen."
„Großmüthiger Held!" erwiderte ich,
„und ich werde hingehen und dies Geld
der Bank erstatten."
Es war zwölf Uhr, als ich das Gol
dene Haus verließ und gemächlich Li
berty Str. hinunter schlenderte. Der
größere Theil der Truppen war zurück
gezogen, aber einige Compagnien hiel
ten die Piazza noch besetzt. Inmitten
der herrschenden Aufregung ging die
Bevölkerung auch ihren alltäglichen
Beschäftigungen nach, und aus dem
Aufsehen, das meine Erscheinung er
regte, entnahm ich, daß etwas von dem
Antheil, deg ich an den Vorgängen der
letzten Nacht genommen hatte, bekannt
geworden war. Die „Gazette" hatte
eine Sonderausgabe veröffentlicht, wo
rin sie das Morgenroth der Freiheit
begrüßte, und wahrend sie McGregor
bis in den Himmel erhob, gedachte sie
auch mit warmyrAnerkennung „des ed
len Engländers, der mit seiner angebo
renen Liebe für die Freiheit die Sache
von Aureataland in seiner Stunde der
Wehen zu der seinigen gemacht hatte."
Der Vergleich schien mir zwar nicht
passend, aber die Empfindung, die da
rin zum Ausdruck kam, war sehr lo
benswerth, und als ich schließlich zwei
Polizeibeamte auf dem Kopf eines Be
trunkenen sitzen sah, der das gefallene
Regime hatte hoch leben lassen, konnte
ich, a»s ich das Bankgebäude betrat, zu
mir selbst sagen: „In Warschau
herrscht Ruhe."
In stillschweigender Uebereinkunst
ruhten an diesem glückverheißenden
Tag alle Geschäfte, und ich traf Jones
in der Bank müßig, aber in großer
Unruhe. Ich erklärte ihm die Sachlage,
zeigte ihm, wie der schändliche Plan
des Präsidenten mich gezwungen ha
be, eine mehr oder weniger thätige
Rolle bei der Revolution zu spielen.
Rührend war es zu hören, wie er die
Schlechtigkeit des Mannes bejammer
te, dem er getraut hatte, und als ich
das Geld zum Vorschein brachte, seg
nete er mich inbrünstig und schlug vor,
sofort einen eingehenden Bericht an
die Direktoren Ger die ganze Angele
genheit abgehen zu lassen.
„Sie sind verpflichtet, Ihnen eine
Ehrengabe zuzuerkennen," sagte er.
„Das weiß ich nicht, Jones," er
widerte ich. „ich fürchte, es herrscht ein
gewisses Borurtheil gegen mich im
Hauptquartier. Jedenfalls bin ich ent
schlossen, auf alle persönlichen Bor
theile, die mir aus meinem Verhalten
erwachsen könnten, zu verzichten. Mc-
Gregor hat mir vorgestellt, daß
der Credit vonAureataland, sei es auch
noch so grundlos, schwer geschädigt
werden würde, wenn die Welt General
Whittinghams Pläne erführe, und er
hat mich beschworen, die Einzelheiten
geheim zu halten. In solchen Dingen,
lieber Jones, dürfen wir uns nicht
bloß durch Rücksichten auf unseren ei
genen Bortheil leiten lassen."
„Da sei Gott vor!" rief Jones tief
gerührt.
„Ich habe deshalb eingewilligt, mich
mit einer vertraulichen Mittheilung an
die Direktoren zu begnügen? sie müssen
selbst beurtheilen, inwieweit sie dann
den Aktionären gegenüber Gebrauch
machen dürfen. Der Welt im Großen
werde ich von dem zweiten Anleihen
pflichten, daß Sie dies Geld als-das
Ergebniß im gewöhnlichen Geschäfts
verlauf eingetretener Rückzahlungen
behandeln. Die gegenwärtigen Ujiruhen
machen «s vollkommen «rklärlich, daß
wir eine so große Summe eingezogen
haben."
„Ich weiß nicht recht, wie ich das
machen soll."
„Ah, Sie sind überarbeitet, lieber
Jones," antwortete ich. „Ueberlassen
Sie alles nur mir."
Es gelang mir, ihn dazu zu überre
den. Die Rückzahlung dieses Geldes war
ihn thatsächlich eine solche Erleichte
rung, daß unschwer mit ihm fertig zu
werden war, und wenn er ja etwas arg
wöhnte, wurde er durch meine gegen
wärtige hervorragende Stellung ein
geschüchtert. Er schien zu vergessen, daß
der Präsident ohne Zweifel die ver
hängnißvolle Kabeldepesche noch in
Händen hatte.
Nach dem Frühstück fiel mir meine
Verabredung mit der Signorina ein.
Ich setzte meinen Hut auf und wollte
dem Geschäft für heute Lebewohl sa
gen, als Jones mich aufhielt.
„Da ist ein Briefchen für Si? ge
kommen, Mr. Martin," sagte er. „Ein
kleiner Junge hat's gebracht, während
Sie beim Frühstück saßen."
Er reichte es mir, ein kleiner,
schmutziger Umschlag mit einem unor
thographifchen Gekritzel als Aufschrift.
Gedankenlos riß ich es auf, allein als
meine Augen nun die Handschrift des
Präsidenten erblickten, fuhr ich erstaunt
empor. Das Briefen war „Sonn
abend, an Bord der Sängerin" datirt
und lautete:
»Mein lieber Mr. Martin!
Ich muß gestehen, daß ich Ihren
Muth und Ihr« Fähigkeit unterschätzt
habe. Wenn Ihnen etivas daran gele
gen ist, sie von jetzt an mir zur Verfü
gung zu stellen, werde ich sie annehmen,
andernfalls muß ich Sie aus meine öf
fentliche Bekanntmachung verweisen.
Auf jeden Fall wird es gut sein, wenn
Sie erfahren, daß McGregor Signo
rina Nugent zu Heirathen beabsichtigt.
Ich fürchte, es wird bei meiner Rück
kehr kaum mit meinen Pflichten gegen
das Staatswohl vereinbar sei, daß
ich Sie am Leben lasse es sei denn,
Sie nehmen mein gegenwärtiges Aner
zurückdenken und Ihnen eine Thrän:
weihen. Ich habe, wenn' Sie mir gü
tigst gestatten wollen, das auszuspre
chen, selten einen jungen Mann getrof
fitzt. Ich werde diese Nacht fünf Meilen
von Whittingham ankern denn ich
weiß, daß ihr keine Schiffe habt. Wol-
Glauben Sie, lieber Martin, daß ich
es aufrichtig meine, wenn ich mich
nenne
Ihren treuergebenen Marcus W
Whittingham, Präsident der Republik
irgend Jemand gesagt hat, „laudari a
laudato viro", und das Lob des Präsi
denten war mir eine große Befriedi
gung. Allein ich vermochte keinen Weg
zu entdecken, wie ich mich seinen Wü
nschen anpassen sollte. Von dem Geld
sprach er nicht, aber ich wußte sehr
wohl, daß seine Wiederherausgabe die
mir sein würde. Ferner wußte ich eben
so bestimmt, daß er gleichfalls Signo
rina Nugent „zu Heirathen beabsich
tigte", und wenn es nöthig war, daß
ich einen Nebenbuhler an Ort und
Stelle hatte, dann war mir McGregor
aber bedachte ich, daß man doch in al
len Dingen einen gewissen Anstand
wahren muß, und daß es besser wäre,
wenn ich meiner Partei treu bliebe.
theilung von dem Brief. Ich schrieb
ihm nur ein paar Zeilen und sagte
ihm, ich habe zuverlässige Nachrichten,
daß „die Sängerin" nur wenige Mei
len entfernt kreuze, und daß er vorsich
tig sein möge.
ich meinen unterbrochenen Weg zur
Signorina wieder auf. Sie begrüßte
mich sehr freundlich, als ich eintrat.
„Ich habe einen Brief vom Präsiden
ten," begann ich.
„Ich weiß," entgegnete sie. „Er hat
mir mitgetheilt, er habe an Sie ge
schrieben."
„Sie haben also auch von ihm ge
hört?"
„Ja, ein ganz kurzes Briefchen. Er
ist sehr böse auf mich."
„Das finde ich begreiflich. Möchten
Sie meinen Brief sehen?"
„Ach ja!" rief sie lebhaft.
„Nim. werden Sie zu ihm überge
ben mich verlassen?" fragte sie, als
sie den Brief durchgelesen hatte.
„Wie kannst Du das fragen? Willst
Du mir Deinen Brief nicht auch zei
gen, Christina?"
„Nein, Jack," antwortete sie, meinen
leidenschaftlichen Ton nachahmend.
„Ich kann wohl die Ersparnisse des
Präsidenten stehlen, aber sein Ver
trauen ist mir heilig."
„Du siehst, was er über McGregor
ist nichts Neues für mich, wie Du
weißt. Aber, sonderbar, der Oberst ist
eben selbst hier gewesen und hat mir
dasselbe gesagt. Der Oberst hat keine
nette Art, seiye Liebe zu zeigen, Jack
lange nicht so nett, wie Du."
Das ermuthigte mich. Ich setzte mich
neben sie und, ich glaube, ich ergriff
ihre Hand.
„Du liebst ihn nicht?"
„Ick habe Dich sehr gern, Jack,"
daß Du meinetwegen eine Revolution
angestiftet hast. Es war doch meinet
wegen, Jack?"
„Aber, weißt Du, Jack, ich sehe nicht
Oberst. Der Oberst erklärt, er wolle
mich heute in acht Tagen Heirathen!"
„Das wird sich finden," rief ich wü
thend.
„Wieder eine Revolution, Jack,"
fragte die Signorina.
„Du brauchst mich nicht zu verspot
ten," entgegnete ich ärgerlich.
„ArmerJunge! Was soll ein so idyl
anfangen?"
„Ich glaube, Du nimmst die Sache
gar nicht ernst."
„O doch, Jack, wirklich jetzt."
Dann fuhr sie mit einer Art spielen
den Mitleids fort: „Sieh mich an. Du
wilder, eifersüchtiger Jack mit dem ge
küßte sie.
„Willst Du mir treu bleiben, Du
Süße?" flüsterte ich glühend vor Lei
denschaft.
„Laß mich gehen," entgegnete sie,
und als ich aufstand und mich ärgerlich
auf einen Stuhl warf, beugte sie sich
über mich: „So lange es dauert, ist es
ganz hübsch, aber versuch' es, nicht zu
verzweifeln, wenn's nicht von Dauer
ist."
„Wenn Du mich liebst, warum willst
Du mir nicht aus diesem Siindenpfuhl
folgen?"
„Mit Dir durchgehen?" fragte sie
mit unverhohlenemErstaunen.„Glaubst
Du. wir Zwei wären die Leute für ei
ne romantische Entführung? Ich bin
ganz von Erde, und das bist Du auch,
Erde, Jack."
Es lag viel Wahrheit in dieser Be
merkung. Wir waren kein Paar für
das Ideal der Liebe, die sich mit der
kleinsten Hüte begnügt.
»Ja," sgate ich, „Geld' habe ich
nicht."
habe Schulden bezahlt," fügte sie stolz
hinzu.
l (Fortsetzung folgt.)
Ter gcstielttt« FnchS.
Der «slte Oberförster Trimborn legte
fen, «ine neue Jagdgeschichte zum be
„Von der Schlauheit des FuchstS
hat man Ihnen gewiß viel erzählt,
meine Herren aber von dem Grade
der Schlauheit Meiste» Reineckes ma
chen Sie sich trotzdem kaum «in rechtes
Bild. Als ich noch unten in Meuts
hatte. .
Die Hühner waren die ganze Freude
meiner Alten. Denken Sie sich als»
plötzlich ihren Aerger.als einesMorgenS
Fritzchens Stiefel mutterseelenallein!
Wie kamen die Stiefel dahin? Der
Fritz hatte sie nicht dahingetragen, die
abgestattet habe. Aber es fehlte nichts
lieben Gottes Heerrufer bei demselben.
Na also 'raus und potz Rehzie
mer und Wildschweinskopf! wieder
auf den Pelz brennen zu können.
Wie, wenn Meister Reinecke der
„Geist" wäre? Der Gerichte mußte
sagen, leg' ich mich Abends in's Bett.
Als alles um mich herum schläft, steh'
ich auf und geh in den Holzstall, der
neben dem Hühnerstall liegt, lass' die
Thür ein paar Fingerbreit offen und
Warte nun.
Schöner Mondschein war's! Und im
Mondlicht seh' ich plötzlich drüben am
Waldrand den Fuchs. Er wittert
herüber und da er nichts Verdächtiges
merkt, kommt er in sachten Sprüngen
auf den Hof. Und wohin läuft er?
Auf die Hinterthür zu, klinkt sie auf
und husch husch, ist er hinein!
In einer riesigen Neugier wart' ich.
Und was geschieht, meine Herren?
Gleich kommt er wieder heraus, im
Maul die Stiefel, die Jacke und Mütze
meines Fritzchens. Legt alles sein
säuberlich auf die Schwelle und ver
schwindet noch einmal im Hause, um
gleich darauf mit einem Stück Brod im
Maul, das der rothe Schuft aus der
Küche geholt hatte, zurückzukehren!
Nun denken Sie mein Erstaunen,
meine Herren! Setzt sich der Fuchs
auf die Schwelle, zieht meines Fritz
chens Stiefel an, sein Jacket und setzt
seine Mütze auf. Und darauf tritt er
sorgfältig seine eigenen Spuren aus!
Aber was will er mit dem Brod? Als
er alle Spuren ausgetreten hat, kommt
er zurück, holt das Brod, schiebt deir
Riegel vom Hühnerstall zurück, brö
ckelt wahrhaftig Brod hin und lockt da
mit die vom Oeffnen der Thür erwa»
chenden Hühner an. Die ersten, die
herauskommen, halten den Fuchs für
mein Fritzchen und picken darauf los.
Diesen Moment hat der schamlos« Räu
ber nur abgewartet. Schwipp
schwapp, packt er zu und zwei der be
sten Hühner liegen in ihrem Blute zap
pelnd am Boden. Und damit die übri
gen nicht Lärm machen, schlägt der
Fuchs erst wieder den Hühnerstall zu
und schiebt den Riegel vor, ehe er mit
seiner Beute verschwindet. Am Wald
rand zieht er Stiefel und Jack« aus.
schüttelt sich die Miike von d-n Ohren
und verschwindet mit seiner Beute im
Dickicht.
Na am nächsten Abend hab' ich
mir den Monsieur geholt, ehe er die
Stiefel anziehen konnte!
"Aber das Merkwürdigste kommt
noch. Von Stund' an' konnten die
Hübner mein Fritzchen nicht mehr lei
den wenn er sich auf dem Hühner-
Hof blicken ließ, sielen sie über ihn
her.
Und doch hatte die Sache ihr Gu
tes.
„Wieso? Warum?" hallte es in der
Runde.
„Ich hatte aus dem Fuchspelz für
mein Fritzchen eine Pudelmütze machen
lassen. Bon Stund' an war er der
fchlaueste Bengel im ganzen Dorf!"
schloß, sich erhebend, Oberförster Trim»
born seine wahre Geschichte. 3