2 EorporalschaftSpoesi«. .... Ja, ja, det Versemachen is nich sso leichte, und Mancher lernt's nie. Wie weit seid Ihr denn mit'n Hoch» zeitskarmen jediehen?" „Ach, Herr Unterussizier, wi» finden man blos keenen Reim uff erwählt." „Na, lest doch mal vor.watJhr jepegasust habt!" „Geliebte Schwester, heute hast Du die Hochzeit Dir erwählt. Drum komme ich als lieber Gast —" „Und den Unsinn wollt Ihr drucken lassen?! Wat werden da blos de Dorf deibels von unser jeistlichet Niewo den ken, wenn se den Appelquatsch bei de Tafel singen sollen? Reichert,S^Ober in de Kantine und holen Se mir mal eenen Göttertrank, damit ick Bejeiste rung krieje. So, nun wollen wir mal vom Frischen besinnen! „Jeliebte Schwester" is janz jut, det kann blei ben. Habt Ihr denn ooch schon über'n Poltcrabendscherz nachjedacht?" seht Ihr, det Nächstliegendste vergeht Ihr! Da möcht' ick Euch zu det Dings mit'n scheenen Resränk rathen: O Publikum söhne. „Ick kann Ihnen sagen.Rol lin, det macht Effekt, und Ihre janze Verwandtschaft läßt Ihnen dafor hoch leben." „Herr Unteruffizier, der Schnabus ist zur Stelle." „Her da mit! So, der wirkt lyrisch. Also: „Jeliebte Schwester Jeliebte Schwe ster Nu hab ick's. Jeliebte Schwester, holde Braut, „Na, Einjähriger, es is man jut, det jSie kommen. Helfen Sie uns mal 'n bisken bei deDichteritis." „Bon! um was handelt es sich denn?" „Dem Rollin feine Schwester macht Hochzeit dazu will er eenen sangbaren Car- Wie heißt denn die Braut?" „Kla üeben dem Unteroffizier und sann eini ge Minuten nach. „So wird's gehen! Hören Sie zu: Das Nollin'sche Ehepaar Juchheidi! Juchheida! Juchheidi heida? > Daß sie sich entschloß zu frei'n. Und nun junge' Frau zu sein. Juchheidi u.s.w. u.s.w." „Ei, det is fein. Danke, lieber Ein jähriger. Nun werden wir den Rum inel schon alleene besorjen." Nach einigen Stunden wurde die lombinirte Korporalschasts-Poesie pro beweise gesungen, daß die Wände Am Ztc». Es war einmal ein reicher Mann, der am Wohlthun eine so große Freude fand, daß er ihretwegen jede andere Freude, ja sogar jedes eigene Behagen ausgab. Er wohnte in einer Dachstube, nährte und kleidete sich ärmlich, und galt in Folge dessen bei allen seinen Wekannten für einen abscheulichen Gei z Obwohl er das wußte, brachte er es doch nicht über sich, irgend Je manden einen Einblick in seine Vermö gensverwaltung zu gestatten. Sich selbst gab er von derselben genaue Re chenschaft in einem Buche, das er sorg fältig führte, und das er Denjenigen zu hinterlassen gedachte, deren Tadel »hn am meisten verdrossen hatte. Er wurde alt, und am Ende seiner Tage und seines Reichthums ange langt, blieb dds Buch sein Glück, seine Erquickung. Wenn er darin las, stie gen beseligende Erinnerungen vor ihm empor; er sah Verzweifelte wieder hof fen, sah gebrochene Menschen sich auf richten an seiner Hand. Und die tod ten Buchstaben belebten sich, und aus den stummen Blättern klang es wie leises Jauchzen heraus, wie hold ge flüsterter Segen. Die Sterbestunde des Greises kam; zum letzten Male griff er nach seinem Buche und dachte: ich gehe, aber Du Da durchblitzte ihn plötzlich die flrage: und was? daß mir Unrecht geschehen.... den Einen gleichgiltig, den Anderen ein ewiger Stachel? Wem zum Nutzen? Keinem. Nur mir zum Nachruhm.... Beschämt senkte er sein Haupt. An gesichts der großen Stunde, wie klein erschien ihm, womit er sich vertröstet hatte, viele Jahre hindurch! Wie klein, wie eitel! Und nun verbrannte er das Buch, und freute sich, daß seine erlahmenden Hände noch die Kraft dazu fanden; und mit den verglimmenden Blättern zugleich erloschen seine Augen. Mit'm Unterschied. Sie: der Sie Ihre Liebe schenken?" — ten Sie mir, Bella: Bin ich der erste Mann, der Ihnen seine Liebe schenkt?" Sie: „Mein Herr, Sie werden be leidigend!" Schnell gefaßt. Mam» lder von seiner Frau dabei überrascht zen kneift): „Nicht wahr, wie die Lina »ei uns dick geworden ist, Alte!", Zu Wohlthätigem Zweck«. I. Seit dem Vorjahre, da Herr Joses Huber, erster Commis bei dem Speze errungen,nicht verwinden,und beschloß, den künstlerischen Erfolgen der Adeli gen solche auS seiner Sphäre entgegen zusetzen. In seinem Kopfe entstand der Plan einer gut bürgerlichen Dilettanten- Vorstellung, und da er diesen jeder Gnädigen, die Zucker und Kaffee kaufte, jeder Köchin, die Petroleum be gehrte, und jedem Schulkinds, welches „FrUchtenzuckerln" verlangte, im Ver trauen mittheilte, wußte bald die ganze beklatscht. Huber verneigte sich und fuhr fort: „Ich habe den Plan, eine Dilettan ten-Vorstellung zu veranstalten, bei Künstler war, um sich bei Anhören ei ner Neuigkeit überrascht zu stellen, di« er schon längst wußte. Statt mit den Händen, arbeiteten die Anwesenden mit >den Zungen. Alles schrie wirr durchein ander: „Das wissen mir eh'!" „Z'wegen dem sind mir ja da!" „Anfangen!" „Wählen mir ein Stuck!" sprechen, wenn ich den Antrag stelle, die Vorstellung zu wohlthätigemZwecke zu veranstalten: stellen Sie Ihre Kunst „Da hat der Huber Recht," sagte Herr Huber verneigte sich, dann rief er: „Sie stimmen mir wohl zu, wenn ich Rindfleisch, sechs Kilo Kalbfleisch und All 112 chl s F st" te sind, gehen wir zum Shakespeare über, vielleicht „Hamlet" g'fällig?" Die Fleischhauerin sprang auf: Ich mir's Kleid für die Ophelia ma chen, und die Frau Ta»!' leiht mir ihr Makart-Bouquet für den letzten Akt, in dem's rappelt." Die in Aussicht gestellte Ophelia entschied über Hamlet's Schicksal, man beschloß, lieber einen deutschen Dichter zu wählen, „die Engländer ham eh' zu viel Stolz," wie Herr Blininger be hauptete. Herr Sögner stärkte seinen Muth durch einen Schwarzen, dann sagte er Plötzlich: „Ehren wir den Lieblingsdichter der Damen, führen wir ein Stück von „Was halten Sie von „Maria Stu art," flüsterte Frau Gersthoser, „da könnt' man Nuancern von der Wolter benutzen." „Der „Tell" iS a nöt übel," riesHerr Sögner.^ scheiden Sie." Huder, auf den alle Augen gerichtet waren, und der in diesem Augenblicke Gefahr lief, sich mit sämmtlichen Da me» der Gesellschaft zu verfeinden, be kam von seinem Chef einen Rippenstoß Huber warf seinem Chef einen ver ächtlichen Blick zu, wie er ihn sonst nur für die Hausknechte hatte, dann sagte er: „Bei so vieler Holdseligkeit kann ich nicht entscheiden, möge es der Zufall für mich thun, wir werden um die Amalie knopfziehen." Sämmtliche Damen überreichten ih re Kafseeservieiten, in eine Ecke ward die Enden zusammen; Alle zerrten jetzt, als ob es sich um eine athletische Kraftprobe handle,ein Moment athem- Diese war erst sehr gerührt, dann aber befielen sie düstere Gedanken, und leise frug sie Huber-Carl: „Sö, is die Roll' groß? Ich hab' an Huber sah die Rettung nahe; er schielte nach Fräulein Blininger und meinte: „Di? Noll' ist für eine Hausfrau, die ihre Wirthschaft versehen muß, nichts; die Fräulein Marie wird ein gutes Kind sein und sie der Mutter abnehmen." Fräulein Marie war heuchlerisch genug, sich eine Weile zu zieren; end lich küßte kie ihrer Mutter die Hand sten." „Gebt's es her!" stellte aber die Be müsse. Mit dem passenden Chore: „Ein freies Leben führen wir," trennten sich 11. Freundschaft geschlossen. Dieser hatte sich auch oerpflichtet, ihm an dem gro ßen Abende hilfreich zur Seite zu ste hen und ihm einige Nuancen einstu dirt, für welche Leistung sich Huber er kenntlich zeigte und seine Brieftasche allen Pumpversuchen des großen Künstlers willig darbot. Der Schauspieler hatte sich bereit erklärt, Hern Gerstboser die Nolle des alten Moor einzustudiren, welcher der Fleischhauer das ehrenvolle Zeugniß ausstellte, daß er lieber drei Ochsen schlage, „ehe er dieses Trumm Stück" lerne. Da aber Frau Gersthoser darauf bestand, daß wenigstens ein Mitglied der Familie eine gute Rolle bekomme, und nur unter dieser Bedingung ein vergessen und im „Volk" mitzuthun, mußte Gersthoser die Last auf sich neh men. Der Saal war überfüllt,der Anfang war auf sieben Uhr festgesetzt worden, Gersthofer-Moor das Costllm, das er und Franz begann: „Aber ist Euch auch wohl, Vater, Ihr schaut'S blaß aus." Der alte Moor fuhr erschreckt zu sammen, sagte aber gemüthlich: fort: sie sei nun lebenslänglich sür alle Syl vester-Schweinsrüssel mit Blättern ver sorgt. Blininger jun. erhielt ein Bou die klassischen Worte: „Die Mariedl E "si ' ßM ll Heiterkeit, als Gersthofer-Moor, der glUckwiinscht, „daß ihr Fleisch und Blut so was Gott sei Dank nicht im Stand' sei." « Im letzten Akt war die Rührung eine so allgemeine, daß die Künstler sind." Male, und Gersthoser erklärte selbst sMt. alte Moor gebe, welche Rolle ihr vor trefflich gepaßt hztte, erhob auch die Anklage gegen Schiller, daß es die Sache der Mutter gewesen wäre, das ganze Unglück zu verhüten. Blininger wurde indeß von allen Seiten auf den Fall Huber-Mariederl aufmerksam gemacht, er segnete endlich aer wurde einstimmig zur Zahlung dieses Defizits verurtheilt, weil er, wie Gersthoser heimtückisch bemerkte, heut' nicht nur zweifache, sondern drei fache Vaterfreuden erlebt habe." Huber brachte noch den mit Enthu- Sonntag im Kostüm Photographiren lassen, und Frau Blininger rief ener gisch: Da lass' ich mich nöt wiederum aus schließen, da führ' ich mein Plan mit der alten Moor aus und setz' mi' zum alten Moor Sie ham doch nix da gegen, Frau v. Gersthofen? ? > Di« zwölfte Stuns«. Von L. H. Schubert, Der Küster Zander zu Fleckenstedt hatte die Gewohnheit, allnächtlich ein mal« seinen Schlaf zu unterbrechen. Es geschah das in der Regel kurz vor Mitternacht, und es bereitete ihm, wie er versicherte, ein wonniges Gefühl, wenn er die zwölf dirmpf dröhnenden Schläge der Kirchthurmuhr nachzäh len, sich auf die andere Seite legen, die Decke über die Ohren ziehen und von Neuem einschlafen konnte. So ging es schon seit Jahren. " Eines Nachts jedoch, als er wieder die langsam über das stille beschneite Dörfchen verhallenden Schläge zählte, kam er nur bis elf. In der Meinung, sich verzählt zu haben, stand er auf und leuchtete auf die Schwarzwälderuhr. Sie zeigte auf zwölf. Er brummte et was von „seltsam" vor sich hin, denn ihm bisher noch nicht passirt war. Er kroch also vorläufig in's Bett; in der nächsten Nacht jedoch weckte er der Die Stunde nahte, die Glocke schlug— elf. Der Küster sah seine Frau an und die Kusterin ihren Mann. Ja, Mit diesem Troste gingen Herr und Frau Zander wieder zur Ruhe. Aber die Geschichte ward noch räth selhafter, als sich am nächsten Tage er gab. daß da oben olles ganz genau stimmte und die Uhr die Mittagsstunde mit vollen zwölf Schlägen anzeigte. Der Küster schüttelte bedenklich den Kopf; er dachte aber, aller guten Dinge sind drei, warum sollen es die bösen nicht auch sein, und wartete noch die dritte Nacht ab und siehe da, die Malefizu-Hr schlug wiederum elf! „Dem Ding muß ein Ende gemacht werden," sagte er sich, „ich muß Gewiß heit haben!" Er nahm denn auch in der kommen den Nacht die Thurmschlüssel zur Hand, in der festen Absicht den Spuk zu bannen, ging in der dunklen Stube auf und ab und warf hin und wieder «inen Blick nach der Schwarzwälder uhr, deren Zifferblatt er in dem klaren Lichte des Vollmonds, der über dem Kirchhof stand und gradwegs in die Fenster guckte, deutlich erkennen konnte. Mit einem Male, nicht lange vor zwölf, gerade wie er gehen wollte und noch so von ungefähr einen Blick durch Ihr Gatte macht/nu/„Pst!"^2>r und sie steckte den Kops unter die Decke. Das Etwas war die Dorfstraße Her selbst verschlossene Kirchhofpforte ge öffnet und schritt nun hin und her zwi dern, daß ihm.ein Gruseln über den breiten Rücken lief und ein „Alle guten Geister..." entschlüpfte, das unter de? Bettdecke hervor dumpf beendet wurde: loben Gott!" Er hatte sogar erwartete Erscheinung, daß er nicht einmal Auskunft über ihr Aussehen HU geben im Stande gewesen wäre. Er war wie zur Bildsäule verwandelt und stände vielleicht heute noch da, wenn ihn nicht die elf dröhnenden Schläge vom Thurm herab geweckt hät ten. Und gleich darauf hörte er es tapp tapp die Thurmtreppe herunter kommen, Pe Thür kreischen, den Schlüssel darin umdrehen und dann sah er es im Mondenlicht über den Friedhof huschen und im Dorfe ver „Kreuzfchock...!" Dieser simple Fluch beruhigte seine aufgeregten Nerven wieder und gab ihm den verlorenen Muth zurück. Morgen sollte ihm der Spuk nicht sc entschlüpfen! Und wenn es der Gott seibeiuns in höchsteigener Person wäre, er wollte ihn bannen. Ja. das ist bald gesagt! Das ha ben schon andere Leute gewollt wie Sie, L-rr Küster Zander zu Fleckenstedt, und sind dabei elendig umgekommen. Mit einem Geist ist nicht gut Kirschen essen! . . DaS merkte der Küster in folgender Nacht, als das „Etwas" wieder durch die Kirchhofsthür trat. Denn ein Zittern bestl ihn und auf der Brust lag's ihm wie «in Druck, daß er kaum zu athmen vermochte. Mit dem Ban nen wäre es also wahrscheinlich wieder nichts geworden, wenn nicht mit einem Mal« Mutter Zander, die sich doch nicht versagen konnte, wenigstens einen Blick unter ihrer Bettdecke hervor aus den unheimlichen Gast, der ihrem Manne so viel Grauen machte, zu werfen, aus „Aber, Heribert, das ist doch kein Geist !!" Und als hätte er noch einen zweiten gesehen, so fuhr der Küster herum und machte ein verdutztes Gesicht. „Was sagst Du? kein Geist?" „I bewahre! Schau nur genauer hin und bibbere nicht so gotteserbärm lich!" fuhr die Frau fort, die mit einem Male Muth bekam, im Nachtgewande neben ihren erschrockenen Gatten tre nicht, den Geist?" „Das ist doch nicht gar...?" „Na freilich ist's der lüderliche Schneider Bügel, der seine Frau narrt! Merkst Du's denn nicht!" „Ja aber wieso denn?" „Heribert, Dein scharfer Verstand, den der Herr Pfarrer immer so lobi, läßt Dich ja heut ganz im Stich! Höre zu. wie ich's mir denke und wie's auch ist. Der Schneider hat eine resolute Frau, Du kennst sie. Wenn er zu lang im Wirthshaus sitzt, ist sie nicht zart. Nun Hot er ihr versprochen, um elf daheim zu sein. Aber das Halten ist schwerer wie's Versprechen, und so sitzt er eben über die Zeit. Um nun den Skandal zu vermeiden, schleicht er vor zwölf hinauf auf den Dhünn, zu dem er als Glöckner ja den Schlüssel hat, und hält den Klöppel beim zwölf ten Schlage auf. So hintergeht er seine Frau, und da dir Täuschung ein mal geglückt ist, begeht er sie alle Nächte." Dem Rüster leuchtete die Geschichte ein. —Ob er sich geschämt hat? Zu sehen war's bei dcmMondenlichte nicht. Aber wie es mit einem Male elf schlug, da fuhr er auf in wildem Zorn und drohte dem Schneider die Knochen zu zerbrechen. „Nicht doch," sagte Frau Zander, „das überlaß nur seiner Frau, die ver stebts! Aber heimleuchten wollen wir ihm!" Dabei theilte sie ihrem Manne ihr Plänchen mit, während Bügel, der Geist, sorglos heimwärts torkelte. Und ebenso sorglos schloß er Nachts darauf die Wirthshaus-Thür hinter sich und trat vor sich hinlächelnd den bekannten Weg an, sein Bubenstück zu vollbringen. Aber es lauerte die Vergeltung! Just, wie er so die alte Treppe des Thurmes hinauf „spukte" und daran dachte, wie er den Küster genarrt, hob plötzlich die Thurmuhr aus und ein Glockenschlag zitterte durch die Luft. ..Alle Welter," sagte der Schneider, „da muß ich eilen, daß ich hinauf komme, sonst wird's zu spät." „Zurück, Frevler! Dein Maß ist voll!" „Es ist ein Uhr weißt Du das, he?" empfing sie ihn. Was dann folgte, davon weiß der Erzähler nichts, doch das weiß er. daß Bürstenmacher Schwebe! seine Weste zur Taufe seiner Jüngsten nicht bekommen konnte, weil Meister Bügel drei Tage lang krank zu Bett lag und dickverschwollene „blaue Fensterladen" hatte, wie Fritze, der Lehrjunge, sich auszudrücken beliebte. Gespukt hat's seitdem nicht wieder, und die Thurmuhr von Fleckenstedt läßt um Mitternacht volle zwölf Schläge ertönen, wovon sich Jeder überzeugen kann. Außerdem ist der Küster Zander jetzt äußerst stolz auf seine Frau, Niemand weiß warum nur wir wissen es! Aber, alle Achtung! Von dem Tage seiner Genesung an. geht Meister Bü gel Abends regelrecht um elf Uhr vom Wirthshaus heim. Er möchte solch Abenteuer nicht noch einmal erleben. > Ansichtssache. Richter: Haben Sie noch etwas zu bemerken, Angeklagter? Angeklagter: Ich bitt' schön. Herr Präsident, die Zuchthaus strafe doch in Gefängniß umzuwan deln! Richter: Weshalb denn? Angeklagter: Weil es doch ehrenvoller ist! Modern. „Ach, sagen Sie, Herr Schmidt, haben Sie in letzter Zeit einmal den Herrn Schwalbe ge sehen?" „Hm vor «!wa zwei Wochen." „Wenn Sie ihn wieder einmal treffen, dann bitte, erinnern Sie ihn doch daran, daß wir verlobt sind!" Zustimmung. Modedame: „Wir Frauen sind überhaupt viel flin ker und unternehmender, als Ihr Männer!" Mann (bedenklich): „Ja, das stimmt! Was Ihr in einer Stunde zusammenkauft, köninn wir oft in einem ganzen Jahre nicht be zahlen!" , > N«t«r «n» Arauen. »l» gH „ i», Kinde r-undMärchen-Welt. Wir leben in einem durchaus prak tischen Zeitalter, und nur einem sol chen blieb es vorbehalten, auch die Welt des Märchens nach ihrer Existenzbe rechtigung zu fragen. Wenn dies frü her von trockenen Stubengelehrten ge schehen ist, konnte es uns Frauen weni ger nahe berühren, als eben jetzt, wo die leitenden Geister der Kinderstube, die Mutter und Lehrmeisterinnen un serer Tugend sich neuerdings veranlaßt sahen, der buntschillernden Märchen pracht gar mißtrauisch zu begegnen, ja, sie als unpädagogisches Phantasiereiz mittel in Acht und Bann zu thun. Getragen von der Sorge, die Men schenkinder vom zartesten Alter ange fangen vor jenen gauklerischen Illusio nen und Trugbildern zu bewahren, die sväter in ein Nichts zerrinnen müssen, in der Sucht, praktische Verstandes menschen und nur solche allein für eine praktische Welt heranzubilden, in der eifrigen Suche nach der einzigen und reinen Wahrheit, haben denkende Frauen jüngst der „trügerischen, un praktischen, unwahren Märchenwelt" den Fehdehandschuh hingeworfen. Jene Damen, welche dem Märchen den Krieg erklärt haben, fechten mit dem Kopf, dem Verstand, wir mit dem Herzen, mit dem Empfinden. Was wir zu Gunsten der bedrohten Mär chenwelt anzuführen haben, läßt sich Kinderseelen ist ein gewisser Hang, ein starker Glaube an das Uebernatürliche vorhanden, aber eben dieser Glaube ist Alltagslebens, ergriffen wird" warum sollten wir es fesseln wollen, wenn es frei sein kann? Warum sollten wir der beweglichen Kinderphantasie nicht gestatten, Himmel und Erde, Luft und Wasser, Blumen und Bäume, Alles Engeln und Erdgeistern, guten Feen und Nymphen, Elfen und sprechenden Waldvöglein, mit der ganzen farben reichen Märchenwelt zu beleben, wenn die kleinen Menschen in dieser Anre gung ihrer Einbildungskraft sich doch so unendlich glücklich fühlen? In der Jugend ist der Sinn am empfänglich sten und bildungsfähigsten, warum sol len es nicht gute Eindrücke und schöne Erinnerungen fem, welche die Kinder aus märchenumwobener glücklicher Kinderzeit hinllbernehmen in ein ern stes Leben? Allerdings sind nicht alle Märchen rosig und freundlich, aber die furchtsamen Mädchen werden sich schon von selbst von allen finsteren und gru seligen Erzählungen abwenden, wenn ihre Wärterinnen unvernünftig genug sein sollten, sie damit zu quälen, wäh rend die kräftigen Jungen schon ihren eigenen Muth an dem ihrer ritterlichen Märchenhelden wachsen fühlen. Auch haben ja die meisten Märchen ein sitt liches Leitmotiv, nach welchem stets das gut« Prinzip über das böse als Siege rin hervorgeht. In Frau Holle, Schneewittchen, Aschenbrödel, Dorn röschen und wie sie alle heißen, überall erhält der Fleiß, die Demuth, die Aus dauer, die Unschuld schließlich ihren wohlverdienten Lohn, und die bösen Unholde und schlimmen Geister werden bestraft. Also können wir ruhig un sere Kinder in das Märchenland eines Grimm und Andersen einziehen lassen, ohne die geringste Gefahr für ihre gei stige und moralische Entwickelung. Zum Schluß möchte ich nur noch eine bescheidene Frage an die von dem Se gen der unbedingten Wahrheit, der rea listischen Richtung in der Kindererzie hung so tief durchdrungenen Frauen und Mütter richten, nämlich die, was sie den Kleinen als Ersatz für die Mär chenwelt, noch mehr aber für die im frommen Kinderglauben eine so schöne Rolle spielenden sagenhaften Gestalten im Familienleben, für den gutenSand den rothbeinigen Klapperstorch geben wollen? Sollen auch die süßen Wie genliedcken durch wissenschaftliche Er klärungen, der gutmüthige Santa Claus durch die prosaische Geldbörse und der Klapperstorch durch die ver hängnißvolle Jnstrumententasche des Herrn Doktors ersetzt werden? Nein, die Wirklichkeit und Wahrheit kann dem Kindergemüth niemals sein« Märchenwelt, mit der es die Natur, niemals die trauten Gestalten, mit de nen es alles Natürliche und doch Un verständliche in der Märchenwelt des Lebens bevölkert, ersetzen. Deshalb lassen wir unserer Jugend ihre Mär chenwelt, in der sie selig und glücklich fühlt, denn sie ist mehr als ein bloßer Zeitvertreib, ein Spielzeug für müßige Stunden, eine nichtige Ausrede für denkfaule Eltern, sie ist die Poesie der Kindheit. Den Kindern der Groß stadt geht ohnedies schon ein veredeln des Moment, die Liebe zur Natur, ver loren, weil die Natur ein Ding ist, das sie nur in künstlichen Erscheinungen kennen, dürfen wir ihnen auch deren ideale Schwester, die Liebe zu allen wunderbaren poetischen Gestalten, rau ben? Wir sollten mit der Jugend gerne dem poetischen Idealismus nach streben, denn den prosaischen Realis mus, die nackte Wahrheit werden ihr die Erfahrungen des Lebens genugsam bringen, gönnen wir also der Kinder» ihre schone MärcheMvelt!
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