Mia. (10. Fortscdung und Schlich.) Die Pforte schien geschlossen. Drol lino hatte sie beim Eintreten sorgfältig angelehnt. Er bewegte sich nicht. Am Fuß der niedrigen Mauer niedrgekauert, ver harrt- er schweigend, unbeweglich, wie die namenlosen Gräber, welche ihn um gaben Sein Gesicht war aschfahl, die Augen weit offen; aber auf ent stellten Zügen stand,, wie eingemeißelt, unveränderlich der Ausdruck eines wil den Entschlusses. Auf einmal sprang er aus; mit ei nem Satze hatte er sich an die Ziegel geklammert, streckte den Kopf über die Wählt. Die Landstraße führte abstei in einer kiesigen Schlucht, durch welche zur Regenzeit ein Bach strömte. Es war vielleicht die einzige Stelle desWe ges, welche von dem Wanderer etwas Aufmerksamkeit verlangte. Vor Jah ren hatte ein betrunkener Fuhrmann mit seiuemMaulthier durch einen Sturz über den verrätherischen Abhang in je ner Tiefe das Leben eingebüßt. Es brauchte ein sicheres Auge und Beson nenheit, besonders bei der Biegung. Auf einem nahen Kirchthurme schlug «Z zehn Uhr. „Noch eine halbe Stunde," dachte Drollino. Er stieg hinunter, trocknete sich den Schweiß ab, der ihm über die Schläfen rieselte, zog die Viltole aus der Tasche, betrachtete sie aufmerksam und legte sie neben sich im Bereich der rechten Hand auf den Boden. Im nah«n Busch späh ten die Sperlinge ohne Aufhören, in der Ferne ertönte in gemessenen Zwi schenräumen das seltsame Lied des Spechts, und durch dasGras des Kirch hofs hasteten und hüpften die Insek ten und bahnten sich ihre Wege. Um das allgemeine Kreuz gaukelten zwei verliebte Schmetterlinge mit hellgelben Flügeln. Drollino sah nichts von alledem. Je ner furchtbare innerlich- Blick, welchen das Auge nur in den höchsten Augen klicken des Lebens findet, war starr auf den Boden gerichtet. Nur wenn er auf der unten rorbeifiihrendsn Straße das Geräusch eines näher kommenden Wa gens hörte, wurde er blässer, erhob sich, horchte einen Augenblick und schaute dann hinunter. „Er ist es nicht," sagte er jedesmal fast laut. Und mit einer grausenerregenden Geduld setzte er sich wieder in sein Bersteck hinter der Mauer. Ein Lüftchen hatte sich erhoben; daZ fette, wohlgenährte Gras des Kirch hofs erschauerte, als wüßte es Entsetz liches. Der Zug war angekommen, jedoch fast eine Viertelstunde verspätet, und der Herzog Giuliano kam eilfertig aus dem Bahnhof und sah sich mit suchen dem Blicke nach dem Wagen um, der ihn erwarten sollte. Und er sah nicht nur den Wagen, die leichte Amerilana, an welche Mia gespannt war, er sah über dies eine äußerst elegante Amazone, welche in Begleitung eines Grooms in Livree auf ihn zuritt. „Giuliano! Giuliano!" sagte die Amazone im Näherkommen mit fröh lichem Lachen. Er war wie versteinert, als er seine Gattin erkannte, und: „Milla!" rief er in aufrichtig bewunderndem Tone. „Das war meine Ueberrafchung!" fuhr Milla fort, welche glückselig war über den Erfolg ihres Geheimnisses. „Ich wußte, daß Du es wünschest, und habe es gelernt, während Du abwesend warst. Sagte ich Dir nicht, auch ich habe meine Geschäfte?" Der Herzog betrachtete sie stumm und blaß. „Milla!." rief « unwillkürlich aus, „Du bist ein Engel, und ich bin ein...." er hielt einen Augenblick inne und voll endete dann: „ein wirklich glücklicher Gatte." Und sogleich machte er ihr tausend Comnlimente, lobte ihren Gedanken, ih ren guten Geschmack. Dieses Kleid stand ihr entzückend.... wie halte sie die Farbe so gut ge wählt. welch' hübscher Gedanke waren die großen vergoldeten Knöpfe auf der Jacke! Und welch' reizender Cylinder- Hut! Sie war wirklich eine klassische Amazone! Jetzt sreilch war er zufrie den.... jetzt wollten sie am Morgen lange fröhliche Spazierritte mitein ander ausführen. Wie lieb war Milla! „Nun wollen wir nach Hause," sagte der Herzog endlich. „Soll ich Dich zu Pferde begleiten?" fellenfuhrwerk nicht verschmähst." Milla schüttelte den Kops, verließ ihr Nserd, stieg in den Wagen und setzte sich an die Seite des Gatten. Sie waren sehr fröhlich. „Wie freue reißer!" H ? l 1 Dieser Gedanke ergötzte sie höchlichst! ler Empörung gegen die Siiteil be griffenes Geschöpf halten müßten. Sie sagte mit vor Vergnügen leuchtendem die an diesem Tage außerordentlich folgsam und klug schien, sah mit wah rer Freude auf die Herzogin, welche ihm hübscher als gewöhnlich vorkam mit diesem neuen, schelmischen, pri ckelnden Wesen, das sie an den Tag legte, vereinigt mit der kühnen, fast männlichen Art ihrer Kleidung. Und nun erwachte in der niedrigen Seel« des Kreolen ein Gefühl unedler Zu friedenheit. Der Gewissensbiß ver stummte vor der heimlichen Genug j thuung, das Hauptbuch seines Daseins so Wohl mit doppelter Buchführung eingerichtet z>> hoben. Nun fing er an, Milla schätzen.... er nahm sich ihr e"> wahrhaft glückliches Leben x > bereiten. War es nicht ein ausgesuchter Con trast, der ihn jedesmal bei seiner Rück kehr aus Genua erwartete? Der Edel mann hatte das Fundament seines künftigen Modus vivendi in den stillen, tiefen Sumpf feiner Seele gelegt und wünschte sich selbst Glück dazu. Als glücklicher Gatte und Geliebter genoß er den fieberhaften Sinnentaumel einer alten Leidenschaft, die neu entfacht worden war durch den höchsten Reiz eines zweiten Ehebruchs, und zugleich die «inen, süßen Fr'uden einer offe nen, zarten, edeln Liebe. welche wirklich fast anziehend genug war, um sogar der langweiligen Prosa der ehe lichen Liebe eine gewisse Poesie zu ver leihen. So dachte er, und über seinem Haupte blaute leuchtend der Himmel, die Sonne bestrahlte seinen Weg, die liebliche, lachende Landschaft begleitete ihn mit ihrem unabsehbaren erfreuli chen Grün. Und die zwei Ausreißer plauderten eine Zeitlang fröhlich fort. Aber als sie zu dem Abhang kamen, sagte Giuliano zu Milla: „Jetzt, Liebste, mußt Du mir den Gefallen thun und einen Au genblick ruhig sein; wir sind nahe bei einer gewissen Straßenbiegung, und da heißt es aufpassen. Es braucht ein offenes Auge und ein sicheres Pferd." „O, Mia ist ein Kleinod," antwor tete Milla, indem sie sich's in ihrer Ecke bequem machte und scherzend die klas sische Stellung eines Grooms auf dem Kutscherbock annahm. Giuliano zog die Bremse an und ließ Mia, obschon sie noch nicht bei den, Abstieg angelangt waren, im Schritt gehen. Drollino hatte hinter der Kirchhof mauer Mias Schritt von ferne schon gehört. O, der Schritt seines Pferdes! .....Er hätte ihn unter Tausenden er kannt. Das Herz wollte ihm brechen; ein furchtbarer Kampf erhob sich in fei nem Innern. Aber er gab nicht nach. Nur um noch sicherer zu sein, blickte er noch einmal über die Mauer. Nein, er hatte sich nicht getäuscht. Die Son ne strahlte in vollem Glänze auf die Straße nieder und weckte in den Sche iben der Wagenlaternen blendende Re flexe. Aber dies hinderte ihn nicht, Mia, den blonden Bart des Herzogs und ihm zur Seite Battisias grüne Uniform mit den vergoldeten Knöpfen zu erkennen. Jetzt war der Augenblick da. Er stieg hinunter, zog den Hahn der Pistole aus und wartete, hinter die Mauer gekauert, bis der Wagen näher kam. Er murmelte zwei Namen: „Mia und Milla!" Ja, er befreite beide von einem schmählichen Joch. Sie wußten es nickt, aber er rächte sich beide im gleichen Augenblick, Mia und Milla! Nein! Die Herzogin sollte nicht Ge fahr laufen, die Enthüllungen eines Spitzbuben anzuhören! Und wenn auch er, dieser Spitzbube, dabei umkam, gut, um so besser, daß das Geheimniß, des sen Enthüllung die Herzogin tödten tonnte mit ihm und dem Herzog be- Scklucht. In diesem Augenblick kamlZia im Schritt an die Kirchhosmauer, Drollino hörte auf zu denken; er lä chelte, hob die Pistole empor und drückte los. Ein furchtbarer Knall! Plötzlich vernahm man auf der Straße einen rasenden Galopp, dann den durchdringenden verzweifelten Schrei einer Frau. Drollino sprang auf, schwang sich auf die Mauer und blickte hinunter. lings mit gewaltigen Sätzen den Ab hang hinunter. Angstverzerrten Gesich tes zog der Herzog mit aller Macht rechts und links an den Zügeln, neben ihm war statt Battistas eine Hrau. Ihr Kopf war zurückgebogen, der Hut war ihr abgefallen, und Drollino erkannte die Herzogin. Eine Sekunde war er wie vom Blitze getroffen. „Allmächtiger!" schrie er dann laut auf, stürzte sich aus die an dere Seite der Mauer, nahm einen Sprung und fiel aus die Straße hin unter, Er erhob sich mit blutenden Hä nden. Mia, welche, eine Beute ihres maßlosen Schreckens, den Abhang hin unterstürzte, kam in eben diesem Au genblicke an in Sätzen, welche das Fuhrwerk zertrümmern mußten, mit fliegender Mähne und dampfenden Nü stern. „Hilfe!" rief der Herzog mit weit j aufgerissenen Augen; wahnsinnig vor j Schrecken starrte er auf die Schlucht, j gegen die er sich unwiderstehlich fort- i gerissen fühlte. Er stieß einen wilden Schrei aus und schloß die Augen. vom Rande des Abgrundes eine un förmliche Masse von Menschen- und Pferdegliedern. welche sich sträubend und sich überschlagend miteinander zu Boden fielen. Der Wagen blieb nach ei nem letzten heftigen 'Aufschnellen ste hen, während jene Masse in krampf haften Bewegungen zuckend auf der Erde lag und nach und nach ruhiger wurde. Der Herzog öffnete die Augen, sah sich gerettet und Milla nur ohn mächtig. Er nahm sie in die Arme und bettete »e an einen sicheren Ort in'S Gras. Darauf trat er wieder zu dem zerbrocbencn Wagen. Er sah Mia in den letzten Zügen auf dem Boden und unter ihrer kramphast zuckendenFlanke denjenigen, welcher in dem Augenblick der höchsten Gefahr mit verzweifelt kühner Rettungsthat ihm zu Hilfe ge kommen war. Er beugte sich, um ge nauer zu sehen, und erkannte in dem unbeweglichen, vielleicht todten oder besinnungslosen Mann Drollino. Der Widerhall des Schusses hatte Leute herbeigerufen. Die Herzogin, wel che nach und nach wieder zu sich kam, wurde auf einer in aller Eile gefertig ten Bahre nckch der Villa getragen. Als der Herzog in Betreff feiner Gattin beruhigt war, kehrte er an den Unglück sort zurück, wo die Herbeigeeilten nach und nach drollino freimachten. Der unglückliche junge Mann war noch am Leben, ab«r sein Zustand war schaudererregend. In seinem verzwei felten Kampfe niit dem Pferde hatte er von diesem einen heftigen Schlag auf die Brust erhalten; ein Arm war ge brochen, und über dem rechten Auge floß aus einer großen Wunde das Blut des jungen Mannes in Strömen. Der Dorfarzt, der in aller Eile ge rufen worden war, untersuchte Drolli no, den die Bauern auf die Wagenkis sen gebettet halten, an Ort und Stelle. Er schien noch ohnmächtig zu sein. Nachdem der Doktor ihn aufmerksam untersucht hatte, ließ er ein „Hm!" hö ren, das wenig Gutes versprach. Der Herzig befragte ihn ängstlich. „Es thut mir leid," antwortete der Doktor, „aber ich fürchte, die Lungen sind zerquetscht. Er ist ein verlorener Mann es kann sich nur noch um Tage handeln verstehen Sie?" Drollino bewegte sich und seufzte auf. Er war zu sich gekommen.... hatte er fein Todesurtheil gehört? Wer vermöchte es zu sagen? Der Ausdruck seines blut- und staubbedeck ten Gesichtes war nicht zu enträthseln. Man brachte ihn halbtodt in sein altes Kämmerchen im Meierhof, an welchen die Triften stießen. Die Herzogin war eingeschlafen, und Giuliano, der am Fußende des Bettes stand, betrachtete den schönen, kleinen, weich auf das Kissen gebetteten Kopf mit dem heiteren Angesicht. Er hatte aus übermäßiger Vorsicht gewollt, daß Milla während der drei ersten, dem furchtbaren Ereigniß folgenden Tage im Bette bleibe. Aber die junge Herrin hatte sch rasch erholt.,Uebrigens war die Erschütterung auch für ihren zarten Körperbau kein« übermäßige gewesen. Beim Beginn der Gefahr ohnmächtig geworden, hatte sie nicht alle Stadien des Unfalls durchgemacht; als sie sich unversehrt zu Haufe fand und Giulia no unverletzt sah, hatte sie an nicht weiter gedacht, als Gott inbrünstig zu danken. Man hatte ihr g:sagt, die Kut sche sei zu rechter Zeit zum Stillstand Der Herzog hatte, um sie nicht zu be trüben. ausdrücklich verboten, ihr von Drollino zu sprechen. Milla wußte nichts von seinem muthigen Einschrei ten und den vcrhängnißvollen Folgen desselben. Immer in der Absicht, ihr keinen Kummer zu machen, sagte man ihr sogar kein Wort von Mias Tod. Giuliano versicherte, daß der ver hängnißvolle Schuh, welcher das Pferd so sehr erschreckt hatte, nur von einem Jäger auf der Sperlingsjagd abgege ben worden sei. Milla »am Giulianos Erklärung ohne weiteres an; sie be ruhigte sich nach und nach und wurde heiter und fröhlich. War Giuliano nicht ihr unfehlbarer, angebeteter Prophet? Warum sollte sie ihm nicht glauben, wenn er es doch sagte? So hatte er ibr z. B. eben jetzt gesagt: „Sei lieb und versuche zu schlafen,Du hast wirklich ein durchaus kein Bedürsniß zu schlafen, und doch war dadurch, daß sie sich ru hig und unbeweglich heilt, der Schlaf gekommen. Nun schlief sie friedlich, sie hatte vertrauensvoll eine Hand in Giulianos Hände gelegt. Und so ver lassen wir in der Ruhe ihres sanften Schlafes unsere Heldin, die Herzogin Milla Lantieri aus dem fürstlichen Hause von Astianello. Giuliano löste sanft seiivFinger von der Hand seiner Gattin, legte mit zar ter Sorgfalt Millas Hand auf den Ueberschlag des Leintuchs und verließ dann heimlich auf den Zehenspitzen das Zimmer. Er war tief erschüttert... Die gefähr liche Fahrt angesichts eines schrecklichen Todes, und sägen wir es offen, auch der Gedanke an das Schicksal, welches die Herzogin bedroht hatte, halten ei nen tiefen Eindruck in seiner Seele zu rückgelassen. Der Kreole war unsanft aufgerüttelt worden; er konnte die Er innerung an jenen Augenblick nicht er tragen, aber die unerbittliche Erinne rung verließ ihn nie. Seine Dankbar keit gegen Drollino war unbegrenzt, und der Gedanke, daß jener Unglück liche nun für sie sterben sollte, war ihm äußerst peinlich. Und nicht genug an alledem, war ihm ein seltsames Ge rücht zuOhren gekommen, das von dem Sperlingsjäger nichts wissen wollte und an dessen Stell? einen unbekann ten, unversöhnlichen Feind setzte, wel cher. unterrichtet von Mias Fehler, die Folgen berechnet und sich eines Mit tels bedient hatte, das keine Spuren zurückließ und unausbleiblich die ver derblichsten Wirkungen hervorgerufen hätte, wenn nicht durch eine unerklär» Schicksals Drollino in eben dem ver hängnißvollen Augenblick sich einge funden hätte. Wer wie ihn ausfindig mach«», den geheimnißvollen Feind, wie in Zukunft sich vor ihm schützen, wen fragen?.... Drollino allein hätte vielleicht etwas sagen können. Aber Drollino, der AernHte, war gewiß nicht im stände, Auskunft zu geben; die in neren Verletzungen waren so schlver, daß nicht die geringste Hoffnung übrig blieb; er wurdo zusehend schwächer, «ane vestandtg« Blutfiürze, und jedes Der Herzog zeigte sich über Drolli nos Zustand sehr besorgt. Er besuchte ihn oft und begab sich, beunruhigt vom raschen Fortschreiten des Uebels, so oft nach dem Meierhof, als er sich von gleich und für alle: „Schlecht, sehr schlecht, Herr. Diesen Morgen der Propst gekommen und Wunder, wenn er die Nacht überlebe." Der Herzog stieß einen tiefen, auf richtigen Seufzer aus. sten und habe feit drei Nächten kein Auge geschlossen." Und damit ging sie vor dem Herzog der nach Drollinos Kammer führte. Sie trat» auf den Fußspitzen ein. Die Stube war sauber; die Kartof- Der Herzog saß mit angstgequeiltem Herzen am Fußende des Bettes auf ei nem Stuhle, den die Alte ihm geschäf tig hingestellt hatte. Er grüßte den Kranken und suchte einige tröstende, hoffnungsspendende Worte an ihn zu richten. Aber er verstummte. Drollinos Auge hatte sich plötzlich mit solch' er das Taschentuch hiett, sah die Alte chcud, geräuschlos die Kammer. Es kam dem Herzog vor, als wäre in diesem Augenblick ein neuer, frem der Schatten schwer in das Gemach ge fallen. Wie von unwiderstehlicher, ge heimnißvoller Macht gehalten, blieb er auf dem Stuhle sitzen. Drollino fuhr fort, sein vom Fieber glänzendes Cyclopenauge auf ihn zu richten. Das Stillschweigen dauerte schlver und drückend fort. Endlich fragte der Herzog, um der Pein ein End: zu inachen,-.Drollino, ob er ihm etwas zu sagen habe. „Ja," antwortete Drollino. Drollinos Stimme war zu hören; rauh, pfeifend, mit verändertem Kehlton, wie das Triebwerk einer zer brochenen, unter der sie probirenden Hand ächzenden Maschine. Der Herzog unterdrückte einen Schauder und fuhr fort: „Du wirst vielleicht von dem Unglücksfall mit mir sprechen, in welchem Deine großmü thige Kiinheit.... Wüßtest Du vielleicht .... könntest Du mir sagen wer?.... Man sagt, es sei ein Mordversuch ge wesen. Weißt Du'S? " „Ich weiß es!" „O, ich bite Dich.... sprich.... Du be greifst wohl, es ist nothwendig da mit ich mich vorsehen kann... für die Zukunft" Drollino hatte eine Art Lächeln da rauf, seineLippen verzogen sich ironisch. „Es ist keine Vorsicht mehr vonnö then! Er kann Ihnen lein Leides mehr thun. Sehen Sie " Und er zeigte mit dem Taschentuch auf sich s:lbst, Giuliano konnte, wollte nicht verste hen. Er stieß einen Schrei aus. „Du?" sagte er endlich, indem er zit ternd aufsprang, und zurückwich. Unglücklicher!.... Absichtlich? sollten?" Drollino schüttelte den Kopf. „Nicht Sie beide.... ich wußte nicht, daß die Herrin auch dabei war.... Ich nen große Schweißtropfen 7, Du?" rief er wieder, „Du? Warum denn? Was hab« ich. Dir gethan?" „Mir nichts," antwortete Drolli no, Unterbochen von seinem pfeifenden Athcm. „Warum führten Sie Mia? rin todten?" „Ich?" schrie der Herzog entsetzt; »bist Du verrückt geworden?" Herbst " Drollino winkte ihm, näher zu kom men. „Fürchten Sie nichts," fuhr er im mer mit dem gleichen trüben, starren Lächeln fort, „jetzt, jetzt.... Sie sehen w0h1..... ist es aus." Mund mit Blut. Giuliano wartet«, zitternd wie ein Espenlaub. „Aber jetzt.... jetzt...." versuchte er zu Als er sich erholt hatte, fuhr Drolli- Mia sollte die Ursache sein'... Aber da holen der Beiden. Ein Gurgeln stieg in Drollinos Kehle auf. Noch murmelte er mit höch ran!" Hierauf schwieg er, wandte den Blick von Giuliano ab und ließ sein Haupt Burschen, nicht wahr?" fragte berArzt, als er Giulianos verstörtes Gesicht sah. „Ja " stammelte der Herzog, „ich „Versteht sich! Ich habe es gleich mehr hierher kommen. Gehen Sie, das ist kein Schauspiel für Ihresgleichen; und jetzt ist's so wie so aus. Gehen Giuliano versuchte auf die Scherze und Rathschläge des Arztes zu lächeln; dann entfernte er sich ganz langsam. Schluchzen das vielleicht nicht nur Furcht, nicht nur Gewissensbisse ver anlaßten!».« DrolltnoSKammer war beinahe fin ster. In einer Ecke auf dem Boden brannte ein Otlliimpchen, dessen schwa» Lampenschirms noch gedämpft wurde. An den Scheiben und dem Papier des Fensterchens brach sich ein Mondstrahl, der in das Jnn«re zu dringen suchte und auf das Backsteinpflaster und die Wände lange weiße Streifen kalten, unbeweglichen Lichtes warf. Im Kamin in's endlose nächtlich« Dunkel dcrEbene gehüllt, im Schlafe lagen. Die Frau konnte dem Schlafe nicht es sich bleischwer auf die armen, müden Lider. Das beängstigende pfeifende Ge räusch von Drollinos Athcm vermochte nicht mehr, sie wach zu halten. Und die Eintönigkeit ihres Chores kein ande res Wert zu singen als: schlafen! schla fen! Wirklich schien Drollino jetzt viel ru higer; das Geräusch seines mühsamen nicht klug daraus. Um wach zu bleiben, nahm sie lieber Zuflucht zu dem Rosen kranz. Aber auch das bewährte sich strammer.... das Knie v0r.... jetzt halte Die Alte versuchte es mit etwas An derem. „Salve regina, Vita dulcedo, spes nostra...." Angst den Zügel höher. Fürchten Sie nichts.... Es geschieht Ihnen nichts ich bin da." In diesen unzusammenhängenden Worten lag ein fast zärtlich schmei chelnder Ton, etwas ungemein Tiefes und Gefühlvolles. Die Alte fuhr er schrocken aus dem Schlafe auf und be tete weiter: „in Hai.... lacrimarum »alle " Plötzlich veränderte sich Drollinos Gesicht. Die Züge wurden scharf und nen. Das Gesicht nahm eine gräuliche Färbung von perlartiger Durchsichtig keit an, unter welch-r es blauschwarz schimmerte, in der Farbe einer überrei fen Frucht, die durch jede Berührung zerquetscht wird. Die Alte war eingeschlafen. Sie schnarchte sogar und der Rosenkranz ruhte auf ihren dürren Fingerknöch«ln. Das kleine Lämpchen, in Hein das Oel Dunkel der Kammer und der ungewis sen Helle des Mondlichtcs erlag. Ein seliger, wundervoller Traum flackernde Erinnerung versetzte ihn zu rück in längst entschwundene Zeiten, und er durchlebte, dem Ende nahe, die unsagbare Wonne einer Stunde seiner frühesten Jugend. „Gib' ihm einen Kuß," sagte der ein fest geschlossenes, gespitztes Mäul chen suchte feine Lippen, ein fröhliches lino, nimm!" Er wich nicht zurück, er weigerte sich nicht. Er bewegte den schwankenden Und jetzt rief er mit dem Ausdruck des höchsten Triumphes: „Mia!" Die Alte schreckte aus dem Schlaf: auf.... Jesus Maria!.... Er sprach in einem fort, der Aermste, er hielt sich nie still! Jetzt rief er sogar nach seinem . dem Bette. Plötzlich eilte sie entsetzt davon, um Leute herbeizurufen. der Welt konnte den letzten Traum Drollinos stören. Der Geist hatte sich in den letzten Nöthen in jenen Traum geklüchtet und alle irdischen Fesseln abgestreift. Ende. Modern« Geburtsanzeige. „Hierdurch b««hr« ich mich ergebenst Sie von meiner in der vorigen Woche er folgten Geburt in Kenntniß zu setzen. Ich und mein« Mutter befinden sich wohl. Adolf Quietschkind." mal endlich mit ihr zu sprechen, wol len Sie aber nicht machen!" Ein «»«genbrecher. In der Kneipe sitze ich, Einsam, in Gedanken, Trübe Sorgen langsam sich , Um mein Herze ranken. Trink» «u verscheuchen sie; Doch so schwer wie Heu!« Wurde mir die Sache nie ' , Werd' der Sorgen Beute. Plötzlich einen Wunderlaut Höre ich erklingen: Einen Vogel hör' ich laut. Schmetternd lustig, fingen. Trotz der raucherfüllten Luft Singt der kleine Sänger Und ich ahne Frllhlingsduft. Sorge mich nicht länger. Armer Vogel! Du, obzwar Jahre schon gefangen. Weißt wie schön die Erde war Einst im Frühlingsprangen. Sorgenbrecher, habe Dank, Sollst mich nicht beschämen. Werd', wenn's Herz mir wieder krank. Dich zum Beispiel nehmen. Der Korb. Er hatte vor einem Korb gebebt gen... Nun sie an seiner Seite lebt, Muß er ihn doch als Maulkorb! „Ei herrches es, ja meine Herren, die Engländer!" so läßt sich Herr Bürstenbinder am Stammtisch vernehmen, „das sind Sie ganz grobe, ungeschliffene Batrone! Fahre ich Sie da neulich im Koupee und sitze zusam men mit so einem großkarrirten Welt umsegler! Und was denken Sie wohl legt er sich ganz ungenirt zum Schlafen nieder und legt mir weeß Kneppchen—beide Beine uff'n Schooßl Und so lag Sie der unverschämte Beef steakesser egal die ganze Tour, die ich mit ihm zusammenfuhr beinah' 'ne dreiviertel Stunde, ohne aufzuwa chen!" „Na hören Sie 'mal, warum haben Sie denn den Kerl nicht aufge weckt?" „Ai, wie konnt' ich denn das! Ich kann Sie ja kein Englisch!" Kaltblütig. Einen Be lastungszeugen sucht der Vertheidiger durch Fragen und Einwände unsicher zu machen. Vertheidiger: „Wissen Sie auch gewiß, daß der Vorfall sich am siebzehnten des Monats ereignet hat?" Zeuge: „Ja, am siebzehnten, ganz bestimmt." „Bedenken Sie, daß Sie geschworen haben, die genaue Wahrheit zu sagen! Woher wissen Sie, daß es der siebzehnte war?" „Ueberlegen Sie wohl, was Sie sa gen!" „Weil am Tage vorher der sechzehnte und am Tage nacher der Wörtlich befolgt. Mut ter (auf der Promenade): „Aber was schaust Du Dich denn so oft nach den Officieren um, die uns begegnen. Thekla, wie sieht das aus?!" Tochter: „Mama, sagtest Du aber ge stern nicht selbst zu Papa, es würde Bräutigam umschaute?" Ein guter Kerl. Amt mann (zum Gensdarm): „Sie, Miil men, die Huberbäuerin zu benachrichti gen, daß ihr Mann beim Baden er trunken ist?" Gensdarm: „Ich gehe gleich hin!" Amtmann: „Hö ren Sie mal, sagen Sie aber einstwei len noch nichts davon, daß der Kerl hat... die Strafe wollen wir erst spä ter einziehen!" Der einzige Ausweg. Arzt (zu einer Operetten-Diva, die sich impfen lassen will): „Soll ich Sie am Arme impfen?" Diva: „O Gott, wo denken Sie hm, Herr Doktor? Be denken Sie doch meinen Beruf! Sie müssen mich wo impfen, daß es nicht sichtbar wird!" Arzt (nach kurzem Nachdenken): „Dann, Fräulein, wird Ihnen nichts Anderes übrig bleiben, als die Lymphe einzunehmen." Zur Sache. „Nun?" fragte «ine Frau erbittert, die ihrem Manne seit einer halben Stunde eine Gardi- Silbe darauf erwidert hatte, „hast Du gar nichts zu sagen? Woran denkst Du eigentlich?" „An die- Kosten," antwortet« der Mann, ein Telegraphist, „die Deine Predigt ma chen würde, wenn Du sie mir an einen dritten Ort telegraphirt hättest, 133 Doll. 75 Cents." Fatale Beruhigung. Frau (zu ihrem in der Nacht heimkeh renden Gatten): „Aber, Emil, Du kommst jeden Abend später heim; ge stern um 11 Uhr, heut um 12. Wird das denn nicht anders werden?" Mann: „O doch, liebe Emma, beru hige Dich nur, morgen fange ich wieder mit eins an." Genügsam. Onkel (auf ZZesuch gekommen): „Was! Du hast Ehrenschulden? Wieviel denn?" Neffe (Student): „Hm soviel Du augenblicklich entbehren kannst, Onkel chen!" Die Interpretation. Carlchen: „Sag', Papa, was heißt machen?" Papa: „Hm Kind! «ine gute Cigarre rauchen." Kindermund. Die lleine Else (die ein neues Hemd anbekommen hat, das ihr viel zu weit ist): „Ach Mama, in dem Hemde fühle ich mich >so schrecklich einsam!" , > ! 3
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