Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, March 16, 1894, Page 2, Image 2

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    2 Tie »wSIf GesundhettSgedot«.
1) Lieb« die Arbeit, hasse den Mü
ßiggang! Müßiggang ist nicht nur
oller Laster Anfang, sondern er ver
weichlicht auch den Körper, macht ihn
widerstandslos gegen Krankheiten und
kürzt das Leben. Stetige Arbeit und
tägliche Uebung der Körperkräfte er
zeugen Gesundheit und Rüstigkeit,
Selbstvertrauen und Frohsinn.
2) Uebe Selbstüberwindung, indem
Du Deinen Hang zu Leidenschaften
mit männlichem Willen bekämpfst.
3) Fliehe den übermäßigen Genuß
Bedürfniß, zu trinken. Die Lust am
Genusse wird endlich zur Leidenschaft,
von der Du Dich nicht wieder losrei-
Rüstigkeit, Deine Widerstandskraft
bürste an den Seiten- und Oberflä
chen zu putzen. Jedenfalls thue dies
früh nach dem Aufstehen, ehe Du et
was genießest.
6) Für die Kopsbekleidung gilt das
Sprichwort: Kopf kalt, Füße warm!
7) Das zu feste Anlegen der Klei
der muß besonders am Halse vermie
den werde», damit Athmung und
wen.
9) Sei mäßigim Essen und Trin
ken; denn Unmäßigkeit erzeugt Krank
heit und kürzt das Leben. Iß und
trink nur dann, wenn Du Hunger und
Durst hast. Sind diese gestillt, so ist
10) Vermeide eiskalte, ebenso wie
beiße Speisen und Getränke. Sie
schädigen die Zähne-und, wenn sie
11) Iß und kaue langsam alle festen
Speisen, besonders etwas zähesFleifch
und altbackenes Brot verarbeite in der
Mas gierig und ungekaut verschluckt
wird, verliert an Nährkrast und schän
det dem Magen.
121 Nach dem Mittagessen vermeide
körperlich« Anstrengungen und zwar
in der Regel auf d« Dauer von zwei
Stunden.
Realistische Skizz«.
Im Dunklen lag ein Mensch und
»erquälte sein Herz mit Zweifeln.
Um ihn war's eisig, und es war ihm
»u Muthe, als läge «r in kalten Lei-
Jhn fror. Er hieß Müller. Sein
Pulsschlag stockte in frostigem Schau
dtr.
Er wußte nicht, wo «r war. Um
ihn pfiff der Wind, und die Bäume
der Landstraße bogen sich wie gigan
tische Teufelsfratzen, die dem brüllen
den Oberherrn derer, die verneinen, ihr
Comvliment machen.
Jetzt kroch über den dunklen und
schwankenden Umrissen der Allee
bäume das bleiche, blöde Alabasterge
sicht des Mondes herauf und grinste
den unglückseligen Mann mit einem
Schimmer glitscheriger Verständniß
losigkeit an. die wie ein riesenhaftes
Fragezeichen in des armen Menschen
Seele hinüberzitterte.
Er griff um sich. Was er ergriff,
war kalt und naß. Er griff wieder.
Es war naß und kalt. Er lag weich,
aber es war nicht di- Weichheit eines
Flaumbtttes. di« ihn sonst umfing zu
Jetzt! Allmächtiger, was war das!
Eiskalt drang es an seinen Füßen hin
auf. dem Herzen zu. Er stöhnte. Die
Bäume rauschten. Wohin er griff.
Alles weich und kalt und naß! Ent
setzlich! Jetzt noch einmal Allmäch
tiger. jetzt rann es in seine Stiefel!
Und nun. halbwegs zu sich selbst
««kommen. fühlte er, wie es zu allen
Augen hineinrann, in die Taschen, in
die Aermel. in den Rockkragen, eisig,
kalt, naß, weich, scheußlich!
Dünnflüssiger Schmutz mit etwas
balbgeschmolzenem Schnee und Salz
brühe aus. den Pserdebahngeleisen!
Ein leises Rieseln traf sein Ohr.
Tropfen sielen ihm in's Gesicht.
Kein Zweifel, er lag im Rinnstein!
—R ührendeDankbarkeit.
Meinen wärmsten, ewigen Dank. Dok
tor! Ich bin auf immer ihr Schuld
ner!" rief ein jungtr Mann aus, der
auf «inen New Dorker Arzt zugestürmt
war und diesem di« Hand gedrückt
hatte. „Sie haben mein Leben geret
tet!-Arzt: Ich kann mich aber nicht
besinnen. Sie behandelt zu haben!
lJunger Mann: Behandelt haben Sie
allerdings nicht, aber ich war im
Begriff, vor lauter Armuth Selbst
mord zu begehen, als mein Onkel starb
And mir PlO,<XX> hinterließ. Den.
haben Sie behandelt und ohn« Sie
tvürde er vielleicht noch heute leben!"
Ein praktischer Arzt.
Erster Arzt: „Wie kommt es nur,
Herr Collega, daß Sie so eine große
Damenpraxis haben?" Zweiter
Arzt: „Nichts ist einfacher als das.
Ich verschreibe jed«r meiner Patientin
nen eine Badereise, uud so empfiehlt
«ich «ine der aadern!"
DaS Gpitzentuch.
Rittmeister von Alvary athmete et
wa? erleichtert auf, als sich sein ge
strenger Onkel, der Herr General,
endlich den Waffenrock aufknöpfte;
das war nämlich das Zeichen, daß
ihn die traditionelle Moralpredigt, die
er dem leichtfertigen Neffen hielt, schon
in genügend« Hitze gebracht hatte, um
»um Schlüsse zu eilen. Der war
diesmal freilich ernster, als sonst.
„M gebe Dir mein Wort/ schloß
nämlich der alte Herr, „ich werd« es
nicht weiter darauf ankommen lassen,
das, Du mit Deinen dummen Strei
chen den Namen und den Rock, den
wir tragen, einmal ernstlich compro
mittirst: Du bist nur durch die Ehe
!w kuriren, «rgo wirst Du heirothen.
ZHenn Du nicht willst, steht es Dir
immer frei, zu quittiren und die
Stallmeisterkavriitre «inzuschlagen.
Ich denke ab«r. Du hast verschiedene
Gründe. Dich an die Marschroute zu
halten, die Dir Dein Onkel gibt. Den
Fasching über gebe ich Dir Zeit, Dir
eine Frau nach Deinem Geschmack zu
suchen. Habe ich bis Ostern keine
V«rlobungsanzeig«, so feierst Du
Pfingsten schon in einem von den
Heirathsnestern an der galizifchen
Grenze. Bei einem detachirten Ba
taillon in Holodufka wirst Du schon
darauf kommen, daß Dein Onkel
Recht hat. Damit Punktum und
Basta! Herr Rittmeister sind ent
lassen!"
Alvary. d«r unterdessen resignirt
an den Schnurrbartenden gekaut
hatt«, stand auf, klappte die Fecscn
zusammen und ging, nicht in der be
war «s so viel wie gehalten. In An»
betracht der geringen Anziehungskraft,
die eine Stallmeisterkarriere oder Ho
seinen Erbonlel angewiesen war, kam
Alvary bald zum Schlüsse, daß ihm
nichts Anderes übrig bleibt, als in
Hunaaesellenlebens würde trösten kön
nen.
Alvarys Kameraden wunderten sich
erst nicht wenig über den Geschmack,
den der „flotte Pista„, so hieß man
ihn, plötzlich an häuslichen Vergnü
gungen fand. Doch hatten sie es bald
weg, was ungefähr hinter seinen
eifrigen Besuchen von Jours, Fanii
len stecke.
„Mir scheint/ sagte sein Intimus
Bela v. Polany zu ihm, „Du reitest so
allgemach an die Ehehecke 'ran; gib
Acht, daß Du nicht in den Tümpel
fliegst! So was soll bei der Steeple-
Chase schon vorgekommen sein."
Alvary blickte darauf in den Spie
gel, strich sich befriedigt den pech
schwarzen Schnurrbart und meinte:
„Lächerlich!"
Nein, einem schmucken Rittmeister
kann so was kaum Passiren; gefähr
lich fand Alvary den Ritt nicht, aber
herzlich langnxilig. Wenn «r manch
chen in ein Gespräch über die jüngsten
Richtungen der deutschen Literatur
gezogen würd«, wobei er aus Gründen
der Sicherheit dem Fräulein stets be
dingungslos beipflichtete, da warf er
wohl einen sehnsüchtigen Blick in di«
Spielzimmer, wo ab und zu ganz
nett« Banken gegeben wurden; auf
Freierssüßen darf man natürlich an
keinrn grünen Tisch — da hat
man von Mon»o kaum jemals ge
bört. Und wenn er kxim Souper
mitunter gar zwischen zwei Garde
damen gerieth, die verzückt lächelten,
wenn er mit guter Miene zum bösen
Spiel bemerkte, er wäre ja auchGarde
rittm«ist«r, da schaute er etwas trüb
sinnig in das Champagnerglas und
dachte, der Sekt, der nicht in Chani
bres separees getrunken wird, hätte
entschieden seinen Beruf verfehlt.
Die Woaen des Karnevals näher
ten sich bereits in höher rauschender
Brandung dem öden User des Ascher
mittwoch und Alvary war noch im
mer nicht entschlossen, wohin er steu
ern sollte. An's Verlieben hatte er
von Ansang an nicht gedacht; über
solche Kinderkrankheiten pflegen Ritt
meister schon hinaus zu sein und der
artige Zufälle, die oft genug Unfälle
sind. Passiren Ein«m gewiß nicht,
wenn man sich auf höheren Befehl
eine Frau sucht. Dagegen bereitete
ihm die reiche Collectiv» heirathssähi
ger Mädchen vom hellst«» Blond bis
zum dunkelsten Schwarz, die er in
batte er am Mittwoch Abends zwi
schen der Baronesse -k. und Fräulein
von ?). geschwankt, so fand er am
es einen Abend wie d«n anderen.
Unter dem Eindruck der letzten und
«nimirtesten Soiree bei dem Gesand
ten D. entschied sich der Rittmeister
«ndlich für eine «ngere Wahl; die Ba
ronesse Lili Ratkay, «ine zierliche hüb
sche Blondine mit einem noch hübsche-
Tochter eines reichen Bankiers, eine
von den Beiden wollte «r definitiv mit
seiner Hand beglücken. Mit den zwei
Auserwählten unterhielt er sich denn
auch in reizvollei Abwechslung de»
Baronesse Lili liebte. Würd« ihm die
Ein« von einem Tänzer entführt, be
hielt er Fächer und Spitzentuch als
Pfand der Wiederkehr zurück, womit
«r sich wieder an die Seite der Ande
ren b«g«b. Hätte er Gelegenheit ge
habt, zehn Minuten ungestörten Zwie
gesprächs hätten genügt, um sich, sei
«s der Ein«n oder der Anderen, zu
erklänn; Alvary hätte es gern dem
Zufalle überlassen, welcher. Die Ge
mußt« bereits rasch Zuflucht zu einem
oft benutzten Auskunftsmittel nehmen,
um sich die Möglichkeit offen zu hal
be! Ratlays stand. Die Baronesse
Nervös schritt Alvary auf und ab.
nessc, es geschah mit Absicht. Ich
schleiert anzudeuten wagte. Da ver
zeihen Sie mir wohl die List, zu der
ich Zuflucht nahm; Ihr Spitzentuch,
Der Rittmeister sprudelte die Worte
aen. es war mir ein verheißungsvolles
Pfand für den süßen Blick, den Sie
mir beim Abschied« schenkten. O,
bitte, starren Sie nicht so zu Boden
und sagen Sie mir nur ein Wort!
Lassen Sie mich in Ihre Augen blik
ken, ob ich mein Glück darin lesen
kann! Hier, das Spitzentaschentuch—
gehört es der Baronesse Ratkay oder
der Braut des Rittmeisters Al
vary?"
Die Baronesse blickte mit sanftem,
gewährendem Lächeln auf. Mit gut
getroffenem Jukxlschrei faßte der Ritt
meister ihre Hand, preßte seine Lippen
darauf und wollte eben niederkni«»,
als ihr Blick auf das Spitzentuch fiel,
das auf dem Tische lag. Die Verän
derung, die im Gesichte der Baronesse
vorging, entging dem Rittmeister
nicht: er trat verblüfft einen Schritt
zurück.
„Pardon, Herr Rittmeister, Sie
scheinen sich geirrt zu haben; dies ist
sind antike Valenciennes, wäbrend
dies gewöhnlich« Duchessespitzen sind."
Die Baronesse zerknüllte das Ta
schentuch und warf es dem Rittmeister
..Sie sollten bei Ihren Listen und
man nicht immer die Eigenthümer!»
eruiren: L. R, das könnte ja bei
spielsweise auch Risa Lenkheim hei
ßen/ Mit dem Spitzentuch müssen
Si« zu Lenlheims gehen; mir gehört
nommen haben. Empfehlen Sie mich
Sie Brüsseler Spitzen. Adieu, Herr
Rittmeister!"
Der Rittmeister rieb sich die Stirn.
schentuch links und Nisas rechts ein
gesteckt! Oder hab' ich Ratkays rechts
und Lenkhcims links eingesteckt?"
Aus der Straße pfiff er vor sich
galizifch« Heirathsncst.
—ln der Töchterschule.
Lehrerin: „In Ihrem Aufsatz haben
Sie „Mund" klein geschrieben ... Else, >
sind Sit alxr eitel!" j
Stur«.
von F. vonkapsf-Essenther.
blickte sinnend hinaus in den Aufruhr
der Lust«. Welcher Gegensatz zwischen
hi«r innen und draußen! Hier das b:-
Tische. Kein Laut, als das Knistern
des Feuers und das Ticken der Uhr.
Draußen di« «nts«sselte Raserei des
Sturmes, der durch die finstere Nacht
dahintobt.
Armen und Elenden, die jetzt da drau
ßen der Feindseligkeit der Natur preis
gegeben sind.
Eben kommt ein junger Mann des
Weges, gerade unter ihrem Fenster vor
über. Sein Rock ist dürftig, sein fast
noch bartloses Gesicht blaß, seine Lip-
Ein furchtbarer Stoß, fast «inem
Kanonenschuß vergleichbar, tost durch
die enge Straße. Die Mauern schei
nen zu zitt-rn. Das Glas der Laterne
klirrt, die Flamme verschwindet, aber
schon lodert sie wieder aus. Dagegen
kollert der Hut des jungen Manne—
sein breitrandigerFilz —in den Schmutz
der Straße. Der Hut dreht sich wie
ein Kreisel, kollert dann schwerfällig
weiter, ruht einen Augenblick, schießt
dann mit plötzlichem Ruck davon und
p cht
Die Brücke ist leer.
Die Böschung des Flusses ist einge
friedet und unten in dem schwarzen,
sie sich wieder zu erheben vermag, ge
der Brücke etwas Dunkles, eine Gestalt.
Es ist d«r junge Mann voirvorhin, der
mit dem Oberkörper auf der Brüstung
liegt und in das Wasser zu starren
scheint. Er rührt sich nicht, so daß sie
ihn vorhin übersah. Mit übermensch
licher Anstrengung gegen den neuer
nicht versunken in den furchtbaren
Zauber der dunklen Todessluth unten,
wie er ist. Sein dichtes blondes Haar
flattert sturmgepeitscht, sein Gesicht
stützt sie, sührt sie.
er nicht di« Kraft, „Nein" zu sagen.
Wenige Minuten später steht er mit
niedergeschlagenen Augen In dem klei
nen stillen traulichen Zimmer. Offen
gen. Ich hoffe in es Ih
rem Herzen zu Ehren, daß Sie keine
Mutter haben."
Er schüttelt leise mit dem Kopfe.
Es r«ir das «rste Zeichen des An
theils, das er gab. Sie hatte ihn in
«inen Fauteuil am Feuer niedergezogen
und sich zu ihm gesetzt. Da saßen die
Beiden nebeneinander, als wären sie
Kind," fuhr die alte Frau fort, „daß
ich Ihnen Ihr Geheimniß abfragen, ei
nen unbescheidenen Blick in Ihren
Kummer thun will. Das Sprechen
wird Ihnen jetzt in dkser Stunde viel
zusammen."
Ein flüchtiges Roth flog über seine
blassen Wangen er ließ den Kopf
„Ich verstehe das Alles kann
Kind, warum ich Ihnen heute folgte?"
sprach die alte Frau. Er schüttelte
energisch mit dem Kopfe.
„Es sind fünfzig Jahre her," fuhr
sie nachdrücklich fort, „da da stand
ich on derselben Stelle, an der Sie
heute standen. Nur war es damals
eine alte Holzbrücke, aber das Wasser
genau so nächtig dunkel, so lockend für
eine verzweifelte Seele. Mich aber
hielt keine Hand, ich sprang hinunter,
um Heilung zu suchen für das bren
nende, unerträglich brennende Leid in
meiner Brust. Er, den ich liebte, hatte
mich verlassen. Er war ein wohlha
war, so zogen sie mich dennoch heraus.
Bielleicht war ich selbst schuld daran,
gab ich dem blinden Naturtrieb nach
hatte eben, als das schwarze eisige
Wasser mich umfing, die B-sinnung
verloren, mein junges Leben sträubte
Wie grausig das Alles war mein
Kind, dafür hat kein Dichter, hat keine
Sprache Worte, die Todesangst, die
Athemnoth, das Ringen mit der eisigen
Fluth, das Sinken in's Bodenlose,
dan» halbe Bewußtlosigkeit, dann das
volle schreckliche Erwachen im Spital—
das alte Elend vor sich und zudem noch
die Schande eines mißglückten Selbst
mordes ich dachte, ich müßte ster
ben, mein Herz müßte stille stehen.
Aber solch' ein junges Leben ist un
glaublich zähe, ich wurde als gänzlich
hergestellt aus dem Spital entlassen.
Das Todesgrauen und der Ekel vor
dem schlammigen Wasser blieb mir in
allen Gliedern, ich habe den Selbst
mordversuch nie mehr wiederholt, trug
mein Elend geduldig weiter. Es ge
lang mir, wieder Arbeit zu'sinden, und
ich lebte so fort, kann selber nicht sagen
wie, ich dachte nur immer.einmal stirbst
Du ja doch, es wird wohl zu erwarten
sein.
Arbeit fing wieder an mich zu freuen,
ich sah auch wieder besser aus. Da be
warb sich ein braver Mann um meine
anspruchslose Frau, und das versprach
ich ihm zu sein. Wir arbeiteten auch
tüchtig, und das Glück ward uns treu.
Wohlstand. Aber das war das Ge
ringste, Das das Schönste,
schert, das war die Liebe, die Treue
meines Mannes. Ohne leidenschaft
lich« Neigung hatten wir unseren Bund
geschlossen aber mit jedem Tage ge
wannen wir uns lieber, lebten wir uns
besser ineinander ein. Unsere beiden
Kinder gediehen, waren gesund, brav,
versprachen tüchtige Männer zu wer
den. Und eines Tages fand ich, daß
ich eine überaus glückliche Frau war,
lauter Sonnenschein in meinem Leben!
Und als hätte es das Geschick darauf
abgesehen, mich ganz und gar zu ent
schädigen, so machte mein Mann eine
klein« Erbschaft, »nd wir erstanden das
kleine Häuschen, in welchem ich jetzt
noch wohne. So ward mein Mann
auch noch Hausherr."
„Nun werden Sie mir sagen, das
schon zu Männern herangewachsen
kräftig und brav. Mein Mann konnte
sich von diesen Schlägen gar nicht er
holen er kcänk«lte, er siechte dahin
und zuletzt sah ich auch ihn hinsterben.
ich mich auch diesmal, wiewohl ich eine
ganz alte Frau war. Wie schwer das
Leben immer sein mag, es lohnt zu
hätte ich einen Grund mehr, mich d«s
letzten Restes meines Lebens zu
freuen."
„Meine kleine Geschichte hat Ihnen
mir, die ein halbes Jahrhundert län
ger gelebt hat, Sie werden von Ihrem
Weh genesen, Si« werden wieder lie
ben!"
„Wenn Ihnen sonst der Kampf um's
Dasein sauer wird so vertrauen Sie
das Eine: Ihr Leid, Ihr Kummer
Nacht! Jetzt tobt er noch um die Mau
einen schönen klaren Tag. Genau so
ist's im Menschenleben. Die Stürme
vergehen und es kommen heitere Stun
bar bleibt. Und nun machen Sie ei
ner alten Frau die Freude und verspre
chen Sie, daß Si« bis auf ein Weiteres
nicht wieder dahin gehen, woher ich Sie
heute zu mir geholt habe!"
Der Fremde küßte die dargebotene
Hand der Matron« und sagte mit be
wegter feierlicher Stimme:
„Ich verspreche «s!"
Stil» dem römische» Büreauleben.
„Atramentum" (zu deutsch: Tinte)
Stand auf einem ird'nen Krug,
Ueber's sinst're Richterantlitz
Wieder vollgefüllet sind!"
Abgetreten sind die Leute
Nur der Prätor blieb allein
Mit dem Sekretär, dem „Scriba",
Blickt' ihn an und lächelt' fein.
Trank und dann dem „Scriba" gab's:
In dem Krüglein war nicht Tinte,
Sondern edler Weichselschnaps.
Schlechtes Gewissen.
Unteroffizier (in das Atelier eines
Zahnarztes tretend): Ach Herr Dok
tor, wollen Sie, bitte, meinen Zahn
nehmen Sie mich doch selbst vor, Ihr
Assistent hat in meiner Kompagnie als
Einjähriger gedient.
Kindliche Auffassung.
Male in ein Concert mitgenommen
hatte, „wie war's denn?" „Na,"
meint die Kleine, „eine Dame schrie,
weil sie ihre Aermel vergessen hatte,
und ein Kellner spielte Klavier dazu!"
Woher der auch bei unS gebräuchlich«
Ausdruck „Hänseln" stammt, berichtet
hie im Jahr« 1743 erschien« „vollstän
dige Geographie Johann Hiibners".
Dort heißt es: Als der Hanseatisch«
Bund vor 3(X> Jahren im Flore war,
war Bergen nicht nur ein vornehmes
Mitglied von dieser Handlungscompaz»
ni«, sondern es war zu Bergen auch txr
vicrle große Comtoir, welcher nach
und nach in «Ine solche Hochachtung
kam, daß fast Niemand ein rechtschaffe
ner Kauffmann sein konnte, der nicht
in Bergen in Norwegen sein« Lehrjahre
Ausgestanden hatte. Als aber der Zu
lauf aus allen benachbarten Ländern
allzu groß ward, so führten die ange
sessenen Kaufleute daselbst ein Noviziat
ein. welches gantzer acht Jahre währt«
und so grausam war, daß man derglei
chen in keinem Heydnischen Slribenten
findet. Es bestund aber dasselbe in
einem dreyfachen Spiele, welches wir
etwas umständlicher beschreiben wollen.
Der Anfang ward mit dem sogenann
ten Wasserspiele gemacht. Da mußte
sich der Novitius ausziehen und ward
dreymgl imSeewasser unter dcmSchifse
durchgezogen, und wenn das geschehen
war, wurde er jedesmal von vier star
ken Kerlen bis aufs Blut gepeitscht,
daß er kaum in vier Wochen wieder
konnte geheilet werden. Darauf folgt«
das Rauchspiel. Da ward «in solcher
junger Kauffmann ein« halb« Stunde
lang in einen Schornstein gehangen;
unter seinen Füßen aber ward ein
Feuer von Haaren, Fischgräten und an
deren stinkenden Materien gemacht,
durch welchen Dampff-sie dermassen ad
gemattet wurden, daß si« halb wdt
herunter kamen, und darauf musten sie
sich abermal so lange mit Ruthen strei
chen lassen, bis sie über und über blut
rünstig waren. Wenn diese Kurtzweile
vorb«y war, so folgte zuletzt das Stau
venspiel. Da kam eine große Assembler
von den vornehmsten Männern und
Frauen zusammen, in der«n Gegen
wart wurden die Kandidaten abermals
ausgezogen. Darauf kamen etliche
vermummet« Kerlen, mit denen musten
die jungen Kauffleute erstlich tanzen;
dann zeigten sich vier „masquirte" Per
sonen in Mönchs-Habit mit Spießru
thrn der Hand; die peitschten den ar
men Sünder ärger als alle HenkerS
buben, und dabey wurde mit Trompe
ten und Pauken ein solches Geräusche
gemacht, daß man das erbärmliche
Winseln und Heulen nicht hören konnte.
Wer nun dieses dreyfache Spiel acht
Jahre nacheinander ausgestanden hatt«,
der ward endlich vor einen gebilligten
Kauffmann von dem Hanfelatifchtn
Bund« «rklärt. Vi«l« nun bli«ben gar
davon, welch« sich dtrgleichen grausame
Marter nicht auszuhalten getraueten,
und das war auch wohl das gantzc
Absehen mit diesen Spielen. Viel«
liessen im anderen oder dritten Jahre
wieder davon. Viele vergiengen auch
darüber, oder waren Lebenslang un
gesunde Leute. Und dabey blieb es,
so lange die Hanseatische Handels-Com
vagnie im Flore war. Als aber nach
diesen die ost- und westindischen Com
pagnien ausgerichtet und dadurch der
Hanseatische Bund ruinieret wurde, so
hatte auch dieses, mehr als barbarische
Narrenspiel ein Ende. Man rechnet es
auch billig unter die Himmelschreyenden
Sünden, welche Gott endlich gereitzet
haben, daß er der Weltkundigen Fluch
auf das Hanseatische „Commercium"
aeleaet hat. Nachher» hat man zwar
sowohl in Bergen als anderswo die
Gewohnheit behalten, daß sich die jun
gen Kaffleute haben müssen „Hänseln"
lassen, ehe sie vor voll angesehen wer
den, welches aber mehr Neckereien
sind und mit jenen »»christlichen Nar
renspielen in keine Vergleichung
kömmt.
DaS Gedicht al« Lebensretter»
Im Jahre 1743 wurde der beim
Regiment „Prinz Heinrich" alSLieute
nant stehende Ewald Christian von
Kleist, bekannt als Dichter des „Früh
ling", in einem Zweikampfe schwer am
Arm verwundet. Da ihm jede ernstere
Beschäftigung verboten war, lag er ge
langweilt und mißmuthig im Bette.
Plötzlich öffnete sich die Thür und Her-
Gleim, Hauslehrer beim Obersten von
Schulz, vorstellte. Er erkundigte sich
nach dem Befinden Kleist's und ver
hehlte nicht, daß ihn auch ein wenig
Neugierde hergeführt, da er gehört
habe, der Herr Lieutenant b»schästige
sich in seinen Mußestunden, gerade so
wie er, mit der Poesie. Da Kleist da
rüber klagte, daß ihm der Arzt das
ihm vorzulesen, und wählte dazu Ge
dichte seiner eigenen Feder. Eines der
selben war an den Tod gerichtet, der
dem Dichter seine Geliebte geraubt
Heilen:
„Tod, was willst Du mit dem Mäd
chen?
Mit den Zähnen ohne Lippen
Kannst Du es ja doch nicht küssen!''
mußte Kleist so heftig lachen, daß der
zu bluten anfing. Erschrocken eilte
Gleim fort, einen Arzt zu holen. Die
ser untersuchte hie Wunde und fand,
daß sie durch die Nachlässigkeit des
Feldschers bereits brandig geworden
Behandlung der Verlust des Armes, ja
des Lebens zu befürchten gewesen sei.
Auf diese Weise wurde das Gedicht
Seine Anschauung. Toch
ter: „PapL, auf dem Klavier fthltn
jetzt drei Töne!' Vater (befriedigt):
.Nun, das ist schon «m Anfang!"